TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/26 W233 2191886-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.04.2019
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Entscheidungsdatum

26.04.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W233 2191888-1/10E

W233 2191886-1/8E

W233 2191893-1/6E

W233 2191891-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von 1. XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehöriger von Tadschikistan, 2. XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörige von Tadschikistan, 3. XXXX geboren am XXXX , Staatsangehörige von Tadschikistan und 4. XXXX , geboren am XXXX Staatsangehöriger von Tadschikistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 06.03.2018,

Zahlen: 1050267607 - 150065164 (ad 1.), 1050267509 - 150065148 (ad 2.), 1056261110 - 150322299 (ad 3.) und 1171371004 - 171180632, nach

Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.03.2019 zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und

1. XXXX , geboren am XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

2. XXXX , geboren am XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3. XXXX , geboren am XXXX , gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

4. XXXX , geboren am XXXX gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Asylgesetz 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin und des minderjährigen Viertbeschwerdeführers.

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin stellten nach ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 19.01.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz. Der Antrag auf internationalen Schutz der Drittbeschwerdeführerin wurde am 30.03.2015 gestellt, jener des Viertbeschwerdeführers am 17.10.2017.

1.2. Ihre Anträge begründeten der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen ihrer jeweiligen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 19.01.2015 übereinstimmend damit, dass der Erstbeschwerdeführer wegen seiner politischen Tätigkeit in Tadschikistan verfolgt worden sei. Die Zweitbeschwerdeführerin ergänzte, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe. Zu ihrem Reiseweg befragt gaben die beiden Beschwerdeführer an, dass sie ihr Herkunftsland auch mit einem Flugzeug, in dem sich uniformierte Personen befunden haben, verlassen haben.

1.4. In der Folge wurden der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin am 22.01.2018 vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der Erstbeschwerdeführer zu seiner Fluchtroute befragt an, dass sie von Tadschikistan nach Kirgisistan und von dort über ihm unbekannte Länder bis nach Österreich gefahren seien, wobei sie einen Teil dieser Strecke auch mit einem Militärflugzeug zurückgelegt hätten. Zu seinem Fluchtvorbringen befragt, gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen zu Protokoll, dass er 2012 für die Sozialdemokratische Partei Tadschikistans gearbeitete und sich in Tadschikistan für Menschenrechte eingesetzt habe. 2012 habe er mit zwei Kollegen der Sozialdemokratischen Partei mit einer Gruppe von jungen Menschen eine Unterredung gehabt, als sie von mehreren Polizisten und von in Zivil gekleideten Personen angegriffen worden seien. Bei diesem Angriff sei ihm der Kiefer an zwei Stellen gebrochen und auch ein Zahn ausgeschlagen worden. In der Folge sei er für zwei Wochen in einem Krankenhaus gewesen. Im Jahr 2013 hätten Wahlen in Tadschikistan stattgefunden, an denen die Sozialdemokratische Partei jedoch nicht teilgenommen habe, da man von vornherein gewusst hätte, wer diese Wahlen gewinnen werde. Allerdings sei er mit anderen mit Plakaten auf die Straße gegangen und hätte vorgetragen, dass diese Wahlen unfair und verfälscht durchgeführt würden. Danach wäre er mehrmals zu einer Polizeistation geladen und dort erniedrigt, beleidigt und mit Elektroschocks gefoltert worden. Einmal sei er auch gemeinsam mit seinem Vater zu einer Polizeistation bestellt worden, wo auf sie beide Druck ausgeübt worden sei. Beim Verlassen dieser Polizeistation seien sie von unbekannten Personen angegriffen und seinem Vater der Kiefer gebrochen worden.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt am 22.01.2018 zu Protokoll, dass ihr Mann bedroht worden sei, weshalb er in Gefahr gewesen sei. Die Frage nach eigenen Fluchtgründen verneinte die Zweitbeschwerdeführerin.

1.4. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tadschikistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den Beschwerdeführern gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Tadschikistan gemäß § 46 FPG ist und ihnen dafür gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für ihre freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

1.6. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts fand am 06.03.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin und ihrer Rechtsvertretung statt, in welcher die beiden erwachsenen Beschwerdeführer ausführlich zu ihren Fluchtgründen, ihren persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie ihrer Integration in Österreich befragt wurden. Das Bundesamt hat entschuldigt an dieser Verhandlung nicht teilgenommen.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Tadschikistan (Stand: 05.06.2018) und ein Auszug aus dem Bericht des deutschen Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: Juli 2018) in das Verfahren eingebracht und mit den vertretenen Beschwerdeführern erörtert. Mit Schriftsatz vom 20.03.2019 haben die vertretenen Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu diesen Länderinformationen eingebracht.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beschwerdeführer, beinhaltend die Befragungen des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin vom 19.01.2015 (Erstbefragung) sowie vom 22.01.2018 (niederschriftliche Einvernahme), die gegenständlichen Bescheide vom 06.03.2018 und die Beschwerden vom 29.03.2018; durch Einvernahme des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.03.2019; durch Einsichtnahme in die im Verlauf des Verfahrens vorgelegten Unterlagen und Stellungnahmen, in aktuelle Auszüge aus Strafregister, GVS, IZR und ZMR sowie durch Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Tadschikistan (Stand 03.07.2018) und einen Auszug aus dem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistans des deutschen Auswärtigen Amts betreffend die allgemeine politische Lage in Tadschikistan. Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2. Feststellungen:

2.1. Die Beschwerdeführer führen die im Spruch angeführten Namen und sind an den im Spruch genannten Daten geboren. Sie sind Staatsangehöriger von Tadschikistan und gehören der Volksgruppe der Tadschiken an.

2.2. Festgestellt wird, dass der Erstbeschwerdeführer auf einer auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgungshandlung, nämlich der an ihn von staatlichen Organen gerichteten Drohungen und erfolgten Misshandlung und Verletzung an seinem Körper wegen seiner politischen Gesinnung, in seinem Herkunftsstaat Tadschikistan verfolgt wurde bzw. aus wohlbegründeter Furcht aus Gründen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Heimatsstaates zu bedienen.

Somit kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der Erstbeschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Tadschikistan wegen einer (ihm zumindest unterstellten) oppositionellen politischen Gesinnung Verfolgungshandlungen der tadschikischen Behörden von im gegebenen Zusammenhang ausreichender Intensität ausgesetzt wäre.

2.3. Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 vor. Die Zweit-, die Dritt- und der Viertbeschwerdeführer brachten keine eigenen Fluchtgründe vor.

2.4. Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sind strafrechtlich unbescholten. Die Dritt- und der Viertbeschwerdeführer sind strafunmündig.

2.5. Zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer

2.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Tadschikistan, mit Stand vom 05.06.2018:

[...]

2. Politische Lage

Die Republik Tadschikistan hatte laut offizieller Statistik 2016 8,74 Millionen Einwohner, was ein Wachstum von ca. 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr ausmachte (TAJSTAT 23.5.2018). Unter dem herrschenden präsidentiellen System wird das Land seit 1994 von Emomali Rachmon (Rakhmon) streng geführt (BBC 22.4.2018). Der Einfluss des Parlaments insgesamt ist gering. Die politische Macht ist beim Präsidenten, seinen engsten Vertrauten und der Präsidialverwaltung konzentriert (AA 20.10.2017). Tadschikistan befindet sich in einer starken Abhängigkeit von Russland, sowohl ökonomisch als auch in Hinblick auf den Umgang mit Sicherheitsfragen, wie den Kampf gegen Drogenschmuggel und dem radikalen Islam (BBC 22.4.2018).

Nach der Unabhängigkeit von der UdSSR am 9. September 1991 wuchsen die Spannungen zwischen der kommunistischen Regierung unter Präsident Nabiev und oppositionellen Gruppen. In diesem Konflikt entluden sich politischen, religiösen und regionale Gegensätze. Im Zuge der gewaltsamen Eskalation 1992 verlor Nabiev seine Macht. Nach einer kurzen Übergangszeit wurde Emomali Rahmon zuerst Vorsitzender des Obersten Sowjets Tadschikistans (1992), später Staatspräsident (1994). Innertadschikische Gespräche unter russischer und iranischer Vermittlung führten am 17.09.1994 zu einem Waffenstillstand (Dokument von Teheran). Der Bürgerkrieg wurde mit Unterzeichnung des 'Allgemeinen Abkommens über Frieden und Nationale Versöhnung in Tadschikistan' durch Präsident Rahmon und Oppositionsführer Nuri am 27.06.1997 in Moskau beendet. Zum Vorsitzenden der mit der Umsetzung der Friedensvereinbarungen beauftragten Nationalen Versöhnungskommission (NVK) wurde der 2006 verstorbene UTO-Chef Nuri gewählt. Zu den wichtigsten Ergebnissen der NVK-Tätigkeit zählen die Rückführung der Mehrzahl aller tadschikischen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Afghanistan, der Austausch der Kriegsgefangenen und eine Amnestie für bürgerkriegsbedingte Straftaten. Der Opposition wurde eine 30-Prozent-Quote an hohen Regierungsämtern eingeräumt. Nach Aufhebung des Verbots der Parteien und politischen Gruppierungen der UTO am 12.08.1999 konnten sich diese und andere Parteien registrieren und am politischen Leben teilnehmen (AA 3.2018a).

Die Republik Tadschikistan ist von ihrer 1994 angenommenen Verfassung vordergründig ein eng an westlichen Vorbildern und Werten orientiertes Staatswesen - mit Gewaltenteilung, Parlament, Mehrparteiensystem und freien Wahlen, mit Presse-, Meinungs-, und Versammlungsfreiheit. Lediglich die starke, überwiegend in den Händen des Präsidenten konzentrierte Exekutive sticht bei den Bestimmungen der Verfassung ins Auge (GIZ 3.2018a).

Tadschikistan hat ein Zweikammer-Parlament mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren. Die 34 Mitglieder der Nationalversammlung (Majlisi Milli), das Oberhaus, werden indirekt bestimmt: 25 durch lokale Körperschaften und acht durch den Präsidenten. Die Versammlung der Repräsentanten (Majlisi Namoyandagon), das Unterhaus, wird direkt gewählt, wobei 41 Mitglieder durch absolute Mehrheit in Einer-Wahlkreisen und 22 proportional unter Erreichen einer Fünf-Prozent-Hürde bestimmt werden (IFES 2016, vgl. AA 3.2018a).

Der Staatspräsident wird alle sieben Jahre gewählt. Der gegenwärtige Präsident, Emomali Rachmon, wurde infolge einer Verfassungsänderung aus dem Jahr 2003, die eine zweimalige Wiederwahl ermöglicht, im November 2013 wiedergewählt (IFES 2016, vgl. GIZ 3.2018a). Der Präsident ist laut Verfassung Staats- und Regierungsoberhaupt. Er kontrolliert die Exekutive, Legislative und Judikative, ernennt und entlässt die Provinzgouverneure und ist oberster Armeechef. Im Parlament hält seine Partei (Volksdemokratische Partei Tadschikistans) die für Verfassungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Alle wesentlichen Entscheidungen werden von dem parallel zu den staatlichen Strukturen agierenden Präsidialapparat getroffen. Alle Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen sind mit Familienangehörigen (sieben Töchter und zwei Söhne, sowie deren Ehepartner) und engen Vertrauten des Präsidenten besetzt. Diese stammen, wie der Präsident selbst, aus der Region Danghara/Kulob. Durch Ämtervergabe an Angehörige der eigenen Loyalitätsgruppe hat Rachmon seine Herrschaft bis hinunter auf die lokale Ebene gefestigt und präsentiert sich als alleinigen Stabilitätsgarant und Friedensstifter (bpb 11.2.2018).

Ende Dezember 2015 unterzeichnete Präsident Rachmon ein Gesetz, das ihn zum Führer der Nation auf Lebenszeit erhebt. Beide Parlamentskammern hatten zuvor das Gesetz ohne Gegenstimmen gebilligt (UB 29.1.2016). Das Gesetz verleiht Rachmon und seinen Verwandten überdies lebenslange Immunität. Im Jänner 2016 wurde eine Verfassungsänderung beschlossen, die eine unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten ermöglicht und das Mindestalter für das Präsidentenamt von 35 auf 30 Jahre herabsetzt. So wäre Rachmons ältester Sohn Rustam Emomali in der Lage bei der Präsidentenwahl 2020 zu kandidieren, er wäre dann 33 Jahre alt (RFE/RL 10.2.2016). Zu diesem Gesetz wurde am 22. Mai 2016 eine Volksabstimmung durchgeführt und 95 % der Wahlberechtigten stimmten für die Annahme des Gesetzes (Guardian 23.5.2016).

Bei den Parlamentswahlen vom 1.3.2015 gewann die regierende Volksdemokratische Partei Tadschikistans (PDPT) 51 der 63 zu vergebenden Sitze. Die OSZE bemängelte die Restriktionen hinsichtlich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie den Zugang zu den Medien während des Wahlkampfes. Die Chancengleichheit im Wahlkampf wurde nicht gewährleistet. Der Wahlgang inklusive die Auszählung war von zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet (OSCE 15.5.2015).

Während eines Auslandsaufenthalts im Juni 2015 verkündete der Vorsitzende der "Islamische Wiedergeburt" (PIW), Muhiddin Kabiri, nicht mehr nach Tadschikistan zurückzukehren. Kabiri befürchtete, verhaftet zu werden und befindet sich seither im Exil. Nach blutigen Unruhen wurde Ende September 2015 die PIW als letzte Oppositionspartei verboten und als terroristische Vereinigung eingestuft (bpb 11.2.2018, vgl. Standard 29.9.2015). Somit verlor Tadschikistan die letzte echte Oppositionspartei. Bis 2015 war Tadschikistan das einzige postsowjetische Land Zentralasiens mit einer legal agierenden "islamischen" Partei. Die derzeit fünf im Parlament vertretenen Parteien wahren nach außen hin den Schein einer funktionierenden Demokratie im De-facto-Einparteienstaat (bpb 11.2.2018). Es herrscht derzeit ein repressives Klima, das vor oppositionellem Handeln abschrecken soll (AA 20.10.2017), die Regierung unterbindet weiterhin politischen Pluralismus (USDOS 20.4.2018).

[...]

4. Rechtsschutz/Justizwesen

Obgleich das Gesetz eine unabhängige Gerichtsbarkeit vorsieht, übt die Exekutive Druck auf Staatsanwälte, Verteidiger und Richter aus. Korruption und Ineffizienz stellen erhebliche Probleme dar (USDOS 20.4.2018, vgl. BTI 2018). Der Staatspräsident kontrolliert die Justiz durch sein verfassungsmäßiges Prärogativ und kann Richter und den Generalstaatsanwalt ernennen oder entlassen. Die Gerichte werden zudem durch die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft beeinflusst. Die Staatsanwaltschaft rangiert über den Gerichten, was den Einfluss und die politische Macht betrifft. In politisch heiklen Fällen urteilen die Richter gemäß den Anweisungen mächtiger Offizieller aus der Präsidialverwaltung oder dem Sicherheitsdienst (BTI 2018). Niedrige Gehälter für Richter und Staatsanwälte führen dazu, dass Bestechung weit verbreitet ist (USDOS 20.4.2018).

Für Angeklagte gilt in der Praxis nicht die Unschuldsvermutung, denn die Gerichte befinden fast alle Angeklagten für schuldig. Im Allgemeinen erlauben die Gerichte den Angeklagten zeitgerecht einen Anwalt zu konsultieren, doch wird ihnen das Recht auf einen Verteidiger während der Untersuchungshaft bzw. der Zeit der Ermittlungen oft vorenthalten, insbesondere in politisch heiklen Fällen. Angeklagte und Nichtregierungsorganisationen beklagen, dass die Regierung manchmal einen Pflichtverteidiger ernennt, um zu verhindern, dass der Angeklagte einen Rechtsbeistand nach eigener freier Wahl bekommt. Angeklagte und Verteidiger haben das Recht, alle behördlichen Beweismittel einzusehen und die Zeugen damit zu konfrontieren bzw. diese zu befragen. Die Gerichte verleihen jedoch den Aussagen der Staatsanwaltschaft weit mehr Bedeutung als jenen der Verteidigung. Obschon alle Prozesse öffentlich sind, sieht das Gesetz die Möglichkeit von Geheimprozessen vor, wenn die nationale Sicherheit betroffen ist. Vertretern der Zivilgesellschaft wird der Zugang zu Gerichtsprozessen gegen hochrangige Persönlichkeiten verwehrt, weil diese Prozesse durch die Regierung als geheim eingestuft werden (USDOS 25.6.2015).

Aufgrund der starken Einflussnahme der Politik auf die Justiz, den geheimen und intransparenten Verfahren gegen politische Gegner und der sehr selektiven Justiz, stufte Freedom House 2017 die Bewertung Tadschikistans in Bezug auf die Unabhängigkeit und das Funktionieren der Justiz auf 7,0 herab (2014: 6,25; 2015: 6,50; 2016: 6,75; 2017:

7,0; 2018: 7,0). Auf einer Skala von 1 bis 7 entspricht die Bewertung 1 die höchste Ebene demokratischen Fortschritts und 7 den niedrigsten (FH 11.4.2018).

Aufgrund von Änderungen im Gesetz für Rechtsanwälte mussten alle Anwälte bis Juni 2016 eine Prüfung ablegen, um ihre Lizenz zu erneuern. Da viele Anwälte nicht in der Lage waren, diese Prüfung rechtzeitig abzulegen, sank die Zahl der Strafverteidiger im Land von ca. 2.000 auf 532 (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 11.4.2018: von 1.500 auf 600 im Mai 2017). Eine förmliche Verweigerung des Rechtsschutzes ist nicht bekannt. De-facto wird der Rechtsschutz für politische Straftäter dadurch eingeschränkt, dass ihre Prozesse hinter verschlossenen Türen stattfinden und Rechtsanwälte wegen der ihnen selbst drohenden Gefahren immer weniger bereit sind, politisch heikle Fälle zu übernehmen (AA 20.10.2017). Seit 2014 wurden sieben Menschenrechtsanwälte verhaftet und zwei von ihnen, die Mitglieder der "Gruppe 24" verteidigten, in nicht öffentlichen Verfahren zu 21 bzw. 23 Jahren Haft verurteilt (FH 11.4.2018).

[...]

5. Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium ist vorrangig für die Erhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig und kontrolliert die Polizei. Die Drogenkontrollbehörde, die Antikorruptionsbehörde, die staatliche Steuer- sowie die Zollbehörden können spezifischen Straftaten nachgehen und berichten dem Präsidenten. Das Staatskomitee für Nationale Sicherheit ist für den Nachrichtendienst verantwortlich, kontrolliert den Grenzschutz und untersucht Fälle von vermeintlichen extremistischen Aktivitäten im politischen oder religiösen Bereich, sowie Fälle von Menschenschmuggel und politisch sensible Fälle. Die Generalstaatsanwaltschaft beaufsichtigt die strafrechtlichen Untersuchungen der zuständigen Behörden. Es kommt zu beträchtlichen Überlappungen bei der Zuständigkeit. Die Gesetzesvollzugsbehörden fügen sich jedoch dem Staatskomitee für Nationale Sicherheit. Die Vollzugsbehörden sind in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht effizient, da kriminelle Banden über Beziehungen zu hohen Regierungskreisen und Sicherheitsbehörden verfügen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 20.10.2017).

Straffreiheit der Behörden stellt ein gravierendes Problem dar. Während die Behörden begrenzte Schritte gegen Straftäter unternehmen, gibt es weiterhin Berichte von Folter und Misshandlungen von Häftlingen. Die Kultur der Straflosigkeit und der Korruption schwächen die Ermittlungen und die Strafverfolgung (BTI 2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Die Polizei kann eine Person zwölf Stunden lang festhalten, bevor die Behörden Strafanklage erheben. Wenn letzteres nicht geschieht, muss die Person freigelassen werden. Allerdings informiert die Polizei die Festgenommenen oft nicht über die konkreten Vorwürfe. Falls die Polizei Strafanzeige erhebt, kann eine Person bis zu 72 Stunden festgehalten werden, bevor die Polizei die Anzeige einem Richter zwecks Einvernahme unterbreiten muss (USDOS 20.4.2018).

[...]

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter. Trotz der Änderung des Strafgesetzbuches im Jahr 2012, als Folter in Übereinkunft mit dem internationalen Recht definiert wurde, gibt es Fälle von Gewalt, Folter und anderen Zwängen, um bei Verhören Geständnisse zu erpressen (USDOS 20.4.2018). Menschenunwürdige Behandlung kommt vor allem während der Untersuchungshaft vor, aber auch in den Streitkräften entsprechend sowjetischer Tradition. Sie reicht von grober Behandlung bis zu Misshandlung mit Todesfolge. Lt. IKRK ist Folter in Tadschikistan derzeit nicht als systematisch zu betrachten (AA 20.10.2017). Seit 2012 wurden die Strafen für Folter verschärft und seither wurden auch einzelne Fälle vor Gericht gebracht und abgeurteilt (AA 3.2018a); die Täter kamen aber häufig in den Genuss von raschen Amnestien (AA 20.10.2017).

Einerseits hatte Tadschikistan 2012 den Sonderberichterstatter für Folter sowie den Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit der Hochkommissarin für Menschenrechte eingeladen und gewährte ihnen im Rahmen ihrer Besuche weitgehend freien Zugang zu Haftanstalten und anderen geschlossenen Institutionen (AA 3.2018a). Andererseits schränkt das Justizministerium den Zutritt zu Haftanstalten für Vertreter der Internationalen Gemeinschaft ein. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat seit 2004 keinen Zutritt, da es kein diesbezügliches Übereinkommen mit der Regierung gibt. Die einheimische Organisation, "Koalition gegen Folter" und der Ombudsmann konnten Haftanstalten besuchen, doch wurde ihnen die Befragung von Häftlingen und Akteneinsicht verweigert (USDOS 20.4.2018).

Die NGO "Koalition gegen Folter" berichtet für das Jahr 2016 von Verbesserungen im Kampf gegen die Folter in Tadschikistan (CaT 2017). Für das Jahr 2016 wurden 57 Fälle dokumentiert (AA 20.10.2017; vgl. CaT 2017), die vermutlich nicht die Gesamtheit aller Fälle erfassen (AA 20.10.2017). Im Jahr 2016 wurden fünf Armeemitglieder wegen unmenschlicher Behandlung verurteilt, erstmals erhielt ein Bürger eine offizielle Entschuldigung wegen Polizeigewalt und 25 Personen erhielten psychosoziale Hilfe (davon zehn Folteropfer und 15 Angehörige) (CaT 2017).

[...]

7. Korruption

Auf allen Regierungsebenen sind Korruption und Nepotismus weit verbreitet (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 11.4.2018), Korruption ist Teil des Alltagslebens in Tadschikistan. Eine kleine Gruppe von Familien, die dem Präsidenten nahesteht, dominieren Politik, Wirtschaft, den Binnenmarkt und den Außenhandel (FH 11.4.2018).

Der Präsident hat viele seiner Familienmitglieder auf lukrative Staatsposten gehievt und hochrangige Beamte verbessern ihre Position, indem sie in die Familie Rahmon einheiraten (FH 11.4.2018). 2015 ernannte Präsident Rachmon seinen Sohn Rustam Emomali zum Chef der Behörde für Finanzkontrolle und Anti-Korruptions-Maßnahmen (BTI 2018; vgl. FH 11.4.2018) und im Jänner 2017 wurde Rustam Emomali Bürgermeister von Duschanbe (FH 11.4.2018).

Das Gesetz sieht Sanktionen nach dem Strafrecht für korrupte Beamte vor, doch setzt die Regierung dieses Gesetz nicht effektiv um. Beamte sind häufig in korrupte Praktiken verwickelt und kommen ungestraft davon. Korruption ist insbesondere im Bildungsministerium und bei der Polizei verbreitet. Für die Zulassung zu den prestigeträchtigsten Hochschulen des Landes müssen Studenten beträchtliche Schmiergelder zahlen. Verkehrspolizisten behalten Strafzahlungen für Übertretungen ein. Dies ist u.a. eine Folge der niedrigen Gehälter und des Umstandes, dass, um in den Dienst der Verkehrspolizei aufgenommen zu werden, selbst vorab Bestechungsgelder abverlangt werden. Das Innenministerium und das Büro des Generalstaatsanwalts sind für die Verfolgung und Verhaftung korrupter Beamter verantwortlich. Die Regierung gestand Probleme mit der Korruption ein und unternahm einige Schritte, um diese zu bekämpfen, unter anderem wurden niederrangige Beamte vor Gericht gestellt (USDOS 20.4.2018).

In den letzten Jahren wurde seitens der Tadschikischen Regierung zumindest formal einiges gegen Korruption unternommen; angemahnte Veränderungen an der Gesetzeslage wurden durchgeführt. Valide Hinweise auf eine grundlegende Veränderung der Situation liegen aber nicht vor (GIZ 3.2018). Extreme Korruption und Machtmissbrauch sind ein Teil vom politischen System, obwohl der Präsident mehrfach angekündigt hat, die Anti-Korruptionsmaßnahmen zu verstärken. Öffentlichkeitswirksame Verfolgungen von Korruption betreffen fast ausschließlich niedere Ränge der Staatsverwaltung, insbesondere im Gesundheits- und Bildungswesen sowie in der Landwirtschaft. Hochrangige Amtsinhaber, die kaum je bestraft werden, üben oft auch eine Rolle in der Wirtschaft aus oder verfügen über umfassende Besitztümer. Wirtschaftliche Aktivität hochrangiger Beamter oder Politiker wird in der Regel toleriert, solange sie nicht aus anderen Gründen in Ungnade fallen (BTI 2018).

Im April 2017 wurden 17 Mitarbeiter der Behörde für Finanzkontrolle und Anti-Korruptions-Maßnahmen, darunter der stellvertretende Leiter, wegen Korruption verhaftet und in Folge zu Gefängnisstrafen zwischen sieben und 15 Jahren verurteilt. Im Oktober 2017 wurde ein leitender Beamter vom Ministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Handel wegen des Verdachts der Bestechungsannahme verhaftet (FH 11.4.2018).

Nach neueren Schätzungen des IWF belief sich 2012 das Volumen der Schattenwirtschaft auf rund 30 Prozent des BIP, also etwa zwei Mrd. US-Dollar; allerdings war dann für 2013 schon wieder von über 50% die Rede. Bei der Bewertung des Risikos von Geldwäsche durch den Basel AML Index für 2017 ist Tadschikistan auf Platz 4, also mit an der Spitze unter den dort gelisteten 146 Ländern zu finden (GIZ 3.2018). Transparency International listet Tadschikistan im Corruption Perceptions Index 2017 auf Platz 161 von 180 Ländern, die 2017 erreichten 21 Punkte stellen eine Verschlechterung von vier Punkten gegenüber dem Jahr zuvor dar (TI 21.2.2018).

[...]

8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Die Verfassung garantiert zwar die Vereinigungsfreiheit, doch hat die Regierung dieses Grundrecht eingeschränkt. NGOs berichteten von einer merkbaren Zunahme der Anzahl und Intensität von Registrierungs- und Steuerinspektionen durch die Behörden (USDOS 20.4.2018, vgl. AI 22.2.2018). Mittel zur Kontrolle von NGOs sind häufige Überprüfungen durch staatliche Institutionen wie die Steuerbehörde, Brandschutzbehörde, etc., aber auch Besuche oder Anrufe von Angehörigen der Sicherheitsorgane (AA 20.10.2017).

Menschenrechtsorganisationen können sich in Tadschikistan betätigen, ihr Spielraum ist in den letzten Jahren aber deutlich kleiner geworden (AA 20.10.2017). Das Wirken von tadschikischen NGOs ist stark reglementiert (GIZ 3.2018a). Seit 2015 müssen NGOs, die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten, dies anzeigen (AA 20.10.2017; vgl. GIZ 3.2018a), Verstöße dagegen werden jedoch kaum verfolgt (FH 11.4.2018). Die zwischenzeitliche Absicht, dass sich solche NGOs als "ausländische Agenten" registrieren lassen müssen, wurde nicht umgesetzt (AA 20.10.2017).

NGOs, insbesondere solche, die sich auf dem Gebiet der Menschenrechte betätigen, kennen die politischen Grenzen sehr genau und haben in den letzten Jahren ihr Verhalten darauf eingestellt ("Schere im Kopf") (AA 20.10.2017). Die Aktivitäten von NGOs sind zumeist - auch im Fall des Eintretens für Pressefreiheit - von außen, durch internationale Organisationen inspiriert und/oder gefördert, so z.B. vom Open Society Institute und anderen US-amerikanischen Stiftungen, von UN-Organisationen oder von der OSZE (GIZ 3.2018a).

[...]

10. Wehrdienst und Rekrutierungen

Im Alter von 18-27 Jahren muss der Wehrdienst abgeleistet werden. Die Dauer des Wehrdienstes beträgt zwei Jahre (CIA 1.5.2018). Da sich wegen der schlechten Bedingungen beim Militärdienst aber viele junge Männer der Wehrpflicht zu entziehen versuchen, gibt es im Frühjahr und Herbst jeden Jahres Kampagnen. Bei Nicht-Erfüllung der Quoten können junge Männer unter Beteiligung des Militärs von der Straße weg zwangsrekrutiert werden (AA 20.10.2017; vgl. FH 11.4.2018; vgl. IWPR 7.7.2016). Es gibt Berichte, dass Rekrutierungsbehörden Jugendliche unter 18 Jahren zur Ableistung des Wehrdienstes von öffentlichen Orten entführten, um lokale Rekrutierungsquoten zu erfüllen. Der stellvertretende Minister Azim Ibrokhim gab 2017 bekannt, dass landesweit 51 Militärkommissare nach Anschuldigungen der Gewaltanwendung (sog. "Oblava") bei der Rekrutierungskampagne im Herbst 2016 suspendiert wurden (USDOS 20.4.2018).

Von der Einberufung zum Wehrdienst werden Bürger befreit, die aus gesundheitlichen Gründen als nicht oder eingeschränkt tauglich für den Wehrdienst gelten; den Wehrdienst in einem anderen Staat abgeleistet haben; den akademischen Titel Kandidat oder Doktor der Wissenschaften tragen. Eine Person mit einer nicht getilgten oder gelöschten Vorstrafe wegen einer schweren Straftat oder besonders schweren Verbrechens kann nicht zum Wehrdienst einberufen werden. Ein Recht auf die Befreiung von der Einberufung zur Wehrpflicht besitzen Bürger, deren leiblicher Vater (leibliche Mutter) oder Bruder (Schwester) während des Ableistens des Wehrdienstes nach Einberufung, oder als Freiwilliger im Rang eines Unteroffiziers, Fähnrichs oder Offiziers oder während militärischer Versammlungen ums Leben gekommen ist; die in der Familie der einzige (adoptierte) Sohn sind (ACCORD 13.1.2015) oder die mindestens zwei Kinder haben (TA+ 21.11.2016).

Trotz der Wehrpflicht wird die Armee von jungen Männern gemieden, indem sie als Arbeitsmigranten das Land verlassen, Bestechungsgelder zahlen oder durch Beginn eines Hochschulstudiums ein Aufschub erwirkt wird (IWPR 7.7.2016; vgl. AA 20.10.2017). Freikauf vom Wehrdienst durch Bestechung ist weit verbreitet, die Kosten liegen bei ca. 800 USD (AA 20.10.2018).

Misshandlungen durch ältere Soldaten sind häufig, insbesondere im Zuge von Initiationsriten ("Dedowschina") (IWPR 7.7.2016; vgl. FH 11.4.2018), wobei es jedes Jahr auch zu mehreren Todesfällen kommt (FH 11.4.2018). In den letzten Jahren hat die Regierung Schritte unternommen, diese Praktiken zu unterbinden und dafür verantwortliche Personen zu verfolgen. Im März 2017 wurde ein Offizier des Grenzschutzes zu neun Jahren Haft verurteilt, nachdem einer seiner Rekruten in Folge von Missbrauch und Erpressung Suizid beging (FH 11.4.2018).

Gemäß dem Gesetz "Über die allgemeine Wehrpflicht und Wehrdienst" hat jeder Wehrpflichtige ein Recht auf alternativen Wehrdienst. Ein entsprechender Gesetzentwurf, der diesen regelt und u.a. die Verweigerung des Wehrdienstes aus Glaubens- und Gewissensgründen vorsieht, liegt dem Parlament bereits seit längerem vor, wurde aber bislang noch nicht verabschiedet. In der Praxis gibt es daher bislang keine Möglichkeit, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Sanktionen für Wehrdienstverweigerung sind Geld- bzw. Haftstrafen. Fahnenflucht wird mit Haftstrafen von zwei bis fünf Jahren bestraft (AA 20.10.2017) und es sind Fälle dokumentiert, in denen Deserteure zu Haftstrafen verurteilt wurden (ACCORD 13.1.2015).

[...]

11. Allgemeine Menschenrechtslage

Sämtliche Bürgerrechte sind im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsstandards in der nationalen Gesetzgebung verankert. Allerdings werden in der Praxis die Bürgerrechte regelmäßig verletzt. Willkürliche Festnahmen, lange Untersuchungshaft, Folter und Missbrauch sind systematisch. Folter und Todesfälle während der Gefängnishaft kommen weiterhin vor. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind wegen der Überbelegung, den unhygienischen Zuständen und dem hohen Niveau an Tuberkulose und HIV/AIDS lebensbedrohlich. Häusliche Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet. Speziell religiöse Gruppen, die nicht der von der Regierung propagierten Interpretation des Islam folgen, sind Zielscheiben (BTI 2018).

Die Situation der Menschenrechte verschlechterte sich 2017 weiter, als die Behörden die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, friedliche politische Oppositionsarbeit, freie Berufsausübung und die Religionsfreiheit unterbanden (HRW 18.1.2018, AI 22.2.2018). Dutzende Mitglieder und Sympathisanten illegaler Oppositionsgruppen wie die Partei der Islamischen Wiedergeburt und die Gruppe 24 berichten, dass als Vergeltung für oppositionelle Aktivitäten im Ausland in Tadschikistan zurückgebliebene Familienmitglieder von den Behörden bedroht, verhaftet, befragt und in manchen Fällen geschlagen wurden, in einzelnen Fällen auch ältere Personen und Kinder. Die örtlichen Behörden stigmatisierten Verwandte öffentlich als "Verräter" und "Staatsfeinde" (AI 22.2.2018).

Unabhängige Rechtsanwälte stehen zunehmend im Visier der Regierung. So wurden einige Verteidiger von Angeklagten der Islamischen Wiedergeburt-Partei selbst angeklagt (IWPR 21.1.2016). Strafverteidiger, die politisch heikle Fälle übernahmen, werden im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung belästigt, eingeschüchtert und unter Druck gesetzt. Menschenrechtsanwälte sind von willkürlichen Verhaftungen, politischen Strafverfolgungen und strengen Gefängnisstrafen betroffen; viele von ihnen haben aus Sicherheitsgründen das Land verlassen (AI 22.2.2018)

USDOS gibt als schwerwiegenste Menschenrechtsverletzungen an: Folter und Missbrauch von Häftlingen, willkürliche Verhaftungen - auch von Familienmitgliedern, schlechte Haftbedingungen, politisch motivierte Verfolgungen von Menschenrechtsanwälten, Einschränkungen der Freiheiten in Bezug auf Meinung, Presse, Information und Vereinigung, schlechte Religionsfreiheit, Einschränkung der politischen Partizipation, Nepotismus und Korruption, Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und sexueller Orientierung, und Zwangsarbeit. Es gibt nur wenige Strafverfahren von Regierungsbediensteten wegen Menschenrechtsverletzungen. Beamte in den Sicherheitsdiensten und in anderen Regierungsorganisationen genießen Straffreiheit (USDOS 20.4.2018).

Freedom House stufte Tadschikistan Anfang 2016 hinsichtlich der politischen Rechte von sechs auf sieben herab. Das Land wird als nicht frei bezeichnet mit einem Trend zum Schlechteren (FH 2016), der Wert blieb auch 2017 auf Stufe 7; auf einer Skala von 1 bis 7 entspricht die Bewertung 1 die höchste Ebene demokratischen Fortschritts und 7 den niedrigsten (FH 2017).

Im Oktober 2017 hielten die Europäische Union und Tadschikistan einen Menschenrechtsdialog ab. Die Teilnehmer stimmten überein, dass es gute Fortschritte im Bereich der Frauenrechte, insbesondere bei der Prävention häuslicher Gewalt, gemacht wurde. Gute Fortschritte machte die tadschikische Regierung bei der Vorbeugung von Folter und Misshandlungen. Jedoch bleiben Defizite bestehen und die EU benannte dabei bestimmte Fälle von Folter in der Armee, in Untersuchungshaft und im Strafvollzug. Die EU erwartet von den tadschikischen Behörden, sicherzustellen, dass kein Druck auf Familienmitglieder von Oppositionellen, auch jenen, die im Ausland leben, ausgeübt wird (EU 13.10.2017).

Aufgrund von Änderungen im Gesetz für Rechtsanwälte mussten alle Anwälte bis Juni 2016 eine Prüfung ablegen, um ihre Lizenz zu erneuern. Da viele Anwälte nicht in der Lage waren, diese Prüfung rechtzeitig abzulegen, sank die Zahl der Strafverteidiger im Land von ca. 2.000 auf 532 (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 11.4.2018: von 1.500 auf 600 im Mai 2017). Somit wurde es für Bürger schwieriger, ihr Recht durchzusetzen (AI 22.2.2018).

[...]

13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Das von der Verfassung vorgesehene Recht auf Versammlungsfreiheit wird in der Praxis von der Regierung eingeschränkt. Die Regierung verlangt von Einzelpersonen die Einholung einer Erlaubnis zur Abhaltung öffentlicher Demonstrationen (USDOS 20.4.2018; vgl. BTI 2018). Es wurde berichtet, dass Einzelpersonen, die die Abhaltung eines friedlichen Protests erwägen, davon Abstand nehmen, weil sie Repressionen fürchten (USDOS 20.4.2018). Die Genehmigung für Demonstrationen ist bei der Lokalregierung einzuholen, die praktisch in allen Fällen eine solche verweigert, wodurch Versammlungen illegal werden (BTI 2018). Trotzdem kommt es zu Demonstrationen, wobei die Behörden diese nicht gewaltsam niederschmettern, sondern versuchen den Demonstranten entgegenzukommen (BTI 2016).

Die Verfassung schützt die Vereinigungsfreiheit, doch wird diese in der Praxis eingeschränkt. Das Gesetz gewährt das Recht, freie Gewerkschaften zu gründen und diesen beizutreten. Es verlangt jedoch die Registrierung. Das Gesetz sieht auch vor, dass gewerkschaftliche Aktivitäten frei von Einmischung bleiben, außer in Fällen, die durch das Gesetz spezifiziert werden. Das Gesetz definiert jedoch nicht jene Fälle, in denen die gewerkschaftlichen Aktivitäten eingeschränkt sind. Zwar besteht das Streikrecht, doch verlangt das Gesetz, dass Versammlungen und andere Aktionen zuvor genehmigt werden müssen, wodurch Zusammenkünfte und Demonstrationen eingeschränkt werden. Die Regierung gebraucht informelle Mittel, um ihren Einfluss auf die Gewerkschaften geltend zu machen. Dazu gehört auch die Einflussnahme auf die Wahl der Gewerkschaftsführer. Die Föderation der Gewerkschaften Tadschikistans vertritt nicht effektiv die Arbeitnehmerinteressen. Es gibt Berichte, wonach die Regierung manche Bürger gezwungen hat, den staatstreuen Gewerkschaften beizutreten, bzw. die Gründung unabhängiger Gewerkschaften verhindert hat (USDOS 20.4.2018).

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13.1. Opposition

Die Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition sind in den letzten Jahren massiv eingeschränkt worden. Gleichzeitig ist es schwierig, die Agenden der Oppositionsakteure nachzuvollziehen und zu bewerten. Auch ihre Verbindungen untereinander oder zu ausländischen Staaten und Organisationen sind schwer einzuschätzen. Exilpolitischen Oppositionsakteuren kommt eine wachsende Bedeutung zu. Die wichtigste Oppositionspartei, die Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (PIW), wurde im September 2015 nach Einschätzung der meisten unabhängigen Beobachter unter Vorwänden - als terroristische Organisation verboten. Dies gilt auch für die außerparlamentarische Oppositionsbewegung "Gruppe 24", deren Gründer unter ungeklärten Umständen im türkischen Exil gewaltsam ums Leben kam. Die Sozialdemokratische Partei Tadschikistan (SDPT), die zweite, sehr viel unbedeutendere Oppositionspartei, ist weitgehend in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Staatlich tolerierte politische Opposition ist nur noch in den zunehmend vorsichtiger agierenden Organisationen der Zivilgesellschaft existent (AA 20.10.2017).

Dutzende Mitglieder und Aktivisten verbotener Oppositionsgruppen und ihre Familien fanden Schutz im Ausland, doch sie berichten, dass als Vergeltung für ihre politischen Aktivitäten im Ausland, beispielsweise die Abhaltung friedlicher Proteste bei internationalen Kongressen, ihre zurückgebliebenen Familienmitglieder, darunter ältere Personen und Kinder, von der Polizei und örtlichen Behörden bedroht, verhaftet, befragt und in manchen Fällen auch geschlagen wurden. Örtliche Behörden stigmatisieren öffentlich Verwandte als "Verräter" und "Staatsfeinde" (AI 22.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Dutzende Familienmitglieder von Exilaktivisten wurden 2017 aufgrund falscher oder aufgeblasener Anschuldigungen in Haft genommen (USDOS 20.4.2018). Im Juni 2017 drückte der UNO-Sonderberichterstatter David Kaye Besorgnis über die Unterdrückung der Opposition aus, insbesondere über die inhaftierten Mitglieder der PIW. Kaye forderte die Regierung auf, alle unrechtmäßig inhaftierten politischen Aktivisten, Anwälte und Journalisten freizulassen (HRW 18.1.2018).

Am 1. März 2015 fanden die letzten Parlamentswahlen statt, und wie in den Jahren zuvor waren bereits im Vorfeld Maßnahmen zu erkennen, die mögliche Wahlerfolge der Opposition verhindern sollten. Im Bericht der Wahlbeobachter ist diesbezüglich von "Schikanen und Behinderungen einiger Oppositionsparteien" die Rede. Entsprechend fiel das Ergebnis der Wahlen aus, die laut OSZE unter viel schlechteren Bedingungen als die vorangehenden verlaufen sind. Die PIW und die Kommunistische Partei schafften mit 2,3 Prozent bzw. 1,5 Prozent der Stimmen nicht mehr den Sprung ins Parlament, in dem sich nunmehr lediglich Abgeordnete der präsidialen Volksdemokraten (65,2 Prozent) und einiger ihnen nahestehender Splitterparteien finden (GIZ 3.2018). Bereits im Vorfeld der Parlamentswahlen ordnete die Regierung an, dass die Imame in den staatlich registrierten Moscheen in ihren Predigten dazu aufriefen, die PIW, die als "Partei des Krieges" tituliert wurde, nicht zu wählen (ICG 11.1.2016).

Bei den Parlamentswahlen im März 2015, die von internationalen Beobachtern erneut als "nicht frei und undemokratisch" bezeichnet wurden, verlor die Partei der Islamischen Wiedergeburt auch ihre letzten beiden Sitze. Damit war der letzte Kanal für den offiziellen Dialog zwischen Regierung und Opposition geschlossen. Gleichzeitig wurde der Druck auf die Mitglieder der PIW erhöht. Bei einer von der Regierung als "Umsturzversuch" bewerteten Schießerei im Stadtzentrum von Duschanbe [am 4. September 2015; vgl. Telegraph 4.9.2015] kamen acht Polizisten und neun Angreifer ums Leben. Der Hauptverantwortliche (der einen Tag zuvor entlassene stellvertretende Verteidigungsminister General Abduhalim Nazarzoda) wurde wenige Tage später in der Bergregion unweit der Hautstadt von Spezialkräften aufgespürt und getötet. Die Regierung beschuldigte daraufhin den im Ausland befindlichen Vorsitzenden der PIW, Muhiddin Kabiri, Drahtzieher der "Unruhen" gewesen zu sein. Dieser bestritt alle Vorwürfe, die ihn und seine Partei mit den Ereignissen im September in Verbindung bringen. Die Regierung blieb jedoch bei ihrer Darstellung. Ende September erfolgte das Verbot der PIW und ihre Einstufung als terroristische Vereinigung. (bpb 11.2.2018). Die PIW hatte zu diesem Zeitpunkt 40.000 Mitglieder (Standard 29.9.2015).

Im Februar 2016 begannen erste Gerichtsverfahren gegen Mitglieder der PIW. Die Anklage lautete: "Teilnahme an einem versuchten Staatsstreich". Insgesamt sollten 199 vor Gericht gestellt werden (EN 10.2.2016). Im Juni 2016 erhielten zwei stellvertretende Vorsitzende der PIW lebenslange Haftstrafen und andere Angeklagte erhielten Haftstrafen zwischen zwei und 25 Jahren (USOSCE 9.6.2016).

Eine wichtige Exilorganisation ist die "Gruppe 24". Sie wurde 2012 von Umarali Quvvatov, einem Geschäftsmann, der einst mit dem Schwiegersohn des Staatspräsidenten zusammenarbeitete, gegründet. AAls 2014 die Gruppe 24 aus dem Exil zu einer Demonstration in Duschanbe aufrief, kam es zum Verbot der Gruppe als "extremistische Organisation". Die Regierung warf Quvvatov vor, zur Gewalt und Umsturz aufzurufen. Infolge wurden Sympathisanten der Gruppe 24 massenhaft verhaftet. Deren exilierte Anhänger in Russland verschwanden entweder spurlos oder wurden festgenommen und - in manchen Fällen trotz russischer Staatsbürgerschaft - an die tadschikischen Behörden ausgeliefert. Anfang März 2015 wurde Quvvatov im Istanbuler Exil auf offener Straße ermordet. Anhänger der Gruppe 24 wurden zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt (ENet 27.2.2016). Im März 2015 wurde Sharofiddin Gadoev, der im spanischen Exil lebt, zu Quvvatovs Nachfolger als Vorsitzender (RFE/RL 12.3.2015) und am 31.1.2016 Suhrob Zafar zum Vorsitzenden der Gruppe 24 gewählt (G24 30.12.2016). Im März 2018 wurde Suhrob Zafar, der aktuelle Vorsitzende der Gruppe 24, und ein weiterer leitender Funktionär, Nasimjon Sharipov, auf Antrag der Republik Tadschikistan mit dem Wunsch nach Auslieferung in Istanbul verhaftet (HRW 13.4.2018; vgl. G24 19.3.2018). Am 30.5.2018 meldete die Gruppe 24 auf ihrer Webseite, dass Nasimjon Sharipov am 29.5.2018 nach 70 Tagen in Gewahrsam von den türkischen Behörden freigelassen wurde. Suhrob Zafar befände sich noch immer in Gewahrsam der türkischen Behörden (G24 30.5.2018).

[...]

2.5.2. Auszug aus dem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Tadschikistan (Stand: Juli 2018)

[...]

Allgemeine politische Lage

In Tadschikistan finden in den von der Verfassung vorgeschriebenen Fristen regelmäßig Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Diese wurden in der Vergangenheit von der OSZE beobachtet und indirekt als nicht im Einklang mit den Verpflichtungen Tadschikistans als OSZE-Staat qualifiziert. Zu den letzten Parlamentswahlen am 01.03.2015 hatte die OSZE Beobachtermission zutreffend festgestellt:

"Elections took place in a restricted political space and failed to provide a level playing field for candidates."

Unabhängige tadschikische politische Beobachter hatten zu den Parlamentswahlen 2015 angemerkt, dass Parteien wie die damals noch nicht verbotene Partei der islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (PIWT) durch Manipulation des Ergebnisses aus dem Parlament herausgehalten wurden. Seitdem hat sich der Spielraum für politische Betätigung noch verkleinert.

In Tadschikistan existieren derzeit legal folgende Parteien:

-

Volksdemokratische Partei

-

Agrarierpartei

-

Partei der Wirtschaftsreformen

-

Sozialistische Partei

-

Kommunistische Partei

-

Sozialdemokratische Partei Tadschikistan (SDPT).

Mit Ausnahme der SDPT sind alle Parteien im Parlament vertreten; eindeutig dominierende politische Kraft ist die Volksdemokratische Partei von Präsident Rahmon (mehr als 80 % der Sitze). Die anderen im Parlament vertretenen Parteien unterstützen die Politik des Präsidenten; sie sind keine echten Oppositionsparteien. Der Einfluss des Parlaments insgesamt ist sehr gering. Die politische Macht ist beim Präsidenten, seinen engsten Vertrauten und der - von seiner ältesten Tochter geleiteten - Präsidialverwaltung konzentriert; der Präsident bereitet eine Dynastiebildung mit seinem Sohn Rustam Emomali als Nachfolger vor, der z.Z. Bürgermeister der Hauptstadt Duschanbe ist.

Formal besteht Gewaltentrennung; in der Realität sind Gerichte jedoch nicht unabhängig, sondern unterliegen dem Einfluss der politischen Entscheidungsträger, insbesondere des Präsidenten und seiner engsten Umgebung. Die Justiz geht zudem selektiv vor. Die Strafverfolgungsbehörden werden bei Fehlverhalten von politisch einflussreichen Personen nicht von sich aus tätig, sondern nur auf einen Wink der Führung in den Fällen, in denen die betreffende Person "in Ungnade gefallen" ist. Wenn man nicht zu diesem Personenkreis gehört, kann man sich durch Bestechung vor Strafverfolgung schützen. Ebenso sind Strafverfolgung und Korruptionsbekämpfung Instrumente der politischen Kontrolle; Prozesse werden daher häufig hinter verschlossenen Türen geführt, so z. B. gegen die Führung der verbotenen PIWT. In politisch heiklen Fällen ist effektiver Rechtsschutz nicht gegeben, da in diesen Fällen die verteidigenden Rechtsanwälte Gefahr laufen, unter Vorwänden selbst der Strafverfolgung unterzogen zu werden, so z. B. einem der Rechtsanwälte der PIWT Führung widerfahren.

Menschenrechtsorganisationen können sich in Tadschikistan betätigen; ihr Spielraum ist in den letzten Jahren aber deutlich kleiner geworden. NROs, die finanzielle Mittel aus dem Ausland erhalten, müssen dies anzeigen; die zwischenzeitlich erklärte Absicht, dass sich solche NROs als "ausländische Agenten" registrieren lassen müssen, wurde jedoch nicht umgesetzt. NROs, insbesondere solche, die sich auf dem Gebiet der Menschenrechte betätigen, kennen ihre Grenzen sehr genau und haben in den letzten Jahren ihr Verhalten

darauf eingestellt ("Schere im Kopf").

Mittel zur Kontrolle von NROs sind häufige Überprüfungen durch staatliche Institutionen wie die Steuerbehörde, Brandschutzbehörde, etc., aber auch Besuche oder Anrufe von Angehörigen der Sicherheitsorgane.

Strafverfolgungskompetenz haben in Tadschikistan die dem Innenministerium unterstehende Polizei (Miliz), das Staatliche Komitee für nationale Sicherheit (GKNB), die Antikorruptionsbehörde und die Drogenkontrollagentur. Die Abgrenzung der Befugnisse ist wenig transparent.

Formal sind Polizei (Miliz) und Staatliches Komitee für nationale Sicherheit (GKNB) organisatorisch getrennt. Da der GKNB jedoch über eigene Strafverfolgungskompetenz verfügt, gibt es eine Überlappung von Polizei- und Geheimdiensttätigkeit. In politisch sensiblen Fällen wird zumeist der GKNB oder die Antikorruptionsbehörde tätig.

II. Asylrelevante Tatsachen

1. Staatliche Repressionen

Staatliche Repressionen gegen bestimmte Personen wegen ihrer Ethnie, Religion oder Nationalität sind die Ausnahme. Repression wegen politischen Überzeugungen sind jedoch nicht selten; diese dienen primär dazu, präventiv möglichen Gefahren für den Machterhalt entgegenzuwirken. [...]

Staatliche Repressionen gegenüber politischen Aktivisten können eskaliert werden; sie beginnen mit Beobachtungen, Abhören, telefonischen Warnanrufen des Staatlichen Komitees für nationale Sicherheit (GKNB), Einbestellungen zu Verhören, setzen sich gelegentlich in gewaltsamen Übergriffen durch "unbekannte Täter", in Festnahmen und Anklagen auf zweifelhafter Grundlage fort und enden schlimmstenfalls in Verurteilungen zu teilweise langen Haftstrafen.

[...]

3. Beweiswürdigung:

3.1. Die Feststellungen über die Identität der Beschwerdeführer beruhen auf den diesbezüglich während des gesamten Verfahrens gleichlautenden Angaben der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin an deren Richtigkeit der erkennende Richter keine Zweifel hegt.

3.2. Die Feststellungen, dass der Erstbeschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat aufgrund seiner politischen Gesinnung von staatlichen Organen bedroht und am Körper verletzt und misshandelt wurde, beruht auf seinen diesbezüglich auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung glaubhaft vorgebrachten Fluchtgründen. So berichtet der Erstbeschwerdeführer im gesamten Verfahren davon, dass er als Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Tadschikistans wegen der Teilnahme an einer politisch motivierten Veranstaltung bzw. Versammlung am XXXX in der Stadt XXXX an einer näher bezeichneten Örtlichkeit mit jungen Leuten gesprochen habe, und ihnen angeboten habe der Sozialdemokratischen Partei beizutreten bzw. ihnen erklärt habe, dass sich diese Partei für die Menschenrechte einsetze. Im Zuge dieser Gespräche sei er von Personen in Uniform und in Zivil angegriffen und ins Gesicht geschlagen worden, wobei ihm sein Kiefer gebrochen wurde, weshalb er in der Folge stationär in einem Krankenhaus aufgenommen werden musste.

Im Zuge der im November 2013 abgehaltenen Wahlen in Tadschikistan habe er gemeinsam mit anderen Plakate erstellt und aufgeklebt, weshalb er im Oktober 2013 in eine Polizeistation an eine näher bezeichnete Adresse in der Stadt XXXX gebracht wurde. In dieser Polizeistation habe ihn ein Mann mit einem Elektroschocker einen Schlag versetzt. In der Polizeistation habe man ihn befragt, welches Ziel er verfolge und als er ihnen erklärte, dass er gegen die Ungerechtigkeit kämpfen wolle, habe man ihn ausgelacht. In der Folge sei er mehrmals zu dieser Polizeistation geladen worden, wobei er einmal auch gemeinsam mit seinem Vater vorgeladen worden sei und beim Verlassen dieser Polizeistation von Leuten in Zivil überfallen und geschlagen wurden.

Das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers wird auch durch ein bereits im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt vorgelegten Schreiben gestützt, wonach er eine politische Tätigkeit für die Bezirksorganisation der Sozialdemokratischen Partei in der Stadt XXXX ausübe und insbesondere während der Vorbereitung und Durchführung der Wahlkampagne für den Präsidentschaftswahlkampf in Tadschikistan von Februar bis November 2013 für den Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei Tadschikistans tätig war. Zudem wird sein Vorbringen auch durch die von ihm bereits im Administrativverfahren vorgelegte ärztliche Bescheinigung des nationalen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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