Entscheidungsdatum
29.03.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G303 2188277-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde der minderjährigen XXXX, geboren am XXXX, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, diese vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Christine SCHNEIDHOFER in 8600 Bruck an der Mur, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 10.01.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte als gesetzliche Vertreterin am 04.08.2017 über die Zentrale Poststelle des Sozialministeriumservice beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neuausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" ein. Dem Antrag war ein medizinischer Befund des Landeskrankenhauses -Universitätsklinikum Graz, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendchirurgie, vom 20.05.2017 angeschlossen.
Die BF war zum Zeitpunkt der Antragstellung im Besitz eines bis zum 31.12.2017 gültigen Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung".
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 29.08.2017 wurde, nach persönlicher Untersuchung der BF im Beisein ihrer gesetzlichen Vertreterin am 28.08.2017, im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Angeborener Klumpfuß mit Spitzfußstellung beidseitig Entspricht dem Befund nach mehrfachen Korrekturoperationen und den noch bestehenden Funktionseinschränkungen.
02.05.37
50
Gesamtgrad der Behinderung
50 vH
2.2. Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass es bei der BF nach mehreren Korrekturoperationen und physiotherapeutischen Maßnahmen zu einer deutlichen Besserung der Funktionseinschränkungen des linken Fußes gekommen sei. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels seien zumutbar.
Es liege auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 08.01.2018 wurde der BF mitgeteilt, dass aufgrund des durchgeführten medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 % festgestellt worden sei.
3.1. Mit weiterem Schreiben der belangten Behörde vom 08.01.2018 wurde der BF der beantragte Behindertenpass im Scheckkartenformat übermittelt.
4. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 10.01.2018 wurde der Antrag vom 04.08.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen.
4.1. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Danach würden die Voraussetzungen für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung nicht vorliegen. Das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen und zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt. In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zitiert. Des Weiteren wurden die maßgeblichen Kriterien, welche entsprechend der VwGH-Judikatur für die gegenständliche Zusatzeintragung relevant sind, angeführt.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit dem am 23.02.2018 bei der belangten Behörde eingelangtem Schriftsatz ihrer rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde. Darin wurden als Beschwerdegründe die inhaltliche Rechtswidrigkeit und die Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der beigezogene Sachverständige ein Allgemeinmediziner sei, zur amtswegigen Erforschung des Sachverhaltes hätte jedoch ein Orthopäde bzw. ein Facharzt für Kinderorthopädie oder zumindest ein Kinderfacharzt beigezogen werden müssen. Bereits aus fachlichen Gründen sei der begutachtende Sachverständige nicht geeignet, ein schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten zu erstellen.
Die BF sei bei der Begutachtung beim Versuch einen Zehenspitzstand durchzuführen umgefallen; ebenso stürzte sie beim Versuch einen Fersenstand und einen Einbandstand durchzuführen. Entgegen dem Gutachten war es der BF nicht möglich eine Kniebeuge und eine tiefe Hocke durchzuführen.
Aufgrund der angeborenen Fußfehlstellung und der damit einhergehenden Beeinträchtigung des Gangbildes ist es der BF nicht möglich, für längere Zeit ruhig zu stehen und Niveauunterschiede zu bewältigen. Keinesfalls sei eine sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet. So könne die BF aufgrund ihrer Einschränkungen keinesfalls ein Abbremsen oder eine Verschwenkung des Fahrzeuges durch austarieren ihres Körpers bewältigen. Hinzu komme, dass die BF als Schülerin eine Schultasche und auch einmal eine Laptoptasche zu transportieren habe, was die Beweglichkeit noch weiter einschränke.
Trotz der mehrfachen Operationen und der geringfügigen Verbesserung bestehe eine massive Beeinträchtigung der BF im Gangbild und im Bewegungsablauf und hinsichtlich der Stabilität. Es sei zeitweise die Fortbewegung im Rollstuhl notwendig, insbesondere nach den Operationen. Eine Bewältigung von weiteren Wegstrecken sei für die BF problematisch bis nicht möglich.
Im Beschwerdeschreiben wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Des Weiteren wurde beantragt, dass in der Sache selbst entschieden werde und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert werde, dass die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung in den Behindertenpass eingetragen werde. In eventu wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 06.03.2018 vorgelegt.
7. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein ärztliches Sachverständigengutachten eines Facharztes für Kinder-Jugendheilkunde eingeholt.
7.1. Im fachärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Kinder-Jugendheilkunde, vom 16.07.2018, wird basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am 11.07.2018, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Diagnosen:
-
Angeborene, sogenannte "rebellische Klumpfüße" beidseits
(St.p. mehrfach operierte Klumpfüße bds. mit häufigen Recidiven)
Positionsnummer: 02.05.36; Grad der Behinderung: 40 vH
-
Angeborener Herzfehler
(st.p. ASD II mit Spontanverschluss; aktuell: geringgradige Pulmonalinsuffizienz und mittelgradige Tricuspidalinsuffizienz mit normaler Herzfunktion)
Positionsnummer: 05.07.05; Grad der Behinderung: 20 %
-
St.p. Kleinwuchs (nicht mehr gegeben, nunmehr normal groß)
-
Verdacht auf nicht näher bezeichnetes Fehlbildungssyndrom
-
Undifferenzierte sporadische Ängste ohne Behinderungsgrad
-
Psychosoziale Belastungen (Trennungssituation)
Die Funktionseinschränkung der unteren Extremitäten sei insgesamt als mittelgradig anzusehen. Diese Einschätzung ergebe sich aus dem Wechselspiel der aktuellen Fußbeweglichkeit und der Notwendigkeit von Operationen und Gipsverbänden und Orthesen. Die Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit sei auch vom oben genannten Wechselspiel abhängig.
Während in Phasen der Immobilisation die BF in einem Rollstuhl transportiert werden müsse, gebe es in den Nachphasen eine Belastbarkeit der BF, welche ihr es ermögliche kilometerweit mit dem Fahrrad zu fahren und auch ca. 30 Minuten ohne Rast zu gehen und in der Schule mitzuturnen und bipedal zu hüpfen. Insgesamt sei die körperliche Belastbarkeit damit mittelgradig eingeschränkt.
Der Herzfehler verursache keine weitere Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Die BF sei, bedingt durch ihre undifferenzierten Ängste, welche posttraumatisch entstanden seien und aktuell durch erhöhte psychosozial belastete Umstände verstärkt werden und immer wieder durch eine psychologische Behandlung kompensiert werden können, nur sporadisch psychisch eingeschränkt.
Die BF konnte und kann in den vergangenen zwei Lebensjahren über die meiste Zeit kurze Wegstrecken auf ebener Strecke von ca. 500 m selbstständig zurücklegen.
Das Ein- und Aussteigen sei bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe möglich. Die da die BF bei der Untersuchung einen Schlusssprung von ca. 15 cm Höhe und ca. 20 cm Weite geschafft habe und auch alleine aus der Hocke aufstehen könne; ebenso könne sie eine Stiege mit Anhalten gehen.
Die BF sei in der Lage auf einem Bein ca. 3 Sekunden zu stehen und auch auf einem Bein zu hüpfen; das Gleichgewicht sei ausreichend sicher und damit sei ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel möglich.
Die kognitiven und psychischen Ressourcen der BF seien im Übrigen normal gegeben.
In den vergangenen zwei Lebensjahren sei es der BF ca. 80% der Zeit zumutbar gewesen, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.
8. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 25.07.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
8.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der Verfahrensparteien langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist am XXXX geboren und ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 50 von Hundert.
Die BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:
-
Angeborene, sogenannte "rebellische Klumpfüße" beidseits
-
Angeborener Herzfehler (aktuell: geringgradige Pulmonalinsuffizienz und mittelgradige Tricuspidalinsuffizienz mit normaler Herzfunktion)
Durch die angeborenen sogenannten "rebellischen" Klumpfüße besteht eine Gangstörung. Die BF wurde diesbezüglich bereits mehrfach operiert und musste Gipsverbände und Orthesen tragen. Während dieser Behandlungszeit ist die BF nicht mobil beziehungsweise bestehen erhebliche Mobilitätseinschränkungen. Diese Behandlungsphasen betragen in zeitlicher Hinsicht zirka 20% eines Jahres und sind nicht als dauerhaft anzusehen.
Die bestehenden Klumpfüße "recidivieren" mit dem Wachstum der BF, sodass weitere Eingriffe und Behandlungen nicht ausgeschlossen sind.
Unter Einbeziehung der oben angeführten, nicht dauerhaft bestehenden Behandlungsphasen, sind die Funktionen der unteren Extremitäten der BF und ihre körperliche Belastbarkeit als insgesamt mittelgradig eingeschränkt zu beurteilen, wobei der Herzfehler keine Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit verursacht.
Die BF ist in der meisten Zeit in der Lage eine kurze Wegstrecke selbstständig zurückzulegen. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens der BF geleistet werden. Der sichere Transport der BF in öffentlichen Verkehrsmitteln ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.
Auch konnten keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems bei der BF festgestellt werden. Es besteht keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit.
Eine dauerhafte und erhebliche Mobilitätseinschränkung liegt bei der BF nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum der BF und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, ist vollständig, schlüssig und widerspruchsfrei. Die festgestellten behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ergeben sich daraus.
Insbesondere basieren die getroffenen Feststellungen zu den beidseitig vorliegenden Klumpfüßen, den sich daraus ergebenden Beschwerden und Behandlungen auf diesem eingeholten Gutachten. Dass die Behandlungsphasen, in denen die BF nicht mobil bzw. erheblich in ihrer Mobilität einschränkt ist, in zeitlicher Hinsicht zirka 20 % im Jahr ausmachen, ergibt sich aus der gutachterlichen Ausführung des Sachverständigen Dr. XXXX, dass es der BF in den letzten zwei Jahren ca. 80% der Zeit aus medizinischer Sicht zumutbar war, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Daher ist in der übrigen Zeit, davon auszugehen, dass erhebliche Mobilitätseinschränkungen bestehen oder sogar eine Immobilität der BF vorliegt. Aus den Umständen, dass mit Ende des Längenwachstums auch mit einem Stillstand der Recidive der Spitzfußstellung zu rechnen ist und die Frequenz der Gipsbehandlungen in den letzten drei Jahren deutlich abgenommen hat, kann geschlossen werden, dass auch zukünftig nicht von längeren bzw. gar dauerhaften Mobilitätseinschränkungen auszugehen ist.
Auch den kinderfachärztlichen Gutachten konnte auch zweifelsfrei festgestellt werden, dass bei der BF keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche in der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, genannt sind, im geforderten Ausmaß (erheblich bzw. hochgradig), insbesondere keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, dauerhaft vorliegen.
Die mittelgradige Funktionseinschränkung der unteren Extremitäten der BF und die insgesamt mittelgradig eingeschränkte körperliche Belastbarkeit ergibt sich laut den schlüssigen gutachterlichen Ausführungen von Dr. XXXX aus dem Wechselspiel der aktuellen Fußbeweglichkeit und der Notwendigkeit von Operationen, Gipsverbänden und Orthesen, welche zu Immobilisationsphasen führen sowie der Schmerzen der BF. Der Herzfehler der BF, welcher hämodynamisch nicht relevant ist, verursacht keine weitere Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit.
Die Tatsache, dass die BF in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) zurückzulegen, ergibt sich daraus, dass es der BF mit Ausnahme der Phasen der Immobilisation möglich ist, ca. 30 Minuten ohne Rast zu gehen. Auch wird im vorliegenden Sachverständigengutachten dazu ausgeführt, dass die BF in den letzten zwei Jahren über die meiste Zeit eine Wegstrecke von ca. 500 m selbstständig zurücklegen konnte.
Bei der Sachverständigenuntersuchung konnte die BF einen Schlusssprung (bipedales Hüpfen) von ca. 15 cm Höhe und ca. 20 cm Weite schaffen und aus der Hocke alleine aufstehen. Daraus in Zusammenschau mit dem Umstand, dass die BF mit Anhalten eine Stiege gehen kann, ergibt sich, dass das Ein- und Aussteigen in bzw. aus öffentlichen Verkehrsmitteln bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe möglich ist.
Da auch das Gleichgewicht in ausreichendem Maße vorhanden ist, da die BF - wie die Sachverständigenuntersuchung ergeben hat - auf einem Bein über drei Sekunden stehen und auf einem Bein hüpfen kann ist der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet.
Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX vom 16.07.2018 wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde dazu weder von der BF bzw. ihrer Vertretung noch von der belangten Behörde erstattet. Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.
Das Sachverständigengutachten von Dr. XXXX wird daher der gegenständlichen Entscheidung des erkennenden Gerichtes in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
Insgesamt konnte aufgrund des medizinischen Sachverständigengutachtens festgestellt werden, dass bei der BF keine dauerhafte, erhebliche Mobilitätseinschränkung vorliegt, da auch laut der gutachterlichen Ausführung des Sachverständigen es der BF in den letzten zwei Jahren ca. 80% der Zeit aus medizinischer Sicht zumutbar war, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung im Beschwerdeverfahren basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung der BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.
Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung der BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).
Es war aus den folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das eingeholte fachärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Facharzt für Kinder-Jugendheilkunde, vom 16.07.2018, zugrunde gelegt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, wurden gegen die gutachterlichen Ausführungen im Sachverständigengutachten keine Einwendungen seitens der Verfahrensparteien erhoben.
Es konnten bei der BF danach keine Einschränkungen und Erkrankungen, welche im § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen für die beantragte Zusatzeintragung genannt sind, im geforderten Ausmaße, nämlich in erheblichem beziehungsweise hochgradigem Ausmaß, dauerhaft festgestellt werden.
Die in der Beschwerde vorgebrachten Einschränkungen der BF konnten durch die fachärztliche Begutachtung von Dr. XXXX im Rahmen der Behandlungsphasen von den Klumpfüßen der BF festgestellt werden. In den letzten zwei Jahren betrugen diese 20% der Zeit, wo die BF erheblich in ihrer Mobilität einschränkt war und lagen keinesfalls dauerhaft vor. Auch ist nicht davon auszugehen, dass zukünftig längere Behandlungsphasen notwendig sein werden.
Außerhalb der Behandlungsphasen besitzt die BF die konkrete Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Insbesondere konnte festgestellt werden, dass die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke für die BF selbstständig möglich ist, zumal die BF bis zu 30 Minuten ohne Rast gehen kann. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe seitens der BF geleistet werden. Auch der sichere Transport der BF im Fahrzeug ist unter den üblichen Transportbedingungen gewährleistet.
Die zeitlich eingeschränkten Behandlungsphasen verursachen zweifelsohne erhebliche Einschränkungen in der Mobilität in dieser Zeit; diese begründen jedoch keine dauerhafte Mobilitätseinschränkung (vgl. VwGH 03.05.2013, Zl. 2009/02/0317), die für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung notwendig ist.
Die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht vor.
Die vorliegende Beschwerde war somit spruchgemäß abzuweisen.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2188277.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.06.2019