TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/10 W224 2216782-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2019
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Entscheidungsdatum

10.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W224 2216782-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2019, Zl. 1116239800-181091181, betreffend Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin reiste spätestens am 25.05.2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Sie stellte am 25.05.2016 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am selben Tag gab sie an, sie habe Syrien aus Angst vor dem Krieg verlassen. Sie gehöre der Volksgruppe der Araber an. Sie habe dort mit ihren Eltern zusammengelebt. Viele Mädchen und Frauen seien entführt und vergewaltigt worden. Sie habe Angst um ihr Leben gehabt und aus diesem Grund ihr Heimatland verlassen.

2. Am 25.07.2016 wurde die Beschwerdeführerin beim BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei schilderte sie die Gründe für ihre Ausreise wie folgt: Sie sei wegen des Krieges in ihrer Heimat geflüchtet. Es gebe Entführungen und Vergewaltigungen in Syrien. Sie habe mit ihren Eltern zusammengelebt, ihr Vater sei schon alt gewesen und habe sie nicht beschützen können. In XXXX sei der IS sehr aktiv gewesen. Sie selbst sei keinen unmenschlichen Behandlungen ausgesetzt gewesen und habe auch nicht selbst gesehen, wie Derartiges passiert sei. Sie habe bei einer staatlichen Firma in der Verwaltung gearbeitet.

3. Mit Bescheid des BFA vom 31.10.2016 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen. Der Beschwerdeführerin wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Diese Entscheidung wurde am 01.12.2016 rechtskräftig.

4. Am 14.11.2018 stellt die Beschwerdeführerin den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab sie bei ihrer Einvernahme am 30.01.2019 unter anderem an, der Volksgruppe der Kurden anzugehören. Zu ihren Fluchtgründen führte sie im Wesentlichen folgendes an: Ihr Mann und ihr Kind würden hier leben ihr Mann sei seit 2004 in Österreich und arbeite auch hier. Sie könnte nicht mehr nach Syrien zurück. Es herrsche Krieg in Syrien. Sie habe keine Familie in Syrien mehr. Die PKK herrsche über das ganze Kurdengebiet. Diese würden auch Frauen und Mädchen zur Mitwirkung an Kriegshandlungen zwingen. Auf die Frage, aus welchem Grund sie einen neuerlichen Asylantrag stellte, gab die Beschwerdeführerin an, sie sei in XXXX Staatsbediensteten gewesen und dieser Ort sei unter der Kontrolle des Regimes gestanden. Sie habe Fotos und Videos von Demonstrationen gegen die syrische Regierung besessen. Diese habe sie mit Kollegen oder Freunden geteilt. Jemand habe sie dann deswegen an einen Sicherheitsagenten verraten. Sie selbst habe nicht an Demonstrationen teilgenommen oder diese selbst fotografiert oder gefilmt, weil sie beim Staat angestellt war. Ihr sei dann die Speicherkarte ihres Handys gestohlen worden. Sie habe das Handy auf ihrem Arbeitsplatz gelassen und jemand habe die Speicherkarte mitgenommen. Später sei auch eine Tante von ihr verschwunden. Sie habe Angst gehabt, dass ihr dasselbe passiere und aus diesem Grund sei sie aus dem Land geflüchtet. Nachgefragt man diese Vorkommnisse gewesen seien, führte sie aus, dass es etwa im Jahr 2015 gewesen sein müsse. Auf Vorhalt, aus welchem Grund sie diese Vorkommnisse nicht bereits in der Einvernahme am 25.07.2016 geschildert habe, führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe Angst gehabt. Das BFA hielt der Beschwerdeführerin vor, der nunmehrige Fluchtgrund sei ein völlig anderer als im Jahr 2016. Ihr Sohn würde in Syrien unter Umständen entführt werden. Als gesetzliche Vertreterin für ihren Sohn stelle sie einen Antrag auf ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG. Ihr Sohn habe keine eigenen Fluchtgründe. Zum Schluss der Befragung führte die Beschwerdeführerin aus, die Zukunft ihres Kindes sei ihr wichtig. Ihr Sohn habe subsidiären Schutz erhalten und sie habe gehört, dass ein neues Gesetz erlassen wurde, wonach man mit dem subsidiären Schutz keinen Konventionsreisepass bekomme. Nur deswegen habe sie nochmals einen Asylantrag gestellt. Das sei das größte Problem für sie. Sie wolle hier ein normales Leben wie alle führen.

5. Mit Bescheid vom 27.02.2019, Zl. 1116239800-181091181, wies das BFA den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurück. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin einer asylrelevanten Gefährdung oder Verfolgung im Herkunftsland ausgesetzt gewesen sei. Es könne weiters nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin der Volksgruppe der Kurden angehöre. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin führte das BFA im Rahmen der Beweiswürdigung aus, dass sich dieses zur Gänze auf einen Sachverhalt beziehe, der vor dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Verfahrens bekannt gewesen sein musste. Soweit die Beschwerdeführerin behauptete, ein Jahr vor ihrer Ausreise verfolgt worden zu sein, so sei anzumerken, dass sie dieses Vorbringen im ersten Verfahren hätte angeben können. Nunmehr behaupte sie, der Volksgruppe der Kurden anzugehören. Dies hätte sie ebenfalls bereits vor Abschluss des ersten Verfahrens auf internationalen Schutz angeben können. Insgesamt habe die Beschwerdeführerin keinen neuen Sachverhalt angeführt, der ihr nicht bereits vor Abschluss des ersten Verfahrens bekannt gewesen wäre. Aus den Angaben der Beschwerdeführerin gehe klar hervor, dass das Motiv der gegenständlichen Antragstellung keine neuen Fluchtgründe seien. Sie wolle "ein normales Leben" in Österreich führen. Sie wünsche sich einen Reisepass für ihren Sohn und wolle "Karenz bekommen".

6. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und begründete sie habe aus Angst, dass ihre Familie, die in Syrien geblieben sei, vom syrischen Regime verfolgt werde, nicht erwähnt, dass sie in Syrien an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen habe. Sie habe ihren Freunden und Kollegen mitgeteilt, dass sie Fotos und Videos von Demonstrationen gegen das syrische Regime habe. Sie habe auch an diesen Demonstrationen teilgenommen. Ein Sicherheitsagent verfolge sie wegen der Fotos und Videos. Darüber hinaus habe sie ihr Heimatland wegen des Krieges und der Kämpfe verlassen. Sie habe Angst gehabt, entführt zu werden. Die Situation für Frauen verschlechtere sich dramatisch in Syrien.

7. Die gegenständliche Beschwerde sowie der Bezug habende Verwaltungsakte wurden vom BFA vorgelegt und sind am 01.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund des Antrags auf internationalen Schutz, der Einvernahme der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, des Bescheids vom 31.10.2016, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungs- und Gerichtsakte, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Zur Personen der Beschwerdeführerin und ihren Fluchtgründen:

Die Beschwerdeführerin syrische Staatsangehörige. Sie ist Mutter des minderjährigen Nandar AL AHMAD, geb. 10.06.2017, StA. Syrien. Ihre Identität steht fest.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin der Volksgruppe der Kurden angehört.

Der Ablauf des Verfahrensganges wird festgestellt, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist.

Eine maßgebliche Änderung der asylrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens über den letzten Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin kann ebensowenig festgestellt werden, wie das Vorliegen einer maßgeblichen asylrelevanten Bedrohung der Beschwerdeführerin in Syrien.

Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.

In Österreich ist die Beschwerdeführerin mit Mohamad AL AHMAD verheiratet.

Zur Lage in Syrien wird festgestellt (entnommen aus:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25.01.2018 [letzte Kurzinformation eingefügt am 24.8.2018]):

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Kurzinformation vom 24.8.2018

Die syrische Regierung unter Präsident Bashar al-Assad hat mit der Unterstützung Russlands seit Jahresbeginn 2018 große Gebiete zurückerobert (Die Zeit 27.7.2018) und kontrolliert nun etwa 60 Prozent des syrischen Staatsgebietes und zwölf von vierzehn Provinzen (TDS 18.8.2018).

Nach der Offensive auf das Damaskus-Umland und insbesondere auf Ost-Ghouta zogen sich Ende Mai 2018 die letzten Rebellen aus dem Großraum Damaskus zurück, wodurch die Hauptstadt und ihre Umgebung erstmals wieder in ihrer Gesamtheit unter Kontrolle der Regierung stehen (Spiegel Online 21.5.2018, ISW 1.6.2018).

Im Juni 2018 trafen die USA und die Türkei eine Vereinbarung, laut welcher die Milizen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) aus Manbij abziehen und infolgedessen türkische und US-amerikanische Einheiten in der nordsyrischen Stadt für Sicherheit und Stabilität sorgen sollten (Reuters 18.6.2018). Im folgenden Monat verließen die letzten Einheiten der YPG Manbij (Reuters 15.7.2018).

Mit 19. Juni 2018 startete die syrische Regierung eine Offensive zur Rückeroberung der Provinzen Quneitra und Deraa im Süden Syriens. In der Provinzhauptstadt Deraa waren 2011 die ersten Proteste gegen das Assad-Regime ausgebrochen. Im Juli 2017 wurde dort eine sogenannte Deeskalationszone eingerichtet (Harrer 5.7.2018). Die beiden Provinzen wurden durch die Regierung zurückerobert und Ende Juli 2018 wurden auch die letzten Dörfer, die sich noch unter Kontrolle einer mit dem sogenannten Islamischen Staat (IS) in Verbindung stehenden Gruppierung befanden, erobert. Die meisten dieser Städte und Dörfer kapitulierten unter sogenannten Versöhnungsabkommen, wobei Kämpfern und Zivilisten die Möglichkeit gegeben wurde, in von oppositionellen Gruppen kontrollierte Gebiete im Norden Syriens zu ziehen (Guardian 31.7.2018). Mit der Rückeroberung dieser Gebiete erlangte die syrische Regierung außerdem die Kontrolle über die syrisch-jordanische Grenze zurück (ISW 15.7.2018).

Im Juli 2018 wurden die beiden letzten von Rebellen belagerten regierungstreuen Orte in der Provinz Idlib evakuiert. Die Vereinbarung zur Evakuierung der mehrheitlich schiitischen Dörfer Fua und Kafraja wurde laut Oppositionskreisen von iranischen Einheiten und der islamistischen Rebellenallianz Hay'at Tahrir al-Sham getroffen (NZZ 19.7.2018; ISW 31.7.2018).

Ende Juli 2018 führten Vertreter der kurdischen Behörden erstmals seit Ausbruch des Bürgerkriegs Gespräche mit der syrischen Regierung in Damaskus über die Zukunft der von Kurden kontrollierten Gebiete im Land (Zeit 27.7.2018). Die syrischen Kurden kontrollieren etwa ein Viertel des syrischen Staatsgebietes im Norden und Osten des Landes (Presse 27.7.2018).

Der IS hat seine Hochburgen in Syrien verloren, trotzdem operieren Schläferzellen des IS weiterhin auf syrischem Staatsgebiet. Die exakte Zahl der im Land verbliebenen IS-Kämpfer ist unbekannt, aber ein Bericht der Vereinten Nationen vom August 2018 geht von 20.000 bis 30.000 IS-Kämpfern in Syrien und im Irak aus (TDS 14.8.2018). Im Juli 2018 führte der IS einen Angriff auf Suwayda im Süden Syriens durch, bei dem über 250 Personen getötet und mehr als 30 Personen entführt wurden (TDS 5.8.2018).

Trotz internationaler Mahnungen gibt es bereits seit einiger Zeit Hinweise, dass sich die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad auf eine Offensive auf die großteils von Rebellen gehaltene Provinz Idlib vorbereiten. Nach Idlib wurden im Zuge der Versöhnungsabkommen zehntausende Rebellen gebracht (Standard 10.8.2018). Es werden bereits Luftangriffe und Artilleriebeschüsse auf die Provinz durchgeführt. Die Offensive wird jedoch durch die Präsenz der türkischen Beobachtungsposten verkompliziert (Presse 16.8.2018). Diese Präsenz ist in einer Vereinbarung zwischen Iran, Russland und der Türkei begründet, welche im Rahmen der Verhandlungen in der kasachischen Hauptstadt Astana im Jahr 2018 zur Etablierung einer sogenannten Deeskalationszone in Idlib getroffen wurde. Die Türkei hat dieser Vereinbarung entsprechend mittlerweile etwa 1.000 Truppen an 12 Beobachtungsstützpunkten in Ostidlib stationiert (TDS 14.8.2018).

Den Vereinten Nationen zufolge könnten bis zu 2,5 Millionen Personen versuchen, in die Türkei zu flüchten; der Nachbar Syriens hält jedoch seine Grenzen bisher geschlossen. Medienberichten zufolge versucht die Türkei bisher vergeblich, die Extremistentruppe Hay'at Tahrir al-Sham aufzulösen, um eine Einigung mit Russland zu erreichen und den Großangriff auf Idlib doch noch zu verhindern (Presse 16.8.2018).

Medienberichte kündigten an, dass Ende Mai 2018 erstmals seit Beginn des Krieges Rekruten vom Wehrdienst entlassen werden sollten. Al-Watan, einer regierungsnahen syrischen Tageszeitung zufolge, sollten die Offiziere und Reservisten der Rekrutierungsklasse 102 von 2010 mit 1. Juni 2018 nach acht Jahren Militärdienst entlassen werden (TDS 26.5.2018; Syria Direct 29.5.2018). Die syrischen Staatsmedien berichteten nicht über diese Entscheidung und lokale Zeitungen gaben auch nicht bekannt, wie viele Soldaten davon betroffen sein sollten (TDS 26.5.2018).

2. Streitkräfte

Die syrischen Streitkräfte bestehen aus der Armee, der Marine und der Luftwaffe. Sie sind für die Verteidigung des nationalen Territoriums und den Schutz des Staates vor internen Bedrohungen verantwortlich (UK HOME 11.9.2013).

Vor dem Konflikt soll die syrische Armee eine Mannstärke von geschätzten 295.000 Personen gehabt haben (UK HOME 8.2016). Sie kann das gesamte syrische Staatsgebiet nicht mehr unabhängig sichern und sechs Jahre mit Überläufen zu den Regimegegnern, Desertionen und Verlusten durch den Konflikt haben die Mannstärke aus den Vorkriegszeiten stark dezimiert - auf geschätzte 100.000 - 175.000 Mann in 2014 und 2015, großteils bestehend aus mangelhaft ausgerüsteten und trainierten Wehrdienstleistern (ISW 8.3.2017; vgl. FIS 23.8.2016).

Der Aufbau der syrischen Armee basiert auf dem sogenannten Quta'a-System [arab. Sektor, Landstück]. Hierbei wird jeder Division (firqa) ein bestimmtes Gebiet zugeteilt. Dies verbindet jeden Sektor (quta'a) mit einer Division (firqa) und somit Karriere und Leben eines Offiziers mit einer Armee-Division und dem dazugehörigen Gebiet. Mit diesem System wurde in der Vergangenheit verhindert, dass Offiziere überlaufen. Gleichzeitig gab die Armee dem Divisionskommandeur eine Carte blanche über das Gebiet, für das er zuständig ist, wonach er "jeden Vorfall in seiner quta'a selbst regeln kann, ohne die Führung (das Verteidigungsministerium in Damaskus) zu involvieren, wenn keine Kommunikation möglich ist, oder ein Notfall vorliegt". Gleichzeitig kann dadurch der Präsident den Einfluss einzelner Divisionskommandeure einschränken, indem er sie gegeneinander ausspielt (CMEC 14.3.2016). Im Zuge des Konfliktes hat das Regime jedoch loyale Einheiten in größere Einheiten eingebaut, um eine bessere Kontrolle auszuüben und ihre Effektivität im Kampf zu verbessern (ISW 8.3.2017).

3. Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder lokalen bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie unvermindert statt (DRC/DIS 8.2017). Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 5.12.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017). Diejenigen männlichen palästinensischen Flüchtlinge, im Alter von 18 bis 42 Jahren, welche vor 1956 bei der General Administration for Palestine Arab Refugees (GAPAR) registriert waren, und deren Nachkommen müssen den verpflichtenden Wehrdienst bei der Palästinensischen Befreiungsarmee (PLA), einer Einheit der syrischen Streitkräfte, ableisten. Für diese Palästinenser gelten die gleichen Voraussetzungen für den Wehrdienst wie für Syrer (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zur Zeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Syria Direct 7.12.2017). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2015).

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (FIS 23.8.2016; vgl. ISW 8.3.2017). Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, und auch nicht aus anderen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017; vgl. PAR 15.11.2017)

Befreiung und Aufschub

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, die Situation in der Praxis ist jedoch anders. Präsident al-Assad versucht den Druck in Bezug auf den Wehrdienst zu erhöhen, und es gibt nun weniger Befreiungen und Aufschübe beim Wehrdienst. Generell werden die Regelungen nun strenger durchgesetzt, außerdem gibt es Gerüchte, dass Personen trotz einer Befreiung oder eines Aufschubs rekrutiert werden. Was die Regelungen zur Befreiung oder zum Aufschub des Wehrdienstes betrifft, so hat man als einziger Sohn der Familie noch die besten Chancen. Das Risiko der Willkür ist jedoch immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).

Unbestätigte Berichte legen nahe, dass der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit über den Wegfall von Aufschubgründen informiert ist, und diese auch digital überprüft werden. Zuvor mussten Studenten den Status ihres Studiums selbst dem Militär melden, in den letzten zwei Jahren wird der Status von Studenten aktiv überprüft. Generell werden Universitäten nun strenger überwacht und von diesen wird nun verlangt, dass sie das Militär über die Anwesenheit bzw. Abwesenheiten der Studenten informieren. Kürzlich gab es eine Änderung bezüglich des Aufschubs aufgrund eines Lehramts-Studiums. Zuvor war es möglich, einen Aufschub des Wehrdienstes zu erwirken, wenn man ein Lehramts-Masterstudium begann, unabhängig davon welches Bachelor-Studium man zuvor absolviert hatte. Dieser Aufschubgrund funktioniert nun nur noch, wenn man auch den Bachelorabschluss im Lehramtsstudium gemacht hat (BFA 8.2017).

Es gibt Beispiele, dass Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann, sondern schlicht Willkür darstellt. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt, im Zuge des aktuellen Konfliktes - manchmal sogar Jahre danach - trotzdem eingezogen zu werden (BFA 8.2017).

Es gibt ein Gesetz, das syrischen Männern, die mehr als fünf Jahre außerhalb des Landes gelebt haben, gegen Zahlung eines Bußgeldes die Befreiung vom Militärdienst ermöglicht. Diese Gebühr wurde von 5.000 USD auf 8.000 USD erhöht (BFA 8.2017).

Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 15.8.2017). Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein (BFA 8.2017; vgl. UNHCR 3.11.2017). Von Staatsangestellten wird erwartet, dass sie dem Staat zur Verfügung stehen. Um sich ein "Pool" von potentiell zur Verfügung Stehenden zu sichern, wurde ein Dekret bezüglich Staatsangestellte und Wehrdienst erlassen: Laut Legislativdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsangestellten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen (BFA 8.2017). Hierzu gab es bereits Ende 2016 ein Dekret, welches jedoch nicht umfassend durchgesetzt wurde. Im November 2017 gab es eine erneute Direktive des Premierministers Imad Khamis, laut der "die Anstellung von jenen beendet werden soll, die den verpflichtenden Wehrdienst oder den Reservedienst vermeiden". Dieser Direktive folgten bereits Entlassungen, wobei nicht bekannt ist, in welchem Ausmaß sie stattfinden (Syria Direct 7.12.2017). Gerade auch in alawitischen Gebieten gibt es eine Verbindung zwischen Staatsangestellten und der Notwendigkeit der Erfüllung bürgerlicher Pflichten (BFA 8.2017).

Entlassungen

Es liegen aktuell keine Informationen zu Entlassungen von Soldaten aus dem Militärdienst vor, es ist jedoch möglich, dass dies trotzdem vorkommt. Viele Männer haben Angst, nicht mehr aus dem Dienst entlassen zu werden, wenn sie einmal eingezogen werden. Manche Männer, die den verpflichtenden Wehrdienst bereits abgeleistet haben, werden wieder zum Dienst einberufen, oder der Dienst mancher Männer wird einfach verlängert (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden (BFA 8.2017). Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.2.2015).

Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2017). Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Im Gegensatz zum Beginn des Konfliktes haben sich mittlerweile die Gründe für Desertion geändert: Nun desertieren Soldaten, weil sie kampfmüde sind und dem andauernden Krieg entkommen wollen (BFA 8.2017).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie kann von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle des Regimes gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bzgl. Wehrdienst getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden. Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen, was jedoch schwer zu beweisen ist (BFA 8.2017).

4. Allgemeine Menschenrechtslage

Das Syrian Observatory for Human Rights dokumentierte 331.765 Todesfälle seit dem Beginn der Revolution im Jahr 2011 bis zum 15. Juli 2017, schätzt jedoch dass etwa 475.000 Personen getötet wurden (SOHR 16.7.2017).

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Ein Dekret erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Gleichzeitig zeigt die Regierung außerdem wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien. Sie schikaniert und inhaftiert Mitglieder der Communist Union Party, der Communist Action Party, der Arab Social Union und islamistischer Parteien (USDOS 3.3.2017).

Die syrische Regierung, regierungstreue Einheiten und Sicherheitskräfte führen weiterhin willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen und Folter an Häftlingen durch, von denen viele in der Haft umkommen bzw. getötet werden. Das Regime und seine Verbündeten führten willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten durch. Sie führten Angriffe mit Fassbomben, Artillerie, Mörsern und Luftangriffe auf zivile Wohngebiete, Schulen, Märkte und medizinische Einrichtungen durch, was zu zivilen Opfern führte (UKFCO 21.4.2016, AI 22.2.2017 und USDOS 3.3.2017).

Die staatlichen Sicherheitskräfte halten nach wie vor Tausende Menschen ohne Anklageerhebung über lange Zeit in Untersuchungshaft. Viele von ihnen sind unter Bedingungen inhaftiert, die den Tatbestand des Verschwindenlassens erfüllen (AI 22.2.2017; vgl. SD 18.10.2017). Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Es fehlt an Nahrung, Trinkwasser, Platz, Hygiene und Zugang zu medizinischer Versorgung. (USDOS 3.3.2017).

Syrische Kinder sind auch hinsichtlich Kinderehen gefährdet (USDOS 27.6.2017; vgl. UNOCHA 31.7.2017).

Lang anhaltende Belagerungen durch Regierungskräfte führen dazu, dass der eingeschlossenen Zivilbevölkerung Lebensmittel, ärztliche Betreuung und andere lebenswichtige Dinge vorenthalten werden. Außerdem werden Zivilisten beschossen bzw. angegriffen (AI 22.2.2017). Bezüglich der von Rebellen kontrollierten Bevölkerungszentren setzte die Regierung auf die Strategie, diese vor die Wahl zu stellen, aufzugeben oder zu (ver)hungern, indem sie Hilfslieferungen einschränkte und tausende Zivilisten aus zurückeroberten Gebieten vertrieb (FH 1.2017). Auch Rebellengruppen belagern Gebiete (USDOS 3.3.2017). [Weitere Informationen zu belagerten Gebieten finden sich in Abschnitt "14.

Bewegungsfreiheit"].

5. Risikoprofile

UNHCR bleibt bei seiner Einschätzung, dass syrische Zivilpersonen und Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, wahrscheinlich internationalen Schutz benötigen, wenn sie die nachstehenden Risikoprofile (mit Ausnahme der Untergruppen innerhalb der Risikoprofile 3 und 8) erfüllen. Seit der Veröffentlichung der 4. aktualisierten Fassung der vorliegenden Erwägungen zum Schutzbedarf haben die Regierung und PYD/YPG jeweils ihre Kontrolle über Teile des Landes konsolidiert, während die bewaffneten oppositionellen Gruppen und ISIS an Kontrolle verloren haben und ihre militärischen Kapazitäten geschwächt sind.188 Vor diesem Hintergrund ist UNHCR der Auffassung, dass bestimmte Untergruppen von Zivilpersonen innerhalb der zwei Risikoprofile (siehe Risikoprofile 3 und 8 in der nachstehenden Liste) je nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls gegebenenfalls internationalen Schutz benötigen.

Die nachstehenden Abschnitte enthalten maßgebliche und zuverlässige Informationen zum Herkunftsland und Hinweise für die Beurteilung des Schutzbedarfs in Bezug auf die nachstehenden Risikoprofile, die gegebenenfalls auch für Familienangehörige und sonstige Personen gelten, die Menschen mit diesen Risikoprofilen nahestehen:

1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, insbesondere, jedoch nicht ausschließlich Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Demonstranten, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; hochrangige Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Zivilpersonen, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Bezirken, Dörfern und Gemeinden leben.

2. Wehrdienstentzieher und Deserteure der Streitkräfte.

3. [...]

6. Rückkehr

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 17.8.2017). Im Prinzip steht es syrischen Staatsangehörigen frei, mit ihrem syrischen Pass (oder bei einer Ausreise in den Libanon: mit gültigem Personalausweis) über alle funktionsfähigen Grenzübergänge, einschließlich dem Flughafen Damaskus, das Land zu verlassen. Syrische Staatsangehörige müssen eine Ausreisegebühr in einer Höhe zahlen, die vom Ausreisepunkt (Landgrenze oder Flughafen) abhängt. Auf Grundlage des Gesetzes Nr. 18 aus dem Jahr 2014 kann die Ausreise oder Rückkehr ohne gültigen Pass oder ohne die erforderliche Genehmigung oder über einen nicht genehmigten Ausreisepunkt je nach Umständen des Einzelfalls Freiheits- und/oder Geldstrafen nach sich ziehen. Es ist nicht klar, ob das Gesetz tatsächlich angewandt wird und ob Personen, die aus dem Ausland zurückkehren, gemäß Gesetz Nr. 18 von 2014 einer Strafverfolgung ausgesetzt sind (UNHCR 2.2017).

Personen werden bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017). Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert. Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Assad-Regimes angesehen wird (UK HOME 8.2016).

Das syrische Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Asyl zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 3.3.2017).

In den von oppositionellen Gruppierungen wie Jabhat Fatah ash-Sham oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierten Gebieten verfügen die bewaffneten Gruppen ebenfalls über Listen von "Dissidenten". Ihnen drohen Misshandlung und Verschwindenlassen. Auch oppositionelle Gruppen kontrollieren Rückkehrende, wobei die Bekanntgabe des Wohn- und Geburtsortes wichtig ist. SyrerInnen, die aus der Türkei in oppositionelle Gebiete zurückkehren, werden befragt. Es kommt außerdem zu Entführungen und Lösegelderpressungen durch bewaffnete Gruppen (SFH 21.3.2017).

Wie aus Berichten hervorgeht, betrachtet die Regierung bestimmte Aktivitäten von im Ausland lebenden Syrern als Ausdruck einer oppositionellen Einstellung, darunter Anträge auf Asyl, Teilnahme an regierungskritischen Protesten, Kontakte zu Oppositionsgruppen oder andere Ausdrucksformen der Kritik an der Regierung, einschließlich über soziale Medien (UNHCR 2.2017). Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland, auch deshalb, um oppositionelle Alternativen zum gegenwärtigen Regime zu unterbinden. Die Regierung überwacht Aktivitäten dieser Art im Ausland, auch in Österreich. Dass die syrische Regierung Kenntnis von solchen Aktivitäten hat, ist wahrscheinlich, und sie hat die Möglichkeit, ihr diesbezügliches Wissen zu nützen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergibt. Eine Überwachung von exilpolitischen Aktivitäten passiert hauptsächlich an Orten mit einer größeren syrischen Gemeinde, weil sich dort eher Informanten der Regierung befinden können. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen (BFA 8.2017).

Im September 2017 sprach der damalige Generalmajor der syrischen Republikanischen Garden Issam Zahreddine eine Drohung gegen syrische Flüchtlinge aus. In einem Live-Interview mit dem syrischen Staatsfernsehen sagte er "Kehrt nicht zurück! Selbst wenn der Staat euch vergibt, wir werden niemals vergessen und verzeihen. Ein Rat von diesem Bart: Kommt nicht zurück!", umstehende Offiziere hätten dazu gelacht. Zum Berichtszeitpunkt befehligte er mehrere tausend Soldaten und leitete die Eroberung von Deir ez-Zour. Offiziell gibt das Assad-Regime vor, eine "nationale Versöhnung" in Syrien anzustreben. Syrer, die nicht gegen die Regierung kämpften, hätten demnach nichts zu befürchten (Spiegel 11.9.2017). Zahreddine, der im Oktober 2017 durch eine Landmine getötet wurde, entschuldigte sich später für die Aussage und sagte, dass sie missinterpretiert worden sei und er sich lediglich auf IS und Rebellenkämpfer bezog, die syrische Truppen getötet haben (Telegraph 18.10.2017). Im Dezember 2017 besuchte Ali Haidar, der syrische Minister für nationale Versöhnung (Minister of State for National Reconciliation), den Südlibanon und rief syrische Flüchtlinge aus den Provinzen Hama und Aleppo dazu auf, nach Hause zurück zu kehren, unter der Behauptung, dass die Situation in den Provinzen stabil sei (DS 2.1.2018).

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte sowie festgestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Gerichtsakten zu den Verfahren auf Grund der Anträge der Beschwerdeführerin vom 25.05.2016 und des gegenständlichen Folgeantrags vom 14.11.2018.

Die Feststellung zur Identität der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem bereits im ersten Verfahren vorgelegten Identitätsdokument. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin ergeben sich ebenfalls daraus.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation der Beschwerdeführerin in Österreich ergeben sich aus Abfragen aus den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem), aus den in ihrem Asylverfahren vorgelegten Unterlagen, ihren Angaben in den Verfahren vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht sowie aus den Schriftsätzen aller Verfahren.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

Die Beschwerdeführerin machte in ihrem ersten Asylverfahren geltend, sie habe Syrien wegen des Krieges und der Entführungen und Vergewaltigungen in Syrien verlassen. Auch der IS sei sehr aktiv gewesen. Ihr Vater sei alt gewesen und hätte sie nicht beschützen können. Sie selbst sei keinen unmenschlichen Behandlungen ausgesetzt gewesen und habe auch nicht selbst gesehen, wie Derartiges passiert sei. Sie habe bei einer staatlichen Firma in der Verwaltung gearbeitet.

Im gegenständlichen Verfahren über den zweiten Antrag auf internationalen Schutz brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe Fotos und Videos von Demonstrationen gegen die syrische Regierung besessen. Diese habe sie mit Kollegen oder Freunden geteilt. Jemand habe sie dann deswegen an einen Sicherheitsagenten verraten. Sie selbst habe nicht an Demonstrationen teilgenommen oder diese selbst fotografiert oder gefilmt, weil sie beim Staat angestellt war. Ihr sei dann die Speicherkarte ihres Handys gestohlen worden. Sie habe das Handy auf ihrem Arbeitsplatz gelassen und jemand habe die Speicherkarte mitgenommen. Später sei auch eine Tante von ihr verschwunden. Sie habe Angst gehabt, dass ihr dasselbe passiere und aus diesem Grund sei sie aus dem Land geflüchtet.

Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren über den gegenständlichen zweiten Asylantrag vom 14.11.2018 im Vergleich zu ihrem Verfahren über ihren ersten Asylantrag somit ein vollkommen anderes und "neues" Vorbringen erstattet. Ob dieses "neue" Vorbringen der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren einen glaubhaften Kern aufweist oder nicht, muss einer Prüfung unterzogen werden:

Das neue Vorbringen der Beschwerdeführerin erweist sich für sich betrachtet in ihrem gegenständlichen Verfahren als nicht glaubwürdig und nicht geeignet, eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen. Es war der Beschwerdeführerin nicht möglich, zu diesem neuen Vorbringen detaillierte und nachvollziehbare Angaben zu machen. Die Beschwerdeführerin zog sich vielmehr darauf zurück, vage und unsubstantiierte Behauptungen in den Raum zu stellen, denen es bereits bei oberflächlicher Betrachtung an der Plausibilität mangelt. So konnte die Beschwerdeführerin nach dem angeblichen Vorfall, wonach die Speicherkarte ihres Handys, auf welcher sich Fotos und Videos von Demonstrationen befunden haben sollen, von einem "Sicherheitsagenten" bei ihrer Arbeit entwendet worden sei, noch etwa ein Jahr in Syrien leben, ohne von den Behörden behelligt worden zu sein. In der Einvernahme im zweiten Verfahren gab sie an, nicht an Demonstrationen teilgenommen zu haben, weil sie beim Staat beschäftigt gewesen sei. In der Beschwerde behauptete sie hingegen, sehr wohl an Demonstrationen teilgenommen zu haben.

Hervorzuheben bleibt in diesem Zusammenhang auch, dass es für die zuständige Richterin nicht nachvollziehbar ist, aus welchem Grund die Beschwerdeführerin ihre nunmehrigen Fluchtgründe, nicht bereits im Rahmen ihres ersten Asylverfahrens vor den österreichischen Asylbehörden geltend gemacht hat. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin erst nach knapp zweieinhalb Jahren nach ihrer ersten Antragstellung in Österreich erstmals ihre "wahren" Fluchtgründe geltend machen wollen, legt den Schluss nahe, dass es sich auch bei diesen Angaben, um keine der Wahrheit entsprechende Fluchtgeschichte handelt und die Beschwerdeführerin mit dieser neuerlichen Antragstellung lediglich ihren Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet zu legalisieren versucht. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin bereits in ihrem ersten Verfahren ausreichend Gelegenheit gehabt, die nunmehr verfahrensgegenständlichen Fluchtgründe zu schildern, da sie nach den Angaben der Beschwerdeführerin ja bereits im Jahr 2015 vorgefallen wären.

Dem nunmehr neuen Vorbringen der Beschwerdeführerin ist also insbesondere entgegen zu halten, dass die für die Begründung ihres gegenständlichen zweiten Antrags auf internationalen Schutz geltend gemachten Probleme nahezu zur Gänze einen Sachverhalt darstellen, der bereits vor Rechtskraft des Erstverfahrens (01.12.2016) bestanden hatte und der daher bereits in diesen Verfahren als maßgebend zugrunde gelegt hätte werden können, wie das BFA bereits zu Recht im angefochtenen Bescheid festgehalten hat. Die von der Beschwerdeführerin nunmehr geltend gemachten Fluchtgründe haben schon bereits zum Zeitpunkt des Verlassens ihres Herkunftsstaates im Jahr 2016 bestanden und diese sind wissentlich von der Beschwerdeführerin nicht ins Treffen geführt worden. Die Begründung der Beschwerdeführerin, sie habe Angst gehabt, stellt nicht nur keine ausreichende Begründung dafür dar, dass das neue Vorbringen der Beschwerdeführerin einer neuerlichen inhaltlichen Überprüfung bedürfe, sondern stellt wie bereits oben ausgeführt, die Gesamtglaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin massiv in Zweifel.

Letztlich begründete sie ihren Folgeantrag damit, sie wolle Dokumente und ein besseres Leben für sich und ihren Sohn.

Eine tatsächlich bestehende Verfolgung durch die syrischen Behörden scheint im Fall der Beschwerdeführerin daher nicht gegeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 2.9.2015, Ra 2014/19/0127).

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta der EU auch im vor-liegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Vor-aussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, Appl. Nr. 28.394/95, Döry/Schweden; 8.2.2005, Appl. Nr. 55.853/00, Miller/Schweden), ebenso, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten und die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind (EGMR 18.7.2013, Appl. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff).

Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch das BFA vorangegangen. Der maßgebliche Sachverhalt ist aus dem Akteninhalt des Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichts keinerlei Anhaltspunkte. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Zu A)

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014).

In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzlich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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