TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/9 W260 2149745-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.05.2019
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Entscheidungsdatum

09.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs3
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W260 2149745-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg vom 10.02.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer") reiste illegal ins Bundesgebiet ein und hat am 20.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

2. Bei der Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.06.2015 gab der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe Afghanistan auf Anraten seines Vaters aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Außerdem sei die Sicherheitslage sehr schlecht. Zu seinen allgemeinen Lebensumständen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er der Volksgruppe der Hazara angehöre und schiitischer Moslem sei. Er habe neun Jahre lang die Schule besucht und eine KfZ- Lehre begonnen. Der Beschwerdeführer stamme aus dem Dorf Sheshpar im Distrikt Jaghori, Provinz Ghazni. Seine Eltern, Brüder und Schwester, würden noch in Afghanistan leben. Der Beschwerdeführer habe Afghanistan vor ungefähr drei Monaten verlassen und sei über den Iran, die Türkei und weitere Staaten nach Österreich gelangt.

3. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 13.10.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden "belangte Behörde") im Beisein seiner gesetzlichen Vertreterin sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari, niederschriftlich einvernommen.

Dabei bestätigte er zusammengefasst, wie in der Erstbefragung ausgeführt, seine Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit sowie Herkunftsprovinz. Er gab an, dass er gesund sei. Er habe aber von Geburt an Probleme mit den Augen, konkret schiele er. Im Jänner werde er daher am linken Auge operiert.

Die Familie des Beschwerdeführers lebe mittlerweile in der Kleinstadt Nawabad nahe der Stadt Ghazni. Die Familie wohne in einem Mietshaus. Der Vater sei Taxifahrer. Der Beschwerdeführer habe zwei bis drei Mal pro Monat telefonischen Kontakt zu seiner Familie.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer kurz zusammengefasst an, dass es in seiner Heimatstadt eine terroristische Gruppierung namens "Haqqani" gegeben habe, die Jugendliche angeworben habe, um sie in Pakistan zu Selbstmordattentätern auszubilden. Man habe diese Jugendlichen nie mehr gesehen. Bei einem Besuch mit seinem Vater in der Moschee haben drei bärtige Männer seinen Vater angesprochen und den Beschwerdeführer mitnehmen wollen. Der Vater habe dies natürlich keinesfalls gewollt, sich aber zum Schein Bedenkzeit erbeten und sich dann entschlossen, den Beschwerdeführer schlepperunterstützt außer Landes bringen zu lassen. Der Zwillingsbruder des Beschwerdeführers gehe im Heimatort zur Schule. Dieser habe noch kein Angebot von den Terroristen bekommen.

In Österreich lerne der Beschwerdeführer Deutsch, bereite sich auf den Pflichtschulabschluss vor und sei Mitglied in einem Box- und Gymnastikverein.

Der Beschwerdeführer legte ein Konvolut an Integrationsunterlagen vor.

4. Mit Schreiben vom 27.10.2016 gab der Beschwerdeführer, durch seine gesetzliche Vertretung, eine Stellungnahme zu den von der belangten Behörde ins Verfahren eingebrachten Länderberichten zu Afghanistan ab.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.02.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle der Rückkehr führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnte. Das Vorbringen sei widersprüchlich. Außerdem habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können, weshalb er von einer terroristischen Organisation angeworben worden sein sollte, sein Zwillingsbruder aber diesbezüglich keine Probleme habe und nach wie vor unbehelligt in Afghanistan lebe. Der Beschwerdeführer sei ein junger und - abgesehen von seiner Fehlsichtigkeit - gesunder Mann im arbeitsfähigen Alter, der über ein familiäres Netzwerk in Afghanistan verfüge. Unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers sei zusammengefasst davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in keine aussichtslose Lage gedrängt werde, die eine solche Rückkehr unzumutbar erscheinen lasse; seine Grundversorgung sei gewährleistet.

6. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Rechtsberatung fristgerecht Beschwerde, wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Fluchtvorbringen und führte begründend zusammengefasst aus, es sei nur Zufall, dass sein Zwillingsbruder und sein jüngerer Bruder nicht in die Moschee mitgegangen seien und deshalb zunächst nicht in das Visier der "Haqqani"-Mitglieder geraten seien. Aus Sorge vor weiterer Verfolgung, weil der Vater sein Versprechen den "Haqqani"-Mitgliedern gegenüber gebrochen und dem Beschwerdeführer zur Flucht verholfen habe und aus Angst um die Brüder des Beschwerdeführers sei die ganze Familie gleich nach dem Vorfall nach Nawabad geflüchtet. Der Beschwerdeführer machte geltend, dass die belangte Behörde ihrer umfassenden Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei und dem Beschwerdeführer Widersprüche vorgehalten habe, die bei genauerer Betrachtung und Hinterfragung der Umstände gar keine seien. Wenn dem Beschwerdeführer vorgehalten werde, dass er angegeben habe, sein Zwillingsbruder halte sich im "Elternhaus" auf, so meine er natürlich, dass dieser bei den Eltern sei und mit diesen gemeinsam geflüchtet sei. Dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Sehbeeinträchtigung von den "Haqqani" gar nicht rekrutiert worden wäre, sei ein Scheinargument der belangten Behörde. Es könne auch - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - keine Rede davon sein, dass der Beschwerdeführer aus "wirtschaftlichen" Gründen geflohen sei. Soweit er dies in der Erstbefragung angegeben habe, handle es sich dabei um ein Missverständnis. Der Beschwerdeführer habe die Vorfälle in Afghanistan nachvollziehbar und widerspruchsfrei geschildert. Eine Rückkehr nach Kabul oder andere Städte in Afghanistan sei nicht möglich, da diese "aus allen Nähten platzen" und die Ressourcen ausgeschöpft seien. Ohne familiären Rückhalt könnte er sich dort keine verlässliche Existenzgrundlage schaffen. Im Übrigen erscheinen sexuelle Übergriffe gerade gegen den Beschwerdeführer aufgrund seiner jugendhaften, äußerlichen Erscheinung als wahrscheinlich. Der Beschwerdeführer machte weiters geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen, nähere Informationen zur Gruppe der Haqqani einzuholen. Der Beschwerde wurde ein Schreiben zu "Baccha Baazi-Afghanistans Kinderprostituierte" von August 2010 und "Anmerkungen zu den UNHCR-Richtlinien" von Dezember 2016 beigelegt.

7. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 10.03.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.07.2017 wurde eine mündliche Verhandlung für den 28.09.2017 anberaumt.

9. Mit Schreiben vom 27.09.2017 übermittelte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsberatung eine Stellungnahme zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan und legte den Artikel "Überleben in Afghanistan" von Friederike Stahlmann bei.

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.09.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigten Rechtsberaterin und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Die Niederschrift wurde der entschuldigt ferngebliebenen belangten Behörde übermittelt.

Der Beschwerdeführer legte Integrationsunterlagen vor, die im Konvolut als Beilage ./I zum Akt genommen wurden.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden folgende Unterlagen in das gegenständliche Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingebracht: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 22.06.2017, welche dem Beschwerdeführer bereits übermittelt wurden;

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.09.2017;

Gutachten Mag. Karl MAHRINGER zu GZ: BVwG-160.000/0001-Kammer A/2017; Gutachten Mag. Karl MAHRINGER, Aktualisierung des Gutachten vom 05.03.2017; EASO Afghanistan - Rekrutierungsstrategien der Taliban Juli 2012; Auszug aus UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender 04.05.2016, Interne Schutzalternative.

Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen sowie innerhalb einer Frist bis spätestens eine Woche vor der noch anzuberaumenden mündlichen Verhandlung eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Aufgrund fortgeschrittener Uhrzeit wurde die Verhandlung unterbrochen und vertagt.

11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.10.2017 wurde eine fortgesetzte mündliche Verhandlung für den 19.12.2017 anberaumt.

12. Die belangte Behörde übermittelte mit Schreiben vom 20.11.2017 eine Kopie des Bescheides des AMS vom 13.11.2017, Beschäftigungsbewilligung des Beschwerdeführers.

13. Mit Schreiben vom 12.12.2017 übermittelte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsberatung eine Stellungnahme zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.09.2017 sowie zu den Gutachten von Mag. MAHRINGER

14. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht am 18.12.2017 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den Beschwerdeführer keine Verurteilungen aufscheinen.

15. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.12.2017 eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die Niederschrift wurde der belangten Behörde übermittelt. Der Beschwerdeführer legte weitere Integrationsunterlagen vor, die als Beilage ./II zum Akt genommen werden.

16. Mit Schreiben vom 29.12.2017 und 21.11.2018 übermittelte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsberatung weitere Integrationsunterlagen.

17. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.01.2019 wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs aktuelles Länderberichtsmaterial übermittelt: Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Stand 08.01.2019, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfes Afghanischer Asylsuchender Stand August 2018, eine auszugsweise Übersetzung der EASO Country Guidance Afghanistan vom Juni 2018, Seiten 21-25 und 98-109. Weiters wurde der Beschwerdeführer aufgefordert etwaige aktuelle Integrationsunterlagen, sowie etwaige Krankenunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln.

18. Mit Schreiben vom 15.02.2019 übermittelte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsberatung eine Stellungnahme. Darin führt er zusammengefasst aus, dass ihm eine Rückkehr in die volatile Provinz Ghazni nicht möglich sei. Dies würden auch die aktuellen Länderberichte bestätigen. Kabul stelle aufgrund der schlechten Sicherheitslage keine innerstaatliche Fluchtalternative dar. Aufgrund der anhaltenden Dürre in Herat und Mazar-e Sharif könne dem Beschwerdeführer eine Ansiedelung in diesen Städten nicht zugemutet werden. Aufgrund der beschriebenen Lage in den afghanischen Städten einerseits und der persönlichen Situation des Beschwerdeführers andererseits seien die Voraussetzungen für eine zumutbare interne Schutz- und Fluchtalternative nicht gegeben, da der Beschwerdeführer mangels Netzwerk, Orientierung und Erfahrung im Falle einer Rückkehr aus Europa in Afghanistan keine Möglichkeit habe, den für ein zumutbares Leben notwendigen Lebensunterhalt zu erwirtschaften.

19. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , im Dorf Sheshpar, Distrikt Jaghori, in der Provinz Ghazni. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, ist schiitischer Moslem, gesund und ledig; er hat keine Kinder. Seine Muttersprache ist Dari.

Der Beschwerdeführer wuchs in der Provinz Ghazni auf und besuchte dort neun Jahre lang die Schule. Er absolvierte zwei Jahre lang eine Lehre als KfZ-Mechaniker.

Die Eltern, zwei Brüder, eine Schwester sowie ein Onkel und eine Tante des Beschwerdeführers lebten (jedenfalls) bis Mai 2017 in Afghanistan. Der Vater des Beschwerdeführers ist Taxifahrer, die Mutter ist Hausfrau. Der aktuelle Aufenthaltsort der Familie des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist Zivilist.

Der Beschwerdeführer reiste 2015 von Afghanistan aus über den Iran, die Türkei, Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er illegal einreiste und am 20.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer stellte am 20.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen, aufgrund seiner Flucht und der Weigerung für die "Haqqani"-Gruppe zu arbeiten, verfolgt und getötet zu werden, konnte nicht glaubhaft gemacht werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer konkret und individuell mit der Ausübung von physischer und psychischer Gewalt und/oder sexuellem Missbrauch - auch auf Grund der Praxis des "Bacha Bazi" - bedroht worden ist oder drohen würde.

Dem Beschwerdeführer droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat Afghanistan auch keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen seiner Rasse, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Ghazni aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem Beschwerdeführer steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem Beschwerdeführer würde bei seiner Rückkehr in diese Stadt kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat in Afghanistan eine neunjährige Schulausbildung absolviert, ist mobil und anpassungsfähig und hat bereits Berufserfahrung als Kfz-Mechaniker in Afghanistan und als Restaurantfachmann in Österreich gesammelt, die er auch in Mazar- e Sharif wird nutzen können.

Die Stadt Mazar-e Sharif ist von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.4. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Juni 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse und hat zuletzt das Deutschzertifikat auf Niveau B1 bestanden. Er verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Er besuchte in Österreich die Schule und hat im Juli 2017 die Pflichtschulabschlussprüfung positiv absolviert.

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des AMS vom 13.11.2017 eine Beschäftigungsbewilligung für die berufliche Tätigkeit als Restaurantfachmann (Lehrling/Auszubildender) für die Zeit vom 13.11.2017 bis 12.02.2021 erteilt. Der Beschwerdeführer steht in einem Lehrverhältnis in einem Hotel. Laut Lehrvertrag ist eine Lehrzeit bis 30.11.2020 vorgesehen. Im November 2018 hat er die erste Fachklasse für den Lehrberuf Restaurantfachmann abgeschlossen.

In seiner Freizeit ist der Beschwerdeführer Mitglied in einem Boxverein und nimmt an Wettkämpfen teil. Der Beschwerdeführer hat österreichische Freunde, bei denen er teilweise zu Hause zu Besuch war.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

1.4.1. Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

1.4.1.1. Herkunftsprovinz Ghazni

Ghazni, die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl, die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird. Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind. Die Provinz Ghazni zählt zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv, wobei es in der Provinz kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen kommt. Im Zeitraum 01.01.2017 bis 30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Sowohl Das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv.

Die Provinz Ghazni zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr besteht, dass der Beschwerdeführer ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte.

1.4.1.2. Provinz Balkh

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar- e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

1.4.2. Sichere Einreise

Die Stadt Mazar- e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

1.4.3. Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).

1.4.3.1. Wirtschaftslage der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar- e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar- e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar- e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar- e Sahrif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.

1.4.4. Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar- e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar- e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

1.4.5. Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Die schiitische Minderheit der Hazara, zu welchen der Beschwerdeführer zählt, macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt. Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke.

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.

1.4.6. Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 10-15 % Schiiten, wie es auch der Beschwerdeführer ist.

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS.

1.4.7. Rückkehrer

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

1.4.8. Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können.

Die Taliban haben ein Netzwerk an Spitzeln in Afghanistan, allein in der Stadt Kabul sind drei verschiedene Taliban Nachrichtendienste nebeneinander aktiv. Es heißt, dass die verschiedenen Nachrichtendienste der Taliban in Kabul über 1.500 Spione in allen 17 Stadtteilen haben. Selbst die, die umsiedeln, laufen Gefahr, auf dem Weg an den Straßensperren der Taliban festgehalten zu werden. Die Taliban behaupten, dass sie, dank ihrer Spione bei der Grenzpolizei am Flughafen Kabul und auch an vielen anderen Stellen, überwachen können, wer in das Land einreist. Sie geben an, regelmäßig Berichte darüber zu erhalten, wer neu ins Land einreist.

Die Taliban beobachten alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen genau, genauso wie die Dorfbewohner, die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen. Sie fürchten offensichtlich, ausspioniert zu werden und versuchen, die Rekrutierung von Informanten durch die Regierung zu beschränken. Wer in die Taliban-Gebiete ein- oder ausreist sollte die Reise überzeugend begründen können, möglichst belegt mit Nachweisen über Geschäftsabschlüsse, medizinische Behandlung etc. Wenn die Taliban einen Schuldigen suchen, der für die Regierung spioniert haben soll, ist jeder, der verdächtigt wird, sich an die Behörden gewandt zu haben, in großer Gefahr.

Es ist davon auszugehen, dass Sippenhaftung in Afghanistan ein weit verbreitetes Phänomen ist, und die Taliban neben Regierungsmitarbeitern, Sicherheitskräften und anderen, der Kollaboration oder "Spionage" bezichtigten Personen auch deren Angehörige gezielt verfolgen und bedrohen.

Eine solche Bedrohung liegt jedoch festgestelltermaßen beim Beschwerdeführer nicht vor und wird hiezu auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung verwiesen.

1.4.9. Bacha Bazi, auch Tanzjungen genannt, sind Buben oder transsexuelle Kinder, die sexuellem Missbrauch und/oder dem Zwang, bei öffentlichen oder privaten Ereignissen zu tanzen, ausgesetzt sind (MoJ 15.5.2017: Art. 653). In weiten Teilen Afghanistans, vor allem in den Rängen von Armee und Polizei, ist der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen nach wie vor ein großes Problem. Das Thema ist gesellschaftlich tabuisiert und wird nicht selten unter dem Deckmantel kultureller Gepflogenheiten verschwiegen oder verharmlost. Ein Großteil der Täter hat keinerlei Unrechtsbewusstsein (AA 5.2018). Mit Inkrafttreten des neuen afghanischen Strafgesetzbuches im Jahr 2018, wurde die Praxis des Bacha Bazi kriminalisiert. Den Tätern drohen bis zu sieben Jahre Haft. Jene, die mehrere Buben unter zwölf Jahren halten, müssen mit lebenslanger Haft rechnen. Das neue afghanische Strafgesetzbuch kriminalisiert nicht nur die Praxis von Bacha Bazi, sondern auch die Teilnahme an solchen Tanzveranstaltungen. Der Artikel 660 des fünften Kapitels beschreibt, dass Beamte der afghanischen nationalen Sicherheitskräfte (ANSF), die in die Praxis von Bacha Bazi involviert sind, mit durchschnittlich bis zu fünf Jahren Haft rechnen müssen (MoJ 15.5.2017; vgl. LSE 24.1.2018).

Üblicherweise sind die Jungen zwischen zehn und 18 Jahre alt (SBS 20.12.2016; vgl. AA 9.2016); viele von ihnen werden weggeben, sobald sie erste Anzeichen eines Bartes haben (SBS 21.12.2016). Viele der Jungen wurden entführt, manchmal werden sie auch von ihren Familien aufgrund von Armut an die Täter verkauft (SBS 20.12.2016; vgl. AA 5.2018). Manchmal sind die Betroffenen Waisenkinder und in manchen Fällen entschließen sich Jungen, Bacha Bazi zu werden, um ihre Familien zu versorgen (TAD 9.3.2017). Die Jungen und ihre Familien werden oft von ihrer sozialen Umgebung verstoßen; eine polizeiliche Aufklärung findet nicht statt (AA 5.2018).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht festgestellt werden. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Die belangte Behörde kommt im angefochtenen Bescheid zum Schluss, dass der Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnte und ist aus folgenden Gründen im Recht:

Zunächst ist zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung, befragt zu seinen Fluchtgründen, angegeben hat, er habe seine Heimat auf Anraten des Vaters aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. In seiner Heimat habe er keine Zukunft zu erwarten gehabt. Er habe dort keine ordentliche Ausbildung absolvieren können. Außerdem sei die Sicherheitslage in Afghanistan schlecht gewesen (vgl AS 43). Davon, dass der Beschwerdeführer - wie in weiterer Folge vorgebracht - in einer Moschee von Mitliedern des "Haqqani-Netzwerkes" zur Mitarbeit aufgefordert worden sei und - da er sich dieser Gruppierung nicht anschließen habe wollen - im Anschluss daran aus Furcht vor Verfolgung und Zwangsrekrutierung durch die Gruppe geflüchtet sei, war in der Erstbefragung keine Rede.

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Es wird daher im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des Beschwerdeführers, der zum damaligen Zeitpunkt minderjährigen Beschwerdeführers nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden.

Es ist dem Beschwerdeführer aber sehr wohl vorzuwerfen, dass er seinen Fluchtgrund, die versuchte Rekrutierung durch das "Haqqani-Netzwerk" und die daraus resultierenden Schwierigkeiten, nicht zumindest ansatzweise erwähnt hat.

Die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers wird daher bereits durch diesen Umstand massiv geschmälert, insbesondere aber auch deshalb, weil der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, die Aussage in der Erstbefragung plausibel zu erklären. So behauptete der Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 28.09.2017, dass es bei der Erstbefragung Verständigungsprobleme und Protokollierungsfehler gegeben habe. Im Protokoll sei angeführt, dass er aus finanziellen Gründen geflohen sei. Dem sei aber nicht so. In der Erstbefragung sei er sehr ängstlich gewesen und habe unter Schlafmangel gelitten. Wahrscheinlich habe ihn der Dolmetscher nicht gut verstanden, weil er Farsi gesprochen habe (vgl S 6 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 28.09.2017). Auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 19.12.2017 behauptete der Beschwerdeführer, dass er die Aussage, aus wirtschaftlichen Gründen geflüchtet zu sein, nicht getätigt habe. Es sei nicht alles richtig protokolliert worden. Er habe gesagt, dass sie eine Landwirtschaft gehabt haben. Protokolliert worden sei, dass er aus wirtschaftlichen Gründen geflohen sei (vgl S 7 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 19.12.2017).

Dem ist aber entgegen zu halten, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass der Beschwerdeführer den Dolmetscher in der Erstbefragung nicht verstanden hat bzw. Protokollierungsfehler aufgetreten sind. Wie dem Protokoll zu entnehmen ist, hat der Dolmetscher - anders als vom Beschwerdeführer behauptet - sehr wohl Dari und nicht Farsi gesprochen (vgl AS 35). Außerdem hat der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift bestätigt, dass es keine Verständigungsprobleme gegeben hat (vgl AS 45).

Behauptet der Beschwerdeführer - wie eben dargelegt - in den mündlichen Beschwerdeverhandlungen, dass er in der Erstbefragung gar nicht von "wirtschaftlichen Gründen" gesprochen habe, so klingt die Erklärung in der Beschwerde völlig anders. Dort leugnet der Beschwerdeführer nicht, von "wirtschaftlichen Gründen" gesprochen zu haben, erklärt dies aber mit einem Missverständnis. Er habe bei der Beantwortung dieser Frage zu erklären versucht, dass die Familie angesichts der prekären Lage, in der sie durch die versuchte Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers geraten sei, erkennen habe müssen, in welch ausgesetzter Position sie sich infolge ihres mangelnden Wohlstandes befinde. Es habe für sie weitgehende Machtlosigkeit den Zwangsrekrutierungsmaßnahmen der "Haqqani" gegenüber bedeutet. Sie hätten keine Möglichkeit gehabt, ihre Söhne allenfalls frei zu kaufen und haben ihrem Sohn unter schweren Bedingungen ermöglichen können zu flüchten (vgl AS 482). Dass hinter der Aussage des Beschwerdeführers in der Erstbefragung zu den "wirtschaftlichen Gründen" eine derart komplexe Überlegung steht, ist allerdings nur schwer nachzuvollziehen und nicht glaubhaft.

Wie bereits erwähnt stützte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen in weiterer Folge darauf, dass Mitglieder des "Haqqani-Netzwerkes" in einer Moschee versucht hätten, den Beschwerdeführer anzuwerben. Da der Vater nicht gewollt habe, dass der Beschwerdeführer für diese Gruppierung kämpfe, habe er der Rekrutierung zum Schein zugestimmt, unmittelbar danach aber die Flucht des Beschwerdeführers organisiert. Dem Beschwerdeführer ist zugute zu halten, dass er dieses Vorbringen den Grundzügen nach im Verfahren gleichbleibend geschildert hat. Allerdings konnte er - insbesondere in den Beschwerdeverhandlungen - nicht glaubwürdig machen, dass er aus den genannten Gründen asylrelevant verfolgt wurde bzw. er bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung zu vergegenwärtigen hätte.

In der Beschwerdeverhandlung am 28.09.2017 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, seine Fluchtgründe möglichst umfassend zu schildern. Diese Schilderung begann der Beschwerdeführer aber zunächst mit allgemein gehaltenen Erzählungen zur Sicherheitslage in Afghanistan: "Dort wo ich gewohnt habe, herrschte keine Sicherheit. Es gab nicht die Möglichkeit die Schule weiter zu besuchen. Terroristische Gruppierungen verlangten von uns, dass wir uns in der islamischen Wissenschaft ausbilden. Sie wollten aus uns Streitkräfte machen, die gegen die Nato kämpfen oder uns zu Selbstmordattentätern erziehen. Sie wollten auch, dass die Jugendlichen gegen die Regierung kämpfen. Diese Gruppierungen haben mit Vätern gesprochen und gesagt, dass sie die Kinder mitnehmen werden. Dafür würden auch die Familien monatlich Geld bekommen. Einige Jugendliche, die in unserem Dorf gelebt haben, wurden schon mitgenommen und sie sind nicht zurückgekehrt. Sie wollten, dass wir "Dschihad" machen. Eine dieser Gruppierungen war die Gruppe Haqqani." (vgl S 16 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 28.09.2017). Erst danach schilderte der Beschwerdeführer den ihn persönlich betreffenden Vorfall und führte aus, dass er mit seinem Vater in die Moschee gegangen sei. Drei Männer, die zu dieser Gruppe gehörten, seien zu ihnen gekommen. Sie hätten lange Bärte gehabt und seinem Vater gesagt, dass sie seinen Sohn, also den Beschwerdeführer, mitnehmen würden. Er soll in Pakistan im Dschihad ausgebildet werden. Sogar Geld sei dem Vater versprochen worden. Sein Vater habe angefangen zu lügen. Er habe die Männer um ein oder zwei Tage Zeit gebeten, damit er mit dem Beschwerdeführer das letzte Mal reden könne. Diese Zeit habe man ihm gegeben. Zu Hause angekommen haben sie beschlossen, dass sie ihren Wohnort verlassen müssen. Der Vater habe gemeint, dass er an einem Ort mit seiner Familie leben möchte, in dem es Sicherheit gäbe. Noch am selben Abend sei die Flucht organisiert worden und am nächsten Tag seien alle zusammen nach Ghazni geflohen (vgl wiederum S 16 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 28.09.2017).

In der fortgesetzten Beschwerdeverhandlung am 19.12.2017 wurde der Beschwerdeführer befragt, ob er bei diesem Gespräch in der Moschee konkret und persönlich bedroht worden sei, falls er dieser "Einladung" nicht nachkomme. Der Beschwerdeführer antwortete, dass diese Personen mit seinem Vater gesprochen hätten und ihm auch gedroht hätten, dass - wenn er das Einverständnis nicht gäbe - sie gezwungen seien, ihn zu töten. Beim Gespräch hätten sie dieses "Angebot" nicht ablehnen können, diese Leute hätten sie auf der Stelle töten können. Die Nachfrage, ob diese Drohung im Gespräch in der Moschee stattgefunden habe, bejahte der Beschwerdeführer (vgl S 5 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 19.12.2017). Der Richter wies den Beschwerdeführer darauf hin, dass er - auch wenn die Verhandlung zuletzt wegen fortgeschrittener Verhandlungsdauer vertagt worden sei - diesen Umstand genau in dieser Zeitspanne, gemeint sei das Gespräch in der Moschee, nicht erwähnt habe. Befragt, warum er dies jetzt erst auf Nachfrage erwähnt, behauptete der Beschwerdeführer, dass ihm die Frage nicht gestellt worden sei. Er sei nur auf die Fragen eingegangen. "Heute" hätte er auf diese Frage geantwortet (vgl S 6 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 19.12.2017).

Dieser Ausschnitt an Aussagen des Beschwerdeführers in den Beschwerdeverhandlungen zeigt aus Sicht des erkennenden Richters, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen zwar im Wesentlichen gleichbleibend darlegt, allerdings seine freien Erzählungen eher den Eindruck erwecken, dass er keine tatsächlich selbst erlebten Ereignisse wiedergibt, sondern allgemeine Vorfälle in seinem Herkunftsstaat schildert. Erst auf Nachfrage bringt der Beschwerdeführer ko

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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