TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/2 W133 2210739-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.05.2019
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Entscheidungsdatum

02.05.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W133 2210739-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 21.09.2018, nach Beschwerdevorentscheidung vom 12.11.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 27.02.2018 Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme der Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass" beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet), und legte medizinische Unterlagen vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge medizinische Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Augenheilkunde vom 10.07.2018 und Allgemeinmedizin vom 12.07.2018 ein. In dem, beide Gutachten zusammenfassenden Gutachten vom 10.08.2018 wurden auf Grundlage von persönlichen Untersuchungen und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Zustand nach perforierender Augenverletzung rechts, Zustand nach Grauer Star Op. und Hornhauttransplantation rechts mit Sehverminderung auf Handbewegung, normales Sehvermögen links

11.02.02

30

2

hochgradige Hörverminderung links bei Normalhörigkeit rechts Tabelle/ Spalte 1 Zeile 4

12.02.01

10

zugeordnet

und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung führte die Gutachterin aus, Leiden 1 werde durch Leiden 2 nicht erhöht, da Leiden 2 von zu geringer funktioneller Relevanz sei.

Mit Schreiben vom 13.08.2018 räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer förmlich Parteiengehör gemäß § 45 AVG zu den Gutachten ein und teilte mit, dass die Durchführung der beantragten Zusatzeintragung nicht möglich sei, da die rechtliche Grundlage, nämlich der Behindertenpass nicht gegeben sei. Es wurde ihm eine zweiwöchige Stellungnahmefrist eingeräumt.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.09.2018 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, worin er zusammengefasst ausführte, es sei die Einholung weiterer Sachverständigengutachten erforderlich. Der Beschwerdeführer habe durch eine Explosion im Rahmen eines Dienstunfalles am 22.06.2017 schwerste Verletzungen erlitten. Er sei nach wie vor in ärztlicher Behandlung. Er leide noch immer unter starken Schmerzen und Beeinträchtigungen insbesondere im Bereich des Kiefers, an der Zunge und im Mund-Hals-Bereich sowie Schmerzen aufgrund der Verbrennungen. Er sei auch psychisch beeinträchtigt. Er müsse regelmäßig Schlaf- und Schmerzmedikation einnehmen. Der Stellungnahme wurden keine weiteren Befunde beigelegt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21.09.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage.

Dieser Bescheid wurde direkt an den Beschwerdeführer zugestellt.

Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers stellte mit Schriftsatz vom 04.10.2018 den Antrag, die Stellungnahme vom 20.09.2018, die im Bescheid noch nicht berücksichtigt worden war, der Beschwerdevorentscheidung zugrunde zu legen.

Einer Aktennotiz vom 05.10.2018 ist zu entnehmen, dass die belangte Behörde bereits vor Einlangen der Stellungnahme den Bescheid versendet habe. Es sei mit dem Rechtsvertreter telefonisch vereinbart worden, dass die Stellungnahme im Zuge einer Beschwerdevorentscheidung bearbeitet werde. Die Stellungnahme wurde sodann als Beschwerde gewertet und weiterbearbeitet.

Aufgrund der erhobenen Einwendungen beauftragte die belangte Behörde in der Folge neuerlich die Ärztin für Allgemeinmedizin, welche bereits das Gutachten vom 12.07.2018 und das zusammenfassende Gutachten vom 10.08.2018 erstellt hatte, mit der ergänzenden Begutachtung der Einwendungen.

In ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.10.2018 führte die Sachverständige aus, dass im Rahmen der Begutachtung alle behinderungswirksamen Gesundheitsschäden unter Berücksichtigung der vorgebrachten Beschwerden und der vorhandenen Befundberichte entsprechend der Einschätzungsverordnung berücksichtigt und eingestuft worden seien. Folgeschäden bei Zustand nach multiplen Brüchen im Bereich des Kiefers, sowie der Verletzung im Bereich des Mundes und der Zunge, hätten bei entsprechend gutem Ernährungszustand nicht objektiviert werden können. Ebenso sei im Rahmen der Anamneseerhebung eine gute Gesprächsführung möglich gewesen, sodass eine Sprechstörung nicht objektiviert werden habe können. Auch im Rahmen der Statuserhebung hätten keinerlei Bewegungsstörung oder schmerzhafte Bewegungseinschränkungen festgestellt werden können. Eine Schmerzmedikation sei ebenso nicht etabliert. Weiters hätten auch keine Anzeichen einer psychischen Beeinträchtigung festgestellt werden können. Diesbezügliche Befunde, welche eine behinderungswirksame Anpassungsstörung belegen würden, seien nicht vorliegend. Insgesamt sei die Argumentation im Beschwerdeschreiben nicht geeignet, die bereits vorliegende Beurteilung zu entkräften, an welcher daher festgehalten werde.

Mit Bescheid vom 12.11.2018 erließ die belangte Behörde eine Beschwerdevorentscheidung, worin sie die Beschwerde abwies und sich in der Begründung auf die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtungen stützte.

Mit Schreiben der rechtlichen Vertretung vom 29.11.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Vorlageantrag nach § 15 VwGVG, worin er zusammengefasst ausführt, der Bescheid vom 21.09.2018 sei nicht rechtswirksam erlassen worden, da er dem Beschwerdeführer selbst, nicht jedoch dem im Verfahren ausgewiesenen Rechtsvertreter zugestellt worden sei. Die Behörde sei daher zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gar nicht zuständig gewesen. Weiters habe eine ärztliche Begutachtung aufgrund der Beschwerde nicht stattgefunden, sondern es sei lediglich eine Stellungnahme der Gutachterin zum Beschwerdeschreiben vom 20.09.2018 abgegeben worden. Die Gutachterin habe sich inhaltlich nicht mit den Ausführungen in der Beschwerde auseinandergesetzt. Es sei im Dunkeln geblieben, warum die Behörde von der Einholung der in der Beschwerde beantragten Sachverständigengutachten Abstand genommen habe.

Die belangte Behörde legte am 05.12.2018 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Er brachte am 27.02.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Bei dem Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Zustand nach perforierender Augenverletzung rechts, Zustand nach Grauer Star-Operation und Hornhauttransplantation rechts mit Sehverminderung auf Handbewegung, normales Sehvermögen links;

2) hochgradige Hörverminderung links bei Normalhörigkeit rechts.

Leiden 1 wird durch Leiden 2 nicht erhöht, da Leiden 2 von zu geringer funktioneller Relevanz ist.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 30 v.H.

Hinsichtlich der bei dem Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen in den medizinischen Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Augenheilkunde vom 10.07.2018 und Allgemeinmedizin vom 12.07.2018, in dem, beide Gutachten zusammenfassenden Gutachten vom 10.08.2018 sowie in der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.10.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Das von dem Beschwerdeführer erstattete Beschwerdevorbringen führt zu keiner geänderten Einschätzung. Die bestehenden Funktionseinschränkungen wurden in den vorliegenden Gutachten durch die vorgenommene medizinische Beurteilung korrekt berücksichtigt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden Ausführungen verwiesen.

Folgeschäden bei Zustand nach multiplen Brüchen im Bereich des Kiefers, sowie der Verletzung im Bereich des Mundes und der Zunge, konnten bei entsprechend gutem Ernährungszustand nicht objektiviert werden. Ebenso war im Rahmen der Anamneseerhebung bei der Begutachtung eine gute Gesprächsführung möglich, sodass eine Sprechstörung nicht objektiviert werden konnte. Auch im Rahmen der Statuserhebung konnten keinerlei Bewegungsstörung oder schmerzhafte Bewegungseinschränkungen festgestellt werden. Eine Schmerzmedikation ist ebenso nicht etabliert. Weiters konnten auch keine Anzeichen einer psychischen Beeinträchtigung festgestellt werden. Diesbezügliche Befunde, welche eine behinderungswirksame Anpassungsstörung belegen würden, wurden im Verfahren nicht vorgelegt.

Unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden medizinischen Befunde und der Untersuchungsergebnisse im Gutachten ist eine höhere Einschätzung der festgestellten Leidenszustände zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich.

Der angefochtene Bescheid vom 21.09.2018 war von der belangten Behörde irrtümlich direkt an den Beschwerdeführer zugestellt worden. Aufgrund der sich bereits aus der Aktenlage ergebenden, in dem zu beurteilenden Verfahren vorliegenden Umstände ist davon auszugehen, dass dem Rechtsvertreter der Bescheid vom 21.09.2018 dennoch tatsächlich zugekommen ist; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Kopie der Meldebestätigung und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf den seitens der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Augenheilkunde vom 10.07.2018 und Allgemeinmedizin vom 12.07.2018, dem, beide Gutachten zusammenfassenden Gutachten vom 10.08.2018 sowie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.10.2018. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Untersuchung auseinander. In der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.10.2018 berücksichtigte die Sachverständige auch die im Rahmen des Parteiengehörs bzw der Beschwerde erhobenen Einwendungen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung auch richtig eingestuft.

Führendes Leiden des Beschwerdeführers ist der Zustand nach perforierender Augenverletzung rechts, Zustand nach Grauer Star-Operation und Hornhauttransplantation rechts mit Sehverminderung rechts auf Handbewegung bei normalem Sehvermögen links. Dieses Leiden wurde von der Sachverständigen, einer Fachärztin für Augenheilkunde, unter Berücksichtigung des in den Befunden dokumentierten und auch in der gutachterlichen Untersuchung erhobenen Umstandes, dass nach dem im Juni 2017 erlittenen Unfall nur mehr eine äußerst eingeschränkte Sehfähigkeit auf dem rechten Auge (Sehverminderung auf Handbewegung) besteht, korrekt der Positionsnummer 11.02.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche Funktionseinschränkungen aufgrund der Erblindung oder den Verlust eines Auges betrifft. Für diese Funktionseinschränkung sieht die Einschätzungsverordnung einen fixen Richtsatz von 30% vor, welcher von der Gutachterin auch zutreffend gewählt wurde. Am linken Auge besteht normale Sehfähigkeit.

Auch das Leiden Nr. 2 "hochgradige Hörverminderung links bei Normalhörigkeit rechts" wurde korrekt der Positionsnummer 12.02.01/Spalte 1 Zeile 4 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, welche Einschränkungen des Hörvermögens betrifft und bei einer Normalhörigkeit des zweiten Ohres einen Richtsatz von 10% vorsieht, zugeordnet. Aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Tonaudiogramm vom 16.08.2017 ergibt sich eine Hörverminderung am linken Ohr von 76%, sodass sowohl die Beurteilung der Sachverständigen, dass eine hochgradige Schwerhörigkeit links bei Normalhörigkeit rechts besteht, als auch die Einschätzung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10% nachvollziehbar und richtig sind.

Dass die Gutachterin die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätte, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.

Dass die belangte Behörde vor dem Hintergrund der vorliegenden Befunde und der nachvollziehbaren Ergebnisse der Begutachtungen von der Einholung weiterer Gutachten - wie dies der Beschwerdeführer beantragte - absah, ist nicht zu beanstanden. Befunde, die den vorliegenden Gutachten widersprechen würden, wurden auch im Rahmen des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens nicht vorgelegt.

Die im Rahmen der Stellungnahme - welche von der Behörde aufgrund des eigenen Antrages des Beschwerdeführers, diese Stellungnahme der Beschwerdevorentscheidung zu Grunde zulegen, zu Recht inhaltlich als Beschwerde gewertet wurde - erhobenen Einwendungen wurden nochmals der sachverständigen Ärztin für Allgemeinmedizin vorgelegt. In ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.10.2018 führt sie aus, dass die bestehenden Funktionseinschränkungen in den vorliegenden Gutachten durch die vorgenommene medizinische Beurteilung korrekt berücksichtigt wurden. Folgeschäden bei Zustand nach multiplen Brüchen im Bereich des Kiefers, sowie der Verletzung im Bereich des Mundes und der Zunge, konnten bei entsprechend gutem Ernährungszustand nicht objektiviert werden. Ebenso war im Rahmen der Anamneseerhebung bei der Begutachtung eine gute Gesprächsführung möglich, sodass eine Sprechstörung nicht objektiviert werden konnte. Auch im Rahmen der Statuserhebung konnten keinerlei Bewegungsstörung oder schmerzhafte Bewegungseinschränkungen festgestellt werden. Eine Schmerzmedikation ist ebenso nicht etabliert. Weiters konnten auch keine Anzeichen einer psychischen Beeinträchtigung festgestellt werden. Diesbezügliche Befunde, welche eine behinderungswirksame Anpassungsstörung belegen würden, wurden im Verfahren nicht vorgelegt.

Diese ergänzende gutachterliche Stellungnahme erweist sich unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer im Verfahren vorgelegten Befunde und des gutachterlichen Untersuchungsergebnisses als nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Weder im Rahmen der Beschwerde noch im Rahmen des Vorlageantrages legte der Beschwerdeführer den Gutachten widersprechende Befunde vor.

Das unbelegte bzw unsubstantiierte Vorbringen des rechtlich vertretenen Beschwerdeführers im Rahmen der Beschwerde ist somit nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist dem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Augenheilkunde vom 10.07.2018 und Allgemeinmedizin vom 12.07.2018, dem, beide Gutachten zusammenfassenden Gutachten vom 10.08.2018 sowie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 09.10.2018. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Zunächst ist festzuhalten, dass dem Einwand des Beschwerdeführers im Vorlageantrag vom 29.11.2018, der Bescheid vom 21.09.2018 sei nicht rechtswirksam erlassen worden, da er dem Beschwerdeführer selbst, nicht jedoch dem im Verfahren ausgewiesenen Rechtsvertreter zugestellt worden sei, und die Behörde sei daher zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gar nicht zuständig gewesen, aus folgenden Gründen keine Berechtigung zukommt:

Der angefochtene Bescheid vom 21.09.2018 wurde von der belangten Behörde irrtümlich direkt an den Beschwerdeführer zugestellt und nicht an dessen Rechtsvertreter, offenbar da die Behörde den Bescheid zeitlich überschneidend mit der Stellungnahme vom 20.09.2018 erließ, worin unter anderem die Bevollmächtigung schriftlich bekannt gegeben worden war.

§ 9 Abs. 3 Zustellgesetz idF des BGBl. I Nr. 5/2008 lautet:

"§ 9 (1)......

(2)....

(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist."

Nach den vorliegenden Umständen des Beschwerdefalles ist davon auszugehen, dass der Bescheid vom 21.09.2018 dem Rechtsvertreter tatsächlich zugekommen ist, zumal er daran anknüpfende Verfahrenshandlungen gesetzt hat: Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers stellte mit Schriftsatz vom 04.10.2018 den Antrag, die Stellungnahme vom 20.09.2018, die im Bescheid noch nicht berücksichtigt worden war, der Beschwerdevorentscheidung zugrunde zu legen.

Bereits dieser Antrag setzt voraus, dass der Rechtsvertreter selbst damals davon ausgegangen ist, dass der Bescheid rechtswirksam erlassen worden ist. Wäre ihm der Bescheid bis dahin nicht tatsächlich zugekommen, hätte er wohl weiters auch nicht gewusst, dass die Stellungnahme vom 20.09.2018 im Bescheid noch nicht berücksichtigt worden war. Auch im weiteren Beschwerdevorentscheidungsverfahren brachten weder der Rechtsvertreter noch der Beschwerdeführer selbst vor, dass der Bescheid dem Rechtsvertreter nicht bekannt ist oder nicht tatsächlich zugekommen ist.

Es ist daher in rechtlicher Hinsicht von einer Heilung des Zustellmangels nach § 9 Abs. 3 zweiter Satz des Zustellgesetzes auszugehen (vgl. dazu auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa vom 09.03.2018, Zl. Ra 2017/02/0263, zu einer ähnlichen Fallkonstellation).

Der angefochtene Bescheid vom 21.09.2018 wurde somit rechtswirksam erlassen und die belangte Behörde war somit auch - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Vorlageantrag - zur Erlassung der Beschwerdevorentscheidung zuständig.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 20.09.2018 im weiteren Verfahren als Beschwerde behandelt hat, zumal der rechtlich vertretene Beschwerdeführer mit eigenem anwaltlichem Schriftsatz vom 04.10.2018 ausdrücklich den Antrag gestellt hat, diese Stellungnahme der Beschwerdevorentscheidung zugrunde zu legen. Aus dem Akt ergibt sich, dass auch ein dementsprechendes Telefonat zwischen dem Rechtsvertreter und der Behörde geführt worden war.

Rechtliche Erwägungen in inhaltlicher Hinsicht:

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 32/2018, lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

....

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die vollständigen, schlüssigen und widerspruchsfreien medizinischen Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Augenheilkunde vom 10.07.2018 und Allgemeinmedizin vom 12.07.2018, das, beide Gutachten zusammenfassende Gutachten vom 10.08.2018 sowie die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 09.10.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 30 v. H. beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen detaillierten Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Beschwerde erhobenen unsubstantiierten Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden aktuellen Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 30% beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30% sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass für das Verfahren nach § 46 Bundesbehindertengesetz eine Neuerungsbeschränkung besteht, wonach im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.

Bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes kommt jedoch eine neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). Beide Parteien stellten zudem keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten,
Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W133.2210739.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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