TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/21 W217 2210961-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.05.2019
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Entscheidungsdatum

21.05.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W217 2210961-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Ulrike LECHNER, LL.M sowie die fachkundige Laienrichterin Verena KNOGLER BA, MA als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 19.10.2018, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätsbeschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung " in den Behindertenpass liegen nicht vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Herr XXXX (in der Folge: BF) ist seit 24.09.2007 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung in Höhe von 50%.

Am 13.06.2018 einlangend beantragte der BF die Anerkennung der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.

Im hierzu vom Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten hält Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am 20.09.2018 unter Anamnese wie folgt fest:

"Anamnese:

Gonalgie rechts > links bei dtl. Varusgonarthrose rechts

Zustand nach Kniegelenksersatz links 8.2.2016 (KH XXXX ) bei Zustand nach Oberschenkelbruch und Kniescheibenzertrümmerung links

Zustand nach Beinverkürzung rechts

Er nimmt antidepressive Medikamente und der Schlaf ist auch mit Trittico besser - aber er war noch nie bei einem Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie."

Hinsichtlich des Gangbildes wurde ausgeführt:

"freier Stand sicher, jeder Lagewechsel selbstständig mühelos durchführbar, Gangbild flüssig, nicht beeinträchtigt, Einbein-, Zehen- und Fersenstand sicher durchführbar. Stufensteigen mühelos. Heute wird eine Unterschenkelorthese rechts getragen (die Funktion dieser ist mir allerdings nicht ganz nachvollziehbar)."

Folgende Funktionseinschränkungen wurden vom Sachverständigen bei der Untersuchung festgestellt:

1

Aufbrauchzeichen im Bewegungs- und Stützapparat, Zustand nach Kniegelenksersatz links

2

Verdacht auf psychosomatische Beeinträchtigung

Ebenso wurde ein Dauerzustand

festgestellt. Weiters wurde auf die Frage, welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen, festgehalten:

"Keine, weil keine maßgebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit oder Gangsicherheit im Rahmen der Untersuchung feststellbar ist. Eine kurze Wegstrecke von 300 bis 400 Metern kann trotz der der mäßig- bis höchstens mittelgradigen Funktionseinschränkung der Kniegelenke zurückgelegt werden. Das Stufensteigen ist problemlos möglich und der freie Stand ist sicher, die oberen Extremitäten uneingeschränkt zum Anhalten und Abstützen einsetzbar, sodass ein sicherer Transport gewährleistet ist.

Gutachterliche Stellungnahme:

Aus allgemeinmedizinischer Sicht sehe ich keine Funktionseinschränkung, die eine Benützung ÖVM in relevanter Weise beeinträchtigt."

2. Im Rahmen des hierzu erteilten Parteiengehörs brachte der BF vor, dass die Angaben der 3 Bandscheibenvorfälle, die auch heute immer wieder Probleme im Bewegungsapparat verursachen würden, fehlten. Die Beurteilung des Arztes über die Orthese habe ihn sehr erstaunt, da er ohne diese Orthese sein rechtes Bein sehr schlecht einsetzen könne, da die Schmerzen im Kniegelenk sehr stark seien. Bezüglich seines linken Knies habe sich in den letzten 40 Jahren die Muskulatur zurückgebildet. Er kämpfe damit, dieses wieder dazu zu bringen, sich zu dehnen und ein besseres Abbiegen des Kniegelenkes zu ermöglichen. Dies sei gerade bei Stufen extrem wichtig, so sei er bei einem Ausstiegvorgang aus dem Zug nach vorne über die Stufen gestürzt, da er mit dem linken Bein an der Ferse auf der Treppe hängen geblieben sei.

Hierzu führte der bereits befasste Sachverständige in seiner Stellungnahme vom 18.10.2018 aus:

"Antwort(en):

Herr XXXX wurde von mir bereits mehrere Male begutachtet (2008 und 2010), davon unabhängig erfolgte auch eine unfallchirurgische Begutachtung durch Dr. XXXX am 10.7.2008, in der mein Gutachten bestätigt wurde. Die Bandscheibenschäden, die bereits in den Vorgutachten erwähnt wurden, sind im führenden Leiden inkludiert ("Aufbrauchzeichen im Bewegungs- und Stützapparat, Zustand nach Kniegelenksersatz links").

Das Gangbild wurde aktuell wie folgt beschrieben:

Gangbild flüssig, nicht beeinträchtigt, Einbein-, Zehen - und Fersenstand sicher durchführbar. Stufensteigen mühelos.

Aufgrund dieser Ergebnisse kann bei allem gebührenden Respekt der Antrag auf Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung ÖVM leider nicht positiv erledigt werden, weil eine kurze Wegstrecke von 300 bis 400 Metern ohne Mühe bewältigt werden kann. Niveauunterschiede von 20 bis 30 cm Höhe sind ebenfalls problemlos zu bewältigen. Der freie Stand ist sicher und die oberen Extremitäten zuverlässig zum Anhalten und Abstützen einsetzbar, sodass der Transport in einem ÖVM mit ausreichender Sicherheit erfolgen kann."

3. Mit Bescheid vom 19.10.2018 hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung in den Behindertenpass abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben habe, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.

4. Mit Schreiben vom 26.11.2018 erhob der BF Beschwerde und brachte darin vor, dass folgende Punkte aus den Befunden bei Erstellung des Gutachtens nicht erkannt bzw. berücksichtigt worden seien:

a) Verkürzung des rechten Beines 1989 im Orthopädischen Spital XXXX . Die Zielsetzung sei gewesen, einer ungleichen Abnützung der Hüftgelenke vorzubeugen. Diese Operation sei nicht geglückt, da die Beweglichkeit des rechten Beines seit dieser Operation erheblich eingeschränkt sei. Der Knochenteil sei am Schenkelhals entfernt worden und bewirke diese Entfernung an dieser Position, dass der Bewegungsradius deutlich eingeschränkt sei.

b) Unterschied in der Beinlänge.

c) Die Einschränkung in der Abbiegemöglichkeit des linken Kniegelenkes werde durch ein Training leider nicht positiv beeinflusst.

d) Die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel in Zeiten mit hoher Personenfrequenz werde weder genannt noch berücksichtigt. Ein deutlich erhöhtes Risiko sei für das linke und das rechte Bein dadurch gegeben, dass sowohl bei der Prothese als auch bei der Beinverkürzung eine Sollbruchstelle entstanden und bei Bruch einer dieser Stellen ein Heilprozess nicht mehr zu erwarten sei.

5. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 11.12.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. In der Folge holte dieses ein ergänzendes Sachverständigengutachten ein.

DDr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Unfallchirurgie, führt in ihrem Sachverständigengutachten vom 07.03.2019 Folgendes aus:

" Im Beschwerdevorbringen des BF vom 26.11.2018, Abl. 60-61, wird eingewendet:

1. dass er Röntgenbilder vorlege, welche keiner weiteren Erklärung bedürften, der Zustand sei nicht 2008 und 2010 entstanden, sondern seit dem Unfall 1976 (Anmerkung: Röntgenbilder werden abgebildet, zu identifizieren ist das Röntgen eines Kniegelenks, dass weitere Röntgen ist nicht identifizierbar, die Qualität der Ablichtungen lässt eine aussagekräftige Beurteilung leider nicht zu).

2. könne man am Bild an der Innenseite des rechten Kniegelenks den Sinn der Orthese erkennen.

3. Einbeinstand, Zehen- und Fersenstand: gefragt wird, ob es Normen gebe und ob der Zehenstand im Sinne eines Spitzenstands zu verstehen sei.

4. gefragt wird, ob Niveauunterschiede sich auf längere Strecken beziehen würden oder auf einen senkrechten Höhenunterschied. 30 cm seien polemisch. Er könne das linke Bein 78° abbiegen, die überwindbare Höhe könne man mathematisch errechnen.

Weitere Punkte seien nicht berücksichtigt worden: Seit der Verkürzungsoperation des rechten Beines 1989 in XXXX sei die Beweglichkeit des rechten Beines erheblich eingeschränkt. Die Beinlänge sei unterschiedlich. Das Training habe zu einer Besserung des Gangbilds geführt, nicht jedoch zu einer Besserung der Abbiegemöglichkeit des linken Kniegelenks.

Die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel in Zeiten mit hoher Personenfrequenz sei nicht genannt und berücksichtigt worden. Durch die Operation sei eine Sollbruchstelle entstanden, eine Heilung nicht mehr zu erwarten.

In einer Stellungnahme vom 10.10.2018 Abl. 23 wird vorgebracht, dass die 3 Bandscheibenvorfälle nicht berücksichtigt worden seien, die zu Problemen führen würden. Er habe eine Orthese am rechten Bein. Er könne das linke Knie noch nicht gut abbiegen und sei schon im Zug gestürzt.

Ergebnis der Begutachtung vom 20.9.2018, Abl. 48-49

1) Aufbrauchzeichen in Bewegungs- und Stützapparat, Zustand nach Kniegelenksersatz

2) Verdacht auf psychosomatische Beeinträchtigung

Voraussetzungen für beantragte Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegen nicht vor.

Vorgeschichte:

1976 Motorradunfall, offene suprakondyläre Femurfraktur mit osteosynthetischer Versorgung und Entfernung des Ostensynthesematerials, Kniegelenksfraktur mit Patellazertrümmerung und anschließender Exstirpation, Schenkelhalsfraktur mit Markdrahtung

1989 Femurosteotomie rechts mit Beinverkürzung 2005 Diskusprolaps TH 12/L1

2008 kleiner Discusprolaps L4/L5

17.2.2016 Implantation einer Knietotalendoprothese links

Varusgonarthrose rechts

2012 Depressionen, diesbezüglich derzeit gebessert

Zwischenanamnese seit 20.9.2018:

Keine Operationen, kein stationärer Aufenthalt.

Nachgereichte Befunde:

keine

Sozialanamnese: verheiratet, 2 Kinder, lebt in Einfamilienhaus

Berufsanamnese: kaufmännischer Angestellter, seit 47 Jahren berufstätig, hergekommen mit dem Auto.

Medikamente: derzeit keine Medikamente, derzeit keine Schmerzmittel

Allergien: 0

Nikotin: bis 2006 20-60, seither 0

Laufende Therapie bei Hausarzt Dr. XXXX

Derzeitige Beschwerden:

‚Mit dem linken Knie geht es mir gut, zunehmend Schmerzen habe ich im rechten Knie, vor allem innenseitig. 2008 konnte ich fast nicht mehr gehen, damals war es schlechter als heute, hatte einen Bandscheibenvorfall mit Ausstrahlung der Schmerzen ins linke Bein, das hat sich wieder beruhigt.

Trage rechts eine achsenkorrigierende Orthese, kann sie allerdings heute nicht tragen. Beantrage den Parkausweis, da ich keinesfalls 300 m gehen kann und Stufen nicht überwinden kann, kann das linke Knie nur 82° abbiegen. Habe Schmerzen in den Beinen, bin wetterfühlig, schlafe teilweise nur 3 h wegen der Schmerzen und unruhigen Beine, eine neurologische Untersuchung hatte ich bisher nicht. In der Wirbelsäule habe ich bei längeren Autofahrten Schmerzen mit Ausstrahlung in beide Oberschenkel rückseitig.'

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut.

Größe 170cm, Gewicht 89 kg, RR 110/90, 61 Jahre

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen

Thorax: symmetrisch, elastisch

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch.

Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken kurz durchführbar.

Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich.

Die Beinachse zeigt geringgradige Varusstellung rechtes Knie, linkes Bein achsengerecht. Symmetrische Muskelverhältnisse: Bandmaß Oberschenkel beidseits 47 cm, Unterschenkel beidseits 38,5 cm

Beinlänge nicht ident, rechts -1 cm

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Hüftgelenk beidseits: kein Rotationsschmerz, kein Stauchungsschmerz beidseits

Kniegelenk links: Narben suprapatellar und medial und median nach Patellektomie und Implantation einer Knietotalendoprothese, kleiner Patellarest ist lateral tastbar, medial und lateral + federnd aufklappbar mit festem Anschlag, geringgradige Umfangsvermehrung, kein Erguss, keine Überwärmung.

Kniegelenk rechts: keine wesentliche Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, kein Erguss, keine Bewegungsschmerzen auslösbar, geringgradige Varusstellung, geringgradig Druckschmerzen über dem medialen Gelenkspalt.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften S rechts 0/120, links 0/100, IR/AR rechts 5/0/30, links 10/0/25,

Knie rechts 0/0/120, links 0/0/80, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becke stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, geringgradig Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 5 cm, in allen Ebenen frei beweglich

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe: PSR links nicht auslösbar, sonst seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild ist geringgradig links hinkend, zügig, Gesamtmobilität sicher. Socken ausziehen im Sitzen: unauffälliges Vorbeugen.

Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

STELLUNGNAHME:

ad 1) Liegen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor?

Nein.

Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität und selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich und dauerhaft einschränkten.

Dem BF ist es trotz mäßiger Funktionsbeeinträchtigung im Bereich beider Kniegelenke, links mehr als rechts, möglich, Wegstrecken von zumindest 300-400m ohne erhebliche Erschwernis zurückzulegen. Eine Gehhilfe wird nicht verwendet. Eine ausreichende Trittsicherheit ist mit Schuhen gegeben. Der Bewegungsumfang sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten ist ausreichend um Niveauunterschiede zu überwinden, die mäßige Einschränkung der Beugefähigkeit des linken Kniegelenks kann ausreichend kompensiert werden, sodass das sichere Ein- und Aussteigen nicht erheblich erschwert ist.

Die behinderungsbedingte Erfordernis der Schienung des rechten Beins mit einer achsenkorrigierenden Orthese ist durch festgestellte Funktionseinschränkungen bei geringgradiger Varusgonarthrose und vorliegenden Befunden nicht gegeben.

An den oberen Extremitäten bestehen keine Funktionsausfälle, sodass Haltegriffe benützt werden können.

Hinsichtlich therapeutischer Optionen ist die Einnahme von Schmerzmitteln und Durchführung multimodaler Behandlungen, zum Beispiel physikalischer Therapie, zumutbar.

ad 2) Diagnosenliste:

In welchem Ausmaß liegen die angeführten Leidenszustände vor und wie wirken sich diese auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus?

Diagnosenliste:

1) Abnützungserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates:

Knietotalendoprothese links, mäßige Varusgonarthrose rechts, Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule

Bei Knietotalendoprothese links ist eine Beugehemmung bis 80° bei freier Streckfähigkeit feststellbar, stabiles Gelenk ohne Hinweis für Lockerung. Die mäßige Beugehemmung führt zu keiner erheblichen Erschwernis beim Zurücklegen kurzer Wegstrecken Überwinden von Niveauunterschieden, da ausreichend kompensierbar.

Die mäßige Varusgonarthrose rechts führt zu keiner erheblichen Einschränkung der Mobilität. Der Bewegungsumfang ist ausreichend, es liegt ein stabiles Gelenk ohne Hinweise für aktivierte Arthrose vor, das Zurücklegen kurzer Wegstrecken und Überwinden von Niveauunterschieden ist nicht erheblich erschwert. Der sichere Transport ist möglich, da kein Hinweis für eine Stand- oder Gangunsicherheit festgestellt werden konnte. Die geringgradige Beinlängendifferenz von 1 cm führt zu keiner wesentlichen Gangbildbeeinträchtigung.

Dokumentiert ist ein Zustand nach Bandscheibenvorfall im Bereich der unteren BWS/LWS vor vielen Jahren, aktuell liegen keine diesbezüglichen Befunde vor. Es konnte auch keine Einschränkung der Beweglichkeit festgestellt werden. Rezidivierende Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule werden in der Diagnosenliste berücksichtigt, führen jedoch nicht zu einer maßgeblichen Beeinträchtigung der Mobilität.

ad 3) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Nein. Im Bereich beider Kniegelenke liegen - wie oben beschrieben - Funktionseinschränkungen vor, jedoch nicht in einem Ausmaß, welches das Zurücklegen kurzer Wegstrecken und Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren könnte.

ad 4) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten vor?

Nein. Im Bereich der oberen Extremitäten liegen keine Funktionseinschränkungen vor. ad 5) Stellungnahme zu Art und Ausmaß der vom BF angegebenen Beeinträchtigungen sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, Auswirkungen beim Gehen von rund 300-400 m bzw. Stehen im öffentlichen Verkehrsmittel sowie Ein- und Aussteigen?

Art und Ausmaß allfälliger Schmerzzustände, die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen, können nur indirekt erfasst werden.

Anhand des beobachteten Gangbilds mit geringgradig links hinkendem Gehen und sicherer Gesamtmobilität, des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit ausreichender Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten und der derzeitigen Therapieerfordernis (derzeit keine analgetische Medikation) ergibt sich kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwerten.

Ad 6) Stellungnahme zu den Einwendungen und vorgelegten medizin.

Beweismitteln:

Stellungnahme zu Beschwerde Abl. 60-61

Die im Beschwerdevorbringen vorgelegten Röntgenbilder sind nicht beurteilbar.

Eine höhergradige Varusfehlstellung im rechten Knie liegt nicht vor, achsenkorrigierende Maßnahmen mit Tragen einer Orthese sind nicht ausreichend begründbar.

Ein Zehenspitzenstand wird bei einer orthopädischen Begutachtung nicht gefordert, sondern ein Zehenballenstand, welcher bei der aktuellen klinischen Begutachtung durchführbar ist. Ebenso konnten Einbeinstand und Fersenstand durchgeführt werden.

Die Fähigkeit, Höhenunterschiede zu überwinden, hängt von der Gesamtmobilität ab. Im

Vordergrund steht eine mäßige Beugehemmung im linken Kniegelenk (80°), die weiteren Gelenke sind in der Beweglichkeit nicht relevant eingeschränkt, die Kraft ausreichend, ein neurologisches Defizit besteht nicht, sodass das Überwinden von Niveauunterschieden, die für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erforderlich sind, nicht erheblich erschwert ist.

Eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit des rechten Beins seit der Verkürzungsoperation ist nicht nachvollziehbar, weder im Hüftgelenk noch im Kniegelenk liegt eine relevante Einschränkung der Beweglichkeit vor.

Die Beinlängendifferenz beträgt 1 cm, was eine maßgebliche Gangbildbeeinträchtigung nicht begründen kann.

Eine Sollbruchstelle im Bereich der linken Knietotalendoprothese bzw. im Bereich der Osteotomiestelle des rechten Oberschenkels im Sinne einer maßgeblich erhöhten Wahrscheinlichkeit, eine Fraktur in diesem Bereich zu erleiden, ist nicht nachvollziehbar. Weder liegt ein maßgeblich erhöhtes Risiko, zum Beispiel Osteoporose, vor, noch ist eine Einschätzung von eventuell in Zukunft auftretenden Problemen möglich.

Dass ein Heilungsprozess nach einer eventuell auftretenden Fraktur nicht mehr zu erwarten sei, ist nicht nachvollziehbar.

Die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit Zustand nach Bandscheibenvorfällen werden in der Diagnosenliste berücksichtigt. Verfahrensrelevant sind die dadurch bedingten Funktionsdefizite. Diesbezüglich konnte jedoch keine funktionelle Einschränkung festgestellt werden.

Stellungnahme zu vorgelegten Befunden und medizinischen Unterlagen im Verfahren

1. Instanz Abl. 25-44

Abl. 59 Befund Dr. XXXX Facharzt für Orthopädie 21.5.2008 (Herr G. leidet seit 1976 unter den Folgen eines Verkehrsunfalls, Kniegelenksfraktur mit Patellazertrümmerung und anschließender Exstirpation, Schenkelhalsfraktur mit Markdrahtung. Massive Krafteinbuße im Kniegelenk, Einsteigen und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmitteln durch sekundärarthrotische Hüft- und Kniegelenke belastet, Unsicherheit u. Sturzrisiko. Diagnosen:

Bandscheibenprolaps, Gonarthrose, Lumboischialgie, osteochondrale Läsion) - maßgeblich sind jedoch aktuell feststellbare Funktionsdefizite.

Abl. 44, MRT linkes Kniegelenk 29.11.2003 (Zustand nach suprakondylärer Femurfraktur mit osteosynthetische Versorgung und Entfernung des Ostensynthesematerials 1976, Zustand nach Patellektomie, posttraumatische Veränderungen in distalen Femurbereich, Grad III Läsion beider Menisci mit medialer Rissbildung, mittelgradig Gelenkserguss, deutliche Chondropathie medial und lateral) - Befund nicht aktuell

Abl. 43 MRT LWS vom 17.6. 2005 (Paramedian li-seitiger nach kraniaI geschlagene Diskusprolaps TH 12/L1) Befund nicht aktuell Abl. 43 Rückseite MRT linkes Knie 17.6.2005 (nun deutliche Gonarthrose mit hochgradiger Chondropathie, großflächige Knorpelglatzen im medialen Femur-und Tibiakondylus, Meniskusriss medial und lateral) - Befund nicht aktuell

Abl. 42 MFT linkes Kniegelenk vom 12.6.2006 (leichtgradige Reduzierung des Bone bruise am medialen Tibiaplateau, deutliche Chondropathie mit beginnenden Klappenbildungen medial und mäßiggradig lateral) - Befund nicht aktuell

Abl. 41, MRT linkes Kniegelenk vom 14.8.2006 (Befundbesserung hinsichtlich Bone bruise, heute nicht mehr nachweisbar) - Befund nicht aktuell

Abl. 38, MRT der LWS m 27.7.2007 (Prolaps TH 12/L1, im Vergleich zu 2005 deutlich volumensgemindert) - Befund nicht aktuell

Abl. 38 Rückseite Röntgen Beckenübersicht und LWS vom 27.7.2007 (bei Zustand nach trochantärer Osteotomie rechts Spornbildung im Bereich der Trochanterregion, incipiente Coxarthrosezeichen. LWS:

multisegmentäre geringfügige Spondylose) - Befund nicht aktuell

Abl. 37, Befund Dr. XXXX , 8.8.2007 (seit Unfall 1976 massive Folgeprobleme, massive Gonarthrose links, Coxarthrose, Prolaps L1/L2 Medikamente erforderlich) - Befund nicht aktuell

Abl. 36 =Abl. 59 Befund Dr. XXXX 21.5.2008

Abl. 35 MRT der LWS 4.8.2008 (zu 2007 leichtgradige Befundprogredienz, L4/L5 kleiner Discusprolaps, der Nervenwurzel L5 rechts verdrängt, Prolaps TH 12/S1 nicht mehr nachweisbar)- Befund nicht aktuell

Abl. 32-34 Befund Knochendichtemessung 30.6.2014 (kein Hinweis Osteoporose) unterstützt getroffene Beurteilung

Abl. 31 CT linkes Kniegelenk 3.12.2015 (massive Gonarthrose und ausgeprägte posttraumatische Strukturalteration distale Femurdiaphyse) - Befund nicht aktuell

Abl. 30, Entlassungsbericht Krankenhaus XXXX Orthopädie 17.2.2016 (Implantation einer Knietotalendoprothese links) - Befund wird Beurteilung zugrunde gelegt, maßgeblich sind jedoch objektivierbare Funktionsdefizite.

Abl. 29, Ganzbeinaufnahmen und Röntgen beide Kniegelenke 7.6.2018

(Knietotalendoprothese links, keine Lockerungszeichen, Zustand nach Trümmerbruch links, Patella entfernt. Deutliche Varusgonarthrose und Femoropatellararthrose rechts) - Befund wird Beurteilung zugrunde gelegt, maßgeblich jedoch sind objektivierbar Funktionsdefizite.

Abl. 26-28, Befund Dr. XXXX Ordination für Präventivmedizin (chronisches Überlastungssyndrom, Schlafstörung, Serotonin-Defizit, Gonalgie rechts bei Beinachsenfehlstellung, Knieprothese links, chronische Muskelverkürzung, Zustand nach chronischem Schmerzsyndrom, Hyperlipidämie, Radiofrequenzablation bei Struma 2018) - weder ein fachärztlicher psychiatrisch/neurologischer Befund noch nuklearmedizinischer Befund vorliegend, Befund führt daher zu keiner Veränderung getroffener Beurteilung

Abl. 25, Befund Dr. XXXX Facharzt für Orthopädie 14.8.2018 (2016 Knietotalendoprothese links, Zustand nach Patellektomie links, Zustand nach Femurosteotomie rechts 1989, Verdacht auf mediale Meniskusläsion rechts, Varusgonarthrose rechts. Karteikartenauszug von 19.10.2015 - 20.6.2018, zuletzt: links immer besser, mit E-Bike am Loser gefahren, Beweglichkeit links 0/0/82, rechts 0/0/130, Varus rechts, im Röntgen Varus 10° rechts, punktuell aufgebrauchter Gelenkspalt medial rechts, 4° Varus links)

ad 7) Begründung einer eventuell vom bisherigen Ergebnis abweichenden Beurteilung

keine abweichende Beurteilung.

ad 8) Feststellung, ob bzw. wann eine ärztliche Nachuntersuchung erforderlich ist.

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

7. Mit Schreiben vom 02.04.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF und der belangten Behörde das Sachverständigengutachten von DDr. XXXX zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme binnen zweier Wochen. Innerhalb offener Frist teilte der BF zum Gutachten mit, dass er lediglich in der Lage sei, Stufen mit einer Höhe von 17cm zu begehen. Er habe knöchelhohe Winterschuhe getragen. Aufgrund der Schuhhöhe habe er die Orthese nicht tragen können. E-Bike fahren könne er nur mit einer speziell angefertigten Trittkurbel auf der linken Seite.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Inhaber eines Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H.

Der BF brachte am 13.06.2018 bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ein.

Der BF ist österreichischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet.

Beim BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen:

- Abnützungserscheinungen des Stütz- und Bewegungsapparates:

Knietotalendoprothese links, mäßige Varusgonarthrose rechts, Abnützungserscheinungen der Wirbelsäule

Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität und selbständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich und dauerhaft einschränkten. Dem BF ist es trotz mäßiger Funktionsbeeinträchtigung im Bereich beider Kniegelenke, links mehr als rechts, möglich, Wegstrecken von zumindest 300-400m ohne erhebliche Erschwernis zurückzulegen. Eine ausreichende Trittsicherheit ist mit Schuhen gegeben. Der Bewegungsumfang sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten ist ausreichend um Niveauunterschiede zu überwinden, die mäßige Einschränkung der Beugefähigkeit des linken Kniegelenks kann ausreichend kompensiert werden, sodass das sichere Ein- und Aussteigen nicht erheblich erschwert ist. An den oberen Extremitäten bestehen keine Funktionsausfälle, sodass Haltegriffe benützt werden können.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem BF zumutbar.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur gegenständlichen Antragstellung gründet sich auf den Akteninhalt.

Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit beruht auf dem Eintrag im zentralen Melderegister. Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des BF im Inland ergibt sich ebenfalls aus der Einsichtnahme im zentralen Melderegister.

Die Feststellung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, die zur Abweisung der Zusatzeintragung "Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafte Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" führt, beruht auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten ergänzenden Sachverständigengutachten vom 07.03.2019 einer Ärztin für Allgemeinmedizin, Fachärztin für Unfallchirurgie.

Bereits der von der belangten Behörde befasste medizinische Sachverständige stellte in seinem Gutachten vom 24.09.2018 fest, dass keine maßgebliche Beeinträchtigung der Gehfähigkeit oder Gangsicherheit im Rahmen der Untersuchung feststellbar sei. Eine kurze Wegstrecke von 300 bis 400 Metern könne trotz der der mäßigbis höchstens mittelgradigen Funktionseinschränkung der Kniegelenke zurückgelegt werden. Das Stufensteigen sei problemlos möglich und der freie Stand sei sicher, die oberen Extremitäten uneingeschränkt zum Anhalten und Abstützen einsetzbar, sodass ein sicherer Transport gewährleistet sei. Dies bestätigt der Sachverständige nochmals in seiner Stellungnahme vom 18.10.2018.

Auch die in der Folge vom Bundesverwaltungsgericht befasste Sachverständige gelangt basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF mit erhobenen klinischen Befunden und den schlüssigen und nachvollziehbaren gutachterlichen Äußerungen entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen zu dem Schluss, dass im Fall des BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Diese Schlussfolgerungen der medizinischen Sachverständigen finden insbesondere Bestätigung in den Aufzeichnungen der sachverständigen Gutachterin zur persönlichen Untersuchung am 24.01.2019 im Rahmen der (oben wiedergegebenen) Statuserhebung zu den oberen und unteren Extremitäten bzw. zur Gesamtmobilität und zum Gangbild ("Becken und beide unteren Extremitäten: Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits mit Anhalten und ohne Einsinken kurz durchführbar. Der Einbeinstand ist mit Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist ansatzweise möglich. Die Beinachse zeigt geringgradige Varusstellung rechtes Knie, linkes Bein achsengerecht. Symmetrische Muskelverhältnisse: Bandmaß Oberschenkel beidseits 47 cm, Unterschenkel beidseits 38,5 cm Beinlänge nicht ident, rechts -1 cm. Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich. Hüftgelenk beidseits: kein Rotationsschmerz, kein Stauchungsschmerz beidseits. Kniegelenk links: Narben suprapatellar und medial und median nach Patellektomie und Implantation einer Knietotalendoprothese, kleiner Patellarest ist lateral tastbar, medial und lateral + federnd aufklappbar mit festem Anschlag, geringgradige Umfangsvermehrung, kein Erguss, keine Überwärmung. Kniegelenk rechts: keine wesentliche Umfangsvermehrung, keine Überwärmung, kein Erguss, keine Bewegungsschmerzen auslösbar, geringgradige Varusstellung, geringgradig Druckschmerzen über dem medialen Gelenkspalt. Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig. Aktive Beweglichkeit: Hüften S rechts 0/120, links 0/100, IR/AR rechts 5/0/30, links 10/0/25, Knie rechts 0/0/120, links 0/0/80,

Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich. Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich. Wirbelsäule: Schultergürtel und Becke stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, geringgradig Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule. Aktive

Beweglichkeit: HWS: in allen Ebenen frei beweglich. BWS/LWS: FBA: 5 cm, in allen Ebenen frei beweglich Lasegue bds. negativ,

Muskeleigenreflexe: PSR links nicht auslösbar, sonst seitengleich mittellebhaft auslösbar. Gesamtmobilität - Gangbild: Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild ist geringgradig links hinkend, zügig, Gesamtmobilität sicher.

Socken ausziehen im Sitzen: unauffälliges Vorbeugen. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.").

Es liegen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule vor, welche die Mobilität und selbständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich und dauerhaft einschränkten. Es ist dem BF trotz mäßiger Funktionsbeeinträchtigung im Bereich beider Kniegelenke, links mehr als rechts, möglich, Wegstrecken von zumindest 300-400m ohne erhebliche Erschwernis zurückzulegen. Eine Gehhilfe wird nicht verwendet, eine ausreichende Trittsicherheit ist mit Schuhen gegeben. Der Bewegungsumfang sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten ist ausreichend, um Niveauunterschiede zu überwinden, die mäßige Einschränkung der Beugefähigkeit des linken Kniegelenks kann ausreichend kompensiert werden, sodass das sichere Ein- und Aussteigen nicht erheblich erschwert ist. An den oberen Extremitäten bestehen keine Funktionsausfälle, sodass Haltegriffe benützt werden können.

Bei der Knietotalendoprothese links ist zwar eine Beugehemmung bis 80° bei freier Streckfähigkeit feststellbar, stabiles Gelenk ohne Hinweis für Lockerung. Die mäßige Beugehemmung führt jedoch zu keiner erheblichen Erschwernis beim Zurücklegen kurzer Wegstrecken und Überwinden von Niveauunterschieden, da diese ausreichend kompensierbar ist.

Auch die mäßige Varusgonarthrose rechts führt zu keiner erheblichen Einschränkung der Mobilität. Der Bewegungsumfang ist ausreichend, es liegt ein stabiles Gelenk ohne Hinweise für aktivierte Arthrose vor, das Zurücklegen kurzer Wegstrecken und Überwinden von Niveauunterschieden ist nicht erheblich erschwert. Der sichere Transport ist möglich, da kein Hinweis für eine Stand- oder Gangunsicherheit festgestellt werden konnte. Die geringgradige Beinlängendifferenz von 1 cm führt zu keiner wesentlichen Gangbildbeeinträchtigung.

Das behinderungsbedingte Erfordernis der Schienung des rechten Beins mit einer achsenkorrigierenden Orthese konnte von der Sachverständigen durch die festgestellten Funktionseinschränkungen bei geringgradiger Varusgonarthrose und den vorgelegten Befunden nicht objektiviert werden.

Dem BF sind therapeutische Optionen, wie die Einnahme von Schmerzmitteln und Durchführung multimodaler Behandlungen, zum Beispiel physikalischer Therapie, zumutbar.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens vom 07.03.2019. Es wurde darin auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Der BF ist diesem Sachverständigengutachten nicht substantiell entgegengetreten. Auch weitere medizinische Beweismittel, durch die die Einwendungen im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Parteiengehörs fundiert belegt bzw. dem eingeholten Sachverständigengutachten substantiiert entgegengetreten wird, sind von ihm nicht vorgelegt worden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 55. ...

(4) Die Bestimmung des § 41 Abs. 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 81/2010 ist auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren nicht anzuwenden. Diese Verfahren sind unter Zugrundelegung der bis zum 31. August 2010 geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. Dies gilt bis 31. August 2013 auch für Verfahren nach §§ 40ff, sofern zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes ein rechtskräftiger Bescheid nach §§ 40ff oder auf Grund der Bestimmungen des § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes vorliegt.

(5) Im Falle eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung nach Ablauf des 31. August 2013 hat die Einschätzung unter Zugrundelegung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBL. II Nr. 261/2010) zu erfolgen. Im Falle einer von Amts wegen durchgeführten Nachuntersuchung bleibt - bei objektiv unverändertem Gesundheitszustand - der festgestellte Grad der Behinderung unberührt."

Gemäß § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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