TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/14 W205 2183932-2

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Veröffentlicht am 14.03.2019
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Entscheidungsdatum

14.03.2019

Norm

AsylG 2005 §57
AVG §68
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W205 2183932-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA über die Beschwerde des A XXXX , geboren am XXXX 1967, Staatsangehörigkeit Kenia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.01.2019, Zl.1104123601/190042848-EAST-Ost, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG, § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren betreffend den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 01.02.2016 (im folgenden: "Erstverfahren"):

1.1. Der Beschwerdeführer reiste im November 2015 mit einem Visum der österreichischen Botschaft Nairobi, das von 05.11.2015 bis 15.02.216 Gültigkeit hatte, in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 01.02.2016 erstmals in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz (Erstantrag).

Bei seiner niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 02.02.2016 gab der Beschwerdeführer unter der Rubrik "Fluchtgrund" an, dass er Angst um sein Leben habe, weil er in Gefahr gewesen sei. Er habe lange Jahre als Wasserverkäufer in M gearbeitet. Der Beschwerdeführer sei Christ. Anfang 2015 seien Gruppen der Al Shabaab nach M gekommen und hätten begonnen, die Moslems zu radikalisieren. Der Beschwerdeführer sei von Freunden angesprochen worden, warum er noch immer zur Kirche gehe und warum er sich nicht bekehren lasse. Der Beschwerdeführer habe jedoch eine "Bekehrung" abgelehnt. Eines Tages habe er seinen Esel mit durchgeschnittener Kehle vorgefunden. Auch sein Wasserbehälter sei durchlöchert gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich dann an eine namentlich genannte Sicherheitstruppe gewandt, welche ihm jedoch nicht geholfen hätte. Er habe dann den Vorfall der Polizei gemeldet, die ihm gesagt habe, dass er nicht so viel Aufhebens um die Sache machen solle. Die Situation habe sich dann verschärft und der Beschwerdeführer habe die Feindseligkeit der Moslems gespürt. Anfang Mai 2015 sei der Beschwerdeführer am Heimweg von einer Al Shabaab Gruppe bedroht und geschlagen und dabei am Fuß und im Gesicht verletzt worden. Dies sei eine Warnung der Al Shabaab gewesen. Das Bein des Beschwerdeführers sei dann im Spital von K operiert worden. Bis zu seiner Ausreise habe sich der Beschwerdeführer in diesem Spital aufgehalten.

1. 2. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (künftig: BFA) am 29.11.2017 bestätigte der Beschwerdeführer vorerst die Richtigkeit seines bisherigen Vorbringens und gab neuerlich nach seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an, dass er wie alle Leute in seiner Gegend religiöse Probleme gehabt habe. Einige Leute seien zur Al Shabaab gegangen, weil dies zu dieser Zeit modern gewesen sei. Es habe auch Leute gegeben, die aufgrund dessen, dass der Beschwerdeführer kein Moslem gewesen sei, nicht mit ihm zusammenarbeiten hätten wollen. Der Beschwerdeführer sei aufgefordert worden, die Stadt zu verlassen, wenn er nicht konvertieren wolle. Eines Tages sei der Wasserkübel des Beschwerdeführers kaputt gemacht worden. Die Polizei habe ihm nicht geholfen. In der Nacht seien dann Männer zum Beschwerdeführer gekommen und hätten ihn geschlagen. Der Beschwerdeführer sei dann ins Krankenhaus nach M gekommen, von dort habe er dann seine Ausreise gestartet.

In der Einvernahme wurden dem Beschwerdeführer im Anschluss zur oben angeführten Aussage seine Unterlagen zu seinem Visumsantrag vorgehalten und er wurde über die Folgen einer Verletzung seiner Mitwirkungspflicht, Angabe einer falschen Identität, etc. aufgeklärt. Nach einer Pause gab der Beschwerdeführer an, dass er falsche Angaben gemacht habe. Richtig sei, dass er in Nairobi einen Visumsantrag gestellt habe und auch in Nairobi geboren worden sei. Auch die Geschichte, die er zu seinen Fluchtgründen erzählt habe, würde nicht der Wahrheit entsprechen. Der Beschwerdeführer habe immer in A gelebt und sei sehr oft in das nahe gelegene Nairobi gefahren, um dort zu arbeiten und Freunde zu treffen. Anfang des Jahres 2014 habe er von einer Arbeit in einem Steinbruch in M erfahren und sei dorthin gefahren. Dort habe der Beschwerdeführer Steine mit einem Eselskarren abtransportiert. Eines Tages sei der Beschwerdeführer am Abend auf dem Heimweg auf der Straße überfallen und zusammengeschlagen worden. Die Männer, die den Beschwerdeführer zusammengeschlagen hätten, hätten zu ihm gesagt, hier keine Ungläubigen zu wollen. Der Beschwerdeführer sei im Gesicht und am Fuß verletzt worden und habe einen Monat in der Krankenstation in der Stadt M verbracht. Nach diesem Monat habe er immer noch Probleme mit dem Fuß gehabt, deshalb habe man den Beschwerdeführer in ein größeres Krankenhaus gebracht, wo er auch operiert worden sei. Zu Beginn des Jahres 2015 sei der Beschwerdeführer mit einem Bus nach Nairobi gefahren. In A habe der Beschwerdeführer eine kleine Wohnung gemietet und bis zu seiner Ausreise im November 2015 als Gelegenheitsarbeiter gearbeitet. In dieser Zeit habe der Beschwerdeführer keine Probleme gehabt, aber seine Ausreise nach Österreich geplant. Bei der österreichischen Botschaft habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er jemanden in Österreich besuchen wolle und habe einen Visumsantrag gestellt. Nach Erhalt des Visums habe der Beschwerdeführer dann einen Flug nach Wien gebucht. Der Beschwerdeführer habe in Wien seinen Reisepass zerstört. Der Beschwerdeführer gab an, dass er Kenia verlassen habe, weil er einfach ein besseres Leben haben wolle.

1. 3. Mit Bescheid vom 18.12.2017, Zl. 1104123601/160165425, (Erstbescheid) wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Es erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kenia zulässig ist (Spruchpunkt V.) Sie erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.) und erließ ein befristetes Einreiseverbot auf die Dauer von 5 Jahren (Spruchpunkt VII.).

1.4. Gegen diesen Erstbescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit hg. Erkenntnis vom 30.01.2018, W252 2183932-1/2E, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., III., IV., V., VI. und VII. als unbegründet abgewiesen und der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots auf 12 Monate herabgesetzt wurde.

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht traf das BVwG aktuelle Feststellungen zur Lage in Kenia und stellte zu den Fluchtgründen und der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers - unter detaillierter Darstellung der dazu führenden beweiswürdigenden Erwägungen - folgendes fest:

"1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen A XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1967. Er ist volljährig und unverheiratet. Er ist kenianischer Staatsangehöriger und gehört der Religion der Pentcost Church an. Der Beschwerdeführer hält sich seit November 2015 in Österreich auf. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer wurde in Nairobi geboren und ist bei seiner Mutter in A aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat neun Jahre die Schule besucht und war als Gelegenheitsarbeiter tätig.

Die Mutter und der Vater des Beschwerdeführers leben noch in Kenia. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seiner Familie.

Der Beschwerdeführer verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer hat durchaus einige Schritte zur Integration gesetzt, er ist als freiwilliger Mitarbeiter im XXXX tätig und ist aktives Mitglied des Vereins XXXX . Der Beschwerdeführer hat bereits den Deutschkurs A1 besucht. Auch wenn er um eine Integration in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht bemüht ist, kann dennoch nicht von einer nachhaltigen Verfestigung gesprochen werden.

Seinen Aufenthalt in Österreich bestreitet der Beschwerdeführer aus Mitteln der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. 2016 war der Beschwerdeführer XXXX wegen destruierender Arthrose des oberen rechten Sprunggelenks postoperativ in Behandlung. Der Beschwerdeführer ist nicht signifikant in seinem täglichen Leben eingeschränkt. 2016 war der Beschwerdeführer aufgrund eines Pruritus - eines Juckreizes - in Behandlung.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Religionszugehörigkeit körperlich angegriffen und verletzt worden ist. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von Moslems und/oder Mitgliedern der Al Shabaab konkret und individuell mit der Ausübung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht worden ist. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Kenia Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Al Shabaab oder durch andere Personen drohen würde.

Es kann keine Verfolgung, weder aus den sonstigen Umständen noch aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung, festgestellt werden.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr nach Kenia kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Bei einer Rückkehr nach Kenia und einer Ansiedelung in der Stadt Nairobi kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem daher kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)."

In rechtlicher Würdigung kam das BVwG - zusammengefasst und soweit hier relevant - zu dem Ergebnis, mangels Glaubhaftmachung der behaupteten Bedrohungssituation und aufgrund der festgestellten persönlichen Umstände

-

drohe dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Kenia keine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, zudem bestünde (aus näher dargestellten Gründen) eine innerstaatliche Fluchtalternative, deshalb sei der erstinstanzliche Ausspruch in Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen;

-

durch eine Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat werde die (hohe) Eingriffsschwelle der Art. 2 und 3 EMRK jedenfalls nicht überschritten, zudem stünde dem Beschwerdeführer (wie oben ausgeführt) eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen, weswegen sich die Beschwerde auch im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet erweise.

Weiters seien die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 Asylgesetz 2005 nicht gegeben, die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung lägen - aus detailliert dargelegten Gründen und ausführlicher Interessensabwägung - vor.

1.5. Dieses das Erstverfahren rechtskräftig beendende hg. Erkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Rechtsvertreters am 01.02.2018 durch persönliche Ausfolgung zugestellt und blieb in der Folge unbekämpft.

2. Verfahren betreffend den zweiten, hier verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz vom 14.01.2019 (im folgenden: "Zweitverfahren"):

2.1. Am 14.01.2019 stellte der Beschwerdeführer im Anhaltevollzug den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung - Folgeantrag Asyl - vom selben Tag gab der Beschwerdeführer auf die Frage, was sich konkret seit der Rechtskraft des Erstverfahrens in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat verändert habe, an:

"Die Bedrohung aus dem ersten Asylverfahren erhalte ich nach wie vor aufrecht. Ich fragte bei einer Organisation namens "The Family Organization for empowerment" nach ob es für mich sicher wäre nach Hause zurückkehren zu können und erhielt am 09.01.2019 einen Brief, in welchem mir mitgeteilt wurde, dass es für mich nach wie vor nicht sicher wäre, da viele "Al Shabab-Anhänger" immer noch frei wären."

Für den Fall der Rückkehr fürchte er um sein Leben, weil diese Menschen ihn persönlich kennen würden. Die jungen Jihadisten seien von allen Gruppen in Kenia rekrutiert. Es gebe keinen Teil des Landes, wo er sicher wäre, solange die frei seien. Es bestätige auch der Präsident, dass es keine Sicherheit in dem Land gebe.

Die Frage, ob ihm bei einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe drohe, oder er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, bejahte der Beschwerdeführer.

Mit der Ladung zur Einvernahme für 24.01.2019 wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderfeststellungen zu Kenia (LIB, Stand 17.07.2018) übermittelt.

Bei seiner Einvernahme vor dem BFA vom 24.01.2019 gab der Beschwerdeführer an, er habe eine Stiefschwester in Österreich, diese habe er im Vorverfahren deshalb nicht angegeben, weil er gedacht habe, "es wäre nicht gut in meinem Fall sie zu erwähnen". Kontakt habe er zu ihr keinen.

Er sei im Jahr 2015 in Österreich eingereist und seither durchgehend in Österreich aufhältig.

Er stelle deshalb neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz, weil sein Leben in seinem Heimatland noch immer in Gefahr sei. Er habe Angst.

Zu Details befragt, gab er in dieser Einvernahme folgendes an:

"L: Seit wann haben Sie diese Probleme in Ihrem Heimatland?

A: Die Probleme begannen 2014.

L: Was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland?

A: Ich befürchte eventuell getötet zu werden.

L: Wer sollte Sie töten?

A: Ich habe Angst von der Gruppe Al Shabab, den Dschihadisten.

L: Inwieweit würden aufenthaltsbeendende Maßnahmen in Ihr Familien- und Privatleben eingreifen?

Anmerkung: Die Fragestellung näher erläutert, insbesondere dass im Rahmen einer Ausweisungsprüfung verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich, Aufenthaltsberechtigungen für Österreich, gewichtige private Interessen an einem Verbleib in Österreich, udgl. berücksichtigt werden.

A: Ich habe Verbindung mit einer Kirche und mit Organisationen. Ich habe auch Freunde hier.

L: Welchen Glauben haben Sie?

A:. Ich bin Christ.

L: Sind Sie in Österreich einer Beschäftigung nachgegangen oder waren Sie in Österreich berufstätig?

A: Als ich im Asyllager war in Linz, habe ich freiwillig dort Arbeiten verrichtet. Jetzt arbeite ich nicht.

L: Wie bestreiten Sie derzeit Ihren Lebensunterhalt?

A: Ich lebe von der Grundversorgung.

L: Sind Sie oder waren Sie in irgendwelchen Vereinen oder Organisationen in Österreich tätig?

A: Ich bin Mitglied der Kirche "H XXXX ".

L. Seit wann sind Sie dort Mitglied?

A: Unmittelbar nach meiner Ankunft hier in Österreich, also 2016.

L: Wie gut sprechen Sie Deutsch? Haben Sie schon Kurse besucht?

Anmerkung: AW antwortet in gebrochenem Deutsch und meint er kann ein bisschen Deutsch. Ich habe A1 und A2 Kurse besucht.

L: Welche Sprache sprechen Sie am besten?

A: Meine Muttersprache ist Kikuyo.

L: Welche Angehörigen befinden sich in Kenia?

A: Ich habe meine Eltern dort, aber sie sind getrennt. Und mein Bruder lebt noch dort.

L: Das heißt, es gab nur Ihren Bruder und Sie?

A: Ja.

L: Warum haben Sie in Ihrem ersten Verfahren angegeben, dass Ihr Bruder bereits verstorben ist? Sie gaben konkret an, dass Ihre Eltern in Kenia leben und ein Bruder bereits verstorben ist.

A: Ich weiß nicht, warum ich das hätte sagen sollen. Das kann ich nicht erklären.

L: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren Eltern und Ihrem Bruder?

A: Ja.

L: Wie oft?

A: Vielleicht einmal pro Woche.

L: Was erzählen Ihre Angehörigen?

A: Sie fragen, wie es mir geht. Ich will auch wissen, wie es ihnen geht und ob sie in Sicherheit sind.

L: Wie geht's ihren Angehörigen, was erzählen diese?

A: Sie sagen mir, dass sie ihr Leben leben. Sie erzählen mir über die Lage im Land.

L: Was erzählen Sie konkret über ihr Land?

Anmerkung: AW erzählt nur nach Aufforderung.

A: Sie sagen die Sicherheit ist nicht so gut und das Wetter. Es gibt Unsicherheiten im Land, es gibt politische Spannungen, also ethnische Spannungen. Das ist das, was sie mir erzählt haben. Nachgefragt gibt AW an, dass die Familie nichts über Bedrohungen oder sonstige Gefahren erwähnt hätte.

LA: Sie haben die Länderfeststellungen zu Kenia ausgefolgt bekommen. Was möchten Sie dazu sagen?

A: Die Informationen, die in diesen Länderfeststellungen stehen, entsprechen nicht der Situation vor Ort, so wie ich sie erlebt habe.

L: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?

A: Ich habe noch nicht alles gesagt. Mein Leben ist in Gefahr in Kenia. Die Mitglieder dieser Al Shabab Gruppe stammen aus allen Volkgruppen innerhalb Kenias, nicht nur von der somalischen Volksgruppe. Aus diesem Grund ist es so gefährlich. Sie kennen mich und sie sagten mir, dass ich sie nicht sehe, aber sie immer in meiner Nähe sein werden.

L: Wann haben Sie das gesagt?

A: AW meint er kann das Jahr nennen. Nochmals nachgefragt gibt AW an, dass es Anfang 2015 gewesen sein müsste, wenn er sich richtig daran erinnere. Das war, als ich von ihnen zusammengeschlagen worden bin.

Diese jungen Männer rekrutieren andere Dschihadisten. Ich kannte sie bereits bevor sie zu Dschihadisten geworden sind und die wissen, dass ich sie kenne. Die Lage ist jetzt total klar, dass ich von den Männern bedroht werde. Der Präsident hat alle Kenianer diesbezüglich gewarnt, er hat das am Unabhängigkeitstag gesagt und auch in seiner Neujahrsansprache. Er sagte, dass die Lage jetzt klar ist und dass die Dschihadisten jetzt in jeder Stadt und im Dorf andere Leute rekrutieren. Es ist jetzt für die Dschihadisten leichter, jemanden zu finden, nach dem sie suchen. Es gibt in meinem Land moslemische Dörfer, die noch aus der Kolonialzeit stammen. Als damals die Weißen Kirchen gebaut haben, haben damals die Moslems Moscheen gebaut. Ein weiterer Grund, warum ich nicht zurückkann, dass es in meinem Land eine sehr zersplitterte Volksgruppenaufteilung gibt. Meine Angst ist, in Angst zu leben. Ich weiß, dass diese Leute mächtig sind. Ich weiß, dass sie meinen Namen kennen und fühle mich deswegen bedroht."

Vorgelegt wurden eine Rede von Präsident Kenyatta vom 12.12.2018 über das Erfordernis der Bekämpfung des Terrorismus in Kenia (Zitat aus youtube) sowie ein allgemeines gehaltenes, an den Beschwerdeführer gerichtetes Schreiben einer namentlich genannten Person aus Nairobi, in dem unter Hinweis auf verschiedene Medien allgemein über das Sicherheitsrisiko durch ALSHABAB in Kenia berichtet wird ("Re: Security in Kenya Regarding Al Shabab in Kenya").

2.3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 28.01.2019 wurde der Folgeantrag vom 14.01.2019 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.); hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt II.) sowie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe im gegenständlichen Verfahren keinen Sachverhalt vorgebracht, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens entstanden sei. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte, sein Aufenthalt in Österreich erstrecke sich über einen Zeitraum von 02.02.2016 bis in die Gegenwart, wobei seine Einreise nach Österreich illegal erfolgt sei, er gehe keiner Beschäftigung nach, sei Mitglied einer namentlich genannten Kirche und es könne nicht festgestellt werden, dass eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich bestehe.

Zur aktuellen Lage in Kenia wurden folgende Feststellungen getroffen:

"(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des BFA zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom Juli 2018).

1. Politische Lage

Kenia ist gemäß Verfassung von 2010 eine Präsidialrepublik. Der Staatspräsident verfügt über weitreichende Exekutivvollmachten. Ihm unterstehen sowohl die Regierung als auch die Streitkräfte (AA 1.2017a). Allerdings wurde die Macht des Präsidenten mit der neuen Verfassung eingeschränkt und die Legislative gestärkt (BS 2018; vgl. GIZ 6.2017a). Durch die Bildung von Blöcken und die Polarisierung der Politik konnte sich die Regierung aber substanzielle Kontrolle erhalten (BS 2018). Kenia ist eine Mehrparteiendemokratie mit regelmäßig abgehaltenen Wahlen. Die politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten werden aber durch die umfassende Korruption und die Brutalität der Sicherheitskräfte schwer unterminiert (FH 2018).

Die Verfassung von 2010 sieht auch eine umfassende Dezentralisierung des Landes vor (GIZ 6.2017a). Seit den allgemeinen Wahlen vom 4.3.2013 ist Kenia ein dezentral aufgebautes und verwaltetes Land, das in 47 Counties gegliedert ist. Neben dem Präsidenten und Vizepräsidenten wurden erstmals Gouverneure und Parlamente auf dieser Ebene gewählt (AA 1.2017a; vgl. BS 2018). Die Counties entsenden jeweils einen Vertreter in den neu geschaffenen Senat, welcher die zweite Kammer des Parlaments darstellt (GIZ 6.2017a). Diese Transformation eines hochgradig zentralisierten Staates in eine dezentralisierte Verwaltungsform ist weltweit eines der ambitioniertesten Projekte seiner Art. Signifikante Exekutiv- und Steuerrechte werden den Counties übertragen. Bis auf die Bereiche Sicherheit und Bildung wurde die Verantwortung vom Zentralstaat an die Counties übertragen. Die Dezentralisierung genießt große Popularität in der Bevölkerung (BS 2018), diese erhält derart mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten (GIZ 6.2017a).

Generell ist die politische Lage stabil. Die Zahl der Kenianer, welche ihr Land als vollwertige Demokratie sehen, hat sich von 47 Prozent im Jahr 2012 auf 31,5 Prozent im Jahr 2015 verringert (BS 2018).

Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 8.8.2017 standen sich die Jubilee-Partei des amtierenden Staatspräsidenten Uhuru Muigai Kenyatta und das oppositionelle Parteienbündnis National Super Alliance (NASA) des ehemaligen Regierungschefs Raila Odinga gegenüber (AI 23.5.2018). Am 11.8.2017 hatte die unabhängige Wahlkommission (IEBC) den Kandidaten der Jubilee Coalition Party, Uhuru Kenyatta, zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt und seine Wiederwahl bestätigt. Der Oppositionskandidat Raila Odinga focht die Wahl vor Gericht an, und der Oberste Gerichtshof hat die Wahl am 1.9.2017 auch tatsächlich aufgrund von Unregelmäßigkeiten bei der Übertragung von Ergebnissen der einzelnen Wahllokale annulliert. Das Gericht setzte eine Neuwahl für 26.10.2017 an. Odinga zog sich am 10.10.2017 von der Wahl zurück und rief zum Boykott der Wahl auf. Kenyatta gewann die Neuwahl, die Resultate wurden am 20.11.2017 vom Obersten Gerichtshof bestätigt (USDOS 20.4.2018; vgl. EDA 25.6.2018, AI 23.5.2018, FH 2018). Demnach gewann Präsident Kenyatta die Wahl mit 98 Prozent der abgegebenen Stimmen, die Wahlbeteiligung lag unter 40 Prozent. Im August 2017 war sie mehr als doppelt so hoch gewesen (AI 23.5.2018; vgl. FH 2018). Raila Odinga rief am 31.10.2017 zu einer "nationalen Widerstandsbewegung" und zur Bildung einer "Volksversammlung" auf, die zivilgesellschaftliche Gruppen vereinen solle, um die "Demokratie wiederherzustellen" (AI 23.5.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018

-

AI - Amnesty International (23.5.2018): Amnesty International Report 2017/18 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Kenia, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/kenia, Zugriff 16.7.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (25.6.2018): Reisehinweise für Kenia, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/kenia/reisehinweise-kenia.html, Zugriff 25.6.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017a): Kenia - Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/kenia/geschichte-staat/, Zugriff 25.6.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

2. Sicherheitslage

Nach wie vor ist die Kriminalität in Kenia Besorgnis erregend hoch, belastbares statistisches Material hierzu ist aber kaum zu bekommen (GIZ 6.2017d). Außerdem besteht weiterhin die Gefahr terroristischer Anschläge. Es gibt Drohungen der somalischen Terrororganisation al Shabaab mit Vergeltungsaktionen als Reaktion auf die Beteiligung der kenianischen Streitkräfte an der AMISOM-Mission in Somalia. Mehrere Anschläge haben in der Vergangenheit auch schon stattgefunden oder sind vereitelt worden (AA 25.6.2018; vgl. BMEIA 25.6.2018, EDA 25.6.2018).

Auch die politischen Spannungen bleiben hoch. Es muss weiterhin mit politisch bedingten Demonstrationen und Gewalttaten gerechnet werden (EDA 25.6.2018). Demonstrationen aus politischen oder sozialen Gründen können unvorhersehbar eskalieren (AA 25.6.2018). Lokal begrenzte Unruhen und Gewaltausbrüche sind möglich, vor allem nach Gewalttaten, die religiös motiviert sind oder als solche wahrgenommen werden. Auch politisch und wirtschaftlich motivierte Zusammenstöße zwischen ethnischen Gruppen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Todesopfer gefordert. Diese finden jedoch hauptsächlich in abgelegenen Gebieten statt. Im Grenzgebiet zu Äthiopien kommt es ebenfalls zu vereinzelten Kampfhandlungen (EDA 25.6.2018).

Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in das Grenzgebiet (80km-Streifen) zu Somalia sowie in den Festlandbereich von Lamu ab (AA 25.6.2018). Das österreichische Außenministerium gibt eine Reisewarnung für das Grenzgebiet zu Somalia. Außerdem warnt es vor Reisen in die Provinzen Mandera, Wajir und Garissa. Abgeraten wird von Reisen in die nördliche Küstenprovinz (v.a. Lamu). Zu Vorsicht wird insbesondere für Mombasa sowie die Counties Kwale und Kilifi, wo in der Vergangenheit politisch und religiös bedingte Krawalle und Unruhen stattfanden, geraten. Aufgrund der verstärkten Präsenz der kenianischen Sicherheitskräfte in den genannten Gebieten hat sich die Sicherheitslage in den vergangenen Monaten allerdings etwas gebessert (BMEIA 25.6.2018). Ähnliche Informationen liefert auch das schweizerische Außenministerium (EDA 25.6.2018).

Al Shabaab führt gegen vereinzelte Gemeinden an der Grenze zu Somalia Guerilla-Angriffe durch, bei welchen sowohl Sicherheitskräfte als auch Zivilisten zum Ziel werden (USDOS 20.4.2018). Die Grenzen zu Somalia, Äthiopien und dem Sudan sind porös, und es kommt zur Proliferation von Kleinwaffen und zum Einsickern von Kämpfern der al Shabaab. Auch lokale Milizen haben die Defizite der staatlichen Sicherheitskräfte ausgenutzt. Dies betraf in der Vergangenheit die mittlerweile zersplitterte und größtenteils ausgelöschte Mungiki-Sekte und betrifft heute kleinere Gruppen in den Slums von Nairobi und Kisumu. Dort ersetzen die Milizen de facto die Polizei und regieren mit Gewalt. In ländlichen Gebieten ist die Polizei nicht in der Lage, das bewaffnete Banditentum in den Griff zu bekommen. Und auch dort - speziell in der ehemaligen Central Province und im Rift Valley - treiben Gangs und Milizen ihr Unwesen. Sie agieren semi-autonom und werden in Wahlzeiten von Politikern angeworben (BS 2018).

Regelmäßig zu gewaltsamen Zusammenstößen kommt es bei Ressourcenkonflikten in den Bereichen Tana River, Laikipia und Samburu - z.B. zwischen Pokot und Turkana (BS 2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (25.6.2018): Kenia - Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/keniasicherheit/208058, Zugriff 25.6.2018

-

BMEIA - Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (25.6.2018): Reiseinformationen - Kenia, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/kenia/, Zugriff 25.6.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (25.6.2018): Reisehinweise für Kenia, https://www.eda.admin.ch/content/eda/de/home/laender-reise-information/kenia/reisehinweise-kenia.html, Zugriff 25.6.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017d): Kenia - Alltag, https://www.liportal.de/kenia/alltag/, Zugriff 25.6.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Kenia ist ein Vielvölkerstaat und ein Einwanderungsland. Mehr als 40 unterschiedliche Ethnien leben in Kenia und sprechen mehr als 50 verschiedene Sprachen (AA 1.2017a; vgl. GIZ 6.2017c). Größere Bevölkerungsgruppen sind die Kikuyu (22 Prozent), Luhya (14 Prozent), Luo (13 Prozent), Kalenjin (12 Prozent) und Kamba (11 Prozent) (AA 1.2017a).

Auch wenn junge, gebildete Großstädter heute weniger auf ihre Ethnie als Bezugspunkt rekurrieren als früher, so spielt die Frage der ethnischen Herkunft doch noch immer eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft. Heiraten unter bestimmten Gruppen - etwa Kikuyu und Luo - bleiben noch immer eher die Ausnahme (GIZ 6.2017c). Kenia bleibt entlang ethnischer Linien tief gespalten (BS 2018).

Da keine Ethnie in Kenia von der Zahl her dominant ist (außer in einigen Counties), gab es seit der Staatsgründung politisch immer eine Notwendigkeit, Bündnisse zu schließen, wollte man die Macht erlangen oder halten. Politische Gegnerschaft muss aber nicht in Form ethnischer Polarisierung ausgetragen werden und darf es laut Verfassung theoretisch neuerdings auch nicht mehr. Verschiedene Institutionen haben die Aufgabe, Hasstiraden und die Bildung von Milizen zu unterbinden und einen nationalen Konsens zu fördern (GIZ 6.2017c). Trotzdem gibt es viele Faktoren, welche zu interethnischen Konflikten beitragen: Althergebrachte Landkonflikte; Proliferation von Schusswaffen; Viehdiebstahl; das Entstehen von modernen Gangs;

ineffiziente Lokalpolitik; ökonomische Effekte durch Dürren;

politische Konkurrenz. Vor allem im Rift Valley und an der Küste kommt es zu schweren Konflikten zwischen Landbesitzern und illegalen Siedlern während im Norden und Nordosten der Wettkampf um Wasser und Weidegebiete ein Problem darstellt. Häufig von Konflikten, Banditentum, Landstreitigkeiten und Viehdiebstahl betroffen sind die Somali, Turkana, Gabbra, Borana, Samburu, Rendille und Pokot. Manchmal kommt es im Zuge dieser Konflikte zu Todesopfern (USDOS 20.4.2018).

Die ethnische Zugehörigkeit wirkt sich auch am Arbeitsmarkt aus. Sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst werden Angehörige der eigenen Ethnie bevorzugt. In 15 von 47 Counties gibt es keinen einzigen Angehörigen einer Minderheiten-Ethnie in der County-Verwaltung oder in der County-Regierung (USDOS 20.4.2018). So geht also die Dezentralisierung auch mit einer Verschiebung der Korruption einher und in vielen Counties werden lokal dominante Ethnien bevorzugt, während lokale Minderheiten marginalisiert werden (BS 2018).

Albinos werden gesellschaftlich diskriminiert. Viele dieser Menschen verlassen aus Angst vor Misshandlungen ihre Dörfer und ziehen in Städte, welche als sicherer erachtet werden. Es kommt zu Übergriffen von Einzelpersonen auf Albinos, um an deren als magisch erachtete Körperteile zu gelangen (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.2017a): Kenia - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/kenia-node/-/208078, Zugriff 25.6.2018

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Kenya, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Kenya.pdf, Zugriff 16.7.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6.2017c): Kenia - Gesellschaft, https://www.liportal.de/kenia/gesellschaft/, Zugriff 25.6.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

3. Rückkehr und Dokumente

Alleine die Tatsache, dass jemand im Ausland um Asyl angesucht hat, zieht in Kenia nach einer Rückkehr keine Repressionen seitens des Staates nach sich (ÖB 20.12.2016).

Die nationalen Registrierungsrichtlinien sehen vor, dass Staatsbürger ab 18 Jahren verpflichtet sind, Personaldokumente beim National Registration Bureau einzuholen (USDOS 20.4.2018). Der Personalausweis (ID-Card) ist in Kenia ein sehr wichtiges Dokument, das für viele Lebensbereiche von Bedeutung ist. Prinzipiell ist für die Ausstellung einer kenianischen ID-Card eine sorgfältige Prozedur vorgeschrieben. So wird etwa die Identität in der Heimatregion eingehend überprüft. Allerdings gibt es dazu auch alternative Möglichkeiten oder man kauft den Ausweis einfach. Es ist außerdem einfach, sich einen Eintrag in der betroffenen Datenbank zu erkaufen. Insgesamt ist es sehr einfach, eine kenianische ID-Card zu bekommen (BFA 3./4.2017).

Quellen:

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BFA Staatendokumentation (3./4.2017): Protokolle zur FFM Somalia 2017

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (20.12.2016): Antwort der ÖB Nairobi, per E-Mail

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430126.html, Zugriff 25.6.2018

Es sei - so die zusammengefasste Begründung des angefochtenen Bescheides - festzuhalten, dass hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. keinerlei Sachverhaltsaspekte ins Treffen geführt worden seien, welche nach rechtskräftigem Abschluss des vorangegangenen Verfahrens mit 01.02.2018 entstanden wären. Bereits im Erstverfahren seien die Angaben bezüglich einer religiösen Verfolgung geprüft und abschließend festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer weder wegen seiner Religionszugehörigkeit körperlich angegriffen und verletzt, noch von Moslems und/oder Mitgliedern der Al Shabaab konkret und individuell mit der Ausübung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht worden sei.

Zu den im gegenständlichen Verfahren vorgelegten Schriftstücken werde angemerkt, dass diese Schreiben keine behördlichen Dokumente darstellten. Zudem bewiesen diese Dokumente in keinster Weise eine konkrete, individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlung.

Die erkennende Behörde könne sohin nur zum zwingenden Schluss kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert sei. Es liege sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor.

Was die weiteren und gemäß § 8 AsylG 2005 berücksichtigungswürdigen Aspekte betreffe, sei anzumerken, dass sich im gegenständlichen Verfahren ebenso kein Hinweis auf einen seit Rechtskraft des Vorverfahrens entscheidungsrelevant geänderten Sachverhalt ergeben habe, weder im Hinblick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers noch im Hinblick auf die allgemeine Lage in seinem Heimatland.

Zu Spruchpunkt III. führt das BFA aus, das "Bundesamt hat gem. § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG hat das Bundesamt gem. § 58 Abs. 3 AsylG im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen."

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen sei - so die Begründung weiter - gemäß § 57 AsylG von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 od. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet sei und die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar oder sei wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden. Eine Erteilung sei weiters vorgesehen zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von mit diesen im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen, insbesondere an Zeugen oder Opfern von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel. Die Aufenthaltsberechtigung werde auch an Opfer von Gewalt erteilt, sofern eine einstweilige Verfügung nach § 382b oder 382e EO erlassen wurde oder hätte werden können und die Erteilung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich sei. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 57 AsylG habe das BFA gem. § 58 Abs. 3 AsylG im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Im Zuge des Ermittlungsverfahrens habe keiner der drei angeführten Gründe festgestellt werden können, womit keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG vorliege. Daher sei ein Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG nicht zu erteilen.

2.5. Dagegen richtet sich die vorliegende rechtzeitige Beschwerde vom 11.02.2019, in der iW vorgebracht wird, es liege nicht entschiedene Sache vor. Das BFA habe keinerlei Recherchen zu den vorgebrachten Fluchtgründen getätigt. Es sei eine Begründung, warum im Vorbringen des Beschwerdeführers kein glaubhafter Kern enthalten sei, dem Bescheid kaum zu entnehmen, und insbesondere auch nicht seinem Vorbringen, dass er aus Kenia entwurzelt sei und jedenfalls in Gefahr wäre, im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Auch sei die Sicherheitslage für Menschen, die mit Al-Shabaab Schwierigkeiten hätten, nunmehr eine wesentlich schlechtere und die persönliche Situation des Beschwerdeführers eine völlig andere, da er keine relevanten Anknüpfungspunkte in seiner Heimat mehr habe, die ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative bzw. menschenwürdige Existenz ermöglichen würden, und er auch Gründe seine Integration betreffend vorgebracht habe, die beurteilt hätten werden müssen. Der bloße Verweis darauf, die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Veränderungen in seinen Fluchtgründen seien nicht glaubwürdig, weil ihm bereits im Vorverfahren nicht geglaubt worden sei, sei völlig unverständlich, nicht nur, weil diese Behauptung die Behörde nicht von ihrer Ermittlungspflicht zu den vorgebrachten Neuerungen entbinden könne.

Es folgen Ausführungen zur Zulässigkeit einer Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG und es wird weiter vorgebracht, der Bescheid des BFA erfülle diese Anforderungen mangels aktueller Recherche im Heimatstaat des Beschwerdeführers nicht. Es habe keine Beurteilung der vorgebrachten Fluchtgründe gegeben, auch das Privat-und Familienleben sei unzureichend behandelt worden, der Beschwerdeführer spreche bereits deutsch und lebe seit mehreren Jahren in einer Lebensgemeinschaft, die Frau unterstütze ihn finanziell und emotional. Der Beschwerdeführer sei selbsterhaltungsfähig und habe umfangreiche soziale und familiäre Kontakte in Österreich, die Frage "der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung" sei daher keiner in adäquaten Beurteilung unterzogen worden. Dem BFA sei es nicht gelungen, "die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu widerlegen und dass die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Sachverhaltsänderungen sowie die Veränderungen in der Sicherheitslage in Kenia seit der Rechtskraft des Vorverfahrens nicht in die Beweiswürdigung eingeflossen sind". Dem Beschwerdeführer drohe in seiner Heimat Verfolgung im Sinne der GFK und es wäre ihm daher Asyl zu gewähren gewesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Im Hinblick auf die konkrete, den Beschwerdeführer betreffende (asyl- und abschiebungsrelevante) Lage ist seit Rechtskraft des das Erstverfahren beendenden hg. Erkenntnisses vom 30.01.2018, Zl. W252 2183932-1/2E, keine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen basieren auf dem vorliegenden Akteninhalt iZm dem Beschwerdevorbingen.

Wie der Darstellung des Verfahrensgangs zu entnehmen ist, wurde das im Erstverfahren vorgebrachte Bedrohungsszenario, nämlich die konkrete Verfolgung und individuelle Bedrohung des Beschwerdeführers durch Angehörige der Gruppe Al-Shabaab in Kenia als unglaubwürdig qualifiziert und festgestellt, dass er aufgrund seiner Religionszugehörigkeit nicht körperlich angegriffen und verletzt worden sei. Weiters wurde vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Kenia und des persönlichen Umfeldes des Beschwerdeführers festgestellt, dass er bei einer Rückkehr nach Kenia und einer Ansiedelung in der Stadt Nairobi grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen könne, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Wenn der Beschwerdeführer nunmehr im gegenständlichen Folgeantrag vorbringt, sein Leben sei im Heimatland "noch immer in Gefahr", er habe Angst vor der Gruppe Al-Shabaab und seine Familienangehörigen hätten ihm mitgeteilt, es gebe Unsicherheiten im Land sowie politische und ethnische Spannungen, so zeigt dies in keiner Weise einen geänderten Sachverhalt in Bezug auf seine individuelle Situation im Herkunftsstaat auf. Der Beschwerdeführer hat in der Einvernahme sogar selbst angeführt, dass seine Familie "nichts über Bedrohungen oder sonstige Gefahren erwähnt" habe. Auch die vom Beschwerdeführer im Folgeverfahren vorgelegten Schriftstücke zeigen in keinster Weise eine ihm individuell drohende Gefahr auf, sondern enthalten lediglich allgemein gehaltene Darstellungen über eine allgemein von Terroristen ausgehende Gefahr in Kenia. Weiters ist dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers zu entnehmen, dass er in Kenia nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte hat, sodass auch in Bezug auf das Vorhandensein eines familiären Netzes keine Sachverhaltsänderung eingetreten ist, für die Änderung seines Gesundheitszustandes besteht kein Anhaltspunkt.

Auch im Hinblick auf die allgemeine Lage in Kenia ist - wie sich aus den dem Beschwerdeführer im Verfahren vorgehaltenen (oben wiedergegebenen) unbedenklichen Länderfeststellungen ergibt- keine entscheidungswesentliche Verschlechterung seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens eingetreten. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme behauptete, die ihm vorgehaltenen Länderfeststellungen zu Kenia "entsprechen nicht der Situation vor Ort, so wie ich sie erlebt habe", so ist dieses Vorbringen vollkommen unsubstantiiert und in keiner Weise geeignet, Bedenken am Zutreffen der Darstellung der Landessituation zu erwecken, zumal sich die Staatendokumentation im betreffenden Länderinformationsblatt auf verschiedene aktuelle, fundierte und vielseitige Quellen stützte, sodass keinerlei Zweifel an dessen Objektivität entstanden. Auch die Beschwerde ist den Länderinformationen nicht substantiiert entgegengetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) 1. Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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