TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/16 98/08/0200

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Veröffentlicht am 16.02.1999
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §23 Abs1 idF 1996/201;
AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §38;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Wulf Kern, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 22, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 18. Juli 1997, Zl. LGS-W Abt. 12/1218/56/1997, betreffend Einstellung der Notstandshilfe als Pensionsvorschuß, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 15. April 1997 - die Notstandshilfe des Beschwerdeführers als Pensionsvorschußleistung ab 1. Februar 1997 gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 lit. a AlVG 1977 eingestellt.

Nach der Begründung dieses Bescheides sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer Invaliditätspension ab 1. Juni 1995 sowohl von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter mit Bescheid vom 7. Juli 1995, als auch mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. Oktober 1996 mangels Erfüllung der Wartezeit (es lägen zu wenig Beitrags- bzw. Versicherungszeiten vor) abgewiesen worden. Daher sei das Arbeitsmarktservice (gemeint: die regionale Geschäftsstelle bei Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides) davon ausgegangen, daß trotz der (ergänze: im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides noch) anhängigen Berufung mit einer Zuerkennung der Pension nicht (mehr) zu rechnen sei und daher im Sinne des § 23 Abs. 1 AlVG der Pensionsvorschuß nicht weiter gewährt werden könne, weshalb die Einstellung ab 1. Februar 1997 erfolgt sei.

Die in seiner Berufung vertretene Auffassung des Beschwerdeführers, vor Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung dieser Vorfrage durch die Arbeits- und Sozialgerichte sei die Einstellung der Notstandshilfe nicht zulässig, teilte die belangte Behörde nicht, wobei sie darauf hinwies, daß im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde auch die im Leistungsstreitverfahren vom Beschwerdeführer erhobene Berufung bereits mit Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 11. April 1997 abgewiesen und gegen dieses Urteil vom Beschwerdeführer Revision beim Obersten Gerichtshof eingebracht worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung dieser Beschwerde mit Beschluß vom 9. Juni 1998, B 2247/97, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der vor dem Verwaltungsgerichtshof erstatteten Beschwerdeergänzung vertritt der Beschwerdeführer im wesentlichen die Auffassung, daß die oberstgerichtliche Entscheidung, wonach die Wartezeit als Voraussetzung zur Erlangung einer vom Beschwerdeführer beantragten Invaliditätspension nicht erfüllt sei, erst "am 30.9.1997, sohin mehr als sechs Monate nach dem erstinstanzlichen Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste ... ausgefertigt" worden sei. Die Bevorschussung von Leistungen aus der Persionsversicherung sei gemäß § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 AlVG solange zu gewähren, bis eine Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt. Dies sei erst mit dem erwähnten Urteil des Obersten Gerichtshofes erfolgt. Die belangte Behörde habe sich mit den in der Berufung erhobenen Einwänden des Beschwerdeführers nicht ausreichend beschäftigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 23 Abs 1 AlVG 1977, BGBl. Nr. 609, in der hier anzuwendenden

Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201 lautete:

"(1) Arbeitslosen, die die Zuerkennung

a) einer Leistung aus dem Versicherungsfall der Invalidität, der Berufsunfähigkeit oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit oder eines Übergangsgeldes aus der gesetzlichen Pensions- oder Unfallversicherung,

b) einer Leistung aus einem der Versicherungsfälle des Alters aus der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz, dem Bauern-Sozialversicherungsgesetz oder eines Sonderruhegeldes nach dem Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz beantragt haben,

kann bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf diese Leistungen vorschußweise Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe gewährt werden, sofern, abgesehen von der Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitswilligkeit und der Voraussetzung gemäß § 7 Abs. 3 Z 1, die übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Leistungen gegeben sind und im Hinblick auf die vorliegenden Umstände mit der Zuerkennung der Leistungen aus der Sozialversicherung gerechnet werden kann. Arbeitslosigkeit ist bei Beantragung einer Leistung nach lit. a auch anzunehmen, wenn aus einem aufrechten Dienstverhältnis kein Entgeltanspruch mehr besteht und der Anspruch auf Krankengeld erschöpft ist. Dieser Vorschuß ist in der Höhe des gebührenden Arbeitslosengeldes bzw. der gebührenden Notstandshilfe zu gewähren, darf jedoch die durchschnittliche Höhe der Leistungen nach lit. a bzw. der Leistungen nach lit. b nicht übersteigen. Sofern dem Arbeitsamt auf Grund einer schriftlichen Mitteilung des Sozialversicherungsträgers bekannt ist, daß die zu erwartende Leistung niedriger sein wird, ist die Vorschußleistung entsprechend zu vermindern."

Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch wegfällt.

Gemäß § 38 AlVG ist (u.a.) die zuletzt genannte Bestimmung auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld bzw. von Notstandshilfe als Pensionsvorschuß im Sinne des § 23 Abs. 1 AlVG ist somit nach der hier gegebenen Rechtslage, daß "im Hinblick auf die vorliegenden Umstände mit der Zuerkennung der Leistungen aus der Sozialversicherung gerechnet werden kann". Wenn diese Voraussetzung wegfällt, kann mit einer Einstellung des Pensionsvorschusses (sei es als Arbeitslosengeld oder als Notstandshilfe) im Sinne des § 24 Abs. 1 AlVG vorgegangen werden.

Wenn ein Pensionsvorschuß zuerkannt worden ist, so muß bei Beurteilung der Frage, wann mit der Zuerkennung von Leistungen aus der Sozialversicherung - entgegen der ursprünglich angenommenen Sach- und Rechtslage nicht mehr gerechnet werden kann, zwar kein allzu strenger Maßstab angelegt werden, wohl ist aber zu berücksichtigen, welche Anspruchsvoraussetzungen für die angestrebte Pensionsleistung nunmehr strittig und noch Gegenstand sozialgerichtlicher Verfahren sind. Soweit es sich bei den im arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren strittigen Fragen um leicht beurteilbare, insbesondere auch nicht von der Ermittlung von Sachverständigen abhängige, Umstände handelt, hinsichtlich derer keine komplizierten rechtlichen Erwägungen (die inhaltlich strittig sein könnten) anzustellen sind, und daher nach der ermittelten Sachlage mit der Zuerkennung der angestrebten Pensionsleistung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr gerechnet werden kann, kann die Leistungsvoraussetzung der Zuerkennung, mit der iS des § 23 Abs. 1 erster Satz AlVG "gerechnet werden kann", als weggefallen angesehen und daher von der Möglichkeit der Einstellung im Sinne des § 24 Abs. 1 AlVG auch noch vor Rechtskraft des sozialgerichtlichen Verfahrens Gebrauch gemacht werden.

Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor: Nach der Begründung des (ablehnenden) Pensionsbescheides vom 7. Juli 1995 verfügte der Beschwerdeführer im Zeitraum der letzten 270 Monate vor dem Stichtag anstelle von 135 Versicherungsmonaten nur über 107 Versicherungsmonate, sowie insgesamt nur über 48 (und nicht 180) Beitragsmonate. Nach den Tatsachenfeststellungen im Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes vom 10. Oktober 1996 sei der in Polen geborene Kläger 1981 nach Österreich gekommen und habe im Jahr 1982 mehrere Wochen hindurch unangemeldet gearbeitet. 1985 und 1986 sei er für die Akademie der österreichischen Wissenschaften auf Werkvertragsbasis tätig (und daher nicht versichert) gewesen. Nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens bestätigte das Arbeits- und Sozialgericht die Auffassung der Pensionsversicherungsanstalt, daß der Kläger nur insgesamt über 107 Versicherungsmonate, davon 48 Beitragsmonate und 59 Monate an Ersatzzeiten verfügte. Hinsichtlich dieses Urteils, welches somit das Fehlen einer beträchtlichen Anzahl von für die Wartezeit erforderlichen Versicherungsmonaten konstatierte, hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren nicht einmal behauptet, daß ihm etwa Aktenwidrigkeiten oder ein gravierender Rechtsirrtum zugrundeläge:

Es war daher nicht rechtswidrig, wenn das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste nach Vorliegen dieses Urteils angenommen hat, daß mit der Zuerkennung der Pensionsleistung an den Beschwerdeführer nicht mehr gerechnet werden könne, und demgemäß mit Bescheid vom 15. April 1997 den Leistungsbezug des Beschwerdeführers ab 1. Februar 1997 eingestellt hat.

Der gegen diese Vorgangsweise erhobene weitere Einwand des Beschwerdeführers, daß eine Leistung rückwirkend nicht eingestellt werden könne, ist zwar an sich von seiner rechtlichen Ausgangsbasis her berechtigt, trifft aber im vorliegenden Fall deshalb nicht zu, weil - nach der Aktenlage - dem Beschwerdeführer Leistungen über den 1. Februar 1997 hinaus nicht ausbezahlt worden sind (vgl. das Erkenntnis vom 2. Juli 1996, Zl. 95/08/0095). Es bedurfte daher bei der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 15. April 1997 nicht des Widerrufes dieser Leistungen; die belangte Behörde durfte (und musste) vielmehr bei Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen die bescheidmäßige Bestätigung der bereits erfolgten Einstellung des Leistungsbezuges mit dem ersten Tag, an dem eine Auszahlung der Leistung nicht mehr erfolgt ist, auch im Nachhinein vornehmen.

Der angefochtene Bescheid, mit dem die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen wurde, erweist sich daher frei von Rechtsirrtum.

Da dies bereits aus der vorliegenden Beschwerde hervorgeht, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 16. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998080200.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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