TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/16 96/02/0069

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Veröffentlicht am 16.02.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §67a Abs1 Z2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
PolizeigefangenenhaushausO 1988 §23;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des L C K in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in Wien I, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 17. August 1995, Zl. UVS-02/32/24/95-5, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Schubhaftangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 2. Mai 1995, die der Beschwerdeführer als "Beschwerde gemäß § 67a AVG wegen Übertretung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" bezeichnet hat, begehrte dieser, die belangte Behörde wolle die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers vor Vertretern der sudanesischen Botschaft (am 20. März 1995) für rechtswidrig erklären und den Bund zum entsprechenden Kostenersatz verpflichten.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. August 1995 wies die belangte Behörde diese Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig zurück und das Kostenbegehren als unbegründet ab.

In der Begründung verwies die belangte Behörde u.a. auf die Subsidiarität einer Maßnahmenbeschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG. Dem Beschwerdeführer wäre es hinsichtlich des behaupteten zwangsweisen Besuchs durch Vertreter der sudanesischen Botschaft offen gestanden, ein Gespräch "mit den ungewünschten Besuchern" abzulehnen. Es werde vom Beschwerdeführer nicht einmal in der Beschwerdeschrift an die belangten Behörde behauptet, den Besuch abgelehnt zu haben. Die von der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See gegenüber dem Beschwerdeführer angeordnete Schubhaft sei in einem der beiden Wiener Polizeigefangenenhäuser durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien vollzogen worden. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf die Mitteilung, keinen Kontakt zum sudanesischen Konsulat zu wünschen, berufen, wenn er diese Mitteilung vor einer anderen Behörde (nämlich der Asylbehörde) gemacht habe als jener, die die Bestimmungen über das Besuchsrecht (von Schubhäftlingen) zu vollziehen gehabt habe.

Die Polizeigefangenenhaus-Hausordnung (PGHO) enthalte keine Vorschriften darüber, daß ein Häftling zuerst zu befragen sei, ob er erschienene Besucher empfangen wolle oder nicht, bevor die Besucher "zu ihm zugelassen" würden. Der Beschwerdeführer hätte daher bei "Erscheinen der konsularischen Vertreter" dezidiert erklären müssen, daß er diesen Besuch ablehne. Im Falle einer Ablehnung des Besuches (was der Beschwerdeführer nicht einmal selbst behauptet habe) wäre dem Beschwerdeführer, wenn dieser Besuch dennoch stattgefunden hätte, das Beschwerderecht (an den Kommandanten) und, wenn dieser nicht im Sinne des Beschwerdeführers reagiert hätte, über das Verhalten des Kommandanten an die Behörden (gemäß § 23 PGHO) offengestanden. Es habe daher für die erhobene Maßnahmenbeschwerde an die belangte Behörde "von vornherein kein Raum" bestanden. Die Beschwerde sei daher als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Die Beschwerde wäre aber auch deswegen zurückzuweisen gewesen, weil eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt schon aus anderen Gründen nicht vorgelegen sei. Durch das bloße Ersuchschreiben (der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See an die sudanesische Botschaft betreffend Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer) erfolge keine Ausübung von Zwangsgewalt, weil es am Kriterium der Unmittelbarkeit mangle, zumal noch ein weiteres Handeln, nämlich der angeschriebenen Botschaft bzw. ihrer Mitarbeiter, hinzutreten müsse, um den gewünschten Erfolg herbeizuführen. Der Besuch der beiden konsularischen Vertreter beim Beschwerdeführer sei aus deren eigenem Antrieb erfolgt und könne daher nicht der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See zugerechnet werden. Ebensowenig könne der Besuch der Botschaftsangehörigen der Bundespolizeidirektion Wien zugerechnet werden, ferner habe der Beschwerdeführer gegenüber den Organen der Bundespolizeidirektion Wien nicht zum Ausdruck gebracht, daß er den Besuch der erschienenen konsularischen Vertreter seines Heimatstaates nicht wünsche. Die Organe der Bundespolizeidirektion Wien, denen die Handhabung des Beschwerderechtes im Polizeigefangenenhaus obliege, hätten daher gar nicht wissen können, daß der Beschwerdeführer den Besuch der Vertreter seines Heimatlandes ablehne. Das Handeln der Organe im Polizeigefangenenhaus sei ausschließlich auf die Durchführung des Besuchsrechtes (Zusammenführung von Besuchern und besuchtem Beschwerdeführer) gerichtet gewesen und "in keiner Weise auf die Ausführung von irgendwelchem Zwang". Der Beschwerdeführer habe auch nicht dargetan, welchen "Zwang" er zu befürchten gehabt hätte, wenn er ein Gespräch mit den Botschaftsangehörigen abgelehnt hätte. Die Beschwerde wäre jedenfalls mangels Vorliegens der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe österreichischer Behörden zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 28. November 1995, B 3002/95-3, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG mit einem weiteren Beschluß vom 24. Jänner 1996 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt, über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Der Beschwerdeführer erachtet sich - nach seinen Ausführungen in dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerdeschriftsatz - durch den angefochtenen Bescheid in seinem einfachgesetzlichen Recht nach § 67 Abs. 1 Z. 2 AVG auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner am 20. März 1995 um ca. 11.00 Uhr in den Schubhafträumlichkeiten der Bundespolizeidirektion Wien erfolgten "zwangsweisen Vorführung" vor Vertreter der sudanesischen Botschaft verletzt.

Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung u.a. darauf, daß keine Ausübung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die handelnden Organwalter der Bundespolizeidirektion Wien vorgelegen habe.

In der Sachverhaltsdarstellung der an die belangte Behörde gerichtete Beschwerde vom 2. Mai 1995 wird u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer sei den Botschaftsangehörigen "vorgeführt" und von diesen befragt worden. Es sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer ängstlich und nervös reagiert habe, "offenkundig, weil ihn die Botschaftsangehörigen 'befragt' und/oder mit Konsequenzen" bedroht hätten. Nach ca. einer halben Stunde Befragung hätten die Botschaftsangehörigen das Polizeigefangenenhaus wieder verlassen, ohne Informationen über den Inhalt des Gesprächs mitzuteilen.

Im Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer behaupteten Zwang führte dieser in seiner Beschwerde vom 2. Mai 1995 u.a. aus, es habe "kein Zweifel" daran bestanden, daß der Beschwerdeführer "mit Zwang" zu rechnen gehabt hätte, wäre er, der "Aufforderung" nicht nachgekommen, mit Vertretern der sudanesischen Botschaft zu sprechen.

Auch in der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten (ergänzten) Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer nur allgemein, "zwangsweise" den Vertretern der sudanesischen Botschaft vorgeführt worden zu sein. Er führt in diesem Zusammenhang aus, daß er in seiner an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde "aufgrund der Umstände dieser Vorführung im Zusammenhalt mit den üblichen Gepflogenheiten, unter denen Vorführungen von Besuchen, Zellenverlegungen oder Ausführungen zu Behörden oder konsularischen Vertretungen in Schubhaft regelmäßig stattfinden, damit zu rechnen hatte, den Vertretern der Botschaft seines Landes unter Anwendung physischen Zwanges vorgeführt zu werden, ...".

Der Beschwerdeführer ist darauf zu verweisen, daß die zuletzt genannten Ausführungen, die in Bezug auf den Beschwerdeschriftsatz vom 2. Mai 1995 behauptet wurden, sich in jenem Schriftsatz nicht finden.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes ist ein faktisches Organhandeln dann eine "Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt", wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist. Eine Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ist nur dann gegeben, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Ein derartiger Eingriff liegt im allgemeinen dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. November 1993, Zl. 92/17/0163, 0168, m.w.N.).

Mit den dargelegten allgemeinen Behauptungen einer "zwangsweisen Vorführung" zeigte der Beschwerdeführer nicht konkret auf, daß ihm etwa durch Organwalter der Bundespolizeidirektion Wien im Falle der Nichtbefolgung der behaupteten "Aufforderung" eine unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wurde oder weshalb in diesem Fall die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung der "Aufforderung" gedroht hat. Weshalb "kein Zweifel" daran bestanden habe, daß der Beschwerdeführer - wie er etwa in seiner an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde vom 2. Mai 1995 behauptete - "mit Zwang zu rechnen hatte", wurde von ihm weder im Beschwerdeschriftsatz vom 2. Mai 1995 gegenüber der belangten Behörde noch in seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde - wenn man von diesbezüglich angestellten, allgemeinen Mutmaßungen des Beschwerdeführers absieht - näher dargetan. Die belangte Behörde ging daher im Beschwerdefall im Ergebnis zu Recht vom Fehlen einer Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt hinsichtlich der behaupteten "Vorführung" aus, weshalb sich die Zurückweisung dieser Beschwerde als frei von Rechtsirrtum erweist.

Die Beschwerde erweist sich somit schon aus diesen Gründen als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, weshalb sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996020069.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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