TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/16 98/08/0343

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Veröffentlicht am 16.02.1999
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Index

66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

NVG 1972 §63;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok , Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien, vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mölkerbastei 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. September 1998, Zl. MA 15-II-H 37/98, betreffend Rückerstattung und Überweisung von Pensionsversicherungsbeiträgen (mitbeteiligte Partei: A in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren des Mitbeteiligten wird abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte ist am 30. April 1989 als Notariatskandidat aus der Pensionsversicherung des österreichischen Notariates ausgeschieden und unterlag seither nicht mehr der Versicherungspflicht nach dem Notarversicherungsgesetz 1972 (NVG).

Nach einer Mitteilung der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates vom 6. Juni 1989, gerichtet an die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt, hatte der Mitbeteiligte insgesamt 46 Monate an Beitragszeiten nach dem NVG erworben, für welche gemäß § 63 NVG seitens der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates an die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt ein Überweisungsbetrag in der Höhe von S 74.704,-- geleistet werde. Dieser Betrag wurde der Beschwerdeführerin mit 9. Juni 1989 gutgeschrieben.

Mit einem an die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates gerichteten Schreiben vom 17. Juli 1989 teilte die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt ersterer folgendes mit:

"Betr. Dr. Alexander H., geb. 5.10.1961 in Wien Laut do. Anzeige vom 6.6.1989 ist Obgenannter mit 30.4.1989

aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden.

Auf Grund des gemäß § 63 des NVG 1972, BGBl. Nr. 66/1972 eingelangten Überweisungsbetrages von S 74.704,-- ... werden die nachstehend angeführten Zeiten als Versicherungszeiten im Sinne des Bundesgesetzes vom 9.9.1955, BGBl. Nr. 189 (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) in der Pensionsversicherung der Angestellten zur Anrechnung vorgemerkt."

Daran schließt sich eine Aufstellung von Versicherungszeiten vom November 1977 bis April 1989, beinhaltend 65 Ersatzmonate und 46 Beitragsmonate.

Das Schreiben enthielt am Ende folgenden Vermerk:

"Der Versicherte wird hievon durchschriftlich verständigt. Herrn Dr. Alexander H., ...

z. gefl. Kenntnisnahme"

Mit Schreiben vom 19. Jänner 1998 stellte der Mitbeteiligte den "Antrag auf Rückerstattung bzw. Überweisung von Pensionsversicherungsbeiträgen", der am 21. Jänner 1998 bei der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt einlangte. Darin führt er - dem Sinne nach und zusammengefaßt - aus, daß er seit seinem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis als Notariatskandidat als Rechtsanwaltsanwärter gearbeitet habe und im Juni 1992 "erstmals in die Liste der Rechtsanwälte eingetragen" worden sei. Er sei in seinen bisherigen Berufen niemals nach dem ASVG pflichtversichert gewesen und habe sich auch niemals nach dem ASVG freiwillig versichern lassen. Nach seiner Lebensplanung habe er auch nicht die Absicht, jemals einen Anspruch auf eine ASVG-Pension zu erwerben. Die von der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt zur Anrechnung vorgemerkten Versicherungszeiten reichten für einen Pensionsanspruch "gegenüber der PVA" nicht aus. Nach näherer Darstellung der Versorgungserwartung des Mitbeteiligten als Rechtsanwalt im Rahmen der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer vertrat er in diesem Antrag die Auffassung, er habe ein "berechtigtes Interesse" daran, daß ihm jene Beiträge, die er in der Zeit der Zugehörigkeit "zu den anderen Versicherungsgemeinschaften" eingezahlt hätte, nach seinem Ausscheiden aus diesen Versicherungsgemeinschaften an ihn erstattet würden. Es wäre unbillig und nicht zu rechtfertigen, daß überwiesene Pensionsbeiträge von der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt einbehalten würden, wenn feststehe, daß er Versorgungsansprüche gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt jedenfalls nicht erwerben oder beziehen werde. Er stelle daher den Antrag, die Pensionsversicherungsanstalt möge "in sinngemäßer Anwendung der §§ 308, 311 ASVG den ihr von der VAöN überwiesenen Betrag in der Höhe von ÖS 74.704,00 ... rückerstatten, in eventu an die RAK Wien zur Gutbuchung auf meinem Konto für die Zusatzpension nach der Satzung weiter überweisen, in eventu, an die GSVG zur Vormerkung von allfälligen Pensionsansprüchen nach den Regelungen des ASRÄG weiterüberweisen;" sowie "über die gänzliche oder teilweise Zurück- oder Abweisung des vorliegenden Antrages einen Bescheid zu erlassen".

Nach Durchführung einer Korrespondenz mit dem Mitbeteiligten, in der die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt darauf aufmerksam machte, daß eine Rückerstattung von Pensionsbeiträgen nicht vorgesehen sei und worin schließlich der Mitbeteiligte das Angebot der Pensionsversicherungsanstalt auf Durchführung einer freiwilligen Weiterversicherung zurückwies, erließ die Pensionsversicherungsanstalt zunächst einen Bescheid vom 16. März 1998, mit dem sie den Antrag des Beschwerdeführers vom 19. Jänner 1998 auf Rückerstattung bzw. Überweisung von Pensionsversicherungsbeiträgen gemäß § 69 iVm § 225 Abs. 1 ASVG in der geltenden Fassung abwies.

Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Voraussetzungen für die Rückforderung von Beiträgen gemäß § 69 Abs. 1 ASVG nicht vorlägen, weil der Überweisungsbetrag aus näher genannten Gründen nicht zu Ungebühr im Sinne des § 69 ASVG entrichtet worden sei.

Aufgrund des gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruches des Mitbeteiligten behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 11. Mai 1998 diesen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Begründung, der Mitbeteiligte habe "in sinngemäßer Anwendung der §§ 308 ff ASVG beantragt, den an die Pensionsversicherungsanstalt überwiesenen Betrag zu erstatten oder an die Rechtsanwaltskammer zu überweisen. Der Abspruch der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt sei gemäß § 69 ASVG erfolgt, was jedoch nicht Gegenstand des Antrages des Mitbeteiligten und somit keine Entscheidung betreffend die Überweisung von Beiträgen nach den §§ 308 ff ASVG oder Erstattung von Beiträgen nach § 308 ASVG gewesen sei. Diesen Bescheid ließ die beschwerdeführende Pensionsversicherungsanstalt nach der Aktenlage unbekämpft.

Sie erließ hingegen einen Bescheid vom 9. Juni 1998, mit welchem der Antrag des Mitbeteiligten vom 19. Jänner 1998 auf Rückerstattung "in sinngemäßer Anwendung der §§ 308, 311 ASVG" wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurde. Nach der Begründung dieses Bescheides seien gemäß § 68 Abs. 1 AVG Anbringen von Beteiligten, die eine Abänderung eines rechtskräftigen Bescheides begehrten, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. In der "Entscheidung vom 17. Juli 1989" sei ausgesprochen worden, daß von der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates für den Mitbeteiligten gemäß § 63 NVG ein Überweisungsbetrag in der Höhe von S 74.704,-- zu leisten sei. Durch die Leistung des Überweisungsbetrages gälten die dem Überweisungsbetrag zugrundeliegenden Versicherungszeiten als Beitragszeiten gemäß § 225 Abs. 1 ASVG. Die "gegenständliche Entscheidung" (ersichtlich gemeint: jene vom 17. Juni 1989) sei unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Hinsichtlich des Ansuchens werde bemerkt, "daß die Möglichkeit einer Erstattung gemäß § 308 ff ASVG bereits Gegenstand des seinerzeitigen Verwaltungsverfahrens" gewesen sei. Da bereits eine rechtskräftige Entscheidung über eine Erstattung bzw. Überweisung vorliege, stehe der Erlassung eines neuen Bescheides die materielle Rechtskraft entgegen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Einspruch.

Diesem Einspruch wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufgehoben. Nach der Begründung dieses Bescheides könne das Schriftstück der Pensionsversicherungsanstalt vom 17. Juli 1989 nicht als Bescheid angesehen werden. Zur Feststellung der sich für einen Versicherten aus dem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten in Form eines Bescheides sei der Versicherungsträger zwar immer berechtigt, jedoch nur dazu verpflichtet, wenn der Versicherte die Bescheiderteilung verlange. Da ein derartiger Antrag zum damaligen Zeitpunkt nicht gestellt worden sei, könne auch "die Benutzung des Gesetzes als Deutungsschema der behördlichen Erledigung nicht dazu führen, dem Schreiben Bescheidqualität beilegen zu müssen".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde der Pensionsversicherungsanstalt, in der diese im wesentlichen die Auffassung vertritt, daß ihrem Schreiben vom 17. Juli 1989 der Charakter eines Bescheides zukomme und der angefochtene Bescheid daher zu Unrecht ergangen sei.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Dem Schreiben der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt vom 17. Juli 1989 kommt zunächst zweifelsfrei insoweit keine Bescheidqualität zu, als darin - entgegen der Behauptung der Pensionsversicherungsanstalt - der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates nicht ein Überweisungsbetrag vorgeschrieben, sondern lediglich die ohne eine solche Vorschreibung aufgrund des Schreibens der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates vom 6. Juni 1989 durchgeführte Überweisung des genannten Betrages von S 74.704.-- bestätigt wird.

Ob dieses Schreiben aber hinsichtlich der Vormerkung von Versicherungszeiten Bescheidcharakter aufweist (bzw gegenüber dem Mitbeteiligten, der von diesem Schreiben bloß "verständigt" werden sollte, gegebenenfalls in Rechtskraft erwachsen wäre), kann auf sich beruhen, weil das Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom 17. Juli 1989 unter keinen Umständen die Zulässigkeit des vom Mitbeteiligten gestellten Antrages berührt: Weder im Schreiben der Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates vom 6. Juni 1989 noch in jenem der Pensionsversicherungsanstalt vom 17. Juli 1989 wird auf potentielle Ansprüche des Mitbeteiligten auf Rückerstattung oder Weiterüberweisung von Sozialversicherungsbeiträgen Bezug genommen. Es bestand dazu auch kein wie immer gearteter Anlaß, zumal die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates - entsprechend den gesetzlichen Vorgaben des § 63 NVG 1972 - für alle bei ihr erworbenen Versicherungszeiten einen Überweisungsbetrag an die Pensionsversicherungsanstalt zu leisten und diese aufgrund dieses Überweisungsbetrages die entsprechenden Versicherungszeiten (zuzüglich der Schul- und Studienzeiten sowie des Präsenzdienstes) des Mitbeteiligten als Versicherungszeiten vorzumerken hatte. Es ist schlechthin unerfindlich, aus welchem Grund mit diesem Schreiben gegenüber dem Mitbeteiligten rechtskräftig darüber abgesprochen worden sein soll, ob die von der Versicherungsanstalt des Notariates überwiesenen Versicherungsbeiträge an den Mitbeteiligten rückzuerstatten oder ob die an die Rechtsanwaltskammer bzw. die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft weiter zu überweisen sind, ganz abgesehen davon, daß der Mitbeteiligte seinen Antrag auf Weiterüberweisung "an die GSVG nach den Regelungen des ASRÄG" ersichtlich erst auf die am 1.1.1998 in Kraft getretene Gesetzesänderung stützt, wonach eine Versicherungspflicht für Rechtsanwälte nach dem GSVG ab 1.1.2000 in Betracht kommt (vgl. § 5 GSVG).

Die belangte Behörde hat der beschwerdeführenden Pensionsversicherungsanstalt daher zu Recht aufgetragen, über diese (zulässigen, wenn auch offenkundig im Gesetz nicht gedeckten) Anträge des Mitbeteiligten meritorisch abzusprechen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher im Ergebnis frei von Rechtsirrtum, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren konnten dem Mitbeteiligten im Hinblick auf die gemäß § 110 ASVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende sachliche Gebührenfreiheit nicht ersetzt werden; insoweit war daher dessen Kostenbegehren abzuweisen.

Wien, am 16. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998080343.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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