TE Bvwg Beschluss 2019/4/11 L501 2211146-1

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Veröffentlicht am 11.04.2019
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Entscheidungsdatum

11.04.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L501 2211146-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat. Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX , VSNR XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 19.11.2018, OB XXXX , betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Der bP wurde 2015 auf Grundlage eines aus dem Bereich der Psychiatrie und der Allgemeinmedizin stammenden Gutachten ein bis Oktober 2018 befristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50vH ausgestellt. Das psychische Leiden wurde der Pos.Nr. 03.06.01 mit 40 vH zugeordnet und wie folgt festgehalten:

Rezidivierend depressive Störung - mittelgradig, narzisstische Persönlichkeitsstörung, Benzodiazepinmissbrauch; Begründung: Bei dem Klienten entwickelte sich im Rahmen von beruflichen Schwierigkeiten eine nun schon sehr chronifizierte depressive Symptomatik mit zwei schweren depressiven Episoden sowie Z.n. 2xigem Suizidversuch - weiterhin sehr instabil mit leichter narzisstischer Kränkbarkeit, dann Rückzug und Suizidgedanken. Er ist fachärztlich in Kontrolle, antidepressiv nur mäßig eingestellt. [...]

Mit dem am 10.08.2018 beim Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten Schreiben beantragte die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) die Verlängerung ihres bis Ende Oktober 2018 befristeten Behindertenpasses mit einem GdB von 50vH. Nach ausführlicher Beschreibung ihrer körperlichen Leiden teilte sie mit, dass die Psyche ein eigenes Thema sei, es sich schlagartig alles verschlechtere, wenn irgendetwas anstehe und ihr nicht lösbar erscheine. Sie habe versucht, eine Gesprächstherapie zu machen, doch wer solle diese bezahlen. Es sei abgelehnt worden und nun sei sie wieder auf sich selbst gestellt.

In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Allgemeinmedizin vom 14.10.2018 wird basierend auf der klinischen Untersuchung am 25.09.2018 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: Seractil und Diclovit b. B. Zolpidem b.B., Trittico 150 abends

Status Psychicus: Zeitlich und örtlich orientiert. Konzentration, Stimmung subdepressiv, gute Gedächtnislage. Emotionen situationsgerecht, soziale Funktion aufrecht. Logische Denkabläufe. Keine Suizidgedanken.

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen Funktionelle Bewegungseinschränkung. Keine radikuläre Symptomatik

02.01.02

30 vH

02

Sprunggelenksarthrose li Achillodynie. Bewegungseinschränkung, Schwellungsneigung

02.05.32

30 vH

03

Hallux rigidus re, Hallux bds.;Schmerzen und Bewegungseinschränkung re

02.05.36

30

04

Depressive Verstimmung Stabil unter Medikation.

03.06.01

20

05

Zustand nach Endgliedamputation 2. und 3. Finger re Gute funktionelle Beweglichkeit

02.06.26

10

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das Leiden in Pkt. 1 wird durch Leiden in Pkt. 2 und 3 negativ beeinflusst, sodass diese beiden Pkt. gemeinsam um 1 Stufe steigern. Die übrigen Leiden steigern nicht weiter.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Stabilisierung der Depressionen

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Stabilisierung der Depressionen

Mit Schreiben vom 18.10.2018 wurde der Partei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen. In ihrer am 30.10.2018 eingelangten Äußerung widerspricht sie zunächst den Gutachtensausführungen zu ihren körperlichen Beschwerden, moniert das Vorliegen einer Nierenkrankheit, fragt, woher die Sachverständige wisse, dass sie keine Suizidgedanken habe bzw. wie es in ihr aussehe. Tatsache sei vielmehr, dass sie sehr vorsichtig sein müsse und - wenn es irgendwie gehe - den Menschen dem Weg gehe.

In der hierauf seitens der belangten Behörde eingeholten Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes vom 18.11.2018 wurde das Sachverständigengutachten vom 14.10.2018 als ausreichend und schlüssig begründet bezeichnet.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass die bP mit einem Grad der Behinderung von 40 vH nicht die Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses erfüllt. Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde ausgeführt, dass das dem Bescheid beiliegende und einen Teil der Begründung bildende Sachverständigengutachten als schlüssig erkannt und der Entscheidung zugrunde gelegt wurde. Ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde legt die bP ihre im Rahmen des Parteiengehörs abgegebene Stellungnahme bei.

Mit Schreiben vom 13.12.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt ohne weitere Ermittlungen oder Verfahrensschritte vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die bP erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Sie hat ihren Wohnsitz im Inland.

Im gegenständlichen Verfahren wurden die notwendigen Ermittlungen bzw. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen. Hinsichtlich des Verfahrensgangs, der Ausführungen im Sachverständigengutachten vom 14.10.2018 und des Vorbringens der bP wird auf Punkt I. verwiesen. Die belangte Behörde hat das eingeholte Gutachten der bP im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht, erforderliche Ermittlungen oder Verfahrensschritte aufgrund der Einwendung der bP jedoch nicht durchgeführt.

Die Ausführungen im Gutachten reichen nicht für eine schlüssige Begründung des angenommenen Gesamtgrades der Behinderung von 40% aus, insbesondere fehlt es betreffend lfd. Nr. 03 und 04 an einer sachdienlichen Befundaufnahme und einer ausreichenden Begründung (vgl. § 4 Abs. 2 der Einschätzungsverordnung) für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb des Rahmensatzes unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde.

Die Funktionsbeeinträchtigung der lfd. Nr. 04 wurde - trotz wiederholtem Hinweis der bP auf ihre psychische Lage sowie des vorgelegten Arztbriefes einer Krankenhausabteilung für Psychiatrie vom 24.September 2017, in dem als Aufnahmegrund ‚Med. Intoxikation in fraglich suizidaler Absicht' aufscheint - als stabil unter Medikation beschrieben. Die maßgeblich geänderte Einschätzung wurde nicht im Verhältnis zum Vorgutachten aus dem Bereich der Psychiatrie erläutert. Die lfd. Nr. 03 wurde nicht im Hinblick auf den oberen Rahmensatz abgegrenzt und begründet. Eine Begründung für das Nichtvorliegen einer chronischen Niereninsuffizienz (wie sie in der Anamnese des Gutachtens aus dem Bereich der Allgemeinmedizin aus dem Jahre 2015 aufscheint und von der bP in ihren Schreiben im gegenständlichen Verfahren behauptet wird) fehlt.

Die Ausführungen im Gutachten reichen des Weiteren nicht für eine schlüssige Begründung des Gesamtgrades der Behinderung. So wird nicht ausreichend auf die bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen erforderliche wechselseitige Beeinflussung derselben anhand der Kriterien des § 3 Abs. 3 der Einschätzungsverordnung Bedacht genommen, sondern bloß pauschal eine gemeinsame Steigerung durch die lfd. Nr. 2 und 3 wegen negativer Beeinflussung festgestellt.

Die notwendigen Ermittlungen bzw. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurden sohin unterlassen.

II.2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Bundesverwaltungsgerichtes.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung

II.3.1 zu ermittelnder Sachverhalt

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist (unter den dort näher geregelten Voraussetzungen) behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen. Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gelten der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers, ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem ASGG, ein rechtskräftiges Erkenntnis des BVwG oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz (§ 41 Abs. 1 BBG). In anderen Fällen (siehe dazu näher die Z 1 bis 3 des § 41 Abs. 1 BBG) hat das Sozialministeriumservice den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010, unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen.

II.3.2. Kassation

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn diese jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinne einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Im vorliegenden Fall war das Sozialministeriumservice dazu verhalten, den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010, unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen zu ermitteln. Die Behörde hat das eingeholte Gutachten auf seine Vollständigkeit, seine Widerspruchsfreiheit und seine Schlüssigkeit zu überprüfen. Stützt sie sich auf ein unschlüssiges, widersprüchliches oder unvollständiges Gutachten, kommt sie ihrer Pflicht zur Erhebung des maßgeblichen Sachverhalts nicht nach (VwSlg. 12.654 A/1988; Hengstschläger/Leeb, AVG [2005] § 52 Rz 62). Maßgeblich für die Schlüssigkeit ist die Beachtung der inhaltlichen Anforderungen an ein Gutachten (Befund mit Anführung der tatsächlichen Grundlagen und der Art ihrer Beschaffung, sowie Gutachten im engeren Sinn; siehe dazu zB Hengstschläger/Leeb aaO Rz 59). Zu den inhaltlichen Anforderungen gehört, dass erkennbar ist, auf welche Tatsachenannahmen sich der Sachverständige als Grundlage seiner Beurteilung bezieht, und dass der Teil, der als Gutachten im engeren Sinn (bzw. Schlussfolgerung) anzusehen ist, so verfasst ist, dass eine Überprüfung der Aussagen des Sachverständigen auf ihre Schlüssigkeit möglich ist, dass also vom Sachverständigen dargelegt wird, auf welche Weise er zu seinem Urteil gekommen ist, wobei es ihm obliegt, die Erfahrungssätze seines Fachgebietes in ihrer konkreten Anwendung auf den zu beurteilenden Einzelfall in einer für nicht Sachkundige einsichtigen Weise offen zu legen (Hengstschläger/Leeb aaO Rz 60).

Legt man diese Anforderungen auf das Vorgehen der belangten Behörde im Beschwerdefall um, zeigt sich, dass diese ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen ist. Dem der Entscheidung zu Grunde gelegten medizinischen Sachverständigengutachten ist - wie in den Feststellungen dargelegt - die Vollständigkeit und Schlüssigkeit abzusprechen und erweist es sich für die Vornahme einer Einschätzung als ungeeignet. Der Fall ist einem solchen gleichzuhalten, in welchem kein Gutachten vorliegt. Das Verwaltungsgericht wurde durch diese Vorgangsweise in eine Lage gebracht, in der es nicht bloß Ergänzungen eines bereits im behördlichen Verfahren - wenn auch unvollständig - erhobenen Sachverhalts vorzunehmen oder die bloße Ergänzung eines in einzelnen Teilen unvollständigen Sachverständigengutachten zu veranlassen gehabt hätte (im Unterschied etwa zu der dem Erkenntnis VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0037 zugrundeliegenden Konstellation), sondern das Ermittlungsverfahren erst von Anfang an hätte führen müssen.

Seitens der belangten Behörde wurde zwar Parteiengehör gewährt, in der Folge wurde es jedoch unterlassen, sich mit dem Vorbringen der bP im konkreten auseinanderzusetzen und entsprechende zielführende Schritte durchzuführen.

Der für eine rechtlich einwandfreie Entscheidung notwendige maßgebliche Sachverhalt ist daher in der erforderlichen Gesamtschau als nur im Ansatz ermittelt anzusehen.

Eine Heranziehung des § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG verbietet sich des Weiteren unter Effizienzgesichtspunkten, zumal die Verwaltungsbehörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und mit niedrigeren Kosten als das Verwaltungsgericht bewerkstelligen wird können. Es ist vielmehr sogar davon auszugehen, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht keinesfalls mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre, zumal die belangte Behörde über einen auf die Einholung von ärztlichen Gutachten geschulten sowie spezialisierten Verwaltungsapparat verfügt, welcher sowohl bei der Auswahl der Fachrichtung der Sachverständigen als auch bei auftretenden medizinischen Fragestellungen sowie allenfalls erforderlichen Zusammenfassungen von Gutachten auf das Fachwissen des in die Behörde integrierten sowie unmittelbar im Haus lokalisierten ärztlichen Dienst zurückgreifen kann. Bei der Beurteilung der Kostenersparnis und Raschheit kommt es darüber hinaus nicht auf die Auswirkungen auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die jeweilige konkrete Amtshandlung an. Dass die Zurückverweisung den gesamten Verfahrensverlauf verlängert, ist bei der Zeit- und Kostenersparnis nicht in Rechnung zu stellen, weil ansonsten eine kassatorische Entscheidung nie in Frage käme (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG [2007], § 66 Rz 20 mwN).

Ausgehend von diesen Überlegungen ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückzuverweisen, welches das Ermittlungsverfahrens unter Beachtung obiger Ausführungen - insbesondere der Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich der Psychiatrie - durchzuführen und sodann neuerlich in der Sache zu entscheiden hat.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. die angefochtenen Bescheide aufzuheben waren.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L501.2211146.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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