Entscheidungsdatum
10.05.2019Norm
BBG §40Spruch
G303 2169894-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch Mag. Petra KUPFNER u.a. von der Arbeiterkammer Liezen, gegen den vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, mit Schreiben vom 18.05.2017 ausgestellten Behindertenpass mit Bescheidcharakter, OB: XXXX, wegen dem ausgewiesenen Grad der Behinderung von 70 (siebzig) von Hundert, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird s t a t t g e g e b e n und der angefochtene Behindertenpass dahingehend abgeändert, dass der Grad der Behinderung neunzig von Hundert (90 v.H.) beträgt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 10.03.2017 über die Zentrale Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ein. Dem Antrag waren medizinische Beweismittel, ein Schreiben von XXXX(Ehefrau des BF), sowie Kopien eines Kontoauszuges, des Behindertenpasses, des Parkausweises, des Meldezettels und des Personalausweises angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 14.05.2017 wurde, nach persönlicher Untersuchung des BF am 02.05.2017, im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Hochgradige Innenohrschwerhörigkeit rechts und bis an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit links Tabellenübergangswert entsprechend dem Befundausmaß beidseits, Hörgeräteversorgung und eingeschränktes Sprachverständnis
12.02.01
60
2
Ausgeprägte Anpassungsstörung mit Gemütsveränderung und somatoformer Schmerzstörung Eine Stufe über dem unteren Rahmensatzwert entsprechend der ausgeprägten Problematik
03.04.02
60
3
Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule mit Blockwirbelbildung und Zustand nach Versteifungsoperation (C4/C5) Unterer Rahmensatzwert - entsprechend der ausstrahlenden Funktionseinschränkung in den linken Arm, angeborene Blockwirbelbildung C4/C5, degenerative Veränderungen und Kraftverlust linker Arm
02.01.03
50
4
Hüftgelenksarthrose links Fixe Position entsprechend dem Befundausmaß mit massiver Schmerzsymptomatik
02.05.09
30
Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.
Begründend wurde
ausgeführt, dass sich der Gesamtgrad der Behinderung aus der führenden Gesundheitsschädigung (GS) 1 ergebe, welcher durch GS 2, GS 3 und GS 4 gemeinsam aufgrund wechselseitiger negativer Leidensbeeinflussung um eine weitere Stufe angehoben werde.
Stellungnehmend wurde im Vergleich zum Vorgutachten festgehalten, dass sich keine gesundheitlichen Änderungen ergeben hätten.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 18.05.2017 wurde dem BF der beantragte Behindertenpass übermittelt. Der Grad der Behinderung wurde darin mit 70 v.H. eingetragen.
4. Gegen diesen Behindertenpass mit Bescheidcharakter erhob der BF durch seine bevollmächtigte Vertretung mit Schriftsatz vom 26.06.2017 fristgerecht Beschwerde. Es wurde beantragt einen höheren Grad der Behinderung als 70 % festzustellen und in eventu den gegenständlichen Behindertenpass zur Erlassung eines neuen Behindertenpasses an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Aufgrund dessen, dass der Grad der Behinderung von 80 % auf 70 % herabgesetzt wurde, wurden in der Beschwerde folgende Einwendungen geltend gemacht:
Der Gesundheitszustand des BF habe sich nicht verbessert, sondern verschlechtert. Der BF beziehe eine dauernde Invaliditätspension. Der beigelegten Audiometrie vom 26.02.2016 und dem beigelegten Befund vom 27.05.2016 sei zu entnehmen, dass der BF ständig ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen müsse und sein Gesundheitszustand ein sehr schlechter sei. Der BF könne auch mit Hörgerät lediglich eine Hörleistung von 70 % erzielen. Weiters sei die Halswirbelsäule mit Platten versteift und habe sich zudem eine Schraube gelöst, welche nunmehr wandere. Der BF leide an Herzrasen und Herzstechen. Der Blutdruck des BF sei zu nieder und habe er Durchblutungsstörungen in den Armen und Beinen. Schon bei geringer Belastung und Aufregung gerate der BF in Atemnot. Der BF leide an Magenbeschwerden begleitet von ständigem Brechreiz mit Erstickungsgefahr. Weiters habe der BF Leberbeschwerden, ein Blasenleiden und leide an Nieren- und Gallensteinen.
Die Schmerzen in der Halswirbelsäule würden in den Kopf und in beide Schultern, in beide Arme bis in die Finger beider Hände ausstrahlen. Der BF habe auch Schmerzen in der Brust- sowie in der Lendenwirbelsäule, welche in beide Hüften, in beide Oberschenkel bis in die Zehen beider Füße ausstrahlen würden. Die Beweglichkeit seines Kopfes sei stark eingeschränkt, ein Bücken sei dem BF nicht mehr möglich. Der BF leide an schmerzhaften Bewegungseinschränkungen (betreffend Schultern, Ellbogen, Handgelenke, Finger, Hüftgelenke, Knien und Sprunggelenke). Mehrmals täglich erleide der BF Schwindelanfälle, habe Kopfschmerzen und leide an Ein- und Durchschlafstörungen. In seelischer Hinsicht sei der BF depressiv und nervös. Auch leide der BF an einem Zustand nach Knieoperation rechts im Jahr 2016.
Der BF beantragte die Einholung weiterer Sachverständigengutachten aus dem Gebiet der Inneren Medizin sowie aus dem Gebiet der Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten. Es wurden mit der Beschwerdeerhebung weitere medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht.
5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde vorgelegt und langten diese am 06.09.2017 ein.
6. Mit Schriftsatz vom 23.08.2017, eingelangt am 14.09.2017, wurde ein aktueller Befund von Dr. XXXX, Facharzt für HNO-Krankheiten, vom 14.08.2017 übermittelt.
Des Weiteren wurde ergänzend zur Beschwerde ausgeführt, dass aus dem vorgelegten Befund die Diagnose einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beidseits zu entnehmen sei. Daraus ergebe sich in Zusammenschau mit dem Befund vom 27.05.2016, dass sich der Gesundheitszustand des BF sehr wohl verschlechtert habe. Dies sei schon zum Zeitpunkt der Untersuchung am 02.05.2017 der Fall gewesen. Es handle sich dabei nicht um einen Zustand der schwanke. Auch gäbe es keine so starken Hörgeräte. Der problematische Gesundheitszustand habe sich jedenfalls und dies schon im Vergleich zum Vorgutachten verschlechtert.
7. Mit Schreiben vom 26.07.2018 übermittelte die Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Steiermark, auf Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes den Pensionsbescheid vom 24.05.2017, wonach der BF ab 01.05.2017 eine Invaliditätspension beziehe.
8. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein fachärztliches und ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
Im medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, vom 12.10.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am selben Tag, im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Taubheit beidseits (Ermittlung entsprechend dem prozentuellen Hörverlust, rechts 100, links 99 %)
12.02.01
80
Gesamtgrad der Behinderung 80 v. H.
Begründend wurde
ausgeführt, dass sich der Grad der Behinderung aus der GS 1 ergebe. Stellungnehmend zum Vorgutachten wurde festgehalten, dass es seit dem Erstgutachten von 2014 zu einer signifikanten Verschlechterung des Hörvermögens gekommen sei, sodass nun eine beidseitige Taubheit vorliege.
9. Im weiteren medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin vom 04.02.2019 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 16.01.2019, im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:
Pos. Nr.
GdB %
1
Taubheit beidseitig (Ermittlung entsprechend dem prozentuellen Hörverlust, rechts 100 %, links 99 %, s. GA Dr. XXXX)
12.02.01
80
2
Ausgeprägte Anpassungsstörung mit Gemütsveränderungen und somatoformer Schmerzstörung (1 Stufe über dem unteren Rahmensatzwert entsprechend der langedauernden Beschwerden der Depression und dem chronischen Schmerzsyndrom mit somatoformer Schmerzstörung bei einem über Jahre fixiertem Geschehen, gleich zu Vorgutachten)
03.04.02
60
3
Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule mit Blockwirbelbildung und Zustand nach Versteifungsoperation (C4/5), chronisches Schmerzsyndrom (unterer Rahmensatzwert entspricht der starken Funktionseinschränkung mit Ausstrahlung in den linken Arm, der angeborenen Wirbelveränderung und den degenerativen Veränderungen und der Kraftabschwächung im linken Arm, gleich zu Vorgutachten)
02.01.03
50
4
Hüftgelenksarthrose links (fixe Position bei einseitiger mittlerer Bewegungseinschränkung und der massiven Schmerzsymptomatik, gleich zu Vorgutachten)
02.05.09
30
Gesamtgrad der Behinderung 90 v. H.
Als Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass der Behinderungsgrad der führenden GS 1 durch den Gesamtgrad der GS 2 bis GS 4 um eine weitere Stufe angehoben werde, da im Zusammenwirken bei Symptomüberschneidung bezüglich der Schmerzsymptomatik im Alltag eine zusätzliche maßgebliche Einschränkung der körperlichen und psychischen Belastbarkeit bewirkt werde.
10. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 18.02.2019 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung schriftlich Stellung zu nehmen.
10.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der belangten Behörde langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.
10.2. Mit Schriftsatz vom 05.03.2019 verzichtete der BF durch seine bevollmächtigte Vertretung ausdrücklich auf eine Stellungnahme zum Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF hat einen Wohnsitz im Inland und ist Inhaber eines Behindertenpasses, in dem ein Grad der Behinderung von 70 v.H. eingetragen ist. Er bezieht eine Invaliditätspension.
Beim BF liegen folgende behinderungsrelevante Funktionseinschränkungen vor:
-
Beidseitige Taubheit (Grad der Behinderung: 80 %)
-
Ausgeprägte Anpassungsstörung mit Gemütsveränderungen und somatoformer Schmerzstörung (Grad der Behinderung: 60 %)
-
Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule mit Blockwirbelbildung und Zustand nach Versteifungsoperation (C4/5) sowie chronisches Schmerzsyndrom: (Grad der Behinderung: 50 %)
-
Hüftgelenksarthrose links (Grad der Behinderung: 30 %)
Der Gesamtgrad der Behinderung des BF beträgt 90 (neunzig) von Hundert (v.H.). Dieser ergibt sich einerseits aus dem Behinderungsgrad des führenden Leidens, beidseitige Taubheit, sowie andererseits aus den Behinderungsgraden der weiters vorliegenden Funktionseinschränkungen, welche eine zusätzliche maßgebliche Einschränkung der körperlichen und psychischen Belastbarkeit bewirken.
2. Beweiswürdigung:
Der unter I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen zum Besitz des Behindertenpasses und den bisherigen Grad der Behinderung ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde sowie nunmehr aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellung zum Wohnsitz des BF ergibt sich aus einem eingeholten Datenauszug des Zentralen Melderegisters und den Angaben des BF bei der Antragstellung.
Aus dem eingeholten Pensionsbescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Steiermark, vom XXXX2017 ergibt sich, dass der BF ab XXXX2017 eine Invaliditätspension bezieht.
Der Gesamtgrad der Behinderung von 90 v.H. wurde aufgrund des vom erkennenden Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 04.02.2019, unter Berücksichtigung des fachärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX, Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, vom 12.10.2018, festgestellt.
Die eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die seitens des BF vorgelegten medizinischen Unterlagen stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis der Beweisaufnahme und wurden im Rahmen der medizinischen Begutachtungen mitberücksichtigt. Die festgestellten Gesundheitsschädigungen und deren Wechselwirkungen zueinander ergeben sich daraus.
Die Einschätzungen der vorliegenden Gesundheitsschädigungen bezüglich des Grades der Behinderung erfolgten entsprechend der anzuwendenden Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt und nachvollziehbar.
Die Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zum Vorgutachten von Dr. XXXX vom 14.05.2017 wurde nachvollziehbar begründet, da es zu einer signifikanten Verschlechterung des Hörvermögens gekommen ist und nunmehr eine beidseitige Taubheit vorliegt. Da auch durch die weiters vorliegenden festgestellten Funktionseinschränkungen, eine zusätzliche maßgebliche Einschränkung der körperlichen und psychischen Belastbarkeit bewirkt wird, konnte insgesamt ein Grad der Behinderung von 90 von Hundert objektiviert werden.
Der Inhalt der Sachverständigengutachten von Dr. XXXX und Dr. XXXX wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Auf eine Stellungnahme wurde seitens des BF ausdrücklich verzichtet. Seitens der belangten Behörde erfolgte keine Stellungnahme.
Beide Sachverständigengutachten blieben somit im gegenständlichen Beschwerdeverfahren unbestritten. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen somit keinerlei Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit dieser medizinischen Gutachten und werden diese daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Gegenständlich wurde keine mündliche Verhandlung beantragt. Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen. Insbesondere wurde den eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten, die auf persönlichen Untersuchungen des BF basierten, im Rahmen des gewährten schriftlichen Parteiengehörs weder von der belangten Behörde noch vom BF widersprochen. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970 idgF, angehören.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz,
BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 idgF) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.
Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat gemäß § 43 Abs. 1 BBG das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Im Beschwerdeverfahren wurde unter Mitwirkung von zwei ärztlichen Sachverständigen der Grad der Behinderung des BF nach der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Alle Gesundheitsschädigungen des BF wurden dabei berücksichtigt. Insgesamt konnte nunmehr ein Gesamtgrad der Behinderung von 90 von Hundert festgestellt werden.
Die Gesamteinschätzung ist auch unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen (vgl. VwGH 19.11.1997, Zl. 95/09/0232; 04.09.2006, Zl. 2003/09/0062).
Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und festzustellen, dass der Grad der Behinderung des BF 90 (neunzig) v.H. (von Hundert) beträgt. Die belangte Behörde hat daher den bereits ausgestellten Behindertenpass diesbezüglich zu berichtigen.
3.3. Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2169894.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.06.2019