TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/7 W200 2167148-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2019
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Entscheidungsdatum

07.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W200 2167148-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. 01.01. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.07.2017, Zl. 1093371808-151672310, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.12.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die beschwerdeführende Partei führt nach eigenen Angaben den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der tadschikischen Volksgruppe und dem sunnitischen Glauben an, reiste am 02.11.2015 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung nannte er als Fluchtgrund, dass sein Vater früher in Afghanistan Kämpfer der Mujaheddin gewesen sei. Dieser sei dann, als er mit dem Kämpfen aufgehört hätte, von den Taliban verfolgt und bedroht worden. Die Taliban seien Gegner der Mujaheddin. Er sei auch von den Taliban bedroht worden. Ein Cousin sei von ihnen umgebracht worden.

Im Rahmen der Einvernahme beim BFA am 04.07.2017 wiederholte der Beschwerdeführer Tadschike und Sunnit zu sein. Er komme aus der Provinz Baghlan, hätte acht Jahre die Schule besucht, als Bauer gearbeitet und Musik gelernt. In seinem Herkunftsstaat würden noch seine Eltern, sechs Brüder, zwei Ehefrauen dieser Brüder und seine eigene Frau leben. Er hätte monatlich Kontakt zu seiner Familie.

Befragt, wann er erstmals gedanklich den Entschluss gefasst hätte Afghanistan zu verlassen, antwortete er, dass er gleich nach dem Vorfall den Entschluss gefasst hätte. Befragt, nach welchem Vorfall, antwortete er: "Der Vorfall ist mein Fluchtgrund.". Aufgefordert, seinen Fluchtgrund zu schildern, gab er an, dass er die Schule besucht hätte und sein Vater gearbeitet hätte. Zwei ältere Brüder seien beim afghanischen Militär, sein Vater sei Mitglied der Partei Hezebe Mojahedin. Sein Vater sei ziemlich alt und hätte nicht richtig arbeiten können. Er selbst sei jugendlich gewesen, als die Taliban gekommen seien. Diese hätten von jeder Familie eine Person für die Zusammenarbeit haben wollen. Da sein Vater zu alt und seine zwei Brüder nicht da gewesen seien, hätte er mit den Taliban arbeiten sollen. Auf dem Weg zur Schule sei er ständig von den Taliban gestört worden. Sie hätten ihn immer bedroht und gesagt, er solle mit ihnen zusammenarbeiten.

Danach hätte sein Vater gesagt, dass er nicht mehr zur Schule gehen solle und auf den eigenen Grundstücken arbeiten solle, damit die Taliban ihn nicht belästigen. Diese hätten sie aber nicht in Ruhe gelassen. Sie hätten in der Moschee anderen gesagt, dass er mit ihnen arbeiten solle. Und sie hätten auch ein Schreiben geschickt. Da das Arbeiten auf dem Feld sehr langweilig gewesen sei, hätte er sich drei Mal pro Woche mit Freunden getroffen und musiziert. Sein Vater hätte davon nichts gewusst. Irgendjemand hätte bei den Taliban verraten, dass er musiziere. Eines Tages, als er am Arbeiten gewesen sei, sei ein Nachbar gekommen und hätte gemeint, er solle sich mit den Taliban treffen, weil diese gehört hätten, dass er musiziere. Im Islam sei Musizieren verboten und sie hätten gesagt, dass er Illegales mache und kein Moslem mehr sei, obwohl sein Vater zu der Partei gehört hätte. Er hätte es nicht ernst genommen und sich mit niemandem getroffen. Eine Woche später hätte er den Flussabfluss säubern wollen, als er Motorradgeräusche gehört und dann gesehen hätte, dass die Motorräder auf ihn zufahren. Er hätte sofort an das Gespräch mit den Taliban gedacht, an dem er nicht teilgenommen hätte. Dann sei auf ihn geschossen worden. Er hätte den Kopf gesenkt, sei deswegen nicht getroffen worden und sei unter einer Mauer durch nach Hause geflüchtet. Er hätte es seiner Mutter erzählt und sei zu einem Freund gegangen. Am späten Abend hätte ihn dort sein Vater besucht, hätte ihm 5.000,-- Afghani gegeben und gesagt, dass er das Dorf verlassen solle. Sein Vater sei auch von den Leuten geschlagen worden. Sein Vater hätte diese Leute erkannt und sie hätten von ihm verlangt, dass er ihn finde. Der Beschwerdeführer sei dann weiter zu einem Verwandten nach Shahre Kohneh geflüchtet, er sei dort nur eine Nacht geblieben, da diese Angst gehabt hätten und auch sonst keiner Verwandter ihn aufnehmen hätte wollen. Daraufhin sei er mit dem Geld seines Vaters nach Nimroz gefahren. Mit einem Schlepper sei er in den Iran gekommen.

Die Taliban seien sehr wütend, da er musiziere und Musik spielen für die Taliban verboten sei. Deshalb hätten sie ihn umbringen wollen, weil sein Vater früher Kämpfer gewesen sei und er dessen Sohn sei und auch kämpfen solle. Daher hätten sie ihn umbringen wollen, da er Musik spiele und nicht mit ihnen zusammenarbeiten hätte wollen. Er hätte viele Videos auf XXXX und Facebook. Nach der Rückübersetzung der Einvernahme und einer zehnminutigen Pause antwortete der Beschwerdeführer auf die Frage, ob er jemals persönlich von den Taliban angesprochen worden sei: "Direkt wurde ich nicht angesprochen. Ich wurde angeschossen. Nur über die Moschee habe ich das erfahren.". Er hätte sie beim Schussvorfall an der Kleidung erkannt. Man hätte mehrmals auf ihn geschossen bei diesem einen Vorfall.

Befragt, ob er von den Taliban wegen des Musizierens verfolgt worden sei, antwortete er, dass diese am Anfang gewollt hätten, dass er mit ihnen zusammenarbeite. Als sie dann erfahren hätten, dass er musiziere, seien sie wütend geworden, weil er musiziere und nicht mit ihnen zusammenarbeite.

Befragt, ob nach der Ausreise noch etwas passiert sei bzw. die Taliban ihn noch weiterhin gesucht hätten, antwortete er, dass seine älteren Brüder nicht mehr nach Hause zurückgegangen seien, der jüngere sei in die Türkei geflüchtet und die jüngsten Brüder seien sieben und elf Jahre alt. Die beiden Brüder, die für das Militär arbeiten würden, würden im Iran und in der Türkei leben. Sein Vater sei nicht mehr Mitglied der Partei, da er in Pension sei. Früher hätte der Beschwerdeführer einen Facebook-Account gehabt, den hätte er aber vor drei bis fünf Tagen gelöscht.

Auf die Frage, wo das Schreiben sei, das er von den Taliban erhalten hätte, antwortete er, dass er nicht gewusst hätte, dass er das irgendwann brauchen würde. Er hätte die Sache nicht ganz ernst genommen. Das Schreiben sei eigentlich an seinen Vater geschickt worden mit dem Inhalt, dass der Beschwerdeführer jetzt ein junger Mann sei und mit ihnen zusammenarbeiten solle und nach Baghlan gehen solle. Diese hätten gewollt, dass er gegen die Regierung kämpfe oder für sie Selbstmordattentate begehe. Das Schreiben hätte er drei Monate vor seiner Ausreise erhalten.

Befragt, wie er dieses Schreiben erhalten hätte, antwortete er:

"Normalerweise haben sie das in der Moschee hinterlegt, damit die Leute es dort dem Empfänger übermitteln oder zustellen.".

Darauf hingewiesen, dass er gesagt hätte, auf dem Schulweg von den Taliban gestört worden zu sein und befragt, wie sich das abgespielt hätte, antwortete er, von anderen Kindern gehört zu haben, dass sie ihn suchen würden und er deswegen einen Umweg gegangen sei. Auf die Frage, ob er das nie persönlich gehört oder gesehen hätte, antwortete er, zu wissen, dass die Taliban keinen Spaß machen, sondern einen direkt mitnehmen würden. Er selbst hätte nie einen persönlichen Kontakt mit den Taliban gehabt, außer als er beschossen worden sei.

Befragt, warum sein Vater ein Problem mit dem Musizieren hätte, antwortete er, dass sein Vater von den anderen Leuten aus dem Dorf beschimpft worden sei, als er musiziert hätte, weil dies sehr religiöse Leute seien.

Befragt, ob er sich jemals überlegt hätte, mit dem Musizieren aufzuhören, antwortete er, ohne Musik nicht leben zu können. Er freue sich auch sehr, dass die Leute hier ihn sehr motivieren würden.

Mit Bescheid des BFA vom 21.07.2017 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan abgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei und ihm eine freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung gewährt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, die im Wesentlichen mit der inhaltlichen Rechtswidrigkeit sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens begründet wurde. Im Wesentlichen bekräftigte der Beschwerdeführer sein bisheriges Vorbringen und gab an, dass ihm die Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage nicht zumutbar sei. Überdies verfüge er über kein soziales Netzwerk, das ihm Unterstützung bieten könne. Zudem drohe ihm Verfolgung als Rückkehrer aus Europa und Tadschike. Der Beschwerdeführer legte überdies Unterlagen bei.

Der Beschwerdeführer reiste am 14.08.2017 in das deutsche Hoheitsgebiet ein und wurde mit Bescheid vom 14.08.2017 die Ausreisepflicht festgestellt und eine Ausreisefrist festgesetzt sowie die sofortige Vollziehung der Anordnung ausgesprochen.

Im Rahmen der am 20.12.2018 durchgeführten öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung schilderte er nach seinem Ausreisegrund befragt, dass der Grund für die Ausreise sei, dass er Musiker wäre. Musik zu spielen sei in Afghanistan verboten.

Befragt, wieso er dies erst als zweiten Fluchtgrund geltend gemacht hätte und primär einen anderen Grund genannt hätte, antwortete er, dass sein Vater ein Mujaheddin gewesen sei. Von der Familie sei verlangt worden, dass ein Sohn eines Mujaheddin, wenn er erwachsen geworden sei, auch am Jihad teilnehmen müsse. Die Taliban hätten zu ihm gesagt, dass sein Vater ein Mujaheddin gewesen sei. Weil er Musiker sei, hätten sie ihn als Ungläubigen bezeichnet. Sie hätten gesagt, dass er kein Moslem mehr sei, er an der Seite der Taliban kämpfen müsse. Die Taliban hätten gewollt, dass er Selbstmordattentate in Moscheen begehe. Befragt, woher er wisse, dass die Taliban von ihm Selbstmordattentate wollten, antwortete er, dass dies ein Beispiel sei.

Befragt, was die Taliban konkret von ihm gewollt hätten, antwortete er, dass die Taliban im achten Monat 2015 mitbekommen hätten, dass er Musiker sei. Er hätte auf Hochzeiten gespielt. Jemand hätte die Taliban informiert, dass er Musiker sei. Die Taliban hätten das mitbekommen, jemanden zu ihm geschickt, dass er zu den Taliban gehen solle, weil diese mit ihm reden hätten wollen. Er hätte ihn informiert, dass die Taliban wüssten, dass er Musiker sei. Er hätte sich binnen einer Woche bei den Taliban melden müssen.

In weiterer Folge wird zum besseren Verständnis die Verhandlungsschrift wortwörtlich wiedergegeben:

"RI: Das war das 1. Problem, das Sie mit den Taliban hatte?

BF: Ja. Sie haben es vorher nicht gewusst, dass ich Musiker bin, ich war vorher nicht unter Druck.

RI wiederholt die Frage.

RI: Ich will exakte Antworten auf meine Fragen.

BF: Früher habe ich auch Probleme mit den Taliban gehabt. Es war nicht so ernst wie dieses Mal.

RI: Wann waren die ersten Probleme mit den Taliban, wo und warum?

BF: Das erste Mal war im vierten oder fünften Monat 2015. Damals wurde in unserer Moschee Zettel verteilt, dass die Söhne oder die Kinder von Mujahed, die groß geworden sind, für die Taliban kämpfen müssen. Auf diesem Zettel war mein Name als erster Name.

RI: Sie haben beim BFA gesagt "Auf dem Weg zur Schule wurde ich ständig von den Taliban gestört. Und sie haben mich immer bedroht und gesagt, ich solle mit ihnen zusammenarbeiten." Wieso sagen Sie das heute nicht?

BF: Ich habe eine kürzere Version davon gesagt. Ich erinnere mich an alle Probleme. Ich habe die Probleme heute erwähnt, die wichtig waren.

RI: Sie haben beim BFA gesagt, Auf dem Weg zur Schule wurde ich ständig von den Taliban gestört. Und sie haben mich immer bedroht und gesagt, ich solle mit ihnen zusammenarbeiten." War das so oder war das nicht so?

BF: Genau, das stimmt.

RI: Wie hat sich das abgespielt?

BF: Als ich von der Schule nach Hause wollte, sind die Taliban zu mir gekommen und sie haben mit mir gesprochen, dass wir bereit sein sollen, weil wir groß geworden sind.

RI: Waren mehrere Schulkinder unterwegs oder nur Sie?

BF: Als sie mit mir gesprochen haben, waren wir allein. Die Schule haben mehrere verlassen, sie sind geflüchtet. Wir waren mehrere in der Schule, die groß geworden sind. Wir, gemeint die anderen der Schule, die groß geworden sind, aber die Taliban haben mit jedem alleine gesprochen.

RI: Sie waren am Heimweg als Kind: Wie viele Männer sind auf Sie zugekommen, wie hat sich das abgespielt?

BF: Damals war ich ca. 17/18 Jahre alt. Sie waren zu zweit. Sie haben einen Turban weiß getragen. Sie haben es so gespielt, als ob sie Mullahs wären. Sie haben zu mir gesagt, dass ich langsam groß geworden bin und mein Vater auch ein Mujahed war und dass ich auch bereit sein soll und weil wir das wollen, soll ich mitgehen und für sie kämpfen.

RI: Können Sie sich noch an die Einvernahme beim BFA erinnern?

BF: Ja.

RI: Sie haben in derselben Einvernahme auf die Frage "Wurden Sie jemals persönlich von den Taliban angesprochen?" gesagt "Direkt

wurde ich nicht angesprochen. .... Nur über die Moschee habe ich das

erfahren." Was sagen Sie dazu?

BF: Beides ist passiert. Ich wurde über die Moschee informiert und ich habe persönlich mit ihnen gesprochen.

RI: Sie haben heute gesagt, dass in der Moschee Zettel verteilt wurden, wo Ihr Name als Erstes darauf war, stimmt das?

BF: Ja. Genau.

RI: Ist jemals jemand mit Ihrem Vater in Kontakt getreten persönlich?

BF: Vielleicht ja. Ich weiß es nicht genau. Mein Vater hat mit mir darüber nicht gesprochen. Weil ich sehr jung war und dass ich keine Angst bekomme.

RI: Wie wurden Sie darüber informiert, dass Sie für die Taliban arbeiten sollen?

BF: Ich war auf den Feldern. Ich habe auf den Feldern gearbeitet. Ich habe eine Woche Zeit bekommen. Ich bin innerhalb der Woche nicht zu ihnen gegangen. Wie gesagt, ich war auf den Feldern und ich habe ein Motorrad gehört. Ich habe gewusst, dass ich eine Zeit bekommen habe. Die Grundstücke sind private Grundstücke. Kein anderer kann zu mir kommen. Ich war mir ganz sicher, dass es sich um sie gehandelt hat. Ich habe von der Ferne gesehen, dass Motorräder zu mir unterwegs waren. Auf jedem waren 2 Personen, man konnte sehen, um wen es sich handelt. Es gab dort eine Mauer. In der Nähe war ein Bach. Ich war beschäftigt, diesen Bach zu säubern. Ich habe gewusst, dass es sich um Taliban handelt. Auf mich wurde geschossen. Ich habe mich im Bach versteckt. In dieser Mauer war ein Loch, worüber ich geflüchtet bin. Über diesem Loch bin ich zu unserem Haus gekommen. Meine Mutter fragte, was los ist, was passiert ist. Ich sagte, dass auf mich geschossen wurde. Sie sagte, dass ich schnell flüchten soll, weil sie können gleich bei uns sein.

RI: Welche Varianten gab es noch?

BF: Als der Zettel in der Moschee verteilt wurde. Sie verlangten, dass ich für sie kämpfen muss.

RI: Wurden die Zettel vorgelesen, was ist mit den Zetteln passiert?

BF: Mein Vater hat immer die Moschee besucht, ich wurde auch gezwungen, mitzugehen.

RI: Was ist mit den Zetteln passiert, Ihr Name ist auf den Zetteln gestanden?

BF: Der Zettel wurde vom Mullah gelesen.

RI: In der Öffentlichkeit oder im Einzelnen?

BF: Zu zweit. Der Mullah hat es zu meinem Vater gesagt. Er hat mir nie die Wahrheit gesagt, weil er dachte, dass ich Angst hatte.

RI: Woher wissen Sie es dann, wenn er es Ihnen nicht gesagt hat?

BF: Als mein Vater gehört hat, was auf dem Zettel steht, hat er nicht mehr erlaubt, dass ich die Schule besuche.

RI wiederholt die Frage.

RI: Woher wissen Sie es, wenn es Ihr Vater Ihnen nicht gesagt hat?

BF: Mein Vater hat nicht über alles mit mir gesprochen. Er hat gesagt, dass ein Zettel in der Moschee gelandet ist. Er hat nicht über alles mit mir gesprochen, dass ich keine Angst bekomme.

RI: Sie wissen von Ihrem Vater nur, dass ein Zettel mit Ihrem Namen in der Moschee gelandet ist?

BF: Die Sachen, die laut meinem Vater sehr wichtig waren, wurde mit mir besprochen, dass ich mich in einer gefährlichen Situation befinde und nicht hinausgehen darf. Ich rede über meine eigenen Probleme. Ich rede nicht über die Probleme meines Vaters.

RI: Dann ist das Ihr Problem und nicht das Problem Ihres Vaters, wenn Ihr Name auf einem Zettel der Taliban steht.

BF: Als auf mich geschossen wurde, habe ich an dem Tag die Taliban selbst gesehen.

RI: Was ist danach passiert, als Sie zu Hause bei Ihrer Mutter waren?

BF: Als meine Mutter zu mir gesagt hat, dass ich schnell gehen soll, ging ich zu einem Freund. Meine Musikinstrumente waren auch bei diesem Freund.

RI: Wie ist es weitergegangen?

BF: Der Freund hat gefragt, was passierte. Ich habe ihm die Geschichte erzählt. Mein Vater wusste, dass ich bei diesem Freund bin, er wusste nicht, dass wir dort gemeinsam musizieren. Als ich zu meinem Freund gegangen bin, sind die Taliban zu uns gekommen, zum Haus des Vaters, er wurde von ihnen viel geschlagen. Er ist verpflichtet, mich den Taliban zur Verfügung zu stellen. Nach kurzer Zeit ist mein Vater zu mir gekommen. Er hat mir 5.000 Afghani gegeben, dass ich gehen soll. Dass er mir später noch Geld gibt, dass ich Afghanistan verlassen kann.

RI: Warum wollten die Taliban gerade Sie?

BF: Weil ich Musik gespielt habe. Mir wurde gesagt, dass Musikspielen Haram ist. Statt Musik zu spielen, soll ich eine Zeit für die Taliban kämpfen. Wie ich bereits gesagt habe: Meine Probleme haben mit den Taliban extrem zugenommen. Ich war Musiker. Das war der Grund meiner Probleme.

RI: Wieso sagen Sie heute nicht, dass Ihre älteren beiden Brüder beim Militär waren, Sie der älteste Sohn vor Ort waren und Sie deswegen von den Taliban rekrutiert werden sollten? Das haben Sie beim BFA als Erstes gesagt.

BF: Ja. Das stimmt. Das Problem mit den Taliban ist erst dann ernst genommen worden, weil Musik verboten und Haram ist.

RI: Warum sollten sich die Taliban jemandem zum Kämpfen nehmen, der ihre Regeln nicht einhält. Wäre ich ein Taliban, würde ich Sie umbringen, aber nicht als meinen Kämpfer rekrutieren.

BF: Vielleicht wollten sie mich umbringen. Sie versuchten es. Vielleicht war es ein Trick, dass ich zu ihnen gehe und sie könnten mich leicht erwischen.

BFV: Wer hat zu diesem Zeitpunkt im Haushalt gelebt, wo das alles passiert ist?

BF: Meine Eltern, ich. Drei jüngere Brüder.

BFV: Wurden auch andere Jugendliche angesprochen von den Taliban?

BF: Angesprochen schon, aber nicht so ernst wie in meinem Fall.

BFV: Was meinen Sie damit mit "nicht so ernst wie in meinem Fall"? Wie wurden die anderen Jugendlichen angesprochen?

BF: Die Taliban waren sehr ernst mit mir, weil ich Musiker war.

RI: Wie ist der Unterschied des Umgangs der Taliban mit Ihnen und den anderen gewesen?

BF: Nicht ernst ist so gemeint: Die Taliban sind nicht zu denen nach Hause gegangen.

RI: Haben die Taliban überhaupt mit denen gesprochen?

BF: In Moscheen wurde öfters mit den Vätern gesprochen. Zettel wurden verteilt.

RI: Machen Sie den Unterschied daran fest, dass sie nicht zu Hause bei denen aufgetaucht sind?

BF: Ja.

BFV: Gab es auch Jugendliche, die freiwillig mitgegangen sind, nach diesem Gespräch mit den Vätern?

BF: Ja. Ob sie freiwillig oder aus Angst mitgegangen sind, weiß ich nicht. Das kann ich nicht beurteilen.

RI: Sie sagen, dass Ihr Musizieren zu Problemen geführt hat. Haben Sie öffentlich vor Publikum musiziert?

BF: Ja.

RI: Wo? Wann?

BF: Viele jungen Leute, nicht nur ich. Nicht in Anwesenheit der älteren Generation. Auf Geburtstagen und Hochzeiten habe ich gespielt. Meistens habe ich alleine gespielt. Wenn ich einen Trommler gefunden habe, habe ich diesen mitgenommen. Ich selbst spielte Ghichak, Danbura (Saiteninstrumente) und Tabla teilweise (Trommler)

RI: Haben Sie auf offener Straße oder im Park gespielt?

BF: Auf der Straße nicht. Wir waren immer in geschlossenen Räumlichkeiten.

RI: Haben Sie damit Geld verdient?

BF: Ich wollte das Geld nicht. Es war meine Leidenschaft. Aber es gab Leute, welche freiwillig mir Geld gegeben haben. Ich selbst habe mir die Instrumente beigebracht.

RI: Wie haben Sie die Griffe gelernt?

BF: Ich habe einen Kopfhörer genommen und Musik gehört. 7 Jahre habe ich selbst gelernt. In Afghanistan kann man Instrumente kaufen. Meine Freunde, die auch Chauffeure arbeiteten, habe ich gebeten, dass sie mir die Instrumente besorgen. Ich habe sie selbst gekauft. Mein Vater wusste davon nichts.

RI: Hat Ihr Vater das Üben nicht gehört?

BF: Mein Musikinstrument war beim Freund. Ich hatte 2 Musikinstrumente, beide waren beim Freund.

RI: Wussten Ihre Eltern, dass Sie Instrumente spielen?

BF: Jetzt schon. Sie sind sehr wütend auf mich. Damals wussten sie es nicht.

RI: Wer wusste dann, dass Sie die Instrumente spielen?

BF: Ein paar Freunde von mir, die Musik geliebt haben, haben das gewusst. Die Veranstaltungen, wo ich gespielt habe, wurden von ihnen organisiert.

RI: Wie viele Leute wussten vom Musizieren?

BF: Die jüngere Generation von unserer Ortschaft, sie haben es alle gewusst.

RI: Wo gibt es Videos von Ihnen? Gibt es welche aus Afghanistan? Man konnte Sie auch auf Facebook nicht finden.

BF: Aus Afghanistan habe ich keine Videos. Ich habe immer gebeten, dass es nicht aufgenommen wird. Als ich die Türkei erreicht habe, wurden wir vom Schlepper in einen Raum gebracht. Ich sah dort eine Tambura. Die Leute fragten, ob jemand Tambura spielen kann. Ich habe Tambura längere Zeit nicht gespielt. Dort habe ich gespielt und es wurde dort aufgenommen.

RI: Wie viele Videos von Ihnen gibt es im Internet?

BF: 3, 4 Videos habe ich selbst auf XXXX hochgeladen. Wie viele von anderen hochgeladen wurde, weiß ich nicht.

Eine Internet-Recherche von RI, D und BFV ergab, dass auf XXXX

Zwei Videos wurden vor einem Jahr, ein Video vor fünf Monaten hochgeladen. 2 Videos erst nach Verhandlungsausschreibung, vor 3 bzw. 4 Wochen.

RI: Was sagt Ihre Familie zu Ihrem Musizieren?

BF: Sie sind streng dagegen.

RI: Ist Ihre Familie streng religiös?

BF: Ja.

RI: Sie nicht?

BF: Manchmal schon, manchmal nicht. Ich kann meinen religiösen Verpflichtungen nicht immer nachkommen.

RI: Wer würde Ihnen im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan etwas antun?

BF: Wenn ich nach Afghanistan zurückkehren muss, lässt mich mein Vater nicht nach Hause kommen und die Taliban werden mich umbringen. Ich habe in Europa gelebt. Sie werden mich beschuldigen, dass ich kein Moslem mehr bin.

BFV: Warum ist Ihr Vater so gegen diese Musik?

BF: Er ist streng religiös, er ist so wie ein Mullah. Er mag so etwas nicht. Mein Vater glaubt, dass es das Schlimmste vom Schlimmen ist, was ich mache.

RI: Sind Sie gesund?

BF: Ja.

RI: Haben Sie noch Familie oder Verwandte in Afghanistan? Wo leben die Verwandten?

BF: Sie leben in Baghlan.

RI: Stehen Sie mit Ihrer Familie in Kontakt?

BF: Nicht immer. Selten. Manchmal spricht mein Vater mit mir. Als er mitbekommen hat, dass ich musiziere, spricht er mit mir nicht mehr wie früher.

RI: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF: Nein.

RI: Sprechen Sie Deutsch?

BF (ohne Übersetzung auf Deutsch): Ich verstehe Sie, wenn Sie langsam sprechen.

RI: Was machen Sie hier in Österreich?

BF (ohne Übersetzung auf Deutsch): Ich habe 7 Monate im Kindergarten gearbeitet. Ich gehe in den Deutschkurs. Seit 1 oder 2 Wochen ist mein Deutschkurs zu Ende. Ich habe keine Prüfung gemacht. Jetzt muss ich noch warten.

RI: Was machen Sie sonst noch hier in Österreich?

BF (ohne Übersetzung auf Deutsch): Ich mache Musik auch. Auch Arbeit. Mein Leben ist die Musik.

RI: Die afghanischen Instrumente?

BF (ohne Übersetzung auf Deutsch): Ja.

BF: Mit Hilfe des D: Mein Wunsch ist, dass ich singen lernen kann auf Deutsch. Es wird schwierig sein, mit diesem Musikinstrument Deutsch zu singen.

RI: Möchten Sie noch etwas vorbringen, was Ihnen für Ihren Asylantrag wichtig erscheint und Sie noch nicht vorgebracht haben?

BF: Das war alles.

RI: Haben Sie den Dolmetscher gut verstanden?

BF: Ja.

(...) Als Entscheidungsgrundlage werden von der RI das länderkundliche GA vom 14.12.2014, W124 1434273-3 zum Thema "Lernen von Musik, Musizieren bei Hochzeiten, Feiern, Musik im Islam - Sufismus, Hat man in Afghanistan mit Sanktionen zu rechnen?" und die ACCORD-Anfragebeantwortung zur Lage von Musikerinnen, a-9728-v2 vom 22.7.2016 sowie zur Situation von Künstlern, a-1084, vom 15.2.2018 in das Verfahren eingebracht."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, Tadschike, Sunnit, verheiratet, gesund, spricht Dari als Muttersprache, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er stammt aus der Provinz Baghlan und hat dort sein gesamtes Leben bis zu seiner Ausreise verbracht und mit seiner afghanischen Familie (Vater, Mutter, Ehefrau, sechs Brüder, zwei Schwägerinnen) im gemeinsamen Familienverband zusammengelebt. Er ist mit den kulturellen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut. Er ist acht Jahre lang in die Schule gegangen und hat sodann als Landwirt die eigenen Felder bewirtschaftet.

Seine Kernfamilie lebt nach wie vor in Baghlan. Er hat regelmäßig Kontakt zu ihr. Es kann jedoch nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass ihn diese bei einer Rückkehr finanziell unterstützen würde.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine gegen ihn gerichtete Verfolgung oder Bedrohung durch staatliche Organe oder durch Private, sei es vor dem Hintergrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung zu erwarten hätte. Es wird insbesondere festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht von den Taliban bedroht bzw. attackiert wurde und auch nicht in Afghanistan als Musiker tätig war, sondern erst in Österreich mit dem gelegentlichen Musizieren begonnen hat und er nach wie vor ein Anfänger ist. Ihm droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch keine individuelle Verfolgung durch seinen Vater oder seine Familie.

Des Weiteren droht ihm auch keine konkrete und individuelle Verfolgung aufgrund der Tatsache, dass er in Europa gelebt hat. Gleichsam wird festgestellt, dass nicht jedem afghanischen Rückkehrer aus Europa physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

Zudem hatte er in Afghanistan auch keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit. Der Beschwerdeführer würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan nicht aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken verfolgt werden.

Der Beschwerdeführer war daher in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates nicht glaubhaft dargetan. Es ist nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung Verfolgung droht.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Eine Rückkehr in seine Heimatprovinz Baghlan ist dem Beschwerdeführer aufgrund der dortigen Sicherheitslage nicht zumutbar. Dem Beschwerdeführer steht aber eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung. Er ist jung, gesund, arbeitsfähig und hat Berufserfahrung durch seine Tätigkeiten als Landwirt.

Der Beschwerdeführer hält sich nachweislich seit November 2015 in Österreich auf. Im Bundesgebiet verfügt er über keine Familienangehörige und hat keine sonstigen intensiven sozialen Kontakte. Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse besucht und verfügt über grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache. Er hat jedoch keine Deutschprüfung positiv absolviert. Er hat im Juli 2017 und von November 2017 bis April 2018 gemeinnützige Tätigkeiten im Ausmaß von ca. 20 Stunden monatlich in einer Marktgemeinde ausgeübt. Er hat eine Einstellungszusage vorgelegt. Er lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Zu Afghanistan:

1. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017). Ein Großteil der zivilen Opfer waren schiitische Muslime. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017; vgl. UNAMA 2.2018). Es wurden aber auch Angriffe auf sunnitische Moscheen und religiöse Führer ausgeführt (TG 20.10.2017; vgl. UNAMA 7.11.2017)

Diese serienartigen und gewalttätigen Angriffe gegen religiöse Ziele, haben die afghanische Regierung veranlasst, neue Maßnahmen zu ergreifen, um Gebetsstätten zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempel vor Angriffen zu schützen (UNGASC 20.12.2017).

Zur Veranschaulichung werden im Folgenden auszugsweise einige Beispiele von Anschlägen gegen Gläubige und Glaubensstätten wiedergegeben (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit)

* Angriff auf Treffen der Religionsgelehrten in Kabul: Am 4.6.2018 fand während einer loya jirga zwischen mehr als 2.000 afghanischen Religionsgelehrten, die durch eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aufriefen, ein Selbstmordanschlag statt. Bei dem Angriff kamen 14 Personen ums Leben und weitere wurden verletzt (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 5.6.2018). Quellen zufolge bekannte sich der IS zum Angriff (Reuters 5.6.2018; vgl. RFE/RL 5.6.2018).

* Angriff auf Kricket-Stadion in Jalalabad: Am 18.5.2018, einem Tag nach Anfang des Fastenmonats Ramadan, kamen bei einem Angriff während eines Kricket-Matchs in der Provinzhauptstadt Nangarhars Jalalabad mindestens acht Personen ums Leben und mindestens 43 wurden verletzt (TRT 19.5.2018; vgl. Tolonews 19.5.2018, TG 20.5.2018). Quellen zufolge waren das direkte Ziel dieses Angriffes zivile Zuschauer des Matchs (TG 20.5.2018; RFE/RL 19.5.2018), dennoch befanden sich auch Amtspersonen unter den Opfern (TNI 19.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich keine regierungsfeindliche Gruppierung zum Angriff (RFE/RL 19.5.2018); die Taliban dementierten ihre Beteiligung an dem Anschlag (Tolonews 19.5.2018; vgl. TG 20.5.2018) .

* Selbstmordanschlag während Nowruz-Feierlichkeiten: Am 21.3.2018 (Nowruz-Fest; persisches Neujahr) kam es zu einem Selbstmordangriff in der Nähe des schiitischen Kart-e Sakhi-Schreins, der von vielen afghanischen Gemeinschaften - insbesondere auch der schiitischen Minderheit - verehrt wird. Sie ist ein zentraler Ort, an dem das Neujahrsgebet in Kabul abgehalten wird. Viele junge Menschen, die tanzten, sangen und feierten, befanden sich unter den 31 getöteten; 65 weitere wurden verletzt (BBC 21.3.2018). Die Feierlichkeiten zu Nowruz dauern in Afghanistan mehrere Tage und erreichen ihren Höhepunkt am 21. März (NZZ 21.3.2018). Der IS bekannte sich auf seiner Propaganda Website Amaq zu dem Vorfall (RFE/RL 21.3.2018).

* Angriffe auf Moscheen: Am 20.10.2017 fanden sowohl in Kabul, als auch in der Provinz Ghor Angriffe auf Moscheen statt: während des Freitagsgebets detonierte ein Selbstmordattentäter seine Sprengstoffweste in der schiitischen Moschee, Imam Zaman, in Kabul. Dabei tötete er mindestens 30 Menschen und verletzte 45 weitere. Am selben Tag, ebenso während des Freitagsgebetes, griff ein Selbstmordattentäter eine sunnitische Moschee in Ghor an und tötete 33 Menschen (Telegraph 20.10.2017; vgl. TG 20.10.2017).

* Tötungen in Kandahar: Im Oktober 2017 bekannten sich die afghanischen Taliban zu der Tötung zweier religiöser Persönlichkeiten in der Provinz Kandahar. Die Tötungen legitimierten die Taliban, indem sie die Getöteten als Spione der Regierung bezeichneten (UNAMA 7.11.2017).

* Angriff auf schiitische Moschee: Am 2.8.2017 stürmten ein Selbstmordattentäter und ein bewaffneter Schütze während des Abendgebetes die schiitische Moschee Jawadia in Herat City; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet (BBC 3.8.2017; vgl. Pajhwok 2.8.2017). Insgesamt war von 100 zivilen Opfer die Rede (Pajhwok 2.8.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 3.8.2017).

* Entführung in Nangarhar: Die Taliban entführten und folterten einen religiösen Gelehrten in der Provinz Nangarhar, dessen Söhne Mitglieder der ANDSF waren - sie entließen ihn erst, als Lösegeld für ihn bezahlt wurde (UNAMA 7.11.2017).

* In der Provinz Badakhshan wurde ein religiöser Führer von den Taliban entführt, da er gegen die Taliban predigte. Er wurde gefoltert und starb (UNAMA 7.11.2017).

Angriffe auf Behörden zur Wahlregistrierung:

Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018). Es folgt eine Auflistung der größten Vorfälle:

* Bei einem Selbstmordanschlag auf ein für die Wahlregistrierung errichtetes Zelt vor einer Moschee in der Provinz Khost kamen Quellen zufolge am 6.5.2018 zwischen 13 und 17 Menschen ums Leben und mindestens 30 weitere wurden verletzt (DW 6.5.2018; vgl. Tolonews 6.5.2018, AJ 6.5.2018).

* Am 22.4.2018 kamen in der Nähe einer Behörde zur Wahlregistrierung in Pul-e-Khumri in der Provinz Baghlan sechs Menschen ums Leben und fünf weitere wurden verletzt; bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 22.4.2018; vgl. NZZ 22.4.2018).

* Am 22.4.2018 kamen vor einer Behörde zur Wahlregistrierung in Kabul 60 Menschen ums Leben und 130 wurden verletzt. Der Angriff fand im mehrheitlich aus ethnischen Hazara bewohnten Kabuler Distrikt Dacht-e-Barchi statt. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag, der gegen die "schiitischen Apostaten" gerichtet war (USIP 24.4.2018; vgl. Slate 22.4.2018).

Zivilist/innen

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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