TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/23 W119 2140067-1

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Veröffentlicht am 23.04.2019
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Entscheidungsdatum

23.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W119 2140067-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ihre Mutter XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Ronald FRÜHWIRTH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. 10. 2016, Zl 1084930608/151220664/BMI-BFA_STM_AST_01, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die minderjährige Beschwerdeführerin stellte gemeinsam mit ihrer Mutter (Zl W119 2140064) und ihrer minderjährigen Schwester (Zl W119 2140069) am 29. 8. 2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Für ihre am XXXX geborene Schwester (Zl W119 2157802) wurde am 12. 4. 2017 ein solcher Antrag gestellt. Es liegt ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

Anlässlich der am 30. 8. 2015 durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG führte die Mutter der Beschwerdeführerin zunächst aus, aus Kabul zu stammen und der tadschikischen Volksgruppe anzugehören. Sie habe in Afghanistan weder die Schule besucht noch eine Ausbildung erhalten. Im Fall ihrer Rückkehr nach Afghanistan habe sie Angst um ihre Kinder.

Am 20. 10. 2016 wurde die Mutter der Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen und gab dort an, dass sie ihre anlässlich der Erstbefragung gemachten Angaben aufrecht halte. Weiters führte sie aus, mit ihrem Ehemann und ihren Kindern im Kabuler Ortsteil XXXX gelebt zu haben. Ihr Vater sei von den Taliban getötet worden, ihre Mutter sei nach ihrer neuerlichen Eheschließung in den Iran gezogen. In Afghanistan würden ihre sieben Tanten und ihre vier Onkel leben. Da sie keine Ausbildung erhalten habe, sei sie Hausfrau gewesen, wobei sie von ihrer Schwiegermutter Handarbeiten erlernt habe. Zu ihrem Fluchtgrund gab sie an, dass ihr Bruder die der paschtunischen Volksgruppe angehörende Tochter ihres Nachbarn kennengelernt habe, worauf ihre Familie von deren Mutter und Schwester beschimpft worden sei. Sie habe aus Furcht vor Rachehandlungen dieser Familie mit ihrem Ehemann und ihren Kindern Afghanistan verlassen. In Österreich besuche sie einen Deutschkurs und backe oftmals Mehlspeisen für österreichische Bekannte. Ihre Kinder würden die Schule besuchen, was ihr ein wichtiges Anliegen sei. Sie sei derzeit im fünften Monat schwanger.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29. 10. 2016, Zl 1084930608/151220664/BMI-BFA_STM_AST_01, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV), wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).

Mit Verfahrensanordnung vom 28. 10. 2016 wurde der Beschwerdeführerin die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberaterin zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob die durch ihre Mutter vertretene Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 16. 11. 2016 Beschwerde, in der auf die Lage der in Afghanistan lebenden Frauen hingewiesen wurde. Überdies wurden die Bemühungen der Mutter der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder hervorgehoben, als diese äußerst bestrebt seien, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Zudem wurde unter anderem ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Am 2. 1. 2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an der sich die Mutter der Beschwerdeführerin beteiligte. Ein Vertreter des Bundesamtes nahm an der Verhandlung nicht teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die minderjährige Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Afghanistans und am XXXX geboren. Sie stellte am 29. 8. 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um die Tochter der XXXX , der mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl W119 2186713, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde und der damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Die Beschwerdeführerin gehört als ihre Tochter der Familie an und es liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den Angaben der Mutter der Beschwerdeführerin im Verfahren sowie aus den damit übereinstimmenden Akteninhalten der Mutter der Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführerin selbst. Bereits das Bundesamt ist vom Bestehen der Familieneigenschaft zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter gemäß § 34 AsylG ausgegangen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 1 VwGVG regelt dieses Bundesgesetz das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt (§ 58 Abs. 2 VwGVG, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013).

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und FPG bleiben unberührt. Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA-VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

A)

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist "Familienangehöriger", wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Stellt ein Familienangehöriger iSd § 2 Abs. 1 Z 22 leg. cit. von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

§ 34 Abs. 2 AsylG 2005 normiert, dass die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen hat, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art 3 Z13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter der Beschwerdeführerin gemäß § 3 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass dieser damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerdeführerin ist daher nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 der gleiche Schutzumfang, d.h. der Status der Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu beurteilen waren (vgl. dazu auch Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005 [2006], 499).

Aufgrund der Zuerkennung von Asyl (Spruchpunkt I.) sind die Spruchpunkte II., III., und IV. des angefochtenen Bescheides gegenstandslos geworden.

B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W119.2140067.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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