TE Vfgh Beschluss 1997/2/24 B4005/96, B4006/96

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Veröffentlicht am 24.02.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines mit einem Rechtsirrtum über die Möglichkeit einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs begründeten Wiedereinsetzungsantrags; Abweisung des Verfahrenshilfeantrags als aussichtslos

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen zwei Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 9.5.1996, Z12/1218/1996, wird abgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.5.1996, ZVH 96/08/0041 ua., wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit seiner beim Verfassungsgerichtshof am 11. November 1996 eingelangten Eingabe begehrt der Einschreiter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschwerdeführung gegen zwei näher bezeichnete Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 9. Mai 1996.

Unter einem wird ein Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung von Beschwerde gegen diese beiden Bescheide sowie eines näher bezeichneten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes gestellt.

2. Den Wiedereinsetzungsantrag begründet der Wiedereinsetzungswerber im wesentlichen damit, daß er innerhalb offener Frist beim Verwaltungsgerichtshof Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt habe. Dieser Antrag sei jedoch mittels Beschluß vom 21. Mai 1996 mit der Begründung, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung als offenbar mutwillig erscheine, abgewiesen worden. Dieser Beschluß sei dem Einschreiter am 7. November 1996 zugestellt worden. Ihm sei bewußt, daß sein Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verfassungsgerichtshof verfristet ist. Er habe jedoch seinen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe beim zuständigen Gerichtshof eingebracht, da der Verwaltungsgerichtshof in seiner causa abzusprechen gehabt hätte. Der Wiedereinsetzungswerber meint, daß er darauf vertrauen durfte, daß der Verwaltungsgerichtshof zu einem Erkenntnis gelange. "Hätte der V(w)GH, wie es seine Pflicht gewesen wäre, entschieden, wäre mir, falls erforderlich, noch immer die Möglichkeit offengestanden, den Verfassungsgerichtshof anzurufen."

3. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

3.1.1. Gemäß §33 VerfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden.

3.1.2. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1981, 11706/1988).

3.1.3. Der Wiedereinsetzungswerber räumt selbst ein, daß er innerhalb der offenen Beschwerdefrist einen Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verfassungsgerichtshof hätte einbringen können. Er meint jedoch, daß ihm im Falle einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes immer noch die Möglichkeit offengestanden wäre, den Verfassungsgerichtshof anzurufen. Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer jedoch die Rechtslage: Gemäß Art144 Abs1 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, wobei Beschwerden erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden können. Nach §82 Abs1 VerfGG können Beschwerden gemäß Art144 Abs1 B-VG gegen einen Bescheid nur nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides erhoben werden. Weder durch die genannten noch durch sonstige Rechtsvorschriften wird dem Verfassungsgerichtshof (abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall des Art138 Abs1 litb B-VG) die Befugnis eingeräumt, über die Rechtmäßigkeit von Erkenntnissen und Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden. Ebensowenig ist es möglich, einen Bescheid nach Abschluß des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beim Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen, da die in §82 Abs1 VerfGG enthaltene Frist durch ein verwaltungsgerichtliches Verfahren weder unterbrochen noch gehemmt wird.

Der Wiedereinsetzungswerber mag in Unkenntnis der Rechtslage davon ausgegangen sein, daß die Anrufung des Verfassungsgerichtshofes nicht nur innerhalb der durch §82 Abs1 VerfGG festgelegten Frist, sondern auch nach einem abweisenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes möglich ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist aber ein Rechtsirrtum über das Bestehen einer Beschwerdemöglichkeit an den Verfassungsgerichtshof kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das nach den §33 und §35 Abs1 VerfGG iVm §146 Abs1 erster Satz ZPO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde (vgl. zB VfSlg. 12614/1991, 13243/1992, 13924/1994 und VfGH 19.6.1995, B2178/94). Es obliegt jedermann selbst, sich Kenntnis von außerordentlichen Rechtsschutzinstrumenten zu verschaffen (VfSlg. 13924/1994). Besondere Umstände, die den Wiedereinsetzungswerber an der fristgerechten Einbringung des Verfahrenshilfeantrages beim Verfassungsgerichtshof gehindert haben, werden weder geltend gemacht, noch sind solche dem Verfassungsgerichtshof erkennbar.

3.1.4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher abzuweisen.

3.2. Bei diesem Ergebnis war der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Beschwerdeführung gegen zwei näher bezeichnete Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 9. Mai 1996 abzuweisen, da bei der gegebenen Sach- und Rechtslage die Zurückweisung einer künftigen Beschwerde als verspätet zu gewärtigen wäre.

3.3. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1996, mit dem der Antrag des Einschreiters auf Verfahrenshilfe abgewiesen wurde, war abzuweisen, da mangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Überprüfung von Erkenntnissen und Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hiezu die Ausführungen unter 3.1.3) eine künftige Beschwerde zurückzuweisen wäre.

3.4. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz bzw. §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B4005.1996

Dokumentnummer

JFT_10029776_96B04005_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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