Entscheidungsdatum
14.03.2019Norm
BBG §40Spruch
G309 2189357-1/9E
G309 2189356-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen I. den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 31.01.2018, OB: XXXX, wonach der Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen und festgestellt wird, dass dieser weiterhin 50 (fünfzig ) von Hundert (v.H.) beträgt und II. den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 01.02.2018, OB: XXXX, betreffend der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung in den Behindertenpass wird als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde hinsichtlich der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen, wird als unbegründet abgewiesen
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 14.12.2017 via der Zentralen Poststelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung betreffend seines mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H. ausgestellten Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ein. Dem Antrag war ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln (Befunde udgl.) angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 31.01.2018, wird nach persönlicher Untersuchung des BF am 16.01.2018 im Wesentlichen folgendes festgehalten:
"Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Chronisches Schmerzsyndrom der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen Obere Positionsnummer entspricht den Funktionseinschränkungen mittleren Grades, den radiologischen Veränderungen, den anhaltenden Dauerschmerzen, den Sensibilitätsstörungen und dem andauernden Behandlungsbedarf.
02.01.02
40
2
Hüftgelenksschädigung rechts. Fixe Positionsnummer entspricht den Funktionseinschränkungen mittleren Grades, der Schmerzsymptomatik, dem radiologischen Befund und dem weiteren Behandlungsbedarf
02.05.09
30
3
Ellbogengelenksschädigung rechts Fixe Positionsnummer entspricht den Funktionseinschränkungen geringen Grades bei Zustand nach Epicondylitis rechts.
02.06.11
20
4
Schultergelenksschädigungen beidseitig Fixe Positionsnummer entspricht den Funktionseinschränkungen geringen Grades beidseitig, den radiologischen Veränderungen und dem weiteren Behandlungsbedarf.
02.06.02
20
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der Behinderungsgrad der führenden GS1 wird durch den GdB der GS2, 3 und 4 gemeinsam um eine weitere Stufe angehoben, da die Schädigungen des Stütz- und Bewegungsapparates im Zusammenwirken eine zusätzliche maßgebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bewirken.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
beginnende Heberdenarthrosen der Fingergelenke, leichte depressive Verstimmung.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
GS1 und GS2 des Vorgutachtens, jetzt GS3 unverändert.
Neu hinzugekommen ist GS2 Hüftgelenksschädigung rechts und GS4 Schultergelenksbeschwerden.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Der Gesamtgrad der Behinderung bleibt gegenüber dem Vorgutachten vom 09.02.2006, trotz der dazugekommenen Hüftgelenk rechts und Schultergelenksbeschwerden, mit 50 v.H. unverändert, weil nach der neuen Einschätzungsverordnung im Gegensatz zur alten Einschätzungsverordnung des Vorgutachtens, Gesundheitsschädigungen mit einem GdB von 20% grundsätzlich für alleine, den Gesamtgrad nicht erhöhen."
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führte der Sachverständige wie folgt aus:
"Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Es ist Herrn XXXX trotz der gering-mittelgradigen Funktionseinschränkungen der unteren und oberen Extremitäten (Wirbelsäule, Hüftgelenk rechts, Ellbogengelenk rechts, Schultergelenke) sicher möglich, eine kurze Wegstrecke ohne Unterbrechung, ohne fremde Hilfe, ohne Verwendung eines Hilfsmittels zurückzulegen und das Ein- und Aussteigen sowie die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels zu bewältigen."
4. Mit Bescheid vom 31.01.2018 wurde der Antrag des BF auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen und die Entscheidung im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX gestützt.
5. Mit Bescheid vom 01.02.2018 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten von XXXX gestützt.
6. Gegen diese Bescheide erhob der BF mit per E-Mail übermittelten Schreiben innerhalb offener Frist Beschwerde, und führte aus, dass er mit dem Grad der Behinderung nicht einverstanden sei, da mehr Erkrankungen dazugekommen sind, zum Beispiel GS 1 und GS 2. Er bitte die Zumutbarkeit nochmal zu überdenken, da eine Stoffwechselerkrankung wegen Medikamente bestehe, eine schwere Erkrankung des Immunsystems vorliege und die Erkrankung des Verdauungssystems nicht berücksichtigt wurde.
7. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde einlangend mit 15.03.2018 vorgelegt.
8. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde der Amtssachverständige XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt.
In dem eingeholten Gutachten vom 30.05.2018 wird vom Sachverständigen basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF zusammengefasst folgendes festgehalten:
"Einschätzung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Chronisches Schmerzsyndrom der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und geringgradiger Fehlhaltung ohne neuromotorische Ausfälle Obere Positionsnummer entspricht den Funktionseinschränkungen mittleren Grades, den radiologischen Veränderungen, den anhaltenden Dauerschmerzen, den Sensibilitätsstörungen und dem andauernden Behandlungsbedarf
02.01.02
40
2
Hüftgelenksschädigung rechts Fixe Positionsnummer entspricht den Funktionseinschränkungen mittleren Grades, der Schmerzsymptomatik, dem radiologischen Befund und dem weiteren Behandlungsbedarf
02.05.09
30
3
Ellbogengelenksschädigung rechts nach stattgehabter Epicondylitisoperation Fixe Positionsnummer entspricht den Funktionseinschränkungen geringen Grades bei Zustand nach Operation rechts
02.06.11
20
4
Schultergelenksschädigung beidseitig mit eingeschränkter Hantierfunktion über Kopf Fixe Positionsnummer entspricht den Funktionseinschränkungen geringen Grades beidseitig, den radiologischen Veränderungen und dem weiteren Behandlungsbedarf.
02.06.02
20
5
Verdächtige somatisierende Depression mit fibromyalgischen Beschwerden Unterer RSW entsprechend der chronischen Schmerzen
03.06.01
10
Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.
Der Behinderungsgrad der
führenden GS1 wird durch den GdB der GS2, 3 und 4 gemeinsam um eine weitere Stufe angehoben, da die Schädigungen des Stütz- und Bewegungsapparates im Zusammenwirken eine zusätzliche maßgebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit bewirken. Die GS5 hebt nicht weiter an da keine negative Wechselwirkung besteht.
Leiden welche zu keine MdE führen: Steißbeinabszess, incip. Heberdenarthrosen, V.a. Autoimmunthyreopathie Hashimoto da ohne relevante Funktionsminderung.
Stellungnahme:
Aus der Eigenanamnese abzuleiten ist eine ausreichende Wegstrecke umsetzbar, auch können Niveauunterschiede überwunden werden, dies obwohl nachvollziehbare Schmerzen bei objektivierbaren Abnützungen mehreren Gelenke und auch der Wirbelsäule gegeben ist. Diesbezüglich wird eine Schmerzmedikation Stufe I nach WHO genommen. Der sichere Transport erscheint ebenso gegeben da das Hantieren auf Tischebene umsetzbar ist.
Es besteht keine Erkrankung des Immunsystems
Es besteht keine Erkrankung des Verdauungssystems It. Richtsatzverordnung (eventuelle Medikamentennebenwirkungen scheiden daher aus)
Bei dem Beschwerdeführer liegen
-
keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor.
-
keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor.
-
keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder schwere anhaltende Erkrankungen des Immunsystems vor.
-
keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor."
9. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 19.06.2018 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
10. Mit E-Mail vom 06.07.2018, erstattete der BF eine Stellungnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Der BF leidet an einem chronischen Schmerzsyndrom der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und geringgradiger Fehlhaltung ohne neuromotorische Ausfälle, einer Hüftgelenksschädigung rechts, einer Ellbogengelenksschädigung rechts nach stattgehabter Epicondylitisoperation, einer Schultergelenksschädigung beidseitig mit eingeschränkter Hantierfunktion über Kopf und einer somatisierenden Depression mit fibromyalgischen Beschwerden.
Der Grad der Behinderung beträgt 50 (fünfzig) v. H. (von Hundert).
Beim BF liegen keine erheblichen Einschränkungen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche psychische, neurologische oder intellektuelle Einschränkungen bzw. Einschränkungen des Immunsystems vor. Das selbständige Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe und der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Bedingungen sind dem BF möglich und zumutbar.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von MR XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin vom 30.05.2018 ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen sowie zu deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen.
Die getroffenen Einschätzungen basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchung ausführlich erhobenen Befund entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Mit der Beschwerde als auch seiner Stellungnahme gelang es dem BF nicht schlüssig aufzuzeigen, inwiefern seine Gesundheitsschädigungen nicht ausreichend eingeschätzt worden seien. Das Vorbringen des BF gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass der BF mit dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht einverstanden sei, vermochte jedoch nicht substantiiert aufzuzeigen, inwiefern dem BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund seiner Gesundheitsschädigung nicht möglich bzw. nicht zumutbar sei. Das Vorbringen des BF war daher nicht geeignet, das schlüssige und vollständige Sachverständigengutachten von XXXX zu entkräften. Es konnte ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. objektiviert werden.
Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß
Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragt haben.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 BBG Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Zu Spruchpunkt I:
Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, angehören.
§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 BGBl. Nr. 376. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.
Zu Spruchpunkt II:
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das
36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).
Gemäß § 29b Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen.
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Gemäß § 39 Abs. 2 AVG iVm. § 17 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, von Amts wegen vorzugehen und den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Das Verwaltungsgericht kann - unter Beachtung der Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis - mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden oder sie wieder trennen.
Angesichts dessen, dass in den im Spruch genannten Rechtssachen derselbe BF betroffen ist und sowohl dem Bescheid vom 31.01.2018 und dem Bescheid vom 01.02.2018 der belangten Behörde dieselben Sachverhalte zu Grunde liegen, ist es unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gerechtfertigt, die zu den GZ.: G309 2189357-1 und G309 2189356-1 protokollierten Verfahren gemäß § 39 Abs. 2 AVG iVm. § 17 VwGVG zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass beim BF die Voraussetzungen für die Feststellung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, nicht vorliegen. Es wurden keine erheblichen Einschränkungen der Funktion der unteren Extremitäten, keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems festgestellt. Das selbständige Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von etwa 300 m, das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe und der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Bedingungen sind dem BF möglich und zumutbar.
Da unter Zugrundelegung des im Administrativverfahren eingeholten Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 31.01.2018, schlüssig ein Grad der Behinderung von 50 (fünfzig) von Hundert eingeschätzt wurde und diese Einschätzung auch in dem vom erkennenden Gericht eingeholten Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 30.05.2018 in nachvollziehbarer Weise geteilt wird, wurde ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, und die Beschwerden gegen die im Spruch angeführten Bescheide als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G309.2189357.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.06.2019