TE Bvwg Beschluss 2019/4/11 L501 2216398-1

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Veröffentlicht am 11.04.2019
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Entscheidungsdatum

11.04.2019

Norm

BEinstG §14
BEinstG §2
BEinstG §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L501 2216398-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Ing. Hans Wiesinger als Beisitzer über die Beschwerde von Frau XXXX , VSNR XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 05.02.2019, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Mit dem am 07.03.2018 beim Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten Schreiben brachte die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) unter Beifügung eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten ein

In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Allgemeinmedizin vom 20.08.2018, vidiert am 21.08.2018, wird basierend auf der klinischen Untersuchung am 20.08.2018 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): Beginnende Omarthrose rechts; Facettengelenksarthrose der WS

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Schulter - Obere Extremitäten, Schultergelenk, Schultergürtel - Funktionseinschränkung geringen Grades beidseitig Aktiv Abduktion und Flexion bis 120°/140° möglich

02.06.02

20 vH

02

Wirbelsäule - Funktionseinschränkungen geringen Grades Geringe Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule bei altersentsprechender Abnützung, keine wesentliche Schmerzsymptomatik, es wird der untere Rahmensatz gewährt

02.01.01

10 vH

Gesamtgrad der Behinderung

20 vH

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Führend ist Gesundheitsstörung 1, Gesundheitsstörung 2 steigert wegen Geringfügigkeit nicht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Belastungsschmerzen an den Kniegelenken nach dem Wandern gehen nicht über das altersentsprechende zivilisatorische Ausmaß hinaus. Es besteht keine Einschränkung im Bewegungsausmaß.

Welche Befunde der Sachverständigen bei Erstellung des Gutachtens vorlagen bzw. von ihr berücksichtigt wurden, geht aus dem Gutachten nicht hervor.

Mit Schreiben vom 21.08.2018 wurde der Partei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.

Am 03.09.2018 wurden die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nochmals der bP übermittelt. Mit E-Mail vom 08.09.2018 informierte die bP über einen weiteren Untersuchungstermin und der Absicht, den Befund der belangten Behörde sodann zukommen zu lassen. Des Weiteren verfüge sie über ein aktuelles Gutachten ihres behandelnden Orthopäden, welches sie der Sachverständigen im Zuge der Untersuchung vorgelegt habe, diese habe es aber nicht zur Kenntnis genommen. Sie habe starke Schmerzen (Skala 8), nehme täglich 2 Schmerzmittel, auch am Untersuchungstag. Die zweite Schulter werde im Feber 2019 operiert.

Im Akt liegen zahlreiche Befunde ein; der Zeitpunkt ihres Einlangens in der belangten Behörde kann hg. nicht nachvollzogen werden; teils wurden sie offenbar bei Antragstellung, teils nach der Untersuchung, teils im Rahmen des Parteiengehörs und teils bei Beschwerdeerhebung übermittelt.

Im Akt liegen weitere Gutachten der Allgemeinmedizinerin ein, welche allesamt auf der klinischen Untersuchung der bP am 20.08.2018 basieren, aber immer ein anderes Erstellungs-sowie Vidierungsdatum tragen: Gutachten erstellt am 15.10.2018, viediert am 15.10.2018; Gutachten erstellt am 25.10.2018, vidiert am 25.10.2018; Gutachten erstellt am 12.11.2018, vidiert am 12.11.2018; Gutachten erstellt am 02.02.2019, vidiert am 04.02.2019

Der Gutachtensinhalt erfuhr - soweit ersichtlich - keine Änderung, lediglich beim Gutachten mit dem Erstellungsdatum 02.02.2019 und dem Vidierungsdatum 04.02.2019 wurde nach dem Punkt "Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung" nachstehender Absatz eingefügt:

Stellungnahme zu Einwendung der Antragstellerin:

Nach Durchsicht und Prüfung der vorgelegten neuen Befunde ergibt sich keine Änderung des GdB. Der EKG Befund betrifft nicht mein Fachgebiet, die Untersuchung der Halsgefäße von 03/2018 ergab einen unauffälligen Befund, im Röntgen der rechten Schulter von März 2018 ist der Subacromialraum nicht eingeengt, im Befund von 05 2018 keine Schmerzen und seitengleiche Beweglichkeit der Schultergelenke, nur minimales Grobkraftdefizit oberhalb der Horizontalen. Normale Knochendichte.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 05.02.2019 wies die belangte Behörde den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Abs. 1 und 2 BEinstG ab. Nach Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde festgehalten, dass gemäß dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, welches zum Bestandteil der Begründung erklärt und beigefügt wurde, ein Grad der Behinderung von 20 vH vorliegt.

In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde behauptet die bP eine seit der Untersuchung durch die Sachverständige eingetretene Verschlechterung beider Schultern. In der operierten rechten Schulter käme es zunehmend zu Blockaden, sodass sie den Arm zum Teil nicht mehr anheben könne, es bestehe eine Arthrose 4. Grades. Die für 11.02.2019 geplante Operation der linken Schulter habe wegen Beschwerden in der rechten Schulter abgesagt werden müssen. Auch habe die Sachverständige weitere Diagnosen nicht berücksichtigt, sie leide nämlich an einem chronisch generalisierten Schmerzsyndrom, an Gonalgie sowie an Dysthymie (Verweis auf Befunde).

Mit Schreiben vom 22.03.2019 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt ohne weitere Ermittlungen oder Verfahrensschritte vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Im gegenständlichen Verfahren wurden die notwendigen Ermittlungen bzw. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen. Es mangelt an einer sachdienlichen Befundaufnahme und reichen die Ausführungen im Gutachten unter Berücksichtigung der im Akt einliegenden Befunde nicht für eine schlüssige Begründung des angenommenen Gesamtgrades der Behinderung von 20% aus.

Hinsichtlich des Verfahrensgangs, der zu unterschiedlichen Zeitpunkten gefertigten Sachverständigengutachten und des Vorbringens der bP wird auf Punkt I. verwiesen.

II.2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Bundesverwaltungsgerichtes.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 19b Abs. 1 BEinstG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 durch den Senat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung

II.3.1 zu ermittelnder Sachverhalt

Gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen.

II.3.2. Kassation

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn diese jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinne einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Im vorliegenden Fall war das Sozialministeriumservice dazu verhalten, den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010, unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen zu ermitteln. Die Behörde hat das eingeholte Gutachten auf seine Vollständigkeit, seine Widerspruchsfreiheit und seine Schlüssigkeit zu überprüfen. Stützt sie sich auf ein unschlüssiges, widersprüchliches oder unvollständiges Gutachten, kommt sie ihrer Pflicht zur Erhebung des maßgeblichen Sachverhalts nicht nach (VwSlg. 12.654 A/1988; Hengstschläger/Leeb, AVG [2005] § 52 Rz 62). Maßgeblich für die Schlüssigkeit ist die Beachtung der inhaltlichen Anforderungen an ein Gutachten (Befund mit Anführung der tatsächlichen Grundlagen und der Art ihrer Beschaffung, sowie Gutachten im engeren Sinn; siehe dazu zB Hengstschläger/Leeb aaO Rz 59). Zu den inhaltlichen Anforderungen gehört, dass erkennbar ist, auf welche Tatsachenannahmen sich der Sachverständige als Grundlage seiner Beurteilung bezieht, und dass der Teil, der als Gutachten im engeren Sinn (bzw. Schlussfolgerung) anzusehen ist, so verfasst ist, dass eine Überprüfung der Aussagen des Sachverständigen auf ihre Schlüssigkeit möglich ist, dass also vom Sachverständigen dargelegt wird, auf welche Weise er zu seinem Urteil gekommen ist, wobei es ihm obliegt, die Erfahrungssätze seines Fachgebietes in ihrer konkreten Anwendung auf den zu beurteilenden Einzelfall in einer für nicht Sachkundige einsichtigen Weise offen zu legen (Hengstschläger/Leeb aaO Rz 60).

Legt man diese Anforderungen auf das Vorgehen der belangten Behörde im Beschwerdefall um, zeigt sich, dass diese ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen ist. So ist dem Gutachten nicht zu entnehmen, welche von der bP vorgelegten Befunde bei Erstellung des Gutachtens berücksichtigt wurden. Unter dem Punkt "Zusammenfassung relevanter Befunde" steht lediglich "Beginnende Omarthrose rechts. Facettengelenksarthrose der WS". Es ist weder ein nachvollziehbarer Bezug zu Befunden (Art des Befundes, wie Röntgen, Arztbrief; Datum, behandelnder Arzt, etc. scheint nicht auf) gegeben noch eine inhaltliche Auseinandersetzung. Ein offenbar im Zuge der Antragstellung vorgelegter Befund des behandelnden Orthopäden vom 17.10.2017 beschreibt ua. Discusprotrusionen, eine diesbezügliche Auseinandersetzung im Hinblick auf eine Pos.Nr. fehlt im Gutachten.

Im Gutachten mit Erstellungsdatum 02.02.2019 kann zwar ansatzweise (aber auch Befunde vom 05/2018) nachvollzogen werden, welcher Befund angesprochen wird, ein Bezug zum eingeschätzten Leiden ist für einen medizinischen Laien allerdings nicht herstellbar bzw. ergibt sich für ihn kein sinnvoller Erklärungswert (beispielsweise "Subacromialraum nicht eingeengt" - im Röntgenbefund steht: Der subacromiale Raum ist verbreitert...ansonsten regelrechter postoperativer Befund). Eine Erläuterung zum EKG Befund fehlt, da "betrifft nicht mein Fachgebiet".

Schließlich reichen die Ausführungen im Gutachten auch nicht für eine schlüssige Begründung des angenommenen Gesamtgrades der Behinderung von 20% aus, fehlt es doch gänzlich an der gebotenen Abgrenzung von den nächsthöheren Positionsnummern der Einschätzungsverordnung bzw. an einer die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden Begründung (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juli 2015, Zl. Ra 2015/11/0036).

Bezugnehmend auf das Beschwerdevorbringen ist zudem auf die Aktualität des Gutachtens zum Entscheidungszeitpunkt Bedacht zu nehmen.

Dem der Entscheidung zu Grunde gelegten medizinischen Sachverständigengutachten ist folglich die Vollständigkeit und Schlüssigkeit abzusprechen und erweist es sich für die Vornahme einer Einschätzung als ungeeignet. Der Fall ist einem solchen gleichzuhalten, in welchem kein Gutachten vorliegt. Das Verwaltungsgericht wurde durch diese Vorgangsweise in eine Lage gebracht, in der es nicht bloß Ergänzungen eines bereits im behördlichen Verfahren - wenn auch unvollständig - erhobenen Sachverhalts vorzunehmen oder die bloße Ergänzung eines in einzelnen Teilen unvollständigen Sachverständigengutachten zu veranlassen gehabt hätte (im Unterschied etwa zu der dem Erkenntnis VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0037 zugrundeliegenden Konstellation), sondern das Ermittlungsverfahren erst von Anfang an hätte führen müssen.

Der für eine rechtlich einwandfreie Entscheidung notwendige maßgebliche Sachverhalt ist daher in der erforderlichen Gesamtschau als nur im Ansatz ermittelt anzusehen.

Eine Heranziehung des § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG verbietet sich des Weiteren unter Effizienzgesichtspunkten, zumal die Verwaltungsbehörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und mit niedrigeren Kosten als das Verwaltungsgericht bewerkstelligen wird können. Es ist vielmehr sogar davon auszugehen, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht keinesfalls mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, zumal die belangte Behörde über einen auf die Einholung von ärztlichen Gutachten geschulten sowie spezialisierten Verwaltungsapparat verfügt, welcher sowohl bei der Auswahl der Fachrichtung der Sachverständigen als auch bei auftretenden medizinischen Fragestellungen sowie allenfalls erforderlichen Zusammenfassungen von Gutachten auf das Fachwissen des in die Behörde integrierten sowie unmittelbar im Haus lokalisierten ärztlichen Dienst zurückgreifen kann. Bei der Beurteilung der Kostenersparnis und Raschheit kommt es darüber hinaus nicht auf die Auswirkungen auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die jeweilige konkrete Amtshandlung an. Dass die Zurückverweisung den gesamten Verfahrensverlauf verlängert, ist bei der Zeit- und Kostenersparnis nicht in Rechnung zu stellen, weil ansonsten eine kassatorische Entscheidung nie in Frage käme (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG [2007], § 66 Rz 20 mwN).

Ausgehend von diesen Überlegungen ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückzuverweisen, welches das Ermittlungsverfahrens unter Beachtung obiger Ausführungen durchzuführen und sodann neuerlich in der Sache zu entscheiden hat.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. die angefochtenen Bescheide aufzuheben waren.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L501.2216398.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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