Entscheidungsdatum
20.05.2019Norm
BBG §40Spruch
W162 2199194-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M. als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER, BA MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 05.06.2018, betreffend die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid
aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer hat am 27.10.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.
Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin am 04.05.2018, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 03.04.2018, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. bewertet wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 05.06.2018 hat die belangte Behörde aufgrund des in Höhe von 40 v.H. festgestellten Grades der Behinderung den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 21.06.2018 Beschwerde erhoben. Dabei wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er anhaltende Beschwerden, eine erhebliche Beeinträchtigung des Allgemein- und Ernährungszustandes sowie ausgeprägte Schleimhautveränderungen habe und an Durchfällen leide. Dies sei auch aus den vorgelegten ärztlichen Befunden ersichtlich. Der Beschwerdeführer schloss seiner Beschwerde ein Konvolut an medizinischen Unterlagen an.
Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Verwaltungsakte des Verfahrens dem Bundesverwaltungsgericht am 25.06.2018 zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.01.2019, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 60 v.H. bewertet wurde.
Mit Schreiben vom 13.02.2019 des Bundesverwaltungsgerichts wurden der Beschwerdeführer sowie die belangte Behörde vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens im Zuge des Parteiengehörs gem. § 45 Abs. 3 AVG in Kenntnis gesetzt und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen einer Frist von 2 Wochen Stellung zu nehmen. Bis dato langte keine Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Da sich der Beschwerdeführer mit dem im angefochtenen Bescheid festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden erklärt hat, war dieser zu überprüfen.
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.
Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ist am 27.10.2017 bei der belangten Behörde eingelangt.
Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift und den dieser beigelegten Beweismittel am 25.06.2018 am Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
1.2. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 60 v.H.
1.3. Beurteilung der Funktionseinschränkungen:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
Gdb %
1
Morbus Crohn Unterer Rahmensatz, da anhaltende Durchfälle mit zum Teil imperativen und unaufhaltsamen Stuhldrang trotz immunsuppressiver Therapie. Die zunehmende Gelenksbeteiligung mit funktioneller Einschränkung vor allem im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und Ileosacralgelenke ist in dieser Position mit erfasst.
07.04.06
50
2
Zustand nach Entfernung eines nodulären malignen Melanom Unterer Rahmensatz, da Clark Level III, im Gesunden entfernt, innerhalb der Heilungsbewährung, Verlaufskontrollen müssen halbjährlich durchgeführt werden, Abschlusskontrolle nach 5 Jahren.
13.01.04
50
Gesamtgrad der Behinderung 60 v.H.
Das führende Leiden 1 wird aufgrund funktioneller Relevanz und wesentlicher Zusatzerkrankung und Leidensbeeinflussung durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1. Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.
Zu 1.2. Die Feststellungen zu Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 07.01.2019 ist vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers am 07.01.2019 erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt. Es wurden keine Beweismittel vorgelegt, welche im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises stehen, weder wird ein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde noch liegen Anhaltspunkte vor, dass Aspekte des Gesamtleidenszustandes unberücksichtigt geblieben sind.
Das im Beschwerdeverfahren eingeholte Gutachten vom 07.01.2019 weicht im Ergebnis vom Vorgutachten, welches von der belangten Behörde eingeholt wurde, ab und begründet widerspruchsfrei und schlüssig die nunmehr höhere Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung. Die darin festgestellte Änderung beschreibt die Fachärztin für Innere Medizin dahingehend, dass in den vorgelegten Befunden eine kontinuierliche Verschlechterung abzuleiten ist. Darüber hinaus führte sie nachvollziehbar aus, dass die chronisch progrediente Erkrankung eindeutig aus den vorgelegten Befunden ableitbar ist und dafür die erhöhten Entzündungswerte, die erhöhten Leberfunktionsparameter sowie die erhöhten Werte des Calprotectin sprechen. Weiters wurde das Leiden 2 (Zustand nach Entfernung eines malignen nodulären Melanoms am rechten Unterbauch 2015) in die Diagnosenliste neu aufgenommen, da eine Therapiereserve zur Zeit bei vorangegangener Karzinomerkrankung nicht bestehend und erst nach fünf Jahren ab Karzinomerkrankung eine weitere Therapieoption vorhanden ist.
Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die Sachverständige führte überzeugend aus, dass das Leiden 1 (Morbus Crohn) beim unteren Rahmensatz unter der Positionsnummer 07.04.06 mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. eingestuft wurde, da anhaltende Durchfälle mit zum Teil imperativen und unaufhaltsamen Stuhldrang trotz immunsuppressiver Therapie bestehen. Die zunehmende Gelenksbeteiligung mit funktioneller Einschränkung vor allem im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule und Ileosacralgelenke wurde in dieser Position miterfasst. Das Leiden 2 (Zustand nach Entfernung eines nodulären malignen Melanoms) wurde beim unteren Rahmensatz unter der Positionsnummer 13.01.04 mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. eingestuft, da Clark Level III, im Gesunden entfernt wurde und innerhalb der Heilungsbewährung Verlaufskontrollen halbjährlich durchgeführt werden müssen.
Es wurden alle einschätzungsrelevanten Gesundheitsschädigungen bei der Beurteilung durch die medizinische Sachverständige berücksichtigt. Sämtliche im Verfahren vorgelegten Befunde wurden bei der Beurteilung berücksichtigt.
Insgesamt kam es aufgrund des führenden Leidens 1 sowie des Leidens 2 zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um zwei Stufen auf 60 v.H. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde im Gutachten vom 07.01.2019 insbesondere damit schlüssig begründet, dass das führende Leiden 1 aufgrund funktioneller Relevanz und wesentlicher Zusatzerkrankung und Leidensbeeinflussung durch das Leiden 2 um eine Stufe erhöht wird.
Das Sachverständigengutachten wurde auch im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs von der belangten Behörde unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 07.01.2019. Es wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A)
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören. (§ 40 Abs. 1 BBG)
Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist. (§ 40 Abs. 2 BBG)
Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.
Zuständige Stelle ist:
-
Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).
-
Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
-
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
(§ 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988)
Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt. (§ 41 Abs. 1 BBG)
1, § 41 Abs. 1 und 2, § 55 Abs. 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 treten mit 1. September 2010 in Kraft. (§ 54 Abs. 12 BBG auszugsweise)
Die Bestimmung des § 41 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 ist auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren nicht anzuwenden. Diese Verfahren sind unter Zugrundelegung der bis zum 31. August 2010 geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. Dies gilt bis 31. August 2013 auch für Verfahren nach §§ 40ff, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid nach §§ 40ff oder auf Grund der Bestimmungen des § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliegt. (§ 55 Abs. 4 BBG)
Da der gegenständliche Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses am 27.10.2017 gestellt worden ist, war der Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung zu beurteilen.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)
Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen. (§ 43 Abs. 1 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)
In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 57/2015)
Die Gesamteinschätzung vollzieht die Verwaltungsbehörde unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis, den sie im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung zu beurteilen hat (vgl. VwGH vom 01.06.1999, Zl. 94/08/0088 mit Hinweis auf E 19.11.1997, 95/09/0232, 0233).
Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander. (§ 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung)
Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen. (§ 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung)
Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(§ 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung)
Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine. (§ 3 Abs. 4 Einschätzungsverordnung)
Da in dem gegenständlichen ärztlichen Sachverständigengutachten, das vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewertet wurde, ein Grad der Behinderung von 60 v. H. festgestellt wurde, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt.
Wie unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, wird der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten vom 07.01.2019 zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers - entgegen der Feststellung im angefochtenen Bescheid - 60 v.H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, wurde das vorliegende Gutachten von den Verfahrensparteien nicht bestritten.
Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, erfüllt.
Der Beschwerde war daher stattzugeben. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer folglich einen Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 60 v. H. auszustellen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II.
2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Zur Klärung des Sachverhaltes hat das Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.
Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war - wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt - geeignet, relevante Bedenken an den Feststellungen der belangten Behörde hervorzurufen. Die vorgebrachten Argumente wurden im eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt und resultiert daraus die geänderte Beurteilung. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W162.2199194.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.06.2019