TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/17 L501 2210063-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2019
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Entscheidungsdatum

17.04.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L501 2210063-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX , VSNR. XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 05.10.2018, OB XXXX , betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) stellte unter Beifügung eines Befundkonvolutes mit am 21.02.2018 im Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten Schreiben einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 13.05.2018 wird von der Allgemeinmedizinerin A., basierend auf der klinischen Untersuchung am 25.04.2018, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Rezidivdiskusprolaps L5/S1 rechts bei medio rechts lateraler nach caudal sequestriertem Diskusprolaps L5/S1 mit Kompression der Nervenwurzel S1 rechts und Radikulopathie S1 rechts, operat am 30.3.17 ; Dauerschmerzen, Dauertherapie, Radikulopathie, Schonhinken rechts, intermittierend Kribbelparästhesien, kein motorisches Defizit, Miktion unauffällig; aktuell laufende intensivierte Therapie und Physiotherapie - zur Zeit keine absolute OP Indikation;

02.01.02

40

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das Leiden Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung mit 40 %.

Mit Schreiben vom 15.05.2018 wurde der Partei das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen. Die bP brachte unter Beilage neuer Beweismittel eine Verschlechterung ihres Leidens vor.

In dem von der belangten Behörde hierauf eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 30.08.2018 wird von einem Facharzt für Psychiatrie, basierend auf der klinischen Untersuchung am 21.08.2018, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Anamnese: Der Klient hatte nun einen Rezidivdiscusprolaps L5/S1 rechts bei St.p. Dekompression und Sequestrierung L4, L5, S1 und Neurolyse SI rechts 03/2017. Die jetzige Operation fand im Juni 2018 statt. Während des letzten stationären Aufenthaltes hatte er psychologische Gespräche, was ihm sehr gut tat. Es wurde ihm auch eine weiterführende Behandlung empfohlen, wobei er diese bisher noch nicht in Anspruch genommen hat.

Derzeitige Beschwerden: Der Klient ist nach wie vor von Seiten der Wirbelsäule sehr belastet. Es sind auch wieder Schmerzen aufgetreten. Den Heilungsverlauf hat er sich doch deutlich besser vorgestellt. Es bestehen Ängste in Bezug auf die Zukunft, wie dies weitergehen wird. Er hat wieder Schlafstörungen, die Stimmung ist depressiv. Er sieht sich in vielfältiger Weise eingeschränkt, ist häufig alleine zu Hause.

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Anpassungsstörung - längere depressive Reaktion Aufgrund der somatischen Problematik von Seiten der Wirbelsäule besteht eine längere depressive Verstimmung, immer wieder auch Schlafstörungen. Er hatte während des letzten stationären Aufenthaltes im KH Ried psychologische Gespräche mit gutem Erfolg - derzeit keine entsprechende Behandlung laufend.

03.06.01

30

Gesamtgrad der Behinderung

30 vH

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Der Gesamtgrad der Behinderung wird durch die Nr. 1 mit 30% festgelegt

Nachuntersuchung 08/2021 - je nach Verlauf der somatischen Situation eine Änderung der psychischen Befindlichkeit eintreten kann.

In dem von der belangten Behörde des Weiteren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 31.08.2018 wird von der Allgemeinmedizinerin und Fachärztin für Orthopädie, Dr. B., basierend auf der klinischen Untersuchung am 21.08.2018, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts bei medio rechts lateraler nach caudal sequestriertem Diskusprolaps L5/S1 mit Kompression der Nervenwurzel S1 rechts und Radikulopathie S1 rechts - operat am 30.3.17 ; Rezidivdiskusprolaps L5/S1 mit neuerlicher Operation am 14.6.2018 Dauerschmerzen, Dauertherapie mit einfacher Schmerzmedikation und aktiver Therapie, Radikulopathie, Schonhinken rechts, intermittierend Kribbelparästhesien, kein motorisches Defizit, Miktion unauffällig; Reha geplant

02.01.02

40

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Das Leiden Nummer 1 bestimmt den Gesamtgrad der Behinderung mit 40 %.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Weitgehend unveränderte Beschwerden nach Rezidivbandscheibenoperation, unveränderte Einschätzung.

Nachuntersuchung 08/2020 - Besserungsmöglichkeit nach Reha und unter Fortsetzung regelmäßiger aktiver Therapie

Am 03.09.2018 wurde durch Dr. B. eine Gesamtbeurteilung auf Grundlage der Gutachten vom 30.08.2018 und 31.08.2018 durchgeführt und wie folgt festgehalten:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts bei medio rechts lateraler nach caudal sequestriertem Diskusprolaps L5/S1 mit Kompression der Nervenwurzel S1 rechts und Radikulopathie S1 rechts - operat am 30.3.17 ; Rezidivdiskusprolaps L5/S1 mit neuerlicher Operation am 14.6.2018 Dauerschmerzen, Dauertherapie mit einfacher Schmerzmedikation und aktiver Therapie, Radikulopathie, Schonhinken rechts, intermittierend Kribbelparästhesien, kein motorisches Defizit, Miktion unauffällig; Reha geplant

02.01.02

40

02

Anpassungsstörung - längere depressive Reaktion Aufgrund der somatischen Problematik von Seiten der Wirbelsäule besteht eine längere depressive Verstimmung, immer wieder auch Schlafstörungen. Er hatte während des letzten stationären Aufenthaltes im KH Ried psychologische Gespräche mit gutem Erfolg - derzeit keine entsprechende Behandlung laufend.

03.06.01

30

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Hauptleiden ist das Leiden in Position 1, durch fehlende zusätzliche erhebliche Einschränkung, eine somatische Komponente der Wirbelsäulenproblematik wurde diagnostiziert und ist damit in Zusammenhang mit dem Leiden in Position 1 zu sehen, sodass das Leiden in Position 2 gesondert zu keiner Erhöhung des GdB führt.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Orthopädischerseits weitgehend unveränderte Beschwerden nach Rezidivbandscheibenoperation, unveränderte Einschätzung. Psychiatrisch Erstgutachten.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen. Neben Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde ausgeführt, dass das die dem Bescheid beiliegenden und einen Teil der Begründung bildenden Sachverständigengutachten als schlüssig erkannt und der Entscheidung zugrunde gelegt worden seien.

In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde brachte die nunmehr rechtsfreundlich vertretene bP, dass der Grad der Behinderung in Position 1 (Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts) durch die Beeinträchtigung gemäß Position 2 (Anpassungsstörung, Schlafstörung, depressive Verstimmung) erhöht werde, zumal bekanntlich in der Schlafphase die signifikanteste Geweberegeneration und Erholung stattfinde und sich durch die anhaltenden Schlafstörungen der gegenständliche Wirbelbereich und das angrenzende Muskelgewebe in nicht ausreichend regenerieren könnten. In Nächten, in denen Schlafstörungen aufträten, merke die bP, dass ihre Wirbelsäule unbeweglicher sei und auch stärkere Schmerzen verursache; dies führe zu einer Verstärkung der Antriebslosigkeit und weiteren depressiven Verstimmungen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die bP erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Sie ist österreichische Staatsangehörige und hat ihren Wohnsitz im Inland.

Folgende Funktionseinschränkungen liegen vor:

Lfd. Nr.

Funktionseinschränkung

Position

GdB

01

Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts bei medio rechts lateraler nach caudal sequestriertem Diskusprolaps L5/S1 mit Kompression der Nervenwurzel S1 rechts und Radikulopathie S1 rechts - Operation am 30.3.17; Rezidivdiskusprolaps L5/S1 mit neuerlicher Operation am 14.6.2018 Dauerschmerzen, Dauertherapie mit einfacher Schmerzmedikation und aktiver Therapie, Radikulopathie, Schonhinken rechts, intermittierend Kribbelparästhesien, kein motorisches Defizit, Miktion unauffällig; Reha geplant

02.01.02

40

02

Anpassungsstörung - längere depressive Reaktion Aufgrund der somatischen Problematik von Seiten der Wirbelsäule besteht eine längere depressive Verstimmung, immer wieder auch Schlafstörungen. bP hatte während des letzten stationären Aufenthaltes im KH Ried psychologische Gespräche mit gutem Erfolg - derzeit keine entsprechende Behandlung laufend.

03.06.01

30

Gesamtgrad der Behinderung

40 vH

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Die Funktionsbeeinträchtigung der lfd. Nr. 02 (Anpassungsstörung) wirkt auf das als Hauptleiden einzustufende Wirbelsäulenleiden der lfd. Nr. 01 mangels zusätzlicher erheblicher Einschränkung nicht erhöhend; die Anpassungsstörung ist aufgrund der diagnostizierten somatischen Komponente als durch die lfd. Nr. 01 bedingt anzusehen.

Nachuntersuchung ab 08/2020 geboten, zumal nach Absolvierung der Rehabilitation und unter fortgesetzter regelmäßiger aktiver Therapie die Möglichkeit einer Besserung der somatischen Beschwerden und sohin auch der psychischen Befindlichkeit besteht.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.

Die nach Durchführung des Parteiengehörs im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten aus den Bereichen Orthopädie und Psychiatrie sind ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der klinischen Untersuchungen erhobenen Befunden sowie unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf die unter Punkt I. und II.1. wiedergegebenen Ausführungen der Gutachter verwiesen.

Die bP wendet sich gegen den von der Sachverständigen Dr. B. in der Gesamtbeurteilung festgestellten Gesamtgrad der Behinderung; ihrer Ansicht nach müsste der GdB der lfd. Nr. 01 durch die lfd. Nr. 02 erhöht werden, da sich aufgrund der Schlafstörungen die Funktionsbeeinträchtigung der lfd. Nr. 01 verschlechtere, wodurch verstärkte depressive Verstimmungen aufträten.

Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist gemäß § 3 Einschätzungsverordnung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird, sohin ob das führende Leiden durch die weiteren wesentlich und anhaltend verstärkt wird. Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet das, dass die von der bP angestrebte Ausstellung eines Behindertenpasses nur dann in Frage kommt, wenn sie auf Grund ihres führenden Leidens (im Zusammenhang mit einer Verstärkung desselben durch weitere Beeinträchtigungen ihrer Gesundheit) einen Gesundheitszustand aufwiese, der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. vergleichbarer Anforderungskriterien - wie Entwicklung, Ausbildung, Alltagsbewältigung - von wenigstens 50 v.H. nach sich zieht.

Die Sachverständige, Allgemeinmedizinerin und Fachärztin für Orthopädie, führt nun in ihrer - auf den Gutachten vom 30.08.2018 und 31.08.2018 - basierenden Gesamtbeurteilung aus, dass die Funktionsbeeinträchtigung der lfd. Nr. 02 (Anpassungsstörung) auf die als Hauptleiden einzustufende Wirbelsäulendegeneration der lfd. Nr. 01 mangels zusätzlicher erheblicher Einschränkung nicht erhöhend wirkt, die Anpassungsstörung aufgrund der diagnostizierten somatischen Komponente vielmehr als durch die lfd. Nr. 01 bedingt anzusehen ist. Dieser Zusammenhang bzw. Bedingtheit ist nicht nur dem Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Psychiatrie zu entnehmen, sondern wird auch durch den von der bP im Rahmen des gewährten Parteiengehörs vorgelegten Befund Klinische Psychologie vom 29.05.2018 belegt, in welchem es auszugsweise wie folgt heißt:

[...] ist im psychologischen Gespräch aufgeschlossen und gut zugänglich. Er nutzt dieses zur Besprechung der sich durch die chronischen Schmerzen ergebenden psychosozialen Belastungen, unter denen er leidet. [...] Er gibt an, die stationäre Aufnahme auch mit dem Ziel einer Distanzierung von den psychosozialen Belastungen initiiert zu haben, welche sich zuletzt zugespitzt hätten. Schmerzbedingte Durchschlafstörungen werden ebenso berichtet wie [...] Ein Gedankenkreisen über die weitere Perspektive besteht. [...] Die Auswirkungen der chronischen Schmerzen auf unterschiedliche Lebensbereiche und der bisherige Umgang damit werden gemeinsam reflektiert [...]. Die Bewertung der Sachverständigen, das Leiden unter lfd. Nr. 02 bewirke im Hinblick auf lfd. Nr. 01 keine zusätzliche erhebliche Einschränkung, eine besonders nachteilige Leidensbeeinflussung liege sohin nicht vor, ist vor diesem Hintergrund schlüssig und nachvollziehbar.

Die bP ist den gutachterlichen Ausführungen zum Gesamtgrad der Behinderung zudem weder auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten noch hat sie Beweise vorgelegt, die die überzeugend begründeten Feststellungen der Sachverständigen entkräften bzw. eine weitere Beweisaufnahme bedingen. Das Vorbringen, die Schlafstörungen stünden einer Regeneration des Wirbelbereichs und des angrenzenden Muskelgewebes entgegen, wurde nicht belegt bzw. zeigt sich hier erneut die Verflechtung der Funktionsbeeinträchtigung der lfd. Nr. 02 mit jener der lfd. Nr. 01 (siehe Befund vom 29.05.2018 ‚Schmerzbedingte Durchschlafstörungen').

Da die eingeholten Gutachten zudem mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch steht, werden sie in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG) Der Behindertenpass ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist (§ 42 Abs. 2 BBG).

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

[...]

-

[...]

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen. (§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)

Da im Hinblick auf den - wie in der Beweiswürdigung dargelegt - unbedenklichen Inhalt der Sachverständigengutachten ein Gesamtgrad der Behinderung von vierzig (40) von Hundert (vH) festzustellen ist, liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vor.

Sollte sich der Leidenszustand maßgebend verschlechtern, so ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen und kommt sodann eine neuerliche Beurteilung in Betracht. (vgl. VwGH vom 20.11.2012, 2011/11/0118). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass, falls der Antrag innerhalb eines Jahres seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung gestellt wird, eine offenkundige Änderung des Leidenszustandes glaubhaft geltend zu machen ist.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L501.2210063.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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