Entscheidungsdatum
12.04.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L501 2207834-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX , VSNR. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 06.08.2018, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) beantragte mit am 08.03.2018 bei der belangten Behörde eingelangten Schreiben die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass.
In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 03.07.2018 wird von einem namentlich genannten Allgemeinmediziner, basierend auf der klinischen Untersuchung am 23.05.2018, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
bösartiger Dickdarmtumor mit operativer Sanierung, postoperativen Komplikationen, schlechter AZ und EZ
13.01.03
60
02
künstlicher Darmausgang bei Z.n. DarmOP wegen bösartigem Tumor
07.04.18
50
Gesamtgrad der Behinderung
70 vH
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Die Tumorerkrankung unter Lfnr 1 ist führend. Der künstliche Darmausgang unter Lfnr 2 steht in Wechselwirkung mit der Grunderkrankung und steigert um eine Stufe auf 70%.
Die im Hinblick auf die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellte Frage wurden wie folgt beantwortet: Es konnten keine Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden, die zu einer relevanten Einschränkung der Mobilität führen. Es besteht ein gut versorgtes Colostoma mit dichtem Verschluss. Es kommt keinem wiederholten Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Es besteht auch keine ungünstige Lokalisation und deswegen zu permanent undichter Versorgung. Auch die bestehende körperliche Schwäche schränkt die Mobilität nicht erheblich ein. In Zusammenschau ist es dem Antragsteller somit möglich eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen. Er benötigt keinen Gehbehelf und ist auch nicht sturzgefährdet. Es ist ihm zumutbar höhere Niveauunterschiede (bis 30 cm) zum Ein.- und Aussteigen in ein öff. Verkehrsmittel zu überwinden.
Mit Schreiben vom 03.07.2018 wurde der bP das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen drei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde festgehalten, dass gemäß den dem Bescheid beiliegenden und einen Teil der Begründung bildenden Ergebnissen des ärztlichen Begutachtungsverfahrens die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.
In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde führt die bP aus, dass die Stomaversorgung jederzeit im Gedränge und bei starker Personenfrequenz in einem öffentlichen Verkehrsmittel aufplatzen bzw. undicht werden könne, wie bereits passiert sei. Eine Weiterfahrt sei in einem solchen Fall keinesfalls möglich. Der Beschwerde beigelegt ist eine Bestätigung des Hausarztes, in der nach Anführung der Diagnosen die Ausstellung eines Behindertenausweises aus hygienischen und pflegerischen Gründen empfohlen wird.
Seitens der belangten Behörde wurde hierauf eine Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes eingeholt, in der es wie folgt heißt: Aus der vorliegenden Bestätigung des Hausarztes keine neuen Leiden oder weiter Umstände ersichtlich, die eine Benützung öff. Verkehrsmittel verunmöglichen würden. Die Begründung aus Letztgutachten schlüssig. die Stomaversorgung ist suffizient.
Mit Schreiben vom 18.10.2018 wurde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die bP hat ihren Wohnsitz im Inland, ihr wurde ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 70 vH ausgestellt.
Folgende Funktionsbeeinträchtigungen liegen vor:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
01
bösartiger Dickdarmtumor mit operativer Sanierung, postoperativen Komplikationen, schlechter AZ und EZ
02
künstlicher Darmausgang bei Zustand nach Darmoperation wegen bösartigem Tumor.
Es besteht ein gut versorgtes Colostoma mit dichtem Verschluss, die Stomaversorgung ist suffizient. Es kommt zu keinem wiederholten Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Es besteht auch keine ungünstige Lokalisation und deswegen zu permanent undichter Versorgung. Die bestehende körperliche Schwäche schränkt die Mobilität nicht erheblich ein. Die bP kann eine kurze Wegstrecke von 400 m aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Sie benötigt keinen Gehbehelf und ist auch nicht sturzgefährdet Das Aus- und Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist unter Berücksichtigung üblicher Niveauunterschiede ohne fremde Hilfe ebenso gewährleistet wie das Anhalten an Haltegriffen und der sichere Stand unter Berücksichtigung transporttypischer Bewegungen.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.
Die Feststellungen basieren auf dem von der der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Allgemeinmedizin. Die Einschätzungen des Sachverständigen beruhen auf der klinischen Untersuchung, sind ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Gutachtens, vielmehr wurden sie von dem Sachverständigen eingesehen und in die Einschätzung miteinbezogen. Es wird auf die Art der Funktionsbeeinträchtigungen und deren Ausmaß eingegangen sowie insbesondere die Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel beurteilt. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird grundsätzlich auf die unter Punkt I. wiedergegeben Ausführungen des Sachverständigen verwiesen.
Die bP hatte ausreichend Gelegenheit die begründeten Darlegungen des Sachverständigen in geeigneter Weise, etwa mit einem von ihr selbst in Auftrag gegebenen Gutachten, auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften. Dies hat sie jedoch unterlassen. Sie hat auch keine Ungereimtheiten oder Widersprüche aufgezeigt, die eine Beeinspruchung auch ohne einem Entgegentreten auf gleichem fachlichen Niveau ermöglicht hätten (vgl. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten. Es wird daher - zumal es mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht - in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen (§ 47 BBG).
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]
2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
Die bP kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke zu Fuß aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ebenso gegeben wie das Überwinden üblicher Niveauunterschiede und die sichere Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel. Die Stomaversorgung ist suffizient Die Auswirkungen der bestehenden Funktionseinschränkungen bedingen daher gemäß ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs nicht die Unzumutbarkeit, zumal die Erreichung des mit der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels angestrebten Ziels gewährleistet ist.
Im Falle einer Verschlechterung des Leidenszustandes - insbesondere unter dem Blickwinkel des geschwächten Allgemeinzustandes und des Ernährungszustandes - kann abermals ein Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gestellt werden und kommt sodann eine neuerliche Beurteilung in Betracht. (vgl. in diesem Sinne VwGH vom 20.11.2012, 2011/11/0118).
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L501.2207834.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.06.2019