TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/29 W207 2213284-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2019
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Entscheidungsdatum

29.04.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W207 2213284-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den KOBV - Der Behindertenverband für Wien, Nö und Bgld, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 30.11.2018, OB: XXXX , betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 42 Abs. 1 und § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 09.05.2018 beim Sozialministeriumservice (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) erstmals einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Weiters beantragte er die Vornahme der Zusatzeintragungen "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" in den Behindertenpass. Diesem Antrag legte der Beschwerdeführer ein umfangreiches Konvolut an medizinischen Unterlagen, einen Meldezettel sowie einen Bescheid über die Versetzung in den Ruhestand bei.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin auf Grundlage der Bestimmungen der Anlage der Einschätzungsverordnung vom 29.10.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.10.2018, ein. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - Folgendes ausgeführt:

"...

Anamnese:

Rezidivierende depressive Störung - Burnout Syndrom, Hypertonie, Gastritis, Degenerative Veränderungen der WS mit Bandscheibenschäden,

Intermittierender Tinnitus, Geringe cochleäre Hörstörung, Noduli hämorrhoidales,

Asthenozoospermie, Muskuloskeletaler

Thoraxschmerz.

Derzeitige Beschwerden:

Er habe besonders Magenprobleme und Stechen in der Brust. Die psychischen Probleme würden ihn sehr beschäftigen besonders habe er Schlafprobleme. Er würde nicht hinausgehen, er habe keine sozialen Kontakte. Er würde von seiner Frau oder von seinem Vater im Auto zu seinen Terminen gebracht werden.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Trittico, Zurcal, Parkemed, Antiflat, Caricol, Mexalen, Dulasolan, Lisinopril,

Psychotherapie.

Sozialanamnese:

als Polizist in den Ruhestand versetzt, als Selbständiger noch nicht in Pension (hat landwirtschaftlichen Betrieb von den Eltern übernommen), verheiratet

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Befunde im Akt:

RÖ 09/2017, Beginnende degenerative Veränderungen. Leichte Fehlhaltungen, wie beschrieben' Diskopathien C5-C7 und L5/S1.

Internistisches Gutachten 08/2017, Labil situativer Bluthochdruck ohne HW auf cardiale Folgeschäden.

Eisenmangel (behandelt), Magenschleimnhautentzündung.

Dr. S. 06/2017, Diff Burnout Syndrom. Rezidivierende depressive Störung. Unter Stress immer wieder somatische Symptome, Panikzustände,Tinnitus-Beschwerden. Aus fachärztlicher Sicht wäre eine psychotherapeutische Behandlung zur verbesserten Konfliktfähigkeit, sowie Zugang zu negativen Gefühlen sicherlich sinnvoll. Ho finden

monatliche Kontrollen mit psychotherapeutisch orientierten Gesprächen statt.

Dr. J., PSYCHIATRISCH-NEUROLOGISCHES GUTACHTEN, 06/2017, Epilepsie mit selten Anfällen, Angst und Depression gemischt.

Dr. K. 04/2017, SPERMIOGRAMM, Schwere Asthenozoospermie.

LK XXX 02/2017, V.a. muskuloskeletaler Thorxschmerz.

Dr. F., Arzt f. Allgemeinmedizin, 12/2016, Diagnosen:

Grenzwerthypertonie, Belastungsstörung mit Somatisierungstendenz,

seltene generalisierte Anfälle ex anamnesis, Cervikodorsolumbalgien ohne Hinweis auf radikuläre Symptomatik.

Dr. H. 02/2016, Diagnose: Intermitt. Tinnitus belastungsinduziert, geringe cochleare Hörstörung beidseits.

RÖ-Diagnostik Hollabrunn 09/2014, Kein Nachweis pathologisch veränderter Lymphknoten. Dr. O. 09/2014, Noduli haemorrhoidales.

Dr. O. 09/2014, Antrumbetonte Pangastritis, erosive Bulbitis duodeni.

LK XXX 08/2014, Diagnose: Reaktive Lymphadenopathie Leiste, Exanthem sacral DD Zoster.

Dr. S. 11/16:

chron rez Erkrankung, St.p. epileptischen Anfällen

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut, muskulöser Habitus

Ernährungszustand:

gut

Größe: 173,00 cm Gewicht: 80 kg Blutdruck:

Klinischer Status - Fachstatus:

HNA: frei

Cor: rein, rhythmisch

Pulmo: VA, SKS

Abdomen: weich, indolent

WS: KS im Bereich der BWS, Skoliose, FBA 30 cm, Zehen- und Fersenstand ohne Probleme möglich,

OE: frei, Nacken- und Schürzengriff bds. endlagig, Faustschluss bds. vollständig, grobe Kraft seitengleich, keine Sensibilitätsstörungen

UE: keine wesentliche Funktionseinschränkung aller großen Gelenke, keine Ödeme, keine Varizen, Zehen- und Fersenstand bds. ohne Probleme möglich, keine Sensibilitätsstörungen

Gesamtmobilität - Gangbild:

Gehen: frei, sicher, ohne Hilfsmittel

Zehen- und Fersenstand bds. möglich

An- und Ausziehen im Stehen ohne Probleme möglich

gute körperliche Belastbarkeit

Status Psychicus:

in allen Qualitäten gut orientiert, keine wesentliche Einschränkung der Kognition oder Mnestik, Ductus kohärent, dysthym

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Chronisch redzidivierende depressive Erkrankung mit somatischen Symptomen, Burnout-Symptomatik, Angststörung Oberer Rahmensatz, da Chronifizierung und medikamentöse sowie fachärztliche und psychotherapeutische Therapie erforderlich.

03.06.01

40

2

Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Muskuloskeletaler Thoraxschmerz Wahl dieser Position mit unterem Rahmensatz, da muskuloskeletaler Thoraxschmerz und Bandscheibenschäden.

02.01.02

30

3

Pangastritis Eine Stufe über unterem Rahmensatz, da medikamentöse Dauertherapie. Der anamnestisch vorliegende Reflux ist in dieser Position inkludiert

07.04.01

20

4

Tinnitus, geringgradige Hörstörung Eine Stufe über unterem Rahmensatz, da geringgradige Hörstörung.

12.02.02

20

5

Hypertonie Fixer Richtsatz.

05.01.01

10

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 bis 4 um eine Stufe erhöht, da der Gesamtzustand wesentlich negativ beeinflusst wird. Leiden 5 erhöht aufgrund zu geringer funktioneller Relevanz nicht weiter.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Noduli hämorrhoidales, da keine relevante Funktionseinschränkung.

Z.n. epileptischen Anfall, da keine ausreichenden Befunde und keine Antiepileptische Therapie Asthenozoospermie, da keine relevante Funktionseinschränkung.

[X] Dauerzustand

Herr G. kann trotz seiner Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen:

[X] JA

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Trotz der Funktionseinschränkungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates und der psychischen Funktionseinschränkungen sind das sichere Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport gewährleistet. Niveauunterschiede können ausreichend sicher überwunden werden. Eine kurze Wegstrecke kann ausreichend sicher ohne Pause zurückgelegt werden. Der Transport kann ausreichend sicher erfolgen. Das Anhalten ist ausreichend sicher möglich. Gute körperliche Belastbarkeit mit muskulösem Habitus. Guter sicherer Stand und Gang. Wesentliche Agora- oder Soziophobie in den vorliegenden Befunden nicht beschrieben.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nein

Folgende Gesundheitsschädigungen im Sinne von Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung liegen vor, wegen:

[X] JA Erkrankung des Verdauungssystems

GdB: 20 v.H.

Begründung:

Gastritis

..."

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 29.10.2018 wurde der Beschwerdeführer über das Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt, das eingeholte Gutachten vom 29.10.2018 wurde dem Beschwerdeführer mit diesem Schreiben übermittelt. Dem Beschwerdeführer wurde in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eine Stellungnahme abzugeben.

Der Beschwerdeführer brachte innerhalb der ihm dafür eingeräumten Frist eine Stellungnahme folgenden Inhalts - hier in anonymisierter Form wiedergeben - ein:

"...

Aufgrund der von der Sachverständigen erhobenen derzeitigen Beschwerden, wurde auf Seite 1 des Sachverständigengutachtens die Begleitumstände meiner Ängste und phobischen Störungen bereits korrekt erhoben und angeführt, "dass mich meine psychischen Probleme sehr beschäftigen und ich Schlafprobleme habe".

"Weiters würde ich nicht hinausgehen und ich habe keine sozialen Kontakte!"

"lch werde ausschließlich von meiner Gattin oder von meinem Vater mit dem KFZ zu allen

(Arzt-)Terminen (in Begleitung) verbracht!"

Warum ich nicht hinausgehen kann und keine sozialen Kontakte habe, wurde der Sachverständigen Frau Dr. E. mehrmals kundgetan und auch auf die Gründe dieser Angstzustände genauestens hingewiesen.

Bei den bei mir eintretenden Panikattacken mit den von mir einhergehend beschriebenen Ängsten und Schmerzen, gehen diese soweit, dass ich jedes Mal Todesangst bzw. Angst vor dem Sterben habe, da ich fast zur Gänze keine Luft bekomme.

Aufgrund der starken Schmerzen und der auftretenden Ängste muss ich anschließend sofort ins Krankenhaus zur weiteren Behandlung. Siehe Beilagen 7 und 8

Diese Ängste bestehen bereits seit langer Zeit und waren auch bereits id aktiven Dienstzeit als Polizist ein sehr schweres Handicap, mit dadurch einhergehender sehr starker dienstlicher und sozialer Ausgrenzung.

Zur "Zusammenfassung relevanter Befunde", ergeht das Ersuchen, die Befunde,

Dr. J. 06/2017 : Angst und Depression gemischt, soziophobische Symptomatik

Dr. A. 12/2016: relevante Soziophobie mit Rückzug u Vermeidungsverhalten

zu ergänzen, nochmalig zu erheben und in das Ergebnis einfließen zu lassen.

Weiters als Beilage 1, die Diagnosen der behandelnden/untersuchenden Ärzte und Rehab-Zentren seit 2013.

Es handelt sich hierbei lt. den Diagnosen um eine mittelschwere Depression iSd Positionsnummer 03.04.02/03.06.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung (GdB mind. 50%) und nicht um Positionsnummer 03.06.01.

Es handelt sich bei meiner Krankheit, nach Studium aller Beilagen, Befunde und Atteste, nachweislich um eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung/Angststörung sowie Soziophobie mit rezidivierend depressiven Episoden ohne soziale Kontakte und Panikattacken.

Die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist somit aufgrund dieser neurologischen Leiden einhergehend und begründet. siehe VwGH Ra 2016/11/0085 vom

28.03.2018.

Im Sachverständigengutachten wurde auf Seite 6 bezüglich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel angeführt, dass wesentliche Agora- oder Soziophobie in den vorliegenden Befunden nicht beschrieben wurde.

Dies wird verneint und es wurde auch auf die Panikattacken id Öffentlichkeit, bei Menschenansammlungen und in öffentlichen Verkehrsmittel hingewiesen.

Weiters wurde dies in den beiliegenden Befunden erörtert, aber zur Beurteilung meiner Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zur Kenntnis genommen.

Ob eine oder beide Diagnosen, phobische Störungen und depressive Episoden erforderlich sind, richtet sich jeweils nach dem zeitlichen Verlauf, nach dem Zeitpunkt der Konsultation sowie nach dem erhebenden Arzt.

..."

Dieser Stellungnahme legte der Beschwerdeführer ein Konvolut an medizinischen Unterlagen sowie weitere Beilagen bei.

Am 15.11.2018 reichte der Beschwerdeführer als Ergänzung seiner Stellungnahme einen aktuellen Befund einer näher genannten Fachärztin für Psychiatrie vom 07.11.2018 nach.

Aufgrund der eingebrachten Stellungnahme holte die belangte Behörde eine Stellungnahme der medizinischen Sachverständigen, welche das Gutachten vom 29.10.2018 erstellt hat, vom 29.11.2018 ein. In dieser Stellungnahme führt die Gutachterin Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben -aus:

"...

In der Stellungnahm zum Parteiengehör wird angeführt, dass aufgrund der psychischen Probleme nur in Begleitung das Haus verlassen werden könne, und es wird auf Panikattacken hingewiesen, die in der Öffentlichkeit und bei der Benützung Öffentlicher Verkehrsmittel auftreten würden.

Ein aktueller Befund wurde vorgelegt:

Dr. S. 11/18:

mittelschwere depressive Episode mit somatischen Symptomen bei rezidivierender

depressiver Störung, Angst und depressive Störung gemischt;

keine Psychose, keine Halluzinationen, keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung.

Im SVG 10/2018 wurde mit Pos 1 alle im Befund Dr. S. 11/18 beschriebenen Diagnosen ausreichend berücksichtigt und korrekt nach EVO beurteilt.

Auch in diesem Befund wird keine relevante Agora oder Soziophobie beschrieben, welche die Benützung Öffentlicher Verkehrsmittel verunmöglichen würde.

Keine Änderung des SVG 10/18 aufgrund des nunmehr vorgelegten Befundes."

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 30.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt worden sei. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor" würde vorliegen. Der Behindertenpass im Scheckkartenformat werde in den nächsten Tagen übermittelt werden. Das medizinische Sachverständigengutachten vom 29.10.2018 und die Stellungnahme vom 29.11.2018 wurden dem Beschwerdeführer gemeinsam mit diesem Schreiben übermittelt.

Hingegen wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30.11.2018 der Antrag des Beschwerdeführers vom 09.05.2018 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten eingeholt worden sei. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Die Stellungnahme vom 29.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer gemeinsam mit diesem Schreiben übermittelt.

Mit Begleitschreiben vom 03.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer der Behindertenpass übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Im Akt befindet sich eine vom Beschwerdeführer gezeichnete Vollmacht vom 08.01.2019 zugunsten des KOBV - Der Behindertenverband für Wien, Nö und Bgld.

Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 30.11.2018, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen worden war, erhob der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch den KOBV, fristgerecht die gegenständliche Beschwerde vom 16.01.2019 an das Bundesverwaltungsgericht, in der begründend Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt wird:

"...

In umseits näher bezeichneter Rechtssache hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 30.11.2018, zugestellt am 06.12.2018, den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen, da die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung nicht gegeben seien.

Dieser Bescheid ist rechtswidrig. Dazu wird nachstehendes ausgeführt:

Der Beschwerdeführer leidet an Klaustrophobie, rezidivierender depressiver Störung Burnout-Syndrom, Angst und depressiver Störung gemischt, Hypertonie, antrumbetonter Pangastritis, ausgeprägter Bulbitis duodeni, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschäden und Thorax-Schmerz.

Beim Beschwerdeführer liegt, wie aus beiliegendem Befund von Dr. S., vom 20.12.2018 ersichtlich, sehr wohl zusätzlich zu der körperlichen Beeinträchtigung und der depressiven Störung eine Klaustrophobie vor. Es kommt zu Angst- und Panikattacken vor allem in engen Räumen und unter Menschenmengen mit klaustrophobischen und soziophobischen Momenten und daher liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor.

Die belangte Behörde hat sich lediglich auf ein allgemeinmedizinisches Gutachten gestützt, obwohl die entscheidenden Einschränkungen aus dem Fachgebiet der Neurologie/Psychiatrie vorliegen.

Beweis:

> Durchführung einer mündlichen Verhandlung

> einzuholende Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der

• Neurologie/Psychiatrie

Aus genannten Gründen wird daher der

ANTRAG

gestellt, der Beschwerde Folge zu geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und dem Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass stattzugeben."

Der Beschwerde wurden diverse medizinische Unterlagen beigelegt.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde und den Verwaltungsakt am 18.01.2019 zur Entscheidung vor.

Das Bundesverwaltungsgericht holte aus Anlass des Beschwerdevorbringens und der weiteren vorgelegten medizinischen Unterlagen ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie ein. Dieses auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.03.2019 basierende Sachverständigengutachten vom 18.04.2019 sei hier in den wesentlichen Teilen - in anonymisierter Form - wiedergegeben:

"...

Nervenfachärzliches Sachverständigengutachten

Betrifft: Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.11.2018, zugestellt am 6.12.2018 Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" waren nicht gegeben.

Vorgutachten:

Dr. E., Allgemeinmedizin, 18.10.2018: chronisch rezidivierende depressive Erkrankung mit somatischen Symptomen Burn-Out Symptomatik, Angststörung, Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Muskulosketaler Thoraxschmerz, Pangstritis, Tinnitus geringgradige Hörstörung, Hypertonie mit insgesamt 50% GdB bewertet.

Stellungnahme Dr. E., 29.11.2018: Es wird im vorgelegten Befund von Dr. S. keine relevante Agoraphobie oder Soziophobie beschrieben, daher keine Änderung des SVG 10/18 aufgrund des nunmehr vorgelegten Befundes

Subjektive Angaben bezüglich Einspruch:

Die öffentlichen Verkehrsmittel sind für ihn unmöglich. Es sei der Kontrollverlust. Bis zum Hereingehen in die Ordination sei es gegangen, dann kam schon der Druck auf der Brust, keine Luft, Schluckbeschwerden ein Pfeifen links, das wechsle aber auch die Seite.

Anamnese:

Seit 2015 sei er in Behandlung bei einer Psychiaterin wegen der vielen körperlichen Beschwerden, er hatte damals schon Panikattacken bis hin zu Bewusstlosigkeit. Er habe zuvor immer einen komischen Geschmack im Mund, er konnte in der Situation auch den Urin nicht halten. 1999 sei er ausgemustert worden auf eine Grenzkontrollstelle. Bei der Kontrolle der Linienbusse sind das erste Mal die Ängste aufgetreten, er sei dann innerhalb von 3 Wochen versetzt worden.

Jetzige Beschwerden:

Er habe Kopfschmerzen abends stark. Er habe eine Schilddrüsenunterfunktion, er müsse viele Medikamente nehmen, weil das Blutbild schlecht sei. Nachts vor dem Einschlafen habe er ein Stechen in der Brust und bekomme keine Luft. Die Psychiaterin sagt es sind Panikattacken. Wenn er die Trittico steigert, sei das Aufstehen schlecht. Er hatte oft Krankenhausbesuche, weil er Attacken hat wo er glaubt er muss sterben. Da ihm das vor 1 Jahr bei einem Bekannten passierte, gehe es jetzt nicht mehr raus. Er sei meistens zu Hause, da kann ihm am wenigsten passieren, außer wenn die Frau oder der Vater dabei sind. Der Vater war auch immer beim Polizeiarzt dabei, da sei ihm immer gedroht worden. Er war im Dezember und Jänner Magenspiegelung, er bekam am Telefon von Dr. Ö. die Information, dass er Zöliakie habe, er soll strenge Diät halten. Er habe aber keinen Befund dafür. 2015 hatte er schon die erste Psychotherapie nach der Reha. Die Diätschulung bekomme er erst, wenn er Stuhl ins XXX geschickt hat. Tageweise gehe es ihm besser dann wieder schlechter. Essen gehe er immer zu den Eltern. Nachmittags gehe er spazieren. Laut Psychiaterin soll er einen Tagesablauf reinbringen. Aber es gibt Tage da könne er nicht auf die Straße gehen.

Therapie

Duloxetin 60mg 1-0-0, Trittico 150mg 0-0-2/3, Folsan 5mg 1-0-0, Lisinopril 5mg 1-0-0, Dekristolmin 2xc/Woche, alle 2 Wochen Psychotherapie bei Dr. W. seit Herbst 2018, Sozialanamnese:

War 18 Jahre Polizist, in Ruhestand versetzt seit 09 /2016, verheiratet, keine Kinder

Befunde:

Dr. O., FA für Innere Medizin, 06.12.2018: antrumbetonte Pangastritis, Bulbitis duodeni

Dr. S., FA für Psychiatrie. 20.12.2018: Klaustrophobie, rez. depressive Störung Angst und depressive Störung gemischt, Panikattacken in engen Räumen und unter Menschenmengen, Klaustrophobische und soziophobische Momente, seit 2015 in durchgehender fachärztlicher Betreuung je nach Bedarf eng- oder weitmaschiger, durchgehende Medikation zur Stimmungsstabilisierung und gegen die Angsterkrankung, es kommt zum Erleben von Kontrollverlust

Mitgebracht:

XXX, Endoskopie, 29.01.2019: wechselndes Stuhlverhalten Histobefundbesprechung vereinbaren, Stuhl Knochendichte Vorstellung in der Immundefizienz Ambulanz veranlassen

Status:

42-jähriger Mann kommt in Begleitung: Vater XXXX

173cm, 83kg RR: 160/100

Das Fenster muss beim Betreten des Ordinationsraumes geöffnet werden

Cor: reine rhythmische Herzaktion, Pulmo: VA, keine Rasselgeräusche,

Abdomen: weich, keine Abwehrspannung,

SCHÄDEL/WS: Keine äußeren Auffälligkeiten, Schädel frei beweglich, kein Meningismus, Finger-Bodenabstand 20cm Carotiden unauffällig,

HIRNNERVEN:

Geruchsempfinden wird als normal angegeben,

Gesichtsfeld fingerperimetrisch frei, Pupillen rund, isocor,

Lichtreaktion direkt und indirekt prompt auslösbar,

Bulbusmotilität ungestört, kein pathologischer Nystagmus,

Gesichtssensibilität ungestört, mimische Muskulatur seitengleich normal innerviert, Fingerreiben und Normalsprache wird seitengleich verstanden.

OBERE EXTREMITÄTEN:

Keine pathologische Tonussteigerung

Die grobe Kraft ist seitengleich normal. Beim Armvorhalteversuch kein Absinken.

Die MER sind seitengleich auslösbar. Pyramidenzeichen sind nicht auslösbar.

UNTERE EXTREMITÄTEN:

Keine pathologische Tonussteigerung

Beim Positionsversuch kein Absinken, Kraft seitengleich normal

Die PSR und ASR sind seitengleich auslösbar. Pyramidenzeichen sind nicht

auslösbar.

SENSIBILITÄT: Im Bereich der Extremitäten und des Stammes ungestört angegeben.

KOORDINATION:

Keine Ataxie beim FNV und KHV. Eudiadochokinese, Feinmotilität unauffällig.

Freies Sitzen möglich.

Romberg und Unterberger Versuch: keine Auffälligkeiten

BLASE: Nykturie 3x

Gesamteindruck- Gangbild

Unauffällig

Status Psychicus:

Allgemeintempo verlangsamt,

Konzentration reduziert, Aufmerksamkeit und Auffassungsvermögen unauffälllig,

Spontan- und Konversationssprache unauffällig, Durchschlafstörung

Kurzgedächtnis sind gestört, Stimmungslage gedrückt

Ductus kohärent,

die Affektlage ist flach, Affizierbarkeit gegeben

Beurteilung bzw. Stellungnahme zu Vorschreibung

1. Diagnoseliste:

* chronisch rezidivierende depressive Erkrankung mit somatischen Symptomen Burn-Out Symptomatik, Angststörung, Klaustrophobie, rez. depressive Störung Angst und depressive Störung gemischt

* Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule muskulosketaler Thoraxschmerz

* antrumbetonte Pangastritis, Bulbitis duodeni, wechselndes Stuhlverhalten Histobefund ausständig

* Tinnitus, geringgradige Hörstörung

* Hypertonie

2. Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktion der unteren Extremitäten vor?

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der Funktion der unteren Extremitäten vor

3. Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit

4. Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder Intellektueller Funktionen vor?

Es liegt eine chronisch rezidivierende depressive Erkrankung mit somatischen Symptomen Burn-Out Symptomatik, Angststörung und Klaustrophobie vor. Die therapeutischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft mit durchgehender fachärztlicher Betreuung seit 2015, durchgehender Medikation und parallellaufender Psychotherapie (befundmäßig belegt Abl. 161)

5. Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Es liegt keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems

6. Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor?

Es lieg keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit vor

7. Auswirkung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, Stellungnahme zu allfälligen Schmerzzuständen, Darlegung zumutbarer therapeutischer Optionen oder Kompensationen. Ausführliche Begründung sollte eine Zumutbarkeit vorliegen.

Durch die Klaustrophobie und Angst durch Erleben des Kontrollverlustes mit jahrelanger Therapie (Reha, medikamentös, Fachärztliche Behandlung, Psychotherapie) kann von medizinischer Seite somit eine maßgebliche Erschwernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bestätigt werden.

8. Ausführliche Stellungnahme zu den Einwendungen des Beschwerdeführers Abl. 156, 157

Einwände: Der Beschwerdeführer leidet an Klaustrophobie, rezidivierend depressive Störung - Burn out Syndrom, Angst und depressive Störung gemischt, Hypertonie, antrumbetonte Pangastritis, ausgeprägte Bulbitis duodeni degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Bandscheibenschaden und Thoraxschmerz. Es liege eine Klaustrophobie vor wie im Befund Dr. S. vom 20.12.2018 berichtet.

Die Einwände wurden in der Untersuchungssituation noch einmal glaubwürdig geschildert. Das psychische Leiden wird durch die vorliegenden Befunde untermauert und das Verhalten von Hr. G. in der Untersuchungssituation ist adäquat und ebenfalls glaubwürdig. Die Magen-Darm Problematik wurde ebenfalls angesprochen, ein Befund diesbezüglich mitgebracht, jedoch liegt keine definitive Histologie vor und das Stuhlverhalten wird als wechselnd bezeichnet. Auch wurden noch nicht alle Therapieoptionen wie Diätschulungen beispielsweise ausgeschöpft, da noch auf eine endgültige Diagnose gewartet wird. Die Veränderungen der Wirbelsäule und der Thoraxschmerz führen zu keinen wesentlichen Schmerzen, die eine erhebliche Funktionseinschränkung der Mobilität bewirken. Die Klaustrophobie wird definitiv im Befund von Dr. S. vom 20.12.2018 (Abl. 161) bestätigt.

9. Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunden

vom 20.12.2018 Abl. 161:

neurologischer Befundbericht Dr. S.: Klaustrophobie, rezidivierende depressive Störung, Angst und depressive Störung gemischt seit 2015 in durchgehender Behandlung mit durchgehender Medikation, Kontrollverlust in öffentlichen Verkehrsmitteln, mit Aggravierung der Angstsymptome

Dr. S. beschreibt eine Behandlung h.o seit 2015 eng bis weitmaschig, jedoch mit durchgehender Medikation und parallellaufender externer Psychotherapie. Kontrollverlust wird beschrieben, Angst und Klaustrophobie in der Diagnose erwähnt.

vom 6.12.2018 Abl. 162, 163:

Gastroskopiebefund: antrumbetonte Pangastritis ausgeprägte Bulbitis duodeni, Therapieempfehlung Zurcal 40mg 1-0-0 oder anderer PPI Zottenverplumpung daher Zöliakieausschluss empfohlen (Transglutaminasenantikörperbestimmung)

vom 07.12.2018 Abi 159, 160: Institut für Pathologie, XXX:

Transglutaminase- IgG positiv restlichen Parameter negativ oder im Normbereich

Es zeigt sich eine chronische Entzündung jedoch morphologisch nicht eindeutig zuordenbar bzw. immunhistochemisch nicht reaktiv (Abl. 163), serologisch war die Transglutaminase- IgG positiv die restlichen Parameter unauffällig. Eine Definitive Diagnose zum Zeitpunkt der Untersuchung noch ausständig. Auch die spezielle Therapie - Diätschulung wurde noch nicht begonnen.

10. Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist

Eine Nachuntersuchung in 2 Jahren wäre empfehlenswert, da eine Verbesserung der psychischen Situation durch die Therapie möglich ist.

11. Wurden im Rahmen der nunmehrigen Begutachten Befunde vorgelegt, welche der Neuerungsbeschränkungen unterliegen und Stellungnahme, ob eine andere medizinische Beurteilung abzuleiten wäre.

XXX, Endoskopie, 29.01.2019

Es wäre durch diesen Befund keine andere medizinische Beurteilung abzuleiten."

Am 08.04.2019 wurden die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers und die belangte Behörde, sohin die Parteien des Verfahrens, vom Bundesverwaltungsgericht telefonisch über das Ergebnis dieser medizinischen Beweisaufnahme informiert. Die Parteien des Verfahrens gaben an, dass keine Einwendungen zum Ergebnis der Beweisaufnahme vorgebracht werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 09.05.2018 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses. Weiters beantragte er die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.

Dem Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde mit Datum 30.11.2018 ein unbefristeter Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt, der Beschwerdeführer ist somit Inhaber eines Behindertenpasses.

Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden für das gegenständliche Verfahren betreffend Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" relevanten Funktionseinschränkungen:

• Chronisch rezidivierende depressive Erkrankung mit somatischen Symptomen, Burn-Out Symptomatik, Angststörung, Klaustrophobie, rez. depressive Störung; Angst und depressive Störung gemischt

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer zum Entscheidungszeitpunkt nicht zumutbar.

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen und ihren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im oben wiedergegebenen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 18.04.2019 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur gegenständlichen Antragstellung und zum Vorliegen eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind unstrittig.

Die Feststellung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründet sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers basierenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 18.04.2019, in dem sich die medizinische Sachverständige auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde umfassend und nachvollziehbar mit der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auseinandergesetzt hat. Die medizinische Sachverständige führt aus, dass beim Beschwerdeführer eine chronisch rezidivierende depressive Erkrankung mit somatischen Symptomen, Burn-Out Symptomatik, Angststörung und Klaustrophobie vorliegt. Die therapeutischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft mit durchgehender fachärztlicher Betreuung seit 2015, durchgehender Medikation und parallellaufender Psychotherapie. Es wird insbesondere auf einen Ärztlichen Befundbericht einer näher genannten Fachärztin für Psychiatrie vom 20.12.2018 Bezug genommen. Aufgrund der objektivierten Klaustrophobie und Angst durch Erleben des Kontrollverlustes mit jahrelanger Therapie (Rehabilitation, Medikamentöse und Fachärztliche Behandlung, Psychotherapie) kommt die beigezogene nervenfachärztliche Sachverständige zu dem Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer aktuell eine maßgebliche Erschwernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt.

Dieses medizinische Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 18.04.2019 blieb von den Parteien des Verfahrens unbestritten. Dieses Sachverständigengutachten vom 18.04.2019, das eine höhere Aktualität aufweist als das von der belangten Behörde eingeholte Vorgutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 29.10.2018, und dem insbesondere auch aktuellere, der Beschwerde beigelegte Befunde, die zum Zeitpunkt des Vorgutachtens noch nicht existent waren - wie der Ärztliche Befundbericht einer näher genannten Fachärztin für Psychiatrie vom 20.12.2018, auf den in diesem Sachverständigengutachten vom 18.04.2019 Bezug genommen wird - zu Grunde liegen, wird in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt, zumal die sachverständige Fachärztin für Neurologie, die das Gutachten vom 18.04.2019 erstellt hat, nunmehr den entscheidungserheblichen Schwerpunkt der Funktionsbeeinträchtigungen in den vorliegenden Einschränkungen der psychischen, neurologischen und intellektuellen Funktionen erblickt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Der Vollständigkeit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 30.11.2018 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 in der Fassung des BGBl. II Nr. 263/2016, lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

a)...

b)...

...

2. ...

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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