TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/16 98/02/0324

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Veröffentlicht am 16.02.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §67c Abs1;
FrG 1997 §55 Abs1;
FrG 1997 §60;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/02/0325 98/02/0327 Serie (erledigt im gleichen Sinn): 98/02/0326 E 23. März 1999

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde 1. des EA, 2. des JM, und 3. des AH, alle in Wien, alle vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz und Dr. Wolfgang Fromherz, Rechtsanwälte in Linz, Graben 9, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 26. August 1998, Zl. UVS-02/P/44/9/98 (Erstbeschwerdeführer), Zl. UVS-02/P/43/13/98 (Zweitbeschwerdeführer), und vom 24. August 1998, Zl. UVS-02/P/16/00011/98 (Drittbeschwerdeführer), betreffend Zurückweisung von Berufungen in Angelegenheit Zurückschiebung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von je S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Über die Beschwerdeführer - alle irakische Staatsangehörige - wurde mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 28. bzw. 29. Jänner 1998 die Schubhaft zur Sicherung der Zurückschiebung verhängt. Die Schubhaft wurde gegenüber allen Beschwerdeführern im Polizeigefangenenhaus in Wien VIII vollzogen. Sodann wurden die Beschwerdeführer am 17. Februar 1998 über Veranlassung der letztgenannten Behörde durch Sicherheitswacheorgane des Bezirksgendarmeriekommandos Neusiedl am See an den Grenzübergang Berg verbracht, um in die Slowakei zurückgeschoben zu werden. Da die slowakischen Behörden die Übernahme der Beschwerdeführer verweigerten, wurden diese in das Polizeigefangenenhaus zurückverbracht.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die gegen die versuchten Zurückschiebungen sowie gegen (behauptete) Mißhandlungen im Zuge dieser Maßnahmen erhobenen Maßnahmenbeschwerden zurückgewiesen. Nach den im wesentlichen gleichlautenden Begründungen der angefochtenen Bescheide stelle die Zurückschiebung - wie die Abschiebung - eine Einheit dar, deren sämtliche Elemente auf den Endzweck ausgerichtet seien, den Fremden zum Verlassen des Bundesgebietes zu verhalten. Unabhängig davon, wo sich die einzelnen Elemente dieses behördlichen Vorgehens ereignet hätten, habe die gegenüber den Beschwerdeführern jeweils angeordnete Zurückschiebung mit dem Aufgreifen der Beschwerdeführer an der Grenze begonnen; alle Elemente des weiteren Vorganges seien auf den Willen der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See zurückzuführen. Der Umstand, daß die Schubhaft zum Zweck der Zurückschiebung "aus allein logistischen Gründen" in einem Wiener Schubhaftgefängnis vollzogen worden und von dort der Transport zur Grenze erfolgt sei, sei in rechtlicher Hinsicht ohne Belang. Maßgeblich sei, daß alle beteiligten Behörden und Organe sich im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland befänden und dessen Rechtskontrolle unterlägen. Zum Unabhängigen Verwaltungssenat Wien bestünde - abgesehen vom rechtlich nicht relevanten Ort des Vollzuges der Schubhaft - kein örtlicher Bezug. Soweit der Beschwerdeführer hinsichtlich der Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien auf das hg. Erkenntnis vom 23. September 1994, Zl. 94/02/0139, verweise, ergebe sich gerade aus diesem Erkenntnis die Unzuständigkeit der belangten Behörde.

Gegen diese Bescheide richten sich die im wesentlichen gleichlautenden, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machenden und wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 67c Abs. 1 AVG sind Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bei jenem unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.

Gemäß § 55 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. Nr. 75 (FrG) können Fremde zur Rückkehr in das Ausland verhalten werden (Zurückschiebung), wenn sie

1. unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und binnen sieben Tagen betreten wurden;

2. innerhalb von sieben Tagen nach Einreise in das Bundesgebiet von der Republik Österreich auf Grund eines Rücknahmeabkommens (§ 4 Abs. 4)

oder internationaler Gepflogenheiten zurückgenommen werden mußten.

Gemäß § 60 FrG sind die Zurückweisung, die Transitsicherung, die Zurückschiebung, die Abschiebung und die Durchbeförderung von Fremden von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchzusetzen, wenn dies auf andere Weise nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist.

Der belangten Behörde ist zunächst zuzustimmen, wenn sie die Auffassung vertritt, die Zurückschiebung stelle ebenso wie die Abschiebung eine Einheit dar, deren sämtliche Elemente auf den Endzweck ausgerichtet seien, den Fremden zum Verlassen des Bundesgebietes zu verhalten, gleichgültig wo sich diese Einzelelemente ereigneten. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann das erste Aufgreifen eines Fremden, der in der Folge in Schubhaft genommen wird, aber nicht bereits als Teilhandlung der später - allenfalls - vorgenommenen Zurückschiebung angesehen werden. Auch wenn alle Verfahrensschritte, welche schließlich in die Zurückschiebung münden, vom Willen der Behörde getragen sind, in deren örtlichem Zuständigkeitsbereich der Fremde aufgegriffen wurde, kann daraus nicht abgeleitet werden, daß durch das erstmalige Aufgreifen des Fremden die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates, in dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich dieses Aufgreifen erfolgte, bis zum Zeitpunkt, in dem der Fremde außer Landes geschafft wird, aufrecht bliebe. Vielmehr beginnt die gemäß § 60 Abs. 1 FrG im Wege der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchsetzbare Zurückschiebung eines Fremden in dem Zeitpunkt, in dem seine Verbringung an die Grenze des Bundesgebietes ihren tatsächlichen Anfang nimmt. Das ist in Fällen, in denen Fremde in Schubhaft gehalten werden, der Zeitpunkt, in dem sie vom Vollzugsort der Schubhaft zum Zweck des Transportes an die Grenze abgeholt werden. Daraus folgt, daß für Beschwerden gegen Zurückschiebungen derjenige unabhängige Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich die Zurückschiebung tatsächlich begonnen hat.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kann aus dem von ihr ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 23. September 1994, Zl. 94/02/0139, nichts für ihren Standpunkt gewonnen werden, weil auch in diesem Beschwerdefall über den damaligen Beschwerdeführer zunächst die Schubhaft verhängt worden war und die zur Außerlandesschaffung gesetzte Maßnahme - im damaligen Beschwerdefall handelte es sich um eine Abschiebung - erst im Anschluß an die Schubhaft ihren Anfang nahm. Aus dem in diesem Erkenntnis enthaltenen Rechtssatz, daß zur Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung jener unabhängige Verwaltungssenat zuständig ist, in dessen örtlichem Wirkungsbereich die Abschiebung beginnt, kann daher nicht darauf geschlossen werden, daß das erste Aufgreifen eines Fremden bereits den Beginn einer zur Außerlandesschaffung eines Fremden vorgesehenen Maßnahme darstelle. Dieses Resultat findet auch darin seine Bestätigung, daß für die Bekämpfung der - der Zurückschiebung vorausgehenden - Schubhaft im FrG eigene, von der Möglichkeit, die Zurückschiebung selbst zu bekämpfen, verschiedene Rechtsbehelfe vorgesehen sind.

Ausgehend von diesem Ergebnis erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, die Zuständigkeit zur Entscheidung über die von den Beschwerdeführern gegen ihre versuchte Zurückschiebung erhobenen Beschwerden sei nicht bei ihr, sondern beim Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland gelegen gewesen, als nicht im Einklang mit der Rechtslage. Die belangte Behörde war daher nicht berechtigt, die Beschwerden wegen Unzuständigkeit der Behörde zurückzuweisen.

Da somit die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage eine Sachentscheidung verweigert hat, mußten die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 16. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998020324.X00

Im RIS seit

18.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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