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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §67a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel, und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des AÖ in L, vertreten durch
Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 21. Mai 1996, Zl. 2-02/96/E2, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde in einer fremdenrechtlichen Angelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde vom 1. Februar 1996 beantragte der Beschwerdeführer, daß die "tatsachen- und rechtswidrige Einstempelung" des Aufenthaltsverbotes in seinen Reisepaß eine rechtswidrige "faktische Amtshandlung" darstelle, und der Behörde aufzutragen, "diese rechtswidrige Einstempelung zu entfernen bzw. ihre Unrichtigkeit festzuhalten". Als Gegenstand dieser Beschwerde wurde ausdrücklich "fremdenrechtliches Verfahren - fakt. Amtshandlung" angeführt. In dieser Beschwerde wird u.a. die Ansicht vertreten, die "Einstempelung eines Aufenthaltsverbotes" in einen Reisepaß stelle "eine faktische Amtshandlung" dar.
Diese Beschwerde wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Mai 1996 gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
In der Begründung wurde von der belangten Behörde im wesentlichen ausgeführt, daß am 22. Dezember 1995 ein näher genannter Beamter des Gendarmeriepostens V. in den Reisepaß des Beschwerdeführers auf Seite 39 handschriftlich folgende Eintragung vorgenommen habe: "Aufenthaltsverbot der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 23.2.1995" unter Beifügung der Dienststelle und des Namens des eintragenden Beamten. Das über den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot sei im Zeitpunkt der Eintragung des bereits erwähnten Vermerks rechtskräftig und durchsetzbar gewesen.
Mit der (handschriftlichen) Ersichtlichmachung des Aufenthaltsverbotes im Reisepaß des Beschwerdeführers sei das rechtskräftige und durchsetzbare Aufenthaltsverbot lediglich beurkundet worden. Es liege somit keine normative Willensäußerung der Behörde vor. Diese Beurkundung lasse sich auch ohne weiters vom vorangehenden Verwaltungsakt - der Verhängung des Aufenthaltsverbots - trennen, weshalb auch nicht davon ausgegangen werden könne, daß die Beurkundung "zugleich auch die Trägerin des dahinterstehenden Verwaltungsaktes" sei.
Daraus folge, daß durch die Eintragung des Aufenthaltsverbotes in den Reisepaß des Beschwerdeführers kein "rechtsgestaltender Eingriff" in Form eines "Befehls- und Zwangsaktes" gesetzt worden sei. Abgesehen davon sei dem Gendarmeriebeamten der Reisepaß zur Vornahme der Eintragung ohne weiteres ausgefolgt worden. Auch in dieser Hinsicht müsse die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt verneint werden. Die belangte Behörde stellte schließlich die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in Abrede, weil an der "Ersichtlichmachung" im Sinne des § 27 Abs. 5 Fremdengesetz 1992 "keinerlei Rechtswirkungen" geknüpft seien.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 26. Juni 1996, B 1743/96-3, ablehnte und sie mit weiterem Beschluß vom 19. August 1996 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.
Der angefochtene Verwaltungsakt ist nach § 67c Abs. 4 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist. Dauert der für rechtswidrig erklärte Verwaltungsakt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Aufgrund der vom Gesetz eingeräumten Befugnisse im Zusammenhang mit der Entscheidung über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (vgl. § 67c Abs. 3 AVG in der genannten Fassung) war die belangte Behörde jedenfalls nicht befugt, wie dies u.a. vom Beschwerdeführer beantragt worden war, der seinerzeit belangt gewesenen Behörde aufzutragen, die nach Ansicht des Beschwerdeführers rechtswidrige Einstempelung aus dem Reisepaß "zu entfernen bzw. ihre Ungültigkeit festzuhalten". Fehlte es aber der Behörde an einer entsprechenden Befugnis, so wurde insoweit das Begehren des Beschwerdeführers zu Recht zurückgewiesen.
Gemäß § 27 Abs. 5 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, können durchsetzbare Ausweisungen oder Aufenthaltsverbote im Reisedokument der Fremden ersichtlich gemacht werden.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. Dezember 1988, VfSlg. Nr. 11.935) ist Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen eine behauptete "faktische Amtshandlung", daß sie gegen die Anwendung von Gewalt oder gegen eine normative Anordnung (bei deren Nichtbefolgung mit einer unmittelbaren Sanktion gerechnet werden mußte) gerichtet ist; es wird daher insoweit die "Anwendung physischen Zwanges oder die Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch" gefordert. Auch nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 6. Oktober 1993, Zl. 92/17/0284) ist physischer Zwang oder unmittelbare Befehlsgewalt Voraussetzung für die Wertung einer Amtshandlung als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
Ausgehend davon hat die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer bekämpfte Eintragung des gegen den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbots im Reisepaß zu Recht nicht als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gewertet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 96/02/0284). Daß die an die belangte Behörde gerichtete Beschwerde vom 1. Februar 1996 auch nach § 88 Abs. 2 SPG erhoben worden wäre, ist dieser nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, weshalb es der belangten Behörde - entgegen der vom Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur Frage des erforderlichen Prüfungsumfangs bezüglich seiner an die belangte Behörde erhobenen Beschwerde vertretenen Meinung - verwehrt war, eine diesbezüglichen Entscheidung zu treffen.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Februar 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996020401.X00Im RIS seit
20.11.2000