TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/25 W247 2148964-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.04.2019
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Entscheidungsdatum

25.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W247 2148964-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert-Peter HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenrecht und Asyl vom 10.02.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.03.2019, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, ist der Volksgruppe der Paschtunen und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig.

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unrechtmäßig und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu welchem der Beschwerdeführer noch am selben Tag vor der Landespolizeidirektion XXXX erstbefragt wurde. Nach Zulassung seines Verfahrens wurde die beschwerdeführende Partei am 09.12.2016 von einem Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein eines dem Beschwerdeführer einwandfrei verständlichen Dolmetschers für die Sprache Pashtu niederschriftlich einvernommen.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung am 09.06.2015 gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er noch nie in Afghanistan gelebt habe. Er sei in Pakistan geboren und habe auch immer dort gelebt.

Befragt, weswegen er sein Land verlassen habe, gab er an: "Wegen wirtschaftlicher Gründe bin ich nach Europa gekommen. Ich war arm in Pakistan. Sonst habe ich keine weiteren Fluchtgründe". Befragt, was der BF bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, meinte er: "Ich möchte nicht zurück". Befragt nach seinen Familienangehörigen im Herkunftsland, gab der BF seine Eltern, seine Ehefrau, seinen Bruder und seine zwei Schwestern an.

3.1. Im Rahmen seiner Einvernahme am 09.12.2016 vor dem BFA, Außenstelle XXXX , gab der Beschwerdeführer zusammenfassend auf die Frage, weswegen er sich zur Ausreise entschlossen habe, an, dass er wegen dieses Grundstücksstreites Angst um sein Leben gehabt habe und um jenes seines Bruders, der getötet worden sei. Sein Bruder wäre wegen eines Erbstreites wegen eines Grundstückes getötet worden. Sein Vater habe Angehörigen seines Clans, die keine unmittelbaren Verwandten gewesen wären, ein landwirtschaftliches Grundstück verpachtet. Nach dem Tod des Vaters hätten diese alles haben wollen. Wäre der BF dort geblieben, hätten sie ihn auch getötet. Der BF sei der männliche Erbe, deswegen würde er auch getötet. Über die Umstände der Ermordung des Bruders wisse der BF nur, dass dieser erschossen worden sei, mehr nicht. Befragt nach seiner Ehe, gab der BF an seit 4 Jahren traditionell verheiratet zu sein und mit seiner Frau zwei Kinder, Zwillinge, zu haben, welche geboren wären, als der BF unterwegs war. Befragt, warum er nicht in Afghanistan leben wolle, meinte der BF: "In Afghanistan gibt es für meine Kinder keine Zukunft ich möchte hier leben um ihnen eine bessere Zukunft bieten zu können".

4. Mit angefochtenen Bescheid des BFA vom 10.02.2017, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

4.1. In der Bescheidbegründung traf das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Feststellungen zur Personen des Beschwerdeführers und zur Lage in seinem Herkunftsstaat und führte aus, dass nicht festgestellt werden habe können, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer habe keinen konventionsrelevanten Sachverhalt geltend gemacht und hätten sich auch außerhalb seines Vorbringens von Amts wegen keine für ihn in Betracht kommenden konventionsrelevanten Sachverhalte ergeben. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan dort einer realen Gefahr der Verletzung von Art 2, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bestünde. Auch bestünde für die beschwerdeführende Partei nicht die reale Gefahr, dass sie nach ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Er sei gesund, verfüge über berufliche Kenntnisse als Eismacher und Verkäufer, sei arbeitsfähig und verfüge im Herkunftsstaat über ausreichend Versorgungsmöglichkeiten. Er sei unbescholten. Es habe sich nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in Österreich integriert sei. Er spreche nur wenig Deutsch, habe kein eigenes Einkommen und lebe aus der Grundversorgung. Seine Aufenthaltszeit in Österreich stelle nur einen Bruchteil der außerhalb Österreichs verbrachten Zeit dar, seine Anbindungen in Afghanistan würden überwiegen. Der BF sei unbefugt und ohne Reisedokumente eingereist.

4.2. Beweiswürdigend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im angefochtenen Bescheid aus, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen zusammenfassend vorwiegend auf Befürchtungen wegen eines schwelenden Grundstücksstreites am Herkunftsort seiner Familie in Afghanistan gestützt habe. Aus all seinen Angaben sei nicht ersichtlich, dass es sich dabei um eine aktuelle oder intensive Verfolgung aus politischen, religiösen, ethnischen oder nationalen Gründen oder wegen Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe im Sinne der GFK handle.

4.3. Zu den Feststellungen der Situation des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Verweis auf die Länderfeststellungen beweiswürdigend aus, dass sich weder aus den Feststellungen, noch seinen Äußerungen, noch von Amts wegen ergebe, dass ihm im Falle seiner Rückkehr unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe oder er als Zivilperson von einem innerstaatlichen Konflikt betroffen sei. Erstens sei im Falle einer Aufenthaltnahme in XXXX davon auszugehen, dass er dort enge private und familiäre Beziehungen habe und deshalb dort ungehindert leben könne. Weiters habe er angegeben, dass er verheiratet sei und zwei Kinder habe, die in XXXX bei seinem Schwiegervater in dessen Haus wohnhaft seien und dort versorgt werden könnten, zumal sein Schwiegervater dort als Taxifahrer ein ausreichendes Einkommen erwirtschafte und alle eine Unterkunft hätten. Es sei nicht ersichtlich, dass er nicht auch diese Versorgung in Anspruch nehmen könnte. Zudem sei er gesund und arbeitsfähig und verfüge über berufliche Erfahrungen und stehe es ihm frei, dort selbst arbeitstätig zu werden. Dass er wegen eines allfällig noch vor seinen Lebzeiten schwelenden Grundstücksstreites dort Schwierigkeiten haben könnte, sei nicht plausibel, da er selbst erklärt habe, zu seinen eigenen dort weiter lebenden Verwandten telefonischen Kontakt zu haben. Schließlich habe er vor der Exekutive erklärt, ausschließlich aus wirtschaftlichen Überlegungen nach Österreich gekommen zu sein. Dies widerspreche dem Vorbringen vor dem BFA, wonach er wegen eines Grundstücksstreites, bei dem sein Bruder getötet worden sei, irgendwelche Befürchtungen haben müsste. Er habe auch keinerlei Beweismittel zum behaupteten Tod seines Bruders vorgelegt. Angesichts der massiven Widersprüche in seinem Vorbringen sei davon auszugehen, dass er das deshalb nicht könne, da es einen solchen Sachverhalt nicht gebe. Er habe überdies auch nicht angeben können, von wem die Bedrohungen ausgehen würden und es sei schon hier erkennbar, dass dieses somit deshalb auch nicht der Wahrheit entsprechen könne.

4.4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kam zu dem Schluss, dass auch bei Wahrunterstellung des Vorbringens die dargestellten Voraussetzungen einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben seien.

4.5. Demnach - so das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl - könnten die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe nicht zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und in weiterer Folge zur Gewährung des Asylstatus führen. Aus seinem Vorbringen sei nichts ersichtlich, dass sich im Falle seiner Rückkehr eine unmenschliche Behandlung oder sonst extreme Gefährdungslage erkennen lassen würde.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 10.02.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die XXXX als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

6. Mit Schriftsatz vom 24.02.2017 brachte der Beschwerdeführer - rechtzeitig - durch seinen gewillkürten Stellvertreter Beschwerde gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA aufgrund inhaltlicher Rechtswidrigkeit und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ein. Begründend wurde von Beschwerdeseite ausgeführt, dass die Familie des Beschwerdeführers vor dessen Geburt Afghanistan wegen des Konfliktes im Land verlassen habe und nach Pakistan geflüchtet sei, wo sie keinen Aufenthaltstitel erhalten hätte. Aufgrund der großen Abschiebungswelle im Vorjahr wären auch der BF und seine Familie gezwungen gewesen, nach Afghanistan zurückzukehren. Sein Bruder habe Pakistan verlassen, bevor der Rest der Familie Pakistan verlassen habe müssen, um in der Provinz XXXX alles vorzubereiten. Sein Vater hätte, bevor er verstorben sei, Grundstücke in XXXX verpachtet. Die Pächter des Grundstückes hätten davor Angst gehabt, dass die Familie des Beschwerdeführers das Grundstück wieder zurückfordern könnten und hätten diese den Bruder des Beschwerdeführers nach dessen Ankunft in XXXX ermordet. Der BF habe nunmehr selbst Angst, zurückzukehren, da er aus demselben Grund auch ermordet würde, da die Pächter sehr einflussreich im gesamten Staatsgebiet Afghanistan seien. Der BF habe in Afghanistan keine Verwandten mehr, die ihn bei einer etwaigen Rückkehr nach Afghanistan unterstützen und beschützen könnten. Die Familie des BF, die in Afghanistan lebe, wolle nichts mehr vom BF hören, da dieser nicht mit ihnen nach Afghanistan zurückgekehrt, sondern nach Europa geflüchtet sei. Der BF bekomme weder Schutz von staatlicher Seite noch Hilfe von anderen und wäre in seiner Heimat gänzlich auch sich selbst gestellt. Die belangte Behörde stütze ihre Feststellungen zur Situation in Afghanistan auf unvollständige, teilweise veraltete Länderberichte und habe ihre eigenen Berichte nur unvollständig ausgewertet. Es würden zudem für den konkreten Fall relevante detaillierte Berichte zu Grundstücksstreitigkeiten und daraus resultierender Verfolgung durch Private zur Vernetzung und Operationsfähigkeit der Taliban und zur tatsächlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der afghanischen Sicherheitsbehörden fehlen. Es würden daher auf die folgenden (unter einem zitierten) Berichte verwiesen. In seinen im April 2016 veröffentlichen Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Afghanistan habe UNHCR ausgeführt, dass angesichts des großen geographischen Einflussbereichs einiger regierungsfeindlicher Elemente eine praktikable interne Fluchtalternative für Personen, die dem Risiko ausgesetzt seien, Opfer dieser Gruppen zu werden, nicht verfügbar sein könnte. Auch wäre das BFA, da es offensichtlich Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seinem Fluchtvorbringen gehabt hätte, verpflichtet gewesen, Nachforschungen in seinem Heimatland anzustellen, um dessen Angaben näher zu überprüfen. Da das Vorbringen in sich schlüssig gewesen sei, hätte das BFA keinesfalls ohne nähere Ermittlungen zum Schluss gelangen dürfen, dass ihm in Afghanistan keine asylrelevante Verfolgung drohe.

Wenn die Behörde ihm vorwerfe, dass er in der Erstbefragung die Grundstücksstreitigkeiten nicht thematisiert habe, sei zu entgegnen, dass er vom Dolmetscher angewiesen worden sei, sich kurz zu halten. Zudem habe er die Information erhalten, dass er in einer späteren Einvernahme seine Fluchtgründe noch genauer schildern könne. Der Beschwerdeführer sei deshalb sicher, dass er im Falle seiner Rückkehr ebenso wie sein Bruder ermordet würde, da er ebenso wie sein Bruder Erbe des Grundstückes sei. Wenn die Behörde vermeine, dass andere Verwandte in XXXX gefahrlos leben würden, übersehe sie, dass diese nicht von diesem Erbe betroffen seien und die Pächter von anderen Familienmitgliedern nichts zu befürchten hätten. Wenn die Behörde ihm vorwerfe, dass er keine Beweismittel für den Tod des Bruders vorgelegt habe, sei zu entgegnen, dass er Kontakt zu Personen in Afghanistan habe, es ihm jedoch bis dato nicht möglich gewesen sei, Beweismittel zu erhalten. Dies liege daran, dass etwa seine Ehefrau keine Auskunft oder Beweismittel erhalte. Andere Familienmitglieder hätten sich abgewandt, da sie aufgrund seiner Flucht nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten. Bei einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren und einer ordnungsgemäßen Beweiswürdigung hätte die Behörde zum Schluss kommen müssen, dass ihm in Afghanistan asylrelevante Verfolgung drohe. Die Ansicht der belangten Behörde, er würde im Falle einer Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten, sei nicht nachvollziehbar. Einerseits könnte er jederzeit durch die Pächter des Grundstücks bzw. die Mörder seines Bruders ausfindig gemacht werden. Angesichts der äußerst angespannten Lage in Kabul sei andererseits nicht davon auszugehen, dass er erneut eine Arbeit finden werde, zumal es ein Überangebot an qualifizierten Arbeitskräften gebe. Er würde keine Unterstützung von staatlicher Seite erhalten und habe er die letzten Jahre seines Lebens in Pakistan verbracht, er verfüge über keinen sonstigen Anschluss an die afghanische Gesellschaft. Eine Rückkehr sei ihm zudem nicht zuzumuten, da die Sicherheitslage im gesamten Staatsgebiet so prekär sei, dass er jedenfalls in eine bedrohliche Lage geraten würde. Er wäre im Falle seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 3 EMRK ausgesetzt. Der BF wäre aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der "Familie" in Afghanistan verfolgt, da die Pächter den BF verfolgen würden, da dieser noch Rechte an den verpachteten Grundstücken hätten. Bei ihm handle es sich zwar um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann, bei dem die grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es müsse aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass nicht mit ausreichender Sicherheit gesagt werden könne, dass er derzeit in Afghanistan noch über ausreichende soziale oder familiäre Netzwerke verfüge, da sich seine Familie (wohl irrtümliche Ausführung in der Beschwerde, Anm.) im Iran aufhalte. Es stünde ihm daher die Möglichkeit einer IFA nicht offen, da seine Kernfamilie ihn nicht unterstützen würde. Er sei um seine Integration in Österreich sehr bemüht. So habe er bereits zwei Deutschkurse besucht, engagiere sich in der Marktgemeinde XXXX und verfüge über eine Vielzahl an Freunden und Kontakten.

Der Beschwerdeführer beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge

1.) den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und dem BF den Status der Asylberechtigten zuerkennen; 2.) in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen, 3.) für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG feststellen, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zukommt; 4.) sowie feststellen, dass die gemäß § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 3 BVA-VG (gemeint ist hier BFA-VG; Anmerkung des erkennenden Richters) auf Dauer für unzulässig ist und feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung/plus gemäß § 55 AsylG vorliegen und ihm daher von Amts wegen gemäß § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen ist; 5.) sowie in eventu feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG vorliegen und ihm eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 Abs. 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen ist; 6.) jedenfalls eine mündliche Verhandlung anberaumen.

Beigefügt wurde der Beschwerde eine Vollmacht.

7. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 03.03.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. In der Folge brachte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit Schriftsatz vom 18.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht einen Antrag auf Fristsetzung gemäß § 38 VwGG ein, der mit Verfügung vom 22.01.2019 dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurde. Mit verfahrensleitender Anordnung vom 01.02.2019 beauftragte der Verwaltungsgerichtshof in der Folge das Bundesverwaltungsgericht, binnen drei Monaten die Entscheidung zu treffen und vorzulegen.

9. Mit Schriftsatz vom 13.02.2019 wurde dem BF, gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 08.03.2019, ein Konvolut von Länderinformationen (u.a. das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 i.d.F. vom 31.01.2019, UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018, EASO-Berichte, UNAMA-Berichte, etc.) übermittelt und als Beweismittel eingebracht. Unter einem wurde ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 01.03.2019 einlangend eingeräumt.

10. Am 08.03.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht unter der Beiziehung einer Dolmetscherin für Pashtu eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

"[...] RI: Nennen Sie mir wahrheitsgemäß Ihren vollen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihre Staatsangehörigkeit und Ihren Geburtsort, sowie Ihren Wohnort an dem Sie sich vor Ihrer Ausreise aufgehalten haben.

BF: Ich heiße XXXX , ich bin in Pakistan, in einem Dorf namens XXXX geboren und auch dort aufgewachsen. Ich bin in diesem Dorf geboren und habe auch immer dort gelebt, bis zu meiner Ausreise. Ich bin am XXXX geboren.

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volksgruppe- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF: Ich bin aus dem Stamm der XXXX . Ich spreche nur Paschtu, ich kann keine weiteren Sprachen. Ich spreche auch Dari, Dari habe ich aber hier gelernt.

RI: Und Farsi?

BF: Die Amtssprachen in Afghanistan sind Paschtu und Dari.

RI: Ich frage deswegen, weil Sie vor dem BFA am 09.12.2016 auf der Seite 2 des Protokolls angegeben haben, auch Farsi zu sprechen.

BF: Ich habe Farsi auf der Reise nach Österreich gelernt. Auch in der Asylunterkunft war ich mit vielen Iranern und farsisprechenden Personen untergebracht, von denen habe ich die Sprache gelernt.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Und wenn ja, welcher?

BF: Ich bin sunnitischer Moslem, meine Religion ist der Islam.

RI: Haben Sie Dokumente oder Unterlagen aus Afghanistan oder aus Pakistan, welche Ihre Identität beweisen?

BF: Ich habe keine Dokumente aus Pakistan. Wir haben eine dreijährige Aufenthaltskarte für Flüchtlinge bekommen. Diese Karte wurde alle drei Jahre verlängert.

RI: H XXXX aben Sie diese Karte?

BF: Nein, auf der Reise in Richtung Europa, habe ich die Karte in der Türkei verloren.

RI: Haben Sie Dokumente aus Afghanistan?

BF: Eine afghanische Tazkira habe ich.

RI: Bitte schildern Sie Ihren Lebenslauf. Welche Schulausbildung haben Sie abgeschlossen? Welchen Beruf haben Sie gelernt und welchen Beruf haben Sie ausgeübt?

BF: In Pakistan habe ich keine Schule besucht, wir waren dort Flüchtlinge. Wir haben in ärmlichen Verhältnissen gelebt, niemand hat sich um uns gekümmert. In Pakistan habe ich mein Geschäft geführt. Es war kein großartiges Geschäft, ich habe dort meine Tage verbracht und habe so viel verdient, dass ich über die Runden gekommen bin.

RI: Was war das genau für ein Geschäft und was waren Ihre genauen Tätigkeiten dort?

BF: Ich bin in der Früh ins Geschäft gekommen und war bis zum Abend im Geschäft. Ich habe Kosmetikartikel und Schmuck für Frauen verkauft.

RI: Was haben Sie sonst noch in dem Geschäft gemacht?

BF: Nur Artikel für Damen.

RI: VORHALTUNG: Sie haben bei Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, am 09.12.2016 auf Seite 2 des Protokolls, zu Ihrer beruflichen Tätigkeit angegeben: "Ich war nur in unsrem Eiscremegeschäft und Lebensmittelgeschäft in XXXX ". Es war nicht die Rede von Kosmetik- und Schmuckverkauf für Damen. Warum weichen Ihre Angaben so voneinander ab?

BF: Ich habe ein "Maniyari" Geschäft betrieben, das ist eine Art des Geschäfts, worin alle Sachen verkauft werden. Es ist ein Allerleigeschäft, man verkauft Lebensmittel und auch andere Sachen.

RI: Sie haben vorhin auf die Frage, was Sie sonst noch in dem Geschäft verkaufen, nur mit "Artikel für Damen" geantwortet. Sie haben sich schon festgelegt.

BF: Wir haben ein Saisongeschäft betrieben. In Wintermonaten haben wir andere Sachen verkauft, als in den Sommermonaten.

RI: Wie lange haben Sie den Beruf des Verkäufers ausgeübt?

BF: Ich kann mich erinnern, dass ich mit acht Jahren begonnen habe, als Verkäufer zu arbeiten. Ich habe bis zu meiner Ausreise gearbeitet.

RI: Wem gehörte das Geschäft?

BF: Das Geschäft hat uns gehört. Mein Vater war auch im Geschäft.

RI: "Uns" heißt der Familie?

BF: Ja.

RI: Haben Sie sich, außer an dem von Ihnen angegebenen, letzten Wohnort in Pakistan auch an einem anderen Wohnort längere Zeit aufgehalten?

BF: Nein. Dort wurde ich geboren und dort habe ich auch bis zu meiner Ausreise gelebt.

RI: Welche Verwandten von Ihnen leben zurzeit in Afghanistan und in welcher Stadt?

BF: In Afghanistan in XXXX , dort lebt der Bruder meiner Mutter. Mein Schwiegervater lebt im Dorf XXXX , dieses Dorf ist ca. eineinhalb Stunden mit dem Auto von XXXX entfernt.

RI: Wo wohnen Ihre Mutter, Ihre Ehegattin, Ihre zwei Kinder und zwei Schwestern?

BF: Mein Vater ist verstorben. Meine Schwestern sind alle bereits verheiratet, sie leben alle in Afghanistan in der Provinz XXXX , Stadt XXXX , im Stadtteil XXXX , im Dorf XXXX .

Auf Nachfrage befindet sich das Dorf XXXX im Stadteil XXXX .

RI: Wo wohnen Ihre Mutter, Ihre Ehegattin und Ihre zwei Kinder?

BF: Sie sind jetzt in Pakistan.

RI: Wo in Pakistan?

BF: In XXXX. XXXX war früher ein Dorf für Flüchtlinge. Man hat dann die Flüchtlinge von dort weggeschickt, sie wurden zurückgeschickt. Meine Mutter und meine Familie halten sich zur Zeit in der Gegend des Bazar's von XXXX auf.

RI: Sind Ihre Mutter, Ihre Ehegattin und Ihre Kinder wieder in einem Flüchtlingslager in XXXX, oder sind sie im Dorf?

BF: Nein, in keinem Flüchtlingscamp. Früher haben sich dort nur paschtunische Flüchtlinge aufgehalten. Nach einiger Zeit wurden alle Paschtunen nach Afghanistan zurückgeschickt, auch wir mussten nach Afghanistan zurückkehren. In Afghanistan war das Leben für die Familie sehr schwierig. Deshalb sind sie jetzt in Pakistan, wieder im Dorf XXXX , in der Nähe des Bazar's aufhältig.

RI: Wann sind Ihre Ehegattin, Ihre zwei Kinder und Ihre Mutter wieder nach Pakistan zurückgekehrt, wann war das?

BF: Vor etwa einem Jahr.

RI: Haben Sie Kontakt zu Ihren Verwandten in Afghanistan? Wenn ja, mit wem? Wie oft? Über welches Medium halten Sie Kontakt?

BF: Nur zu meinem Schwiegervater, sonst zu niemanden. Ein bis zweimal in der Woche rufe ich ihn an.

RI: Haben Sie Kontakt zu den Verwandten, die außerhalb Afghanistans leben und wenn ja wie oft?

BF: Im Ausland habe ich niemanden. In Pakistan sind meine Mutter und meine Ehefrau. Seit fünf Tagen erreiche ich sie aber nicht.

RI: Davor, wie regelmäßig hatten Sie Kontakt zu Ihrer Mutter und Ihrer Frau?

BF: Ein bis zweimal in der Woche, ich habe sie auf ihrer Telefonnummer angerufen.

RI: Hat Ihre gesamte Familie in Pakistan von diesem Geschäft gelebt, in dem Sie gearbeitet haben?

BF: Ich habe nicht alleine gearbeitet, auch mein Vater hat in diesem Geschäft gearbeitet. Wir haben von diesem Geschäft gelebt, aber trotzdem ging es uns nicht so gut.

RI: Wann ist Ihre Familie von Afghanistan nach Pakistan gezogen und was war der Grund dafür?

BF: Damals herrschte in Afghanistan Krieg und jetzt herrscht auch Krieg. Meine Familie ist vor 40 Jahren aus Afghanistan weggezogen.

RI: Wann haben Sie Pakistan in Richtung Europa verlassen?

BF: Ende 2014.

RI: Wann wurde Ihre Familie von Pakistan nach Afghanistan abgeschoben?

BF: Als ich hier angekommen bin, sind sie nach Afghanistan gegangen.

RI: Im Juni 2015?

BF: Es war 2015.

RI: Wann und wo haben Sie Ihre Frau geheiratet?

BF: Ich habe 2011 in XXXX geheiratet. Dort lebten alle Flüchtlinge.

RI: Haben Sie Kinder? Wenn ja, wann sind diese geboren?

BF: 2015, als ich in XXXX angekommen bin, habe ich von der Geburt meiner Kinder erfahren, es sind Zwillinge.

RI: VORHALTUNG: Bei Ihrer Ersteinvernahme am 09.06.2015 haben Sie ihre Kinder nicht erwähnt. Diese gaben Sie erst bei Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.12.2016 erstmals an. Ebenso haben Sie bei Ihrer Ersteinvernahme am 09.06.2015 noch Vater und Bruder im Herkunftsstaat angegeben, vor dem BFA gaben Sie erstmals an, dass diese verstorben sind. Wie erklären Sie sich so widersprüchliche Angaben zu Ihren Verwandten in Afghanistan?

BF: Ich bin nach XXXX gekommen. Die ersten vier Tage hatte ich keinen Kontakt zu meiner Familie. Ich hatte Einvernahme, nach der Einvernahme habe ich mit meiner Familie den Kontakt aufgenommen und ich habe von der Geburt meiner Kinder erfahren. Bei der Erstbefragung hat mein Bruder noch gelebt. Es gab die Grundstücksstreitigkeiten. Ich dachte aber, dass wir diese Probleme lösen werden. Vor der zweiten Einvernahme habe ich von seinem Tod erfahren. Bei der Ersteinvernahme hatte ich bereits angegeben, dass mein Vater verstorben ist.

RI: Verstehe ich Sie richtig, Sie haben Ihre Kinder bei der Ersteinvernahme nicht angegeben, weil Sie von der Geburt zu diesem Zeitpunkt noch nichts gewusst hatten?

BF: Ja, in XXXX wusste ich noch gar nicht von meinen Kindern. Ich hatte dort meine erste Einvernahme. Ich bin dann nach XXXX überstellt worden. Erst dort habe ich von der Geburt meiner Kinder erfahren.

RI: VORHALTUNG: Bei Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.12.2016 haben Sie auf Seite 4 des Protokolls auf die Frage, warum Sie Ihre Kinder nicht bei der Erstbefragung angegeben hätten, geantwortet: "Weil mir geraten wurde, das nicht zu sagen". Wir erklären Sie sich die Unterschiede in den Angaben, vor dem BFA und heute?

BF: Die Kinder waren damals noch gar nicht auf der Welt. Wie hätte ich von den ungeborenen Kindern hier erzählen sollen? Meine Frau war damals schwanger und man hat mir dann hier auch gesagt, dass es für mich nicht wichtig ist, hier anzugeben, dass meine Frau schwanger ist.

RI: Wer hat Ihnen das gesagt?

BF: Die Burschen, die mit mir in XXXX untergebracht waren. Ich habe sie gefragt, ob ich von der Schwangerschaft meiner Frau erzählen soll, oder nicht. Sie sagten, ich soll es nicht.

RI: Wovon leben Ihre Frau und ihre Kinder in Pakistan zurzeit?

BF: Meine Mutter war bei ihrem Bruder, er hat für ihren Lebensunterhalt gesorgt. Mein Schwiegervater hat meine Ehefrau und die Kinder aufgenommen. Mein Schwiegervater hat mich dann angerufen und mir gesagt, dass er nicht mehr für meine Kinder sorgen kann. Mein Onkel mütterlicherseits sorgt für meine Mutter und sorgt auch für meine Familie.

RI: Der Onkel mütterlicherseits ist auch in Pakistan?

BF. Er lebt in Afghanistan. Er hat sogar damals, als meine Mutter in Afghanistan war, für ihren Lebensunterhalt gesorgt und jetzt macht er es in Pakistan.

RI: Ihr Onkel mütterlicherseits lebt in Afghanistan und sorgt für den Lebensunterhalt Ihrer Mutter, Ehegattin und Ihrer Kinder in Pakistan, verstehe ich das richtig?

BF: Ja.

RI: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Frau und den Kindern? Wenn ja, wie oft? Wenn nein, wieso nicht?

BF: Seit fünf Tagen funktioniert das Handy von meiner Mutter nicht. Davor habe ich ein bis zweimal in der Woche mit der Familie telefoniert.

RI: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

BF: Am 09.06.2015.

RI: Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens in Afghanistan gelebt?

BF: Nein.

RI: Haben Sie sich zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens in Afghanistan aufgehalten?

BF: Nein, ich bin in Pakistan geboren und von Pakistan bin ich auch Richtung Europa ausgereist.

RI: Mit Aufenthalt meine ich auch, dass Sie durchgereist sind, oder sich für ein paar Tage dort aufgehalten haben.

BF: Ich war nie in Afghanistan, ich bin aus Pakistan direkt ausgereist.

RI: Schildern Sie bitte Ihre Fluchtgründe? Ich ersuche Sie mir ein möglichst klares und stimmiges Bild des Geschehenen zu vermitteln.

BF: Als ich Pakistan verlassen habe, hatten wir zwar Probleme, aber die Probleme waren nicht so, wie sie jetzt sind. Wir waren Flüchtlinge in Pakistan, wir haben dort nur einen Flüchtlingsausweis bekommen. Die Leute, die wohlhabend waren, haben pakistanische Personalausweise bekommen. In Pakistan haben Leute gelebt, die wohlhabend waren. Diese Leute haben sehr schnell pakistanische Dokumente bekommen. Wir waren einfache, arme Flüchtlinge, für uns gab es nur Flüchtlingsausweise, die nur drei Jahre gültig waren. Trotz der Ausweise für Flüchtlinge wurden wir von der pakistanischen Polizei angehalten und kontrolliert, wir wurden ein bis zwei Stunden in Haft genommen, geschlagen und erst gegen Bezahlung von Geld freigelassen.

RI: Passierte das einmal oder regelmäßig?

BF: Wenn der Ausweis in Verlängerung war, wurden wir immer von der Polizei kontrolliert und angehalten.

RI: Was heißt "in Verlängerung"?

BF: Wenn ich den Flüchtlingsausweis mitgeführt habe, gab es keine Probleme. Wenn der Ausweis abgelaufen war und wir um eine Verlängerung angesucht haben, gab es immer wieder Kontrollen und Festnahmen in dieser Zeit.

RI: Bitte fahren Sie fort.

BF: Ich war noch in Pakistan, als mein Vater verstorben ist. In Afghanistan hatten wir ein Grundstück. Mein Vater hat dieses Grundstück jemand anderem überlassen. Mein Vater ist jährlich nach Afghanistan gereist und hat die Hälfte des Erlöses aus dem Grundstück mit nach Pakistan genommen. Die andere Hälfte hat der Mann bekommen.

RI: Meinen Sie mit überlassen des Grundstückes, dass Ihr Vater das Grundstück verpachtet hat?

BF: Ja. Einmal im Jahr ist er nach Afghanistan gegangen und hat das Geld nach Pakistan gebracht. Mein Vater war in Afghanistan. Als er nach Pakistan zurückgekehrt ist, ist er in Pakistan verstorben. Zwei Jahre nach dem Tod meines Vaters, ist mein Bruder nach Afghanistan gegangen. Er wollte mit dieser Person eine Abrechnung machen. Diese Person hat sich geweigert, denn er sagte, dass das Grundstück gar nicht meinem Bruder gehört. Das Grundstück hat meiner Familie gehört. Nach dem Tod meines Vaters wollte mein Bruder sich um das Grundstück kümmern. Nachdem mein Bruder dort war, hat der Mann ihm gesagt, dass er meinen Bruder überhaupt nicht kennt und er das Grundstück auch nicht zurückbekommt. Mit ihm wurde gar nicht abgerechnet. Mein Bruder ist nach Pakistan zurückgekehrt. Nach zwei Jahren ist er wieder nach Afghanistan zurückgekehrt. Er ist mit der Absicht dorthin gegangen, unseren Anteil an dem Grundstück von diesem Mann zurückzunehmen. Er wollte mit diesen Leuten abrechnen. Diese Leute wollten aber mit ihm überhaupt nicht abrechnen und gar nicht mit ihm über das Grundstück sprechen.

RI: Wer waren diese Leute?

BF: Sie sind aus dem Stamm Ghoran, meine Mutter kennt diese Leute.

Unser Grundstück hat ein Ausmaß von 18 Jirib (1 Jirib =2.000m², 18

Jirib = 36.000m²) und befindet sich in der Provinz XXXX in XXXX .

Mein Bruder hat das Grundstück wieder nicht bekommen und musste wieder nach Pakistan zurückkehren. Vor meiner Ausreise hat sich die Situation in Pakistan sehr verschlechtert. Die Flüchtlingsausweise wurden nicht mehr verlängert. Meine Mutter sagte meinem Bruder, dass er nochmal nach Afghanistan gehen soll, er soll wieder mit diesem Mann sprechen und auch die Ältesten des Dorfes sammeln, damit eine Lösung gefunden wird. Meine Mutter sagte meinem Bruder, dass er ihn Afghanistan die Ältesten sammeln sollen, dass sie alle bestätigen, dass das unser Grundstück ist und dieser Mann uns unseren Anteil gibt.

RI: Hat er die Ältesten versammelt?

BF: Mein Bruder war in Afghanistan, er ist zu diesem Mann gegangen und hat ihm gesagt, wenn dieser Mann meiner Familie das Grundstück nicht zurückgibt, dann wird mein Bruder die Ältesten aus dem Dorf versammeln lassen. Dieser Mann hatte auf der Stelle meinen Bruder getötet, denn er wollte nicht, dass die Leute das erfahren.

RI: Ihr Bruder wurde getötet, bevor er zu den Dorfältesten gegangen ist?

BF: Ja.

RI: Wie wurde er getötet?

BF: Ich war nicht dort. Ich weiß nicht, auf welche Art und Weise er getötet wurde. Ob er erschossen, oder ob er mit einem Messer erstochen wurde, weiß ich nicht.

RI: Wann ist Ihr Vater verstorben?

BF: Als ich noch in Pakistan war. Ich glaube eineinhalb Jahre nach seinem Tod bin ich von dort weggegangen. Ein bis eineinhalb Jahre nach seinem Tod.

RI: Sie sind Ende 2014, nach eigenen Angaben, aus Pakistan weg?

BF: Ja.

RI: Das heißt, nach diesen Angaben folgend, dürfte Ihr Vater ungefähr im Frühjahr 2013 verstorben sein.

BF: Ja.

RI: Sie haben angegeben, dass zwei Jahre, nach dem Tod Ihres Vaters, Ihr Bruder erstmals nach Afghanistan gegangen ist, um sich einen Teil des Ertrages vom Grundstück zu holen.

BF: Ja.

RI: Dann haben Sie gesagt, zwei Jahre darauf, das heißt im Frühjahr 2017, ist er noch einmal nach Afghanistan gegangen.

BF: Ja.

RI: Dann ist er ein drittes Mal gegangen. Wie viel später war das?

BF: Zwei oder drei Monate später.

RI VORHALTUNG: Wenn Ihr Bruder, wie man aus Ihren ungefähren Zeitangaben ersehen kann, das dritte Mal Mitte 2017 nach Afghanistan gegangen ist, wie kann Ihr Bruder, wie von Ihnen bei Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.12.2016 auf Seite 5 behauptet, zu diesem Zeitpunkt bereits fünf Monate tot gewesen sein?

BF: Als ich mit meiner Mutter telefoniert habe, hat sie mir von den Reisen meines Bruders nach Afghanistan erzählt. Ich bin aus Pakistan weggegangen. Es haben sich über mich Gerüchte verbreitet, dass ich in Pakistan getötet wurde. Während meiner gesamten Reise, bis nach Österreich, hatte ich keinen telefonischen Kontakt nach Hause. Als ich in Österreich war und meine Familie angerufen habe, sagten sie mir, dass sie gehört haben, dass ich tot bin. Ich habe ihnen erzählt, dass ich noch am Leben bin und in Österreich bin.

RI: Wie erklären Sie den Widerspruch zwischen Ihren Angaben vor dem BFA und den heutigen zeitlichen Angaben zu dem Tod Ihres Bruders?

BF: 2016 habe ich gesagt, dass vor fünf Monaten mein Bruder getötet wurde. Ich war ja selbst nicht dort. Ich habe immer am Telefon von meiner Familie erfahren, wo mein Bruder ist.

RI: Wann haben die Streitigkeiten über das Grundstück Ihrer Familie in Afghanistan begonnen?

BF: Die Probleme haben seitdem begonnen, als mein Vater dann verstorben war. Denn davor hat mein Vater sich selbst um seinen Anteil gekümmert. Nach seinem Tod wollte das mein Bruder.

RI: Was ist mit diesem Grundstück weiter passiert und wer bewirtschaftet es heute?

BF: Das Grundstück ist noch immer bei diesen Leuten, die meinen Bruder getötet haben.

RI: VORHALT: Sie haben vorhin angegeben, dass die Person, die Ihren Bruder getötet hat, vom Stamm der Ghoran sei. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.12.2016 haben Sie auf Seite 7, befragt, wer diese Leute wären, von denen diese Drohungen ausgegangen sind, gesagt: "Ich kenne sie nicht und ich habe sie nicht gesehen. Ich weiß nur, dass sie von unserem Stamm sind." Sie sind doch vom Stamm der XXXX , warum haben Sie jetzt angegeben, dass diese Leute vom Stamm der Ghoran sind.

BF: XXXX ist ein großer Stamm der Paschtunen und Ghoran ist ein Unterstamm der XXXX.

RI: VORHALT: Sie haben vorhin angegeben, dass Sie nicht wüssten, auf welche Art und Weise Ihr Bruder gestorben ist. Sie wüssten nicht, ob er erschossen worden ist oder ob er mit einem Messer erstochen worden wäre. Bei Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.12.2016 haben Sie auf Seite 7 befragt, was sie über die Ermordung Ihres Bruders wüssten, geantwortet: "Ich weiß nur, dass er erschossen wurde, mehr nicht." Wieso wussten Sie um die genauen Umstände des Todes Ihres Bruders, vor dem BFA mehr Bescheid, als heute?

BF: Er wurde getötet, entweder wurde er erstochen oder erschossen. Ich habe es nicht mit meinen eigenen Augen gesehen, sondern habe es von anderen gehört.

RI: Wieso haben Sie sich vor dem BFA darauf festgelegt, dass er erschossen wurde und heute wissen Sie es nicht mehr?

BF: Ich habe zuhause angerufen, man sagte mir, dass mein Bruder erschossen wurde. Meine Familie wusste selbst nicht, wie mein Bruder getötet wurde. Sie haben es nur gehört.

RI: War Ihre Familie wegen der Grundstücksstreiterei oder dem behaupteten Mord an Ihrem Bruder bei der Polizei? Wenn ja, was hat die Polizei gemacht?

BF: Nein. Wenn man sich an die Behörde auch wenden sollte, kümmert sich die Behörde nicht darum.

RI: VORHALTUNG: Bei Ihrer Ersteinvernahme am 09.06.2015 haben Sie, befragt nach Ihrem Fluchtgrund auf Seite 6 des Protokolls angegeben:

"Wegen wirtschaftlicher Gründe bin ich nach Europa gekommen. Ich war arm in Pakistan. Sonst habe ich keine weiteren Fluchtgründe." Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.12.2016 haben Sie, befragt nach Ihren Fluchtgründe auf Seite 6 Folgendes angegeben: "Wegen dieses Grundstückstreites hatte ich Angst um mein Leben und um jenes meines Bruders, der getötet wurde, wäre ich dortgeblieben, hätten sie mich auch getötet." Aus diesen recht widersprüchlichen Angaben zu Ihrem Fluchtgrund ergeben sich mehrere Fragen:

1) Sie sprachen vor dem BFA, dass Sie auch getötet worden wären, wären sie dortgeblieben? Wie soll ich das verstehen? Ich dachte Sie haben sich nie in Afghanistan aufgehalten? Zumindest haben Sie das im bisherigen Verfahren angegeben?

BF: So wie meine Familie aus Pakistan nach Afghanistan zurückgeschoben wurde, so hätte man mich auch nach Afghanistan zurückgeschickt, wenn ich in Pakistan geblieben wäre.

RI: Da waren Sie zu diesem Zeitpunkt, als Ihre Familie abgeschoben wurde, nicht mehr in Pakistan. Nach eigenen Angaben waren Sie zu diesem Zeitpunkt bereits in Österreich.

BF: Meiner Familie ging es damals nicht gut. Ich wollte auch nicht, dass ich dieselben Probleme bekomme.

RI: Ich verstehe die Aussage nicht, dass Sie getötet worden wären, wären Sie dortgeblieben. Sie waren nie in Afghanistan.

BF: Mein Bruder wurde in Afghanistan wegen dem Grundstück getötet. Die Lage zwischen Afghanistan und Pakistan ist sehr schlecht. Flüchtlinge werden jederzeit nach Afghanistan zurückgeschoben. Wäre ich in Pakistan geblieben, hätte man mich auch nach Afghanistan abgeschoben und dort hätte ich diese Probleme.

2) Wieso haben Sie erstmals vor dem BFA von Grundstücksstreitigkeiten in Ihrer Familie berichtet und nicht bereits bei Ihrer Ersteinvernahme, bei der sich nachweislich zu Ihrem Fluchtgrund befragt worden sind?

BF: Mein Vater ist verstorben. Ich bin davon ausgegangen, dass mein Bruder nach Afghanistan gehen wird und man mit ihm genauso umgehen wird, wie man mit meinem Vater umgegangen ist.

RI: Ist Ihr Vater auch ermordet worden?

BF: Nein.

RI: VORHALTUNG: Sie haben bei Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 09.12.2016 auf Seite 2 des Protokolls angegeben, dass Sie bereits in Österreich gewesen sind, als Ihre Familie von Pakistan nach Afghanistan abgeschoben worden sind. Ebenso haben am 09.12.2016 vor dem BFA angegeben, dass Ihr Bruder 6 Monate vorher, als ca. im Juni 2016 wegen der Grundstücksstreitigkeiten ermordet worden ist. Wie geht es sich zeitlich also, dass die Grundstücksstreitigkeiten nach Rückkehr ihrer Familie nach XXXX und der Tod Ihres Bruders im Juni 2016 Grund für Ihre Flucht nach Österreich im Juni 2015 gewesen sein konnte? Diese zeitliche Diskrepanz müssen Sie mir erst erläutern?

BF: Mein Vater hat immer seinen Anteil an der Ernte ohne Probleme bekommen. Es gab gar keine Probleme mit meinem Vater. Nachdem mein Vater verstorben ist, haben die Probleme mit meinem Bruder begonnen.

RI: Das erklärt noch immer nicht die zeitliche Diskrepanz. Wie kann ein Tod Ihres Bruders im Juni 2016, Grund für Ihre Flucht nach Österreich im Juni 2015 sein?

BF: Ich bin Ende 2014 von dort weggegangen und im Juni 2015 hierangekommen. Damals war mein Bruder noch am Leben. Als ich dann wieder meine Mutter angerufen habe, ich wollte mit meinem Bruder telefonieren, erzählte sie mir, dass er nach Afghanistan gegangen ist, um die Sache mit dem Grundstück zu regeln.

RI: VORHALTUNG: Wenn Sie also nicht primär aus wirtschaftlichen Gründen nach Österreich gekommen sind, sondern -wie Sie seit der BFA-Einvernahme behaupten- wegen Grundstücksstreitigkeiten in der Familie, wieso haben Sie bei Ihrer BFA-Einvernahme am 09.12.2016 auf Seite 7 des Protokolls auf die Frage, warum Sie nicht im Herkunftsstaat leben wollen, lediglich gemeint: "In Afghanistan gibt es für meine Kinder keine Zukunft. Ich möchte hier leben um ihnen eine bessere Zukunft bieten zu können". Das klingt für mich aber nach einer wirtschaftlichen Abwägung. Was sagen Sie dazu?

BF: Wenn man mit solchen Problemen konfrontiert ist, dann ergeben sich daraus automatisch wirtschaftliche Probleme. In Afghanistan habe ich keine Unterkunft. Meine Mutter war bei ihrem Bruder aufhältig und meine Ehefrau bei ihrem Vater. Ich selbst habe dort keine Bleibe, ich bin dort verloren.

RI: Gibt es noch andere Fluchtgründe als die eben Geschilderten?

BF: Mein Hauptproblem ist jenes, welches ich heute erzählt habe. Diese Leute fürchten sich verraten zu werden.

RI: Die Leute, die Ihren Bruder umgebracht haben?

BF: Ja. Sie werden mich töten. Wenn diese Leute erfahren, dass ich dort in Afghanistan bin, dann werden sie sich selbst beschützen, indem sie mich töten. Diese Leute leben dort, ich habe dort nicht einmal eine Bleibe.

RI: Wenn Sie bei Ihrer Rückkehr nach Afghanistan auf dieses Grundstück keine Ansprüche erheben würden, hätten Sie dann von diesen Männern überhaupt etwas zu befürchten?

BF: Auch, wenn ich keine Ansprüche stellen sollte, werden diese Leute davon ausgehen, dass ich ihnen einen Schaden zufügen werde, für den Tod meines Bruders.

RI: Wieso gehen sie davon aus?

BF: Diese Leute haben Angst. Diese Leute haben ja etwas getan. Davor fürchten sie sich. Wenn sie wissen, dass ich zurück bin, dann werden sie fürchten, dass ich ihnen etwas antun werde.

RI: Haben andere Mitglieder Ihrer Familie, die eine zeitlang in XXXX gelebt haben, irgendwelche Probleme mit diesen Leuten gehabt, oder sind sie bedroht worden?

BF: Ich selbst besitze nichts in Afghanistan.

RI: Das war nicht meine Frage. Haben andere Mitglieder Ihrer Familie, die eine zeitlang in XXXX gelebt haben, irgendwelche Probleme mit diesen Leuten gehabt, oder sind sie bedroht worden?

BF: Meine Frau war bei meinem Schwiegervater, sie hat keine eigene Bleibe gehabt. Meine Mutter war bei ihren Brüdern. Wie hätten die Leute ihnen sagen sollen, wenn sie keine Ansprüche gestellt hätten.

RI: Ich verstehe den letzten Satz nicht. Bitte um Neuformulierung.

BF: Mein Schwiegervater konnte meine Kinder nicht mehr versorgen. Er hat mich angerufen und mir gesagt, dass er meine Kinder nicht mehr bei sich aufnehmen kann.

RI: Das ist auch nicht die Beantwortung meiner Frage. Meine Frage war: Haben andere Mitglieder Ihrer Familie, die eine Zeitlang in XXXX gelebt haben, irgendwelche Probleme mit diesen Leuten gehabt, oder sind sie bedroht worden?

BF: Sie hatten keine Probleme, weil sie kein männliches Oberhaupt in der Familie haben.

RI: Was ist mit dem Vater Ihrer Ehegattin?

BF: Ich bin Oberhaupt der Familie, ich war nicht dort. Mein Schwiegervater lebt eineinhalb Stunden von XXXX entfernt.

RI: Hatten Sie in Afghanistan jemals Probleme aufgrund Ihrer Rasse, Religion, Ethnie, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder Ihrer politischen Gesinnung? Hatten Sie Probleme mit den Behörden in Ihrem Heimatland?

BF: Seit meiner Geburt habe ich in Pakistan gelebt und war nie in Afghanistan. Von Pakistan bin ich nach Europa gekommen, ich war niemals in Afghanistan. Ich kenne meine Heimat gar nicht.

RI: Was befürchten Sie konkret im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan?

BF: Ich habe Angst vor dem Tod, mein Bruder wurde wegen seinem eigenen Grundstück von diesen Leuten getötet. Diese Leute haben Angst, da sie meinen Bruder getötet haben, dass ich Rache nehmen werde, dass ich für den Tod meines Bruders mich an diesen Leuten rächen werde.

RI: Wann haben Sie den Entschluss gefasst, Pakistan in Richtung Europa zu verlassen?

BF: 2014, nach dem Tod meines Vaters, habe ich diesen Entschluss gefasst.

RI: War Österreich von Anfang an das Ziel Ihrer Reise?

BF: Ja.

RI: Wieviel hat die Flucht aus Pakistan nach Europa insgesamt gekostet?

BF: 4.500€. Ich habe die meiste Strecke zu Fuß zurückgelegt, daher habe ich, im Vergleich zu den anderen, etwas weniger bezahlt. Das Geld stammte von meinen Freunden, ich hatte das Geld nicht.

RI: Wie konnten Sie, wenn Sie so arm waren, wie Sie sagen, das Geld für Flucht zusammenbringen?

BF: Meine Freunde sagten mir, dass sie mich einmal unterstützen können. Sie können mich unterstützen, damit ich in ein Land komme, wo ich mir ein Leben aufbauen kann. Immer wieder können sie mir auch nicht helfen.

RI: Waren es Freunde oder Verwandte?

BF: Meine Freunde, wir haben alle gemeinsam gelebt.

RI: Warum haben Sie sich Österreich als Reiseziel ausgesucht? Was wussten Sie vor Ihrer Abreise von Österreich?

BF: Ich habe im Internet mich erkundigt, dass Österreich ein gutes Land ist und ich hier auch leben kann. Nachdem ich hier angekommen bin, habe ich auch der Polizei gesagt, dass ich hierbleiben will.

RI: Sind Sie Mitglied in einem Verein oder einem Klub in Österreich?

BF: Nein.

RI: Ich meine eine Freizeitclub, Verein, Fitness-Club etc.

BF: Nein, aber ich habe großes Interesse daran, irgendwo Mitglied zu werden.

RI: Haben Sie österreichische Freunde?

BF: Ja, ich habe einige Freunde.

RI: Sind Sie in Österreich einer ordentlichen Beschäftigung nachgegangen?

BF: Ja, ich habe für die Gemeinde gearbeitet. Ich habe gemeinsam mit meinem Freund für die Gemeinde gearbeitet und habe kein Geld verlangt. Ich habe aber von der Gemeinde eine kleine Unterstützung bekommen. Es war eine Unterstützung von meiner Seite, dafür habe ich eine kleine Unterstützung von der Gemeinde bekomme. Ich bin keiner ordentlichen Beschäftigung nachgegangen.

RI: Haben Sie sich in Österreich jemals aus-, fort- oder weitergebildet?

BF: Anfänglich wurde ich in meiner Asylunterkunft von einem Deutschlehrer unterrichtet. Dann wurden Flüchtlinge verlegt und wir waren nur mehr acht Personen in der Asylunterkunft. Für uns ist aber kein Lehrer mehr gekommen, um uns zu unterrichten. Ich bin selbstständig zur Diakonie gegangen und habe mich auf die Warteliste in einer Schule eingetragen. Nachdem ich keinen Kurs bekommen habe, habe ich selbstständig versucht die Sprache zu lernen. Ich habe mit meinem Heimleiter Deutsch gelernt, und auch vom Fernsehen.

RI: Haben Sie in Österreich Sprachkurse besucht?

BF: Es sind Deutschlehrer in die Unterkunft gekommen, ansonsten habe ich einen Deutschkurs besucht. Die Bestätigung habe ich vorgelegt.

RI: Welches Sprachniveau haben Sie bisher abgeschlossen?

BF: Ich habe keine Prüfung gemacht.

RI (ohne Übersetzung): Was mögen Sie an Österreich?

BF (ohne Übersetzung): Ich (fragt auf Paschtu: Was ich hier mache?)

RI (ohne Übersetzung): Was machen Sie in Ihrer freien Zeit? Was sind Ihre Hobbies?

BF (ohne Übersetzung): Freizeit ich bisschen Fernsehen und so. Mit meine Chef sprechen. Ich und meine Chef früh zusammensitzen, Kaffee und sprechen.

RI (ohne Übersetzung): Was haben Sie vergangenes Wochenende gemacht?

BF (ohne Übersetzung): Ich helfen mit meine Chef mit. Meine Chef ein bisschen alt. Ich helfen.

RI: Wie stellen Sie sich die Zukunft in Österreich vor?

BF: Mein Heimatland ist zerstört, aber ich habe mir vorgenommen, in Österreich so ein Leben zu führen, dass ich auch dem Staat und der Gesellschaft Vorteile bringen kann.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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