TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/15 L501 2190520-1

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Veröffentlicht am 15.04.2019
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Entscheidungsdatum

15.04.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L501 2190520-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX , VSNR. XXXX , gegen den vom Sozialministeriumservice mit Schreiben vom 21.02.2018 versandten Behindertenpass, OB XXXX , wegen dem Grad der Behinderung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) und §§ 1 Abs. 2, 40 Abs. 1, 41 Abs. 1, 42 Abs. 1, 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) sowie § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 idgF insofern stattgeben, als dass der Grad der Behinderung (GdB) siebzig (70) von Hundert (vH) beträgt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Mit am 11.09.2017 im Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten Schreiben beantragte die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) unter Beifügung eines Befundkonvolutes und diverser Unterlagen die Ausstellung eines Behindertenpasses.

In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 19.02.2018 wird von einer namentlich genannten Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, basierend auf der persönlichen Untersuchung am 08.02.2018, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

depressive Episode seit Mobbing am Arbeitsplatz und nachfolgender Suspendierung 2013 Die Position 03.06.02 wird mit 50% eingestuft. Die Wahl des unteren Rahmensatzes ergibt sich aus der depressiven Grundstimmung mit einer allgemeinen Freudlosigkeit und Lustlosigkeit, einem reduzierten Antrieb, Existenzängsten, rezidivierenden Panikattacken, einem verminderten Selbstwertgefühl, sozialen Rückzugstendenzen und Durchschlafstörungen mit Grübelneigung. Der Proband steht diesbezüglich in regelmäßiger psychiatrischer Betreuung und erhält eine antidepressive und schlafverbessernde Medikation. Aufgrund fehlender psychotischer Symptome ist ein höherer Grad der Behinderung nicht zu begründen.

03.06.02

50

Gesamtgrad der Behinderung

50 vH

 

 

Nachuntersuchung

02/2020 - Der weitere Verlauf ist offen.

Gegen den vom Sozialministeriumservice mit Schreiben vom 21.02.2018 versandten Behindertenpass mit einem eingetragenen GdB von 50 vH erhob die bP fristgerecht Beschwerde, in welcher sie eine zu geringe Einschätzung moniert. Begründend führte sie aus, dass entgegen dem amtsärztlichen Gutachten für das Erreichen eines Grades von 70% keine psychotischen Symptome erforderlich seien. In dem von ihr vorgelegten Gutachten sei zudem festgalten, dass ihre Arbeitsfähigkeit dauerhaft eingeschränkt und eine Remission nicht zu erwarten sei, weshalb ein GdB von 70% festzustellen sei. Aufgrund der ihr widerfahrenen Geschehnissen habe sie sich sozial gänzlich zurückgezogen, die Symptome hätten sich chronifiziert und sei Behandlungsresistenz eingetreten. Es liege daher eine Störung schweren Grades nach Position Nr. 03.05.03 von 90 bis 100% vor, weil es sich um eine therapieresistente Symptomatik mit sozialer Isolation in Kombination mit einer Phobie und psychosomatischen Störungen sowie familiärer und sozialer Isolation handle. Sie befinde sich seit 2014 durchgehend in Behandlung bei einem FA für Psychiatrie und psychotherapeutischen Medizin. Sie beantrage eine Einschätzung nach der Pos.Nr. 03.05.03 mit einem GdB von 90 bis 100%, in eventu nach der Pos.Nr. 03.06.02 mit einem GdB von 70%.

Mit Schreiben vom 27.03.2018 wurde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Über Aufforderung wurden seitens der bP weiter Beweismittel in Vorlage gebracht.

In dem hierauf seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten wird von einem namentlich bezeichneten Facharzt für Psychiatrie basierend auf der klinischen

Untersuchung am 20.12.2018 im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Status Psychicus:

Bewusstsein klar, orientiert, Antrieb vermindert, Affizierbarkeit im positiven Skalenbereich eingeschränkt, Stimmung depressiv, Duktus kohärent, keine eindeutig wahnhaften Denkinhalte, latent eine gewisse paranoide Verarbeitung der Umwelt vorhanden, keine Halluzinationen, aktuell keine Suizidgedanken, Appetit vermindert, Ein- und Durchschlafstörungen mit nächtlichen Angstzuständen

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Rezidivierend depressive Störung - mittelgradig (ausgelöst durch Mobbing am Arbeitsplatz), Panikstörung Begründung: Bei dem Klienten entwickelte sich infolge eines ausgeprägten Mobbings bzw. Bossings am Arbeitsplatz eine depressive Symptomatik. Der Klient begab sich dadurch in psychiatrische Behandlung. Es erfolgte eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva. Im Längsverlauf kam es je nach Stand der anstehenden Verfahren phasenweise auch zu einer gewissen Besserung. Insgesamt hat sich allerdings die Problematik insofern festgesetzt, als der Klient nach wie vor gedanklich beschäftigt ist mit den erlittenen Kränkungen. Er hat sich von seiner Persönlichkeit dadurch deutlich verändert, sozial zurückgezogen und zeigt phasenweise auch leicht paranoide Denkmuster. Seit Juli 2018 ist er auch in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung. Insgesamt war keine wirkliche Remission der psychischen Symptomatik eingetreten, da sich auch die beruflichen Umstände nicht geändert haben. Der Klient ist nun pensioniert.

03.06.02

70

Gesamtgrad der Behinderung

70 vH

 

 

Zu der Einwendung der Partei: It. Einschätzungsverordnung wären auch für eine Einstufung

d. Grades d. Behinderung Pos. Nr. 03.06.03 psychotische Symptome nicht allein entscheidend. Dies lehnt sich an d. ICD 10 an, in dem ebenfalls eine schwere depressive Episode mit oder ohne psychotische Symptome vorhanden sein kann.

Zum vorgelegten Gutachten vom 27.05.2015: Grundsätzlich ist die Problematik primär im Sinne einer Anpassungsstörung zu werten gewesen. In dem Gutachten wird ein Zustand nach depressiver Anpassungsstörung diagnostiziert. Im Längsverlauf ist allerdings nach wie vor eine ausgeprägte depressive Symptomatik vorhanden.

Nachuntersuchung 12/2021, da unter weiterer Behandlung und je nach psychosozialen Rahmenbedingungen eine Änderung des psychischen Zustands eintreten kann.

Hinsichtlich der Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wird ausgeführt:

Laut Angaben des Klienten hatte er einmal in einem öffentlichen Bus eine Panikattacke und musste in die Klinik eingeliefert werden. Enge Räume, welche er nicht sofort verlassen kann, erinnern ihn an die Situation der beruflichen Suspendierung und führen zu Beklemmung und panikartigen Zuständen. Der Klient ist fachärztlich in Kontrolle, antidepressiv höher dosiert eingestellt und laufend in psychotherapeutischer Behandlung. Diese therapeutischen Strategien haben bisher zu keiner wesentlichen Verbesserung der Problematik in Bezug auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel geführt. Aus psychiatrischer Sicht ist dem Klienten derzeit die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich.

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden der bP sowie der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Mit Schreiben vom 18.02.2019 teilte die bP mit, dass sie keine Stellungnahme abgebe und um Entscheidung im Sinne des Gutachtens ersuche.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Die bP erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Sie ist österreichische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz im Inland.

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Rezidivierend depressive Störung - mittelgradig (ausgelöst durch Mobbing am Arbeitsplatz), Panikstörung Begründung: Bei dem Klienten entwickelte sich infolge eines ausgeprägten Mobbings bzw. Bossings am Arbeitsplatz eine depressive Symptomatik. Der Klient begab sich dadurch in psychiatrische Behandlung. Es erfolgte eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva. Im Längsverlauf kam es je nach Stand der anstehenden Verfahren phasenweise auch zu einer gewissen Besserung. Insgesamt hat sich allerdings die Problematik insofern festgesetzt, als der Klient nach wie vor gedanklich beschäftigt ist mit den erlittenen Kränkungen. Er hat sich von seiner Persönlichkeit dadurch deutlich verändert, sozial zurückgezogen und zeigt phasenweise auch leicht paranoide Denkmuster. Seit Juli 2018 ist er auch in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung. Insgesamt war keine wirkliche Remission der psychischen Symptomatik eingetreten, da sich auch die beruflichen Umstände nicht geändert haben. Der Klient ist nun pensioniert.

03.06.02

70

Gesamtgrad der Behinderung

70 vH

 

 

Enge Räume, welche

die bP nicht sofort verlassen kann, erinnern sie an die Situation der beruflichen Suspendierung und führen zu Beklemmung und panikartigen Zuständen. Die bP ist fachärztlich in Kontrolle, antidepressiv höher dosiert eingestellt und laufend in psychotherapeutischer Behandlung. Diese therapeutischen Strategien haben bisher zu keiner wesentlichen Verbesserung der Problematik in Bezug auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel geführt. Aus psychiatrischer Sicht ist ihr derzeit die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich.

II.2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.

Das seitens des Verwaltungsgerichts eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Psychiatrie ist ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen der klinischen Untersuchung am 20.12.2018 erhobenen Befund, ist ausführlich beschrieben und bezieht die vorgelegten Beweismittel mit ein. Die im Vergleich zu dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten geänderte Einschätzung der lfd. Nr. 01 wurde vom Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, wobei zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen unter Punkt I. wiedergegebenen sachverständigen Ausführungen, insbesondere hinsichtlich der psychotische Symptomatik verwiesen wird. Die vorgenommene Einschätzung nach Pos. Nr. 03.06.02 ergibt sich aus der nach wie vor ausgeprägten depressiven Symptomatik.

Die gutachterlichen Ausführungen wurden von den Parteien weder bestritten noch wurden Ungereimtheiten oder Widersprüche aufgezeigt (vgl. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108) bzw. wurde von der bP im Rahmen des Parteiengehörs dezidiert um eine Entscheidung im Sinne des Gutachtens ersucht.

Da das Sachverständigengutachten auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht, wird es in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen. (§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

II.3.1. Zusatzeintragung

Gemäß § 1 Abs. 1 iVm Abs. 6 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen hat der Behindertenpass nach Form und Inhalt dem in der Anlage A enthaltenen Muster zu entsprechen; im Behindertenpass sind die möglichen Zusatzeintragungen sohin jeweils bei Vorliegen der Voraussetzungen auf der Rückseite in Form von Piktogrammen oder in Form von Schriftzügen gesondert einzutragen. Gemäß § 45 Abs. 2 BBG kommt dem ausgestellten Behindertenpass nun zwar Bescheidcharakter zu, allerdings kann in der Nichteintragung eines begehrten Zusatzvermerks kein bescheidmäßiger Abspruch über die Vornahme einer solchen Zusatzeintragung erblickt werden.

Gemäß Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die zur "Sache des Berufungsverfahrens" ergangene Rechtsprechung auch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu übertragen. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist sohin jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des "Spruchs" der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. B 17.12.2014, Ra 2014/03/0049). Die Nichteintragung des Zusatzeintrags "dem Inhaber/der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" ist gemäß obiger Darlegung nicht von der gegenständlichen behördlichen Entscheidung mitumfasst. Das Bundesverwaltungsgericht war aufgrund dieser Beschränkung bzw. mangels Beschwerdevorbringen nicht befugt, den Zusatzvermerk zum Gegenstand seiner Entscheidung zu machen. Es wird darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit einer Antragstellung bei der belangten Behörde besteht.

II.3.2. Hinsichtlich der in Beschwer gezogenen lfd. Nr. sind folgende Bestimmungen der Einschätzungsverordnung anzuführen:

03.06 Affektive Störungen

Manische, depressive und bipolare Störungen

03.06.02

Depressive Störungen mittleren Grades Manische Störung mittleren Grades

50 - 70 %

50%: Depression: Leistungsfähigkeit und soziale Kontakte schwer aufrecht zu erhalten, Manie: Während der Phasen Arbeitsleistung und soziale Funktionsfähigkeit vollständig unterbrochen 70%: Leistungsfähigkeit dauerhaft eingeschränkt Keine Vollständige Remission trotz adäquater Therapie

 

 

Die Heranziehung der Pos. Nr. 03.06.02 erfolgt wg. der depressiven Symptomatik sowie entsprechend dem Schweregrad der Problematik. Die Wahl des oberen Rahmensatzes erfolgt aufgrund dem Nichteintretens einer wirklichen Remission der psychischen Symptomatik trotz der regelmäßigen psychotherapeutischen Behandlung.

Da im Hinblick auf den - wie gezeigt unbedenklichen - Inhalt des Sachverständigengutachtens ein Grad der Behinderung von siebzig (70) von Hundert (vH) festzustellen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Grad der Behinderung sind die Art und das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen, welche auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens einzuschätzen sind. Wie unter Punkt II. 2. ausgeführt, wurde das hierzu eingeholte - auf Basis einer klinischen Untersuchung erstellte - Gutachten aus dem Bereich der Psychiatrie als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Auch wurden die im Rahmen des gewährten Parteiengehörs zur Kenntnis gebrachten Ausführungen des Sachverständigen von den Parteien nicht beeinsprucht. Dies lässt die Einschätzung zu, dass von einer mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten ist.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L501.2190520.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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