TE Bvwg Beschluss 2019/5/3 W217 2191749-2

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Veröffentlicht am 03.05.2019
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Entscheidungsdatum

03.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2191749-2/6Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Oberösterreich, Außenstelle Linz (ASt) vom 02.04.2019, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende

Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Herr XXXX (in der Folge BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 09.11.2015 nach illegaler Einreise in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 22.02.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge belangte Behörde) den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Feststellung der Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Afghanistan erlassen (Spruchpunkte IV. und V.). Gestützt auf die Bestimmung des § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, welche der Gerichtsabteilung W217 zugeteilt wurde.

Mit Bescheid vom 02.04.2019, Zl. XXXX , hob die belangte Behörde Spruchpunkte des Bescheides vom 22.02.2018, Zl. XXXX , gestützt auf die Bestimmung des § 68 Abs. 2 AVG auf. Der Spruch des Bescheides vom 02.04.2019 lautet wie folgt:

"I. Gemäß § 68 Abs. 2 AVG wird der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2018, GZ: XXXX , betreffend den Spruchpunkten IV., V. und VI., von Amts wegen aufgehoben.

II. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BVA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.

III. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist.

IV. Gemäß § 13 Absatz 2 Ziffer 1 Asylgesetz haben Sie Ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 06.02.2019 verloren.

V. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen Sie ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

VI. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über Ihren Antrag auf internationalen Schutz wird gemäß § 18 Absatz 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

VII. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise."

In der Begründung des Bescheides vom 02.04.2019 stützt sich die belangte Behörde darauf, dass der BF die österreichische Rechtsordnung missachtet hätte. Es sei bereits zweimal gegen ihn wegen unerlaubtem Umgang mit Suchtgift - § 27/1 SMG - Anzeige erstattet worden. Gegen ihn sei wegen § 27/2 SMG Anzeige erstattet worden, wobei diesbezüglich die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung zurückgetreten sei. Am 30.11.2015, 3 Wochen nach seiner Einreise, habe der BF den Brandmelder betätigt, obwohl keine Anzeichen eines Brandes bestanden hätten. Gegen ihn sei am 06.02.2019 durch die Staatsanwaltschaft XXXX Anklage wegen § 218 (1) Z 2 StGB (sexuelle Belästigung und öffentliche geschlechtliche Handlungen) erhoben worden. Es sei bereits mehrmals gegen ihn Verwaltungsstrafanzeige wegen aggressiven Verhaltens erstattet worden.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 13 AsylG sei dem BF am 26.02.2019 der Verlust seines legalen Aufenthaltsrechts in Österreich zur Kenntnis gebracht worden. Gleichzeitig sei ihm mitgeteilt worden, dass aufgrund der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft XXXX am 06.02.2019 die Erlassung eines Einreiseverbotes beabsichtigt sei. Mit demselben Schreiben sei ihm die Möglichkeit gegeben worden, sich zu allfälligen Änderungen hinsichtlich seiner Privat- und Familienverhältnisse binnen einer Frist von zwei Wochen zu äußern. Am 01.04.2019 sei ein Abschlussbericht der PI Traiskirchen vom 16.12.2015 aufgrund § 1 Notzeichengesetz samt Vernehmungsprotokoll eingelangt. Der BF habe von einer Stellungnahme Abstand genommen.

Nach Wiedergabe der Länderberichte zu Afghanistan und rechtlichen Erwägungen verwies die belangte Behörde auf die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung in der gegenständlichen Fallkonstellation. Auch im verfahrensabschließenden Bescheid vom 22.02.2018 sei bereits eine Rückkehrentscheidung erlassen worden, welche jedoch gegenwärtig noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Es sei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt worden, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Da das gegenständliche Einreiseverbot nur in Verbindung mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden könne, sei die noch nicht in Rechtskraft erwachsene Entscheidung gemäß § 68 Abs. 2 AVG abzuändern und ergänzend gegen ihn abermals eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen. Es sei zur Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG genannten Voraussetzungen die Abschiebung nach Afghanistan zulässig. Im Hinblick auf die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft XXXX wegen § 218 (1) Z 2 StGB sei ihm das Aufenthaltsrecht zu entziehen gewesen. Das BFA sei mit 06.02.2019 davon verständigt worden, woraus sich der Zeitpunkt des Verlustes des Aufenthaltsrechtes ergebe. Der Verlust des legalen Aufenthaltsrechtes sei dem BF mit Verfahrensanordnung am 26.02.2019 nachweislich mitgeteilt worden. Im Falle eines Freispruches, des Rücktritts der Staatsanwaltschaft von der Verfolgung oder der Einstellung des Strafverfahrens lebe das Aufenthaltsrecht rückwirkend wieder auf. Die Erlassung eines Einreiseverbotes in der vorgegebenen Dauer sei gerechtfertigt und notwendig, um die vom BF ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Einer allfälligen Beschwerde des BF sei die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. In der Rechtsmittelbelehrung dieses angefochtenen Bescheides wurde darauf verwiesen, dass eine Beschwerde keine aufschiebende Wirkung habe und der Bescheid trotz Beschwerdeerhebung vollstreckbar sei. Unter bestimmten Umständen habe das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen innerhalb von sieben Tagen nach Einlangen der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkennen. Mit Verfahrensanordnung vom 02.04.2019 wurde dem BF der Verein Menschenrechte Österreich als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid vom 02.04.2019 erhob der BF mit Schriftsatz vom 25.04.2019 Beschwerde iVm einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 18 Abs. 5 BFA-VG. Beantragt wurde die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides. Weiters wurde in eventu beantragt, die ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufzuheben und gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären, in eventu das gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG verhängte Einreiseverbot aufzuheben, in eventu die Dauer des auf fünf Jahre befristeten Einreiseverbotes angemessen herabzusetzen, allenfalls die Abschiebung gemäß § 46 FPG iVm § 50 Abs. 1 leg.cit. für unzulässig zu erklären, eine mündliche Verhandlung zur Verschaffung eines persönlichen Eindruckes über die Glaubwürdigkeit des BF anzuberaumen, jedenfalls der Beschwerde aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG im Hinblick darauf zuzuerkennen, dass eine sofortige Abschiebung nach Afghanistan eine reale Verletzung von Art. 2, 3 und 8 EMRK bedeuten würde und Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben.

Begründend wurde vorgebracht, dass der Anwendung der Bestimmung des § 68 Abs. 2 AVG enge Grenzen gesteckt seien. Es könnten dem Wortlaut dieser Bestimmung folgend nur Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen sei, von Amts wegen aufgehoben oder abgeändert werden. Daher wären belastende Abänderungen von Amts wegen, durch welche die Rechtslage für die Partei ungünstiger gestaltet werde, nicht durch die zitierte Bestimmung abgedeckt. Mit dem Ausspruch des Verlustes des Aufenthaltsrechtes und der Erlassung eines Einreiseverbotes gegen den BF infolge der Abänderung gemäß § 68 Abs. 2 AVG gehe unzweifelhaft eine Verschlechterung der Rechtsstellung des BF einher. Eine derartige Ermächtigung zur Abänderung in der aufgezeigten für den BF belastenden Form, wie dies durch den angefochtenen Bescheid erfolgt sei, sei durch die Bestimmung des § 68 Abs. 2 AVG jedenfalls nicht abgedeckt. Der BF sei bereits seit drei Jahren und fünf Monaten in Österreich. Er habe Deutschkurse besucht und in Österreich Freundschaften geschlossen. In Afghanistan habe er keine nahen Angehörigen. Seine gesamte Familie sei bei einem Raketenangriff auf ihr Haus ums Leben gekommen. Er habe zwar einen Onkel, der damals noch in Kabul gelebt habe, jedoch habe er mit ihm keinen Kontakt, weshalb nicht davon ausgegangen werden könne, dass er beim Onkel Unterstützung bekomme. Zudem sei die Sicherheitslage in Afghanistan und vor allem in Ghazni volatil. Ihm stehe mangels eines sozialen und familiären Netzwerkes in anderen Provinzen eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative nicht zur Verfügung. Eine sofortige Ausreise zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit iSd § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG sei nicht erforderlich. Eine derartige Gefährdung gehe von der Person des BF nicht aus, dass dieser mit einer unverzüglichen Ausreise und einem fünf Jahre befristeten Verbot vorgebeugt werden müsse.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im vorliegenden Fall kann ohne Prüfung des Sachverhaltes des der zuständigen Gerichtsabteilung W217 im Beschwerdeverfahren zum Bescheid der belangten Behörde vom 22.02.2018, Zl. XXXX , vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtaktes nicht ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung des BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Bestimmungen des Art. 3 EMRK bzw. des Art. 8 leg.cit. bedeuten würde. Eine Entscheidung über die Beschwerde gegen den gegenständlichen angefochtenen Bescheid vom 22.02.2019 durch die Gerichtsabteilung W217 kann daher erst nach Vorliegen und Studium des Verwaltungs- und Gerichtaktes der Gerichtsabteilung W217 abschließend erfolgen.

Der Beschwerde vom 25.04.2019 war daher gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W217.2191749.2.00

Zuletzt aktualisiert am

24.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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