Entscheidungsdatum
22.03.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G306 2181763-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch RA Mag. AUNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.01.2019, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen!
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 29.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).
Am 31.05.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt.
Am 13.09.2017 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am 29.11.2017, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von 14 Tagen festgelegt (Spruchpunkt VI.).
Mit per Telefax am 19.12.2017 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob der BF vermittels seiner vormaligen Rechtsvertretung Beschwerde gegen den zuvor genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, jeweils in eventu die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sowie jenen des subsidiär Schutzberechtigten, die Aufhebung der Rückkehrentscheidung, die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG, die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung des BF in den Irak, sowie die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG vom BFA vorgelegt und langten am 04.01.2018 bei diesem ein.
Am 15.01.2019 fand an der Außenstelle des BVwG Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der der BF sowie die nunmehrige Rechtsvertretung (RV) teilnahm. Die belangte Behörde nahm an der Verhandlung nicht teil.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehörige der Republik Irak. Er ist Angehörige der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Die Muttersprache des BF ist arabisch.
Der BF ist seit dem XXXX2018 mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX verheiratet und frei von Obsorgeverpflichtungen.
Die BF reiste im 26.06.2014 per Flugzeug aus seinem Herkunftsstaat Irak aus und spätestens im Mai 2015 ins Bundesgebiet ein, wo er am 29.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der BF besuchte mehrjährig die Schule im Irak und war bis zuletzt im Herkunftsstaat in der in Bagdad in einem Internetshop beschäftigt. Der BF wohnte bis zur Ausreise bei seinen in Bagdad lebenden Eltern.
Im Herkunftsstaat halten sich weiterhin Familienangehörige des BF, konkret Vater, Mutter sowie Geschwister auf.
Der BF ist arbeitsfähig und konnte nicht festgestellt werden, dass er an einer lebensbedrohlichen und/oder sich im Endstadium befindlichen Erkrankung leidet.
Die BF wurde im Irak, konkret in Bagdad, geboren. Dort hielt er sich bis zu seiner gegenständlichen Ausreise im Jahr 2014 auf und ist seine Familie weiterhin dort aufhältig.
Der BF war im Herkunftsstaat in der Lage seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeiten zu sichern.
Der BF hat Deutschsprachkurse bis zum Niveau B1 in Österreich besucht und am XXXX2018 mit Prüfung abgeschlossen. Eine Verständigung auf Deutsch ist möglich. Darüber hinaus hat der BF in der Marktgemeinde XXXX über die Jahre hinweg immer wieder im Bauhof gearbeitet.
Der BF weist durch seine Heirat familiäre Bezugspunkte in Österreich auf und verfügt über soziale Anknüpfungspunkte.
Der BF geht gegenwärtig keiner Erwerbstätigkeit in Österreich nach, sondern lebt von den Zuwendungen seiner Gattin.
Der BF erweist sich in strafrechtlicher Hinsicht als unbescholten.
Der BF hatte mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme.
Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
2. Beweiswürdigung:
Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten vorgenommenen Ermittlungsverfahrens sowie aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:
Die Feststellungen zur Ausreise aus dem Irak und zur Einreise in Österreich, sowie zu dem gegenständlichen Asylantrag ergeben sich aus dem diesbezüglich unbestrittenen Akteninhalt.
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen und Geburtsdatum), zur Staatsangehörigkeit, zur Muttersprache, zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Obsorgefreiheit, zum Familienstand, zum Schulbesuch im Irak, zur Erwerbstätigkeit im Herkunftsstaat, zu den familiären Anknüpfungspunkten im Irak, zur Arbeitsfähigkeit, zum Gesundheitszustand, zur Nichtfeststellbarkeit einer lebensbedrohlichen Erkrankung, zum dauernden Aufenthalt im Irak bis zur gegenständlichen Ausreise, zum Aufenthalt der Familie des BF im Irak, zum Besuch von einem Deutschsprachkurs und der Heirat, zur sowie zu den sozialen Anknüpfungspunkten getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung.
Die Erwerbslosigkeit des BF beruht auf dem Nichtvorbringen von Erwerbstätigkeiten seitens des BF sowie einem Sozialversicherungsauszug und ergibt sich die finanzielle Unterstützung durch die Gattin aufgrund der getätigten Angaben in der mündlichen Verhandlung.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit beruht auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichts (Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich).
Das Vorbringen des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates und seiner Situation im Fall der Rückkehr in diesen, beruht auf den Angaben desselben in dessen Erstbefragung und in seinen Einvernahmen vor der belangten Behörde und auf den Ausführungen in der Beschwerde sowie der nunmehrigen mündlichen Verhandlung.
Wie sich aus der Erstbefragung und den Einvernahmen im Verfahren vor der belangten Behörde ergibt, hatte der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit seine Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel vorzulegen. Im Übrigen wurde dieser von der belangten Behörde auch zur umfassenden und detaillierten Angabe von Fluchtgründen und zur Vorlage von allfälligen Beweismitteln aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt. Dem BF wurde dabei wiederholt seitens des BFA die Möglichkeit geboten in freier Erzählung sowie unter Beantwortung konkreter Fragen, seine Fluchtgründe darzulegen. Diese Möglichkeit wurde dem BF abermals vor dem erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung ermöglicht.
Dabei hat der BF wiederholt unterschiedliche Fluchtgründe angegeben.
1.) Bei der Erstbefragung vom 31.05.2015 gab der BF als Fluchtgrund an, dass er in Bagdad in einem schiitischen Bezirk lebte und mit dem Tode bedroht worden sei. 2.) Bei der Einvernahme vor dem BFA -fast 2 1/2 Jahre später - am 13.09.2017, gab der BF als Fluchtgrund im Wesentlichen zusammengefasst an, dass er in einem Internetshop gearbeitet habe. Es wären Kunden zu ihm gekommen und diese hätten gewollt, dass er Dokumente fälsche. Er habe dies jedoch nicht getan und er habe aus Angst diese Kunden auch nicht angezeigt. In der letzten Zeit seien dann auch sogenannte "Fliegpolizisten" gekommen. Diese hätten verlangt, dass er ihre Dienstanwesenheitsliste fälschen soll. Er habe dies jedoch abgelehnt. Sie wäre dann ein zweites Mal gekommen. Er habe wieder abgelehnt. Eine Woche später wäre dann in die Firma ein Drohbrief gekommen in dem gestanden sei, dass er den Irak in drei Tagen verlassen soll, ansonsten ihm der Kopf abgeschnitten werde. Sonst habe er keine Fluchtgründe. 3.) In der Beschwerdeeingabe vom 19.12.2017 macht der BF wiederum seine Religionszugehörigkeit - Sunnite - als Hauptgrund seiner Flucht. Sunnite würden eine Minderheit darstellen und man sei der Meinung, dass diese sowieso alles machen müssen was ihnen aufgetragen wird. Deshalb sei er aufgefordert worden Dokumente zu fälschen.
In der nunmehrigen mündlichen Verhandlung gab der BF zum Fluchtgrund befragt an, dass er bei seinen Ausführungen, welche er vor dem BFA gemacht habe, bleibe. Eine Anzeige hätte er im Irak nicht gemacht. Die Eltern und Geschwister würden nach wie vor im Irak leben und wäre gegenwärtig keiner Bedrohung ausgesetzt. Auf die Frage, wenn die geschilderten Probleme im Irak nicht vorliegen würden, er wieder in den Irak zurückkehren würde, gab der BF an, dass er dies noch im Jahr 2015 gemacht hätte, jedoch jetzt sei er hier verheiratet und würde nicht mehr zurückkehren.
Das BVwG schließt sich im Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF an und erachtet dessen Vorbringen hinsichtlich des Bestehens einer Verfolgung durch vermeintliche "Fliegpolizisten" ausfolgenden Erwägungen als nicht glaubhaft:
Auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass der BF, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat machen kann, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, in ihrer Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich konsistenter Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung auch möglichst rasch erhalten zu können. Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich im Bewusstsein dieser Person einprägen, selbst nach einem längeren Zeitraum noch ausreichend konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.
Aus einer Gesamtschau der Angaben des BF im Verfahren vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung ergibt sich jedoch, dass dieser im gesamten Verfahren trotz der zahlreichen Gelegenheiten nicht imstande war, eine im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehende Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Es konnte weder eine konkret gegen die Person des BF gerichtete Verfolgungsgefahr festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung im Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen lassen hätten.
Die vom BF vorgebrachte Fluchtgeschichte weist einige Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten auf, weshalb es dem Fluchtvorbringen des BF an Glaubwürdigkeit mangelt.
Zuerst gab der BF als Fluchtgrund den Umstand an, dass er in Bagdad in einem schiitischen Bezirk gelebt habe und dort mit dem Tod bedroht worden wäre. Bei der Einvernahme vor dem BFA - 2 1/2 Jahre später - brachte der BF vor, dass er in einem Internetshop gearbeitet habe. Es seinen immer wieder Personen gekommen, die von ihm verlangt hätten Dokumente zu fälschen. Er habe dies nie gemacht. Es seien dann jedoch sogenannte "Fliegpolizisten" gekommen, 2 Männer, diese hätten verlangt, dass er ihre Dienstabwesenheitslisten fälsche. Aufgrund dessen, dass er dies abgelehnt habe, sei ein Drohbrief gekommen mit der Aufforderung den Irak zu verlassen. In der Beschwerde wird die Fluchtgeschichte auf die Zugehörigkeit zu den Sunniten hauptsächlich thematisiert.
Gegenständlich in der mündlichen Verhandlung gab der BF nun an, dass weder seine Eltern noch seine Geschwister einer Bedrohung im Irak ausgesetzt wären. Der BF konnte auch keinerlei Beweise für sein Fluchtvorbringen in Vorlage bringen. Insgesamt legte der BF seine jetzige Situation in Österreich - durch die Heirat mit einer Österreicherin - in den Vordergrund und vermeinte 2015 hätte noch die Möglichkeit bestanden in den Irak zurückzukehren, jetzt nicht mehr. Nunmehr habe er hier eine Frau und sei dies deshalb nicht mehr möglich. Befragt zu seiner Fluchtgeschichte, war der BF eher zurückhaltend bzw. bei seinen Angaben oberflächlich.
Auch ist das Vorbringen des BF hinsichtlich des Grundes für seine Bedrohung durch sogenannte "Fliegpolizisten" nicht substantiiert genug. Der BF blieb im gesamten Verfahren - was die Schilderungen des konkreten Vorfalls anbelangt - immer oberflächlich und konnte keine Details schildern. Es ist auch unwahrscheinlich und nicht nachvollziehbar, dass der BF gerade von diesen Polizisten (Fliegpolizisten) die Abwesenheitslisten fälschen soll, wenn diese - nach eigenen Angaben des BF - zwar bei der Behörde als Polizisten angemeldet seien und einen Lohn erhalten würden - dafür jedoch nicht arbeiten müssten. Wozu sollte es dann Abwesenheitslisten geben - deren Fälschung - man verlangte. Des Weitern hätten diese Polizisten sicher andere Möglichkeiten dazu als in einen öffentlichen Shop zu gehen und vor allem einen Zugehörigen zu den Sunniten zu bitten ihre Aufzeichnungen zu fälschen.
Dem erkennenden Gericht erschließt sich auch nicht, weshalb eine, dem BF folgend, vor Mord nicht zurückschreckende und Menschen sunnitischen Glaubens verfolgende militante Polizisten nur einen Drohbrief schrieben und nie versuchten den BF persönlich einzuschüchtern. Im Drohbrief sei auch gestanden, dass der BF den Irak in drei Tagen verlassen muss. Der BF blieb länger als drei Tage im Irak und es geschah nichts.
Eine konkrete Verfolgung des BF aufgrund seiner Religion lässt sich zudem nicht feststellen. Vielmehr leben dessen Angehörigen, insbesondere dessen Vater, Mutter sowie Geschwister weiterhin im Irak und hat der BF bis dato nicht vorgebracht, dass diese Opfer von gezielten Übergriffen gewesen wären. Ganz im Gegenteil vermeinte der BF in der mündlichen Verhandlung, dass diese keiner Bedrohung ausgesetzt wären.
Unbeschadet des bisher ausgeführten, ist selbst bei Wahrunterstellung insofern der BF vorbringt, von Seiten des irakischen Staates keine Hilfe erwarten zu können, dem BF entgegenzuhalten, dass es nicht nachvollzogen werden kann, weshalb der BF, trotz guten Freunden bei der Polizei keine rechtlichen Schritte einleitete bzw. Anzeige erstattet bzw. er zumindest den Drohbrief seinem Freund (Polizisten) bzw. seinen Chef zeigte.
Mit Blick auf die Länderfeststellungen lässt sich erkennen, dass zwar die Grenzen zwischen schiitischen Milizen und staatlichen Sicherheitsstrukturen teils durchlässig sind und ein flächendeckender Schutz vor - privaten - Übergriffen im Irak nicht gegeben ist. Jedoch kann nicht erkannt werden, dass der Irak zur Gänze schutzunfähig- oder -willig ist bzw. die Grenzen zwischen Staat und Milizen vollkommen verschwunden wären. Vielmehr unterscheidet sich die Sicherheitslage im Irak regional sehr stark und erweisen sich insbesondere im Raum Bagdad die herkunftsstaatlichen Sicherheitsstrukturen und die Trennung von Staat und Milizen noch als durchgehend vorhanden und lässt sich zudem eine überdurchschnittliche Präsenz irakischer Sicherheitsorgane und -einrichtungen, sowie ein Vorgehen dieser gegen illegale Aktivitäten schiitischer Milizen vor Ort erkennen. Ein systematisches Versagen herkunftsstaatlicher Sicherheitsstrukturen im Raum Bagdad lässt sich im Lichte der Länderfeststellungen nicht erkennen und vermochte der BF mit seinem Vorbringen ein solches auch nicht darzulegen.
Insofern der BF in der gegenständlichen Beschwerde die allgemeine Sicherheitsklage im Irak als durchgehend instabil moniert, lässt dieser die regionalen Unterschiede völlig außer Acht. Die Sicherheitslage im Irak erweist sich als regional differenziert, sodass der bloße Verweis auf eine allgemein konfliktträchtige Gesamtlage im Herkunftsstaat des BF als Entgegnung nicht genügt.
Aus einer Gesamtschau der Angaben des BF ergibt sich sohin, dass eine im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehende und/oder dem Herkunftsstaat zurechenbare Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht wurde. Es konnte weder eine konkret gegen den BF gerichtete - herkunftsstaatliche - Verfolgungsgefahr festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche derartige Verfolgung im Herkunftsstaat für wahrscheinlich erscheinen hätten lassen oder deren Rückkehr im Wege stehen könnten.
In diesem Kontext ist festzuhalten, dass eingedenk der Unglaubwürdigkeit des BF im Hinblick auf dessen Fluchtvorbringen, diesem auch kein Glauben hinsichtlich der Verweigerung von familiärer Unterstützung im Herkunftsstaat geschenkt werden kann. In Ermangelung des Glaubhaftmachens einer Bedrohung im Herkunftsstaat hat das Vorbringen des BF, aufgrund der Angst seiner Angehörigen in den Konflikt hineingezogen zu werden von diesen keine Hilfe erhalten zu können, ins Leere gehen.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die von der belangten Behörde im gegenständlich angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den von ihr in das Verfahren eingebrachten und im Bescheid angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des BVwG, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage im Herkunftsstaat) ergibt.
Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt hat, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Die belangte Behörde hat dem BF die maßgeblichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht und ihm im Anschluss daran zur Wahrung des Rechts auf Parteiengehör die Möglichkeit eingeräumt, zu den getroffenen Feststellungen eine Stellungnahme abzugeben, wovon dieser keinen Gebrauch gemacht hat.
Der BF ist weder vor der belangten Behörde noch in der gegenständlichen Beschwerde den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat, die auf den in das Verfahren eingeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen beruhen, substantiiert entgegengetreten.
Mit der Vorlage von schlaglichtartig Probleme im Irak aufzeigender Länderberichte und der Betonung dieser in der gegenständlichen Beschwerde, vermag der BF den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid nicht substantiiert entgegenzutreten. Vielmehr legen diese allfälligen Probleme im Herkunftsstaat des BF ebenfalls offen und verschweigen diese nicht. Letztlich erweist sich die Sicherheitslage im Herkunftsstaat regional stark unterschiedlich, sodass überwiegend auf die Gesamtsituation im Irak bezughabende Länderberichte die Glaubwürdigkeit der auch auf regionale Unterschiede eingehenden Länderfeststellungen nicht zu erschüttern vermag. Die nunmehr in der Beschwerde thematisierte Lage im Irak was den IS betrifft, wird ebenfalls in den aktuellsten Länderberichten berücksichtigt und muss dazu auch ausgeführt werden, dass der BF zu keiner Zeit des Verfahrens angab von Mitgliedern der IS bedroht worden zu sein. Auch wurden in der mündlichen Verhandlung abermals aktuelle Länderberichte zur Einsicht, zur Vorlage gebracht. Es wurde auch angeboten dazu schriftlich Stellung zu nehmen. Die aktuellen Länderberichte wurde ausgehändigt und eine Frist von 14 Tagen zur Stellungnahme eingeräumt. Eine Stellungnahme zu den Länderberichten traf nicht ein. Die Gattin des BF gab eine schriftliche Stellungnahme über ihr geführtes Privatleben ab.
2 Politische Lage
Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).
An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).
Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).
Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).
Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack
27.9.2018) . Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).
Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS
11.5.2018) .
Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).
In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der
politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).
Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).
Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).
Quellen:
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BBC - British Broadcasting Corporation (3.10.2018): New Iraq President Barham Saleh names Adel Abdul Mahdi as PM, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-45722528. Zugriff 18.10.2018
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CIA - Central Intelligence Agency (17.10.2018): The World Factbook
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https://derstandard.at/2000079629773/Irakische-Parlamentswahl-ohne-groessere-Zder.
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-
Der Standard (3.10.2018): Neue alte Gesichter für Iraks Topjobs,
https://derstandard.at/2000088607743/Neue-alte-Gesichter-fuer-Iraks-Topiobs.
Zugriff
19.10.2018
-
TA - Tagesanzeiger (12.5.2018): Im Bann des Misstrauens,
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29434606, Zugriff 18.10.2018
-
UNSC - United Nations Security Council (17.1.2018): Report of the Secretary-General
pursuant to resolution 2367 (2017),
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WZ - Wiener Zeitung (12.5.2018): Erste Wahl im Irak nach Sieg gegen IS stößt auf wenig Interesse, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/964399_Erste-Wahl-im-Irak-nach-Sieg-gegen-IS-stoesst-auf-wenig-Interesse.html, Zugriff 23.10.2018
2.1. Parteienlandschaft
Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da'wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS
2.5.2018) .
Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017) obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018).
Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf
Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018)
Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran ("Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018).
Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).
Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi's Nasr ("Victory")-Allianz (LSE 7.2018).
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Quelle: LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf. Zugriff 2.11.2018
Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al- Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ
9.10.2018) . Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018).
Quellen:
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Al Jazeera (6.6.2018): Iraq orders recount of all 11 million votes from May 12 election, https://
www.aljazeera.com/news/2018/06/iraq-orders-recount-11-million-votes-12-election-
180606163950024.html. Zugriff 23.10.2018
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Al-Monitor (23.8.2018): Many Iraqi legislators call for canceling election results, https://www.almonitor.com/pulse/originals/2018/05/iraq-election-fraud.html. Zugriff 23.10.2018
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The Arab Weekly (7.10.2018): Room for optimism in Iraq under new leadership,
https://thearabweekly.com/room-optimism-iraq-under-new-leadership. Zugriff 23.10.2018
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BP - Baghdad Post (17.12.2017): All Shia political parties have armed militias - Nujaba,
https://www.thebaghdadpost.com/en/Storv/21086/All-Shia-political-parties-have-armed-
militias-Nujaba. Zugriff 22.10.2018
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CGP - Center for Global Policy (4.2018): The Role of Iraq's Shiite Militias in the 2018 Elections, https://www.cgpolicy.org/wp-content/uploads/2018/04/Mustafa-Gurbuz-Policy-Brief.pdf, Zugriff 22.10.2018
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Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and- politics-of-iraq/. Zugriff 17.10.2018
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The Guardian (12.5.2018): Martyr or master? Future of anti-Isis militias splits Iraq ahead of
elections,
https://www.theguardian.com/world/2018/may/12/iraq-elections-become-
battleground-iranian-influence, Zugriff 22.10.2018
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HoC - House of Commons (12.6.2018): Briefing paper: Iraq and the 2018 election,
researchbriefings.files.parliament.uk/documents/.../CBP-8337.pdf. Zugriff 22.10.2018
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IRIS - Institute of Regional and International Studies (11.5.2018): Iraq Votes 2018: Election
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https://auis.edu.krd/iris/sites/default/files/IraqVotes2018_MobilizationStrategies1.pdf.
Zugriff
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ISPI - Istituto per gli studi di politica internazionale (10.5.2018): After IS: The meaning of Iraq's election for the Arab Sunni community,
https://www.ispionline.it/sites/default/files/pubblicazioni/ commentary_seloom_10.05.2018.pdf. Zugriff 22.10.2018
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Joel Wing - Musings on Iraq (22.5.2018): Sadr-Communist Alliance And Iraq's 2018 Elections Interview With Benedict Robin, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/05/sadr-communistalliance-and-iraqs-2018.html. Zugriff 22.10.2018
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KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www. kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30. pdf?180501131459, Zugriff 17.10.2018
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LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018):
Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum,
http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf.
Zugriff
23.10.2018
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LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018):
The 2018 Iraqi Federal
Elections: A Population in Transition?, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-
elections_Report_2018.pdf, Zugriff 18.10.2018
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