Norm
§31 Abs1 iVm §32 Abs1 und §35 Abs1 GlBGDiskriminierungsgrund
Ethnische ZugehörigkeitDiskriminierungstatbestand
Anhaltung im Supermarkt; BelästigungText
Senat III der Gleichbehandlungskommission
Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz
Der Senat III der Gleichbehandlungskommission (GBK) beim Bundeskanzleramt gelangte am 12. April 2018 über den am 15. Mai 2017 eingelangten Antrag von Herrn A (in der Folge „Antragsteller“), vertreten durch die Anwältin für die Gleichbehandlung ohne Unterschied des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit in sonstigen Bereichen, betreffend die Überprüfung einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, und einer Belästigung durch die Antragsgegner
1. X GmbH
2. Herrn Y
3. Herrn Z
gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz (in der Folge GlBG; idF BGBl. I Nr. 34/2015) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz (idF BGBl. I Nr. 107/2013) iVm § 11 Gleichbehandlungskommissions-GO (idF BGBl. II Nr. 275/2013) zur Auffassung, dass
1. durch die X GmbH und Herrn Z eine unmittelbare Diskriminierung des Antragstellers aufgrund seiner ethnischen Herkunft gemäß § 32 Abs. 1 GlBG vorliegt.
2. durch die X GmbH und Herrn Z eine Belästigung des Antragstellers aufgrund seiner ethnischen Herkunft gemäß § 35 Abs. 1 GlBG vorliegt.
3. durch Herrn Y eine unmittelbare Diskriminierung und eine Belästigung des Antragstellers aufgrund seiner ethnischen Herkunft gemäß § 32 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 GlBG nicht vorliegt.
Der Sachverhalt stellte sich laut Antrag im Wesentlichen wie folgt dar:
Der Antragsteller sei Angehöriger der Volksgruppe der Roma und serbischer Staatsbürger. Am … sei er auf dem Parkplatz der …, von einem ihm unbekannten Mann mit heller Hautfarbe, auf Englisch angesprochen und um Hilfe beim Kauf eines Weines gebeten worden. Der Antragsteller habe ihn in die Filiale begleitet und ihn zum Weinregal geführt. Auf dem Weg habe der Mann noch andere Waren in seinen Einkaufskorb gelegt und auch dem Antragsteller sei ein in Aktion befindliches Aftershave aufgefallen, welches er zu kaufen beabsichtigt und somit mitgenommen habe.
Vor dem Weinregal habe der Antragsteller das Aftershave unter die Achsel geklemmt, um seine Brille aufzusetzen. Der Antragsteller habe dem Mann einen österreichischen Wein empfohlen, den dieser in seinen Einkaufskorb gelegt habe. Nachdem der Antragsteller seine Brille wieder abgesetzt habe, habe er nach dem Aftershave gegriffen, damit es ihm nicht herunterfalle.
In weiterer Folge sei ein Mitarbeiter in Zivilkleidung hinter dem Regal hervorgetreten und habe den Antragsteller am Oberarm festgehalten. Der Antragsteller habe zu diesem Zeitpunkt das Aftershave immer noch in der Hand gehalten. Der Mitarbeiter habe beide Kunden aufgefordert, ihre Taschen zu leeren und habe zum Antragsteller auch gesagt: „Was hast du eingesteckt?“. Dies sei von einigen anderen Kundlnnen beobachtet worden. In weiterer Folge seien beide Männer vom Mitarbeiter in ein Büro geführt worden, wo der unbekannte Kunde auf seinen vollen Einkaufskorb verwiesen und Geld hergezeigt habe. Nach dieser Erklärung habe dieser ohne weitere Konsequenzen gehen können.
Der Antragsteller habe nachgefragt, ob er seine Taschen leeren müsse, weil er Zigeuner sei. Darauf habe der Mitarbeiter entgegnet: „Du Beschissener sei still“. In weiterer Folge habe der Antragsteller seine Taschen geleert, wobei er ausschließlich € 170‚- Bargeld eingesteckt gehabt habe. Mit Hinweis auf das Aftershave habe der Mitarbeiter gemeint: „Du wirst das bezahlen“, was der Betroffene mit „natürlich werde ich das bezahlen“ kommentiert habe.
In weiterer Folge sei ein zweiter Mitarbeiter hereingekommen und habe angefangen ein schriftliches Hausverbot aufzusetzen. Der erste Mitarbeiter habe das Aftershave und einen € 50,- Schein des Antragstellers genommen und sei hinausgegangen. Kurz darauf sei er mit zwei gleichen Aftershaves, der Rechnung und dem passenden Wechselgeld zurückgekommen. Den Hinweis des Antragstellers, dass er nur eines habe kaufen wollen, hätten beide Mitarbeiter ignoriert. Danach habe der Antragsteller das inzwischen aufgesetzte Hausverbot unterschreiben sollen, was dieser aufgrund der unangenehmen Situation auch getan habe.
Schlussendlich sei aufgrund der erfolgten Anzeige wegen versuchten Diebstahls die Polizei gekommen und der Betroffene habe die Polizisten zur Inspektion begleiten müssen.
Von der Erstantragsgegnerin langte zu den Vorwürfen am … im Wesentlichen folgende Stellungnahme bei Senat III ein.
Richtig sei, dass sich der Antragsteller am … in der Filiale der Erstantragsgegnerin, …, aufgehalten habe. Zu diesem Zeitpunkt sei der Zweitantragsgegner der filialverantwortliche Mitarbeiter gewesen.
Der Zweitantragsgegner sei von einer Kundin darauf aufmerksam gemacht worden, dass der Antragsteller ein Aftershave eingesteckt hätte. Ausschließlich aufgrund dieses Hinweises sei der Antragsteller vom Zweitantragsgegner gebeten worden, ihm in den Sozialraum zu folgen, um den Vorwurf dort diskret aufklären zu können. Der Antragsteller sei dabei nicht am Oberarm festgehalten, beschimpft oder auf eine sonstige Art und Weise bloßgestellt worden. Richtig sei, dass mit dem Antragsteller eine Kommunikation in deutscher Sprache praktisch nicht möglich gewesen sei. Umso verwunderlicher erscheine es, dass er dem Zweitantragsgegner konkrete Beschimpfungen vorwerfe.
Im Sozialraum sei in weiterer Folge dem Hinweis der Kundin nachgegangen worden. Tatsächlich habe der Antragsteller ein Aftershave ohne Verpackungsmaterial bei sich gehabt. Die Verpackung sei später unter einem Regal im Verkaufsraum gefunden worden. Schließlich sei der Antragsteller gebeten worden, das Aftershave zu bezahlen. Der Vorwurf, er hätte zwei Artikel bezahlen müssen, obwohl er nur einen bei sich gehabt habe, sei nicht nachvollziehbar. Da sich der Antragsteller nicht habe ausweisen können und der Zweitantragsgegner aufgrund der Sachlage von einem versuchten Diebstahl habe ausgehen müssen, sei in weiterer Folge die Polizei beigezogen und eine Diebstahlsanzeige erstattet worden.
Entgegen den Ausführungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft sei der vom Antragsteller geschilderte Sachverhalt keineswegs schlüssig und glaubhaft. Allein der von ihm behauptete Umstand, er sei von einem ihm unbekannten Mann auf dem Parkplatz (!) angesprochen und um Hilfe beim Kauf eines Weines gebeten worden, widerspreche der allgemeinen Lebenserfahrung. Nachvollziehbar wäre es wohl eher, Personen, die sich im Bereich des Weinregals aufhalten, um derartige Hilfe zu bitten.
Unglaubhaft erscheine weiters die Behauptung des Antragstellers, er habe das Aftershave unter der Achsel eingeklemmt und sei dann vom Filialleiter mit dem Vorwurf konfrontiert worden, er habe etwas eingesteckt. Es werde ausgeschlossen, dass ein/e Filialmitarbeiter/in einer/m Kundin/en mitten im Verkaufsraum - ohne irgendeinen Anhaltspunkt zu haben - auffordert bzw. danach fragen würde, ob sie/er etwas eingesteckt habe.
Aus dem von der Gleichbehandlungsanwaltschaft vorgelegten Urteil gehe hervor, dass der Antragsteller gemäß § 259 Z 3 StPO „im Zweifel“ freigesprochen worden sei. Aus dem Urteil gehe jedoch entgegen den Ausführungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft weder hervor, dass der Antragsteller versucht habe das Aftershave zu verstecken, noch ob er das Verpackungsmaterial bereits entfernt habe. Naheliegend sei, dass der Freispruch deshalb erfolgt sei, weil der Antragsteller den Kassenbereich noch nicht verlassen gehabt habe und daher grundsätzlich noch die Möglichkeit gehabt hätte, die Ware zu bezahlen. Der „im Zweifel“ erfolgte Freispruch könne daher dem vom Zweitantragsgegner geschilderten Sachverhalt nicht entgegengehalten werden.
In den Sitzungen der GBK am … wurden der Antragsteller, Hr. Dr. O und Hr. Y, in der Sitzung am …, Hr. Z als Auskunftspersonen befragt:
Der Antragsteller erläuterte in seiner Befragung am … im Wesentlichen, dass der Vorfall schon zwei Jahre zurückliege. Er habe in der Zwischenzeit eine Kopfverletzung erlitten und könne sich daher nicht mehr im Detail daran erinnern.
Der Antragsteller sei beim Weinregal gestanden und habe ein After Shave in der Hand gehabt. Neben ihm sei eine weitere Person gestanden, welche den Antragsteller auf Englisch um Hilfe bei den Aktionsweinen gebeten habe. Da seien er und die andere Person vom Drittantragsgegner angesprochen worden. Der Antragsteller sei aufgefordert worden, den Inhalt seiner Taschen zu leeren. Der Antragsteller habe dies abgelehnt, da er dazu keinen Anlass gesehen habe.
Die andere Person sei auch befragt worden, sei aber frei gelassen worden, da sie einen vollen Einkaufswagen gehabt und Geld hergezeigt habe.
Es seien sofort viele Menschen da gewesen. Der Antragsteller sei sehr aufgeregt gewesen, da er von einer jüngeren Person aufgehalten und angegriffen worden sei. Er sei vom Mitarbeiter gehalten und mehr oder weniger in ein Büro gezerrt worden. Dort sei der Antragsteller aufgefordert worden, ein ihn betreffendes Hausverbot zu unterschreiben, was er auch sofort getan habe. Etwas später sei die Polizei eingetroffen.
Zu den im Antrag angeführten Aussagen „Du Beschissener sei still!“ und „Du wirst das bezahlen!“ könne der Antragsteller nichts mehr sagen, da zwischenzeitlich der Autounfall passiert sei.
Der Vertreter der Erstantragsgegnerin erläuterte in seiner Befragung am … im Wesentlichen, dass er Bereichsleiter für Recht Compliance und Versicherung sei.
Die Leitlinien zu Diebstählen würden zentral geregelt. Der Zweitantragsgegner habe allen diesen Richtlinien bis auf einen Punkt entsprochen. Normalerweise sei es so, dass man warten müsse, bis der Kunde den Kassenbereich verlassen habe und erst dann dürfe man ihn ansprechen. Es sei nicht mehr nachvollziehbar, warum in diesem Fall der Antragsteller vom Zweitantragsgegner vor der Kasse angesprochen worden sei.
Der Zweitantragsgegner sei aufgrund des Schreibens der GAW eruiert worden. Im selben Schreiben sei auch ein Kaufhausdetektiv erwähnt worden, was den Befragten dazu bewogen habe, nähere Informationen beim zuständigen Gericht einzuholen. Dabei habe es sich herausgestellt, dass an diesem Tag tatsächlich ein Kaufhausdetektiv, der nunmehrige Drittantragsgegner, in der Filiale anwesend gewesen sei.
In beiden Schreiben der GAW würde behauptet, dass der Kaufhausdetektiv den Antragsteller beschimpft habe und nicht der Zweitantragsgegner. Dies widerspreche der Aussage des Antragstellers, in der er den Zweitantragsgegner als den ihn Beschimpfenden identifiziert habe.
Zusammenfassend sei dem Antragsteller in keinster Weise der Zugang zu Gütern und Dienstleistungen verwehrt worden. Die Anschuldigung, dass der Antragsteller aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit angehalten worden sei, sei nicht haltbar. Insbesondere deswegen nicht, da auch das Gericht festgestellt habe, dass der Antragsteller „die ausgepackte Ware noch vor Erreichen der Kassa eingesteckt hat“. Besonders hervorzuheben sei, dass sich der Antragsteller in mehreren Protokollen extrem widersprochen habe.
Der Zweitantragsgegner erläuterte in seiner Befragung am … im Wesentlichen, dass er sich an nicht mehr viel des Vorfalls erinnern könne. Er wisse noch, dass er von einer Kundin darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass der Antragsteller Ware eingesteckt haben soll. Es sei ein weiterer Kunde anwesend gewesen und auch angehalten worden, da der Zweitantragsgegner zunächst ja nicht gewusst habe, wer das After Shave eingesteckt habe.
Später seien der Zweitantragsgegner und der Antragsteller im Büro gewesen und die Polizei sei hinzugestoßen. Der Zweitantragsgegner habe aber den Antragsteller nie etwas unterschreiben lassen. Mit der Polizei sei festgestellt worden, dass das After Shave nicht bezahlt worden sei. Es sei auch die Verpackung des After Shaves beim dem Regal gefunden worden, wo der Antragsteller vor dem Aufgriff gestanden sei.
Der Zweitantragsgegner habe den Antragsteller sicherlich nicht beschimpft. Auch würde er Kunden niemals halten oder ins Büro zerren. Ob der Antragsteller vor der Kasse angehalten worden sei, wisse der Zweitantragsgegner nicht mehr. Auch könne der Zweitantragsgegner nicht sagen, warum im Antrag immer von einem weiteren Mitarbeiter die Rede sei.
Ein eigenes Sicherheitspersonal sei in der Filiale nicht beschäftigt, hin und wieder würden aber Kaufhausdetektive eingesetzt. Der Zweitantragsgegner wisse nicht, ob beim konkreten Vorfall ein Kaufhausdetektiv anwesend gewesen sei.
Der Drittantragsgegner erläuterte in seiner Befragung am … im Wesentlichen, dass er damals in mehreren Filialen der Antragsgegnerin als Kaufhausdetektiv tätig gewesen sei. Er könne sich an diesen Vorfall aber nicht erinnern. Sicher sei aber, dass er niemals Menschen wegen ihrer Herkunft beschimpfen oder körperliche Gewalt anwenden würde.
Der Drittantragsgegner könne sich nicht erinnern, dass der Zweitantragsgegner ihn angewiesen habe, die Anhaltung des Antragstellers vor der Kasse zu machen. Auch könne er sich dafür keinen Grund vorstellen. Normalerweise mache der Drittantragsgegner dies nicht und es sei auch eine Vorgabe seiner Firma, die Anhaltung mutmaßlicher Ladendiebe erst nach dem Kassenbereich zu beginnen. Ebenso sei es verboten und stelle einen Kündigungsgrund dar, wenn der Kaufhausdetektiv einen Kunden angreifen würde.
Der Senat III der Gleichbehandlungskommission hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Senat III hatte den Fall einer unmittelbaren Diskriminierung des Antragstellers gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 1 leg.cit. zu prüfen, nämlich, ob die Anhaltung durch den Drittantragsgegner aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit des Antragstellers erfolgte oder sie aus anderen, vom Gleichbehandlungsgesetz nicht sanktionierten Gründen erfolgte und den Antragsgegnern der Beweis darüber im Verfahren gelungen ist. Ebenso war eine Belästigung des Antragstellers gemäß § 35 Abs. 1 leg.cit. zu prüfen.
Da die Erstantragsgegnerin sich ihrer Mitarbeiter/innen als auch derer von Drittfirmen zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten bedient, hat sie im Rahmen der Gehilfenhaftung gemäß § 1313a ABGB auch für fremdes Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter/innen bzw. der Mitarbeiter/innen der mit ihr vertraglich verbundenen Drittfirmen einzustehen.
Die relevanten Gesetzesstellen des hier zu behandelnden Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) bestimmen Folgendes:
§ 30. (2) Für das Merkmal der ethnischen Zugehörigkeit gelten die Bestimmungen dieses Abschnittes für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung und für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, sowie für Rechtsverhältnisse einschließlich deren Anbahnung und Begründung und für die Inanspruchnahme oder Geltendmachung von Leistungen außerhalb eines Rechtsverhältnisses
1. beim Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
2. bei sozialen Vergünstigungen,
3. bei der Bildung,
sofern dies in die unmittelbare Regelungskompetenz des Bundes fällt.
§ 31. (1) Auf Grund des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit darf niemand unmittelbar oder mittelbar beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, diskriminiert werden. Diskriminierungen von Frauen auf Grund von Schwangerschaft oder Mutterschaft sind unmittelbare Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts.
§ 32. (1) Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person auf Grund eines in § 31 genannten Grundes in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
(2) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen eines Geschlechts oder Personen, die einer ethnischen Gruppe angehören, in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich.
§ 35. (1) Unerwünschte, unangebrachte oder anstößige Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit einem der Gründe nach § 31 oder der sexuellen Sphäre stehen, und bezwecken oder bewirken,
1. dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird und
2. ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person geschaffen wird, gelten als Diskriminierung.
(1) Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 31 hat die betroffene Person Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.
(3) Insoweit sich im Streitfall die betroffene Person auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§ 31 oder 35 beruft, hat er/sie diesen glaubhaft zu machen. Dem/der Beklagten obliegt es bei Berufung auf § 31 zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Beklagten glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 32 Abs. 2 oder des § 33 vorliegt. Bei Berufung auf § 35 obliegt es dem/der Beklagten zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die vom/von der Beklagten glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
Der Antragsteller ist Angehöriger der Volksgruppe der Roma und serbischer Staatsbürger. Am … hielt er sich in der Filiale … der Erstantragsgegnerin auf. Nach einiger Zeit ist er vom Drittantragsgegner, welcher dort als Kaufhausdetektiv tätig war, vor dem Kassenbereich angesprochen worden. In diesem Gespräch verdächtigte der Drittantragsgegner den Antragsteller des Diebstahls eines After Shaves und bat ihn in den Sozialraum der Filiale. Diese Anhaltung wurde von mehreren KundInnen beobachtet. Im Sozialraum wurde vom hinzugekommenen Zweitantragsgegner die Polizei telefonisch vom mutmaßlichen Ladendiebstahl verständigt und traf nach ca. 20 Minuten ein.
In weiterer Folge ist der Antragsteller am … von der Anklage des versuchten Diebstahls (Strafverfahren geführt unter der GZ …) mit der Begründung freigesprochen worden, er hätte das Aftershave noch bezahlen können, da er in der Filiale noch vor dem Kassenbereich angehalten worden sei und er dieses auch nicht versucht habe zu verstecken.
Festzuhalten ist, dass die Aussagen des Antragstellers vor dem Senat im Vergleich zu den Aussagen aus den Polizei- und Gerichtsprotokollen äußerst widersprüchlich erscheinen. Dem gegenüber stehen die Erinnerungslücken des Zweitantragsgegners und des Drittantragsgegners, weswegen der Senat die Initiierung und den konkreten Ablauf der vorgebrachten Anhaltung nicht eindeutig und lückenlos feststellen konnte. Nicht festgestellt werden konnte, dass der Zweitantragsgegner bei der gegenständlichen Anhaltung unmittelbar anwesend gewesen ist.
Der Senat III der Gleichbehandlungskommission hat erwogen:
Der Senat III bejahte in seiner Sitzung vom 12. April 2018 die Frage einer unmittelbaren Diskriminierung und einer Belästigung durch die Erstantragsgegnerin und den Drittantragsgegner aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit des Antragstellers durch iSd § 32 Abs. 1 leg.cit. und § 35 Abs. 1 leg.cit.
Vom Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung gemäß § 32 Abs. 1 leg.cit. ist auszugehen, wenn eine weniger günstige Behandlung von Personen beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, in direktem oder ausdrücklichem Bezug auf deren ethnische Zugehörigkeit erfolgt.
Von einer Belästigung ist auszugehen, wenn unerwünschte, unangebrachte oder anstößige Verhaltensweisen, die im Zusammenhang mit einem der Gründe nach § 31 leg.cit. stehen, und bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betroffenen Person verletzt wird und ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder demütigendes Umfeld für die betroffene Person geschaffen wird.
Vorauszuschicken ist, dass der Senat III der Gleichbehandlungskommission nicht zu beurteilen hat, ob durch den Antragsteller ein versuchter/vollendeter Ladendiebstahl vorliegt oder nicht. Alleinige Aufgabe des Senates ist die Prüfung, ob die Anhaltung des Antragstellers durch den Drittantragsgegner ethnisch konnotiert bzw. motiviert gewesen ist und ob es in deren Rahmen zu einer Belästigung gekommen ist.
Für den Senat stellt dieser Sachverhalt einen Grenzfall dar. Aus den Befragungen der Auskunftspersonen, speziell der des Drittantragsgegners, ist eine vorsätzliche, auf rein rassistischen Motiven beruhende Anhaltung des Antragstellers nicht ohne weiteres erkennbar.
Es muss aber jedem/jeder geschulten Kaufhausdetektiv/in bzw. Filialleiter/in klar sein, dass eine Anhaltung einer/eines mutmaßlichen Ladendiebin/Ladendiebes vor dem Kassenbereich in diesem Gewerbe nicht lege artis ist und vor Gericht zwangsläufig zu einem Freispruch führen muss, da der/die Verdächtige das Gut noch hätte bezahlen können. Dabei ist es irrelevant, ob das Gut vor dem Kassenbereich verborgen war oder nicht.
Aus diesem Grund ist der Antragsteller auch von der Anklage des versuchten Diebstahls mit der obgenannten Begründung freigesprochen worden.
Als Motivation für die (unübliche) Anhaltung des Antragstellers vor dem Kassenbereich konnte keine zufriedenstellende Begründung vorgebracht werden. Da der Drittantragsgegner gewusst hat bzw. wissen musste, dass die Anhaltung des Antragstellers als mutmaßlicher Ladendieb vor dem Kassenbereich höchst unüblich ist bzw. eine strafrechtliche Verfolgung geradezu ausschließt, muss der Senat davon ausgehen, dass diese Anhaltung dadurch motiviert war, dass es sich beim Antragsteller um einen Rom handelt, der offenbar aus Sicht des Drittantragsgegners schon vor der Kasse ausreichend des Diebstahls überführt erschienen ist. Die gleichzeitige Anhaltung eines weiteren englischsprachigen, also offenbar ausländischen, Kunden unterstreicht diese Meinung.
Diese Vorgangsweise stellt eine Diskriminierung beim Zugang zu Gütern dar, da dem Antragsteller durch die Anhaltung vor der Kasse die Möglichkeit zur Bezahlung – und damit der weitere Zugang zu Gütern – genommen wurde und er damit im Vergleich mit einer lege artis ausgeführten Anhaltung einer weniger günstigen Behandlung ausgesetzt wurde.
Der Erstantragsgegnerin und dem Drittantragsgegner ist es nach Ansicht des Senates III nicht gelungen, den Vorwurf der Diskriminierung gemäß § 31 Abs. 1 leg.cit. zu entkräften. Gemäß § 38 Abs. 3 leg.cit. obliegt es dem/der Antragsgegner/in zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes vom/von der Antragsgegner/in glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war. Das bedeutet, dass für diesen ganz konkreten Einzelfall ein bestimmtes, vom GlBG nicht sanktioniertes Motiv erkennbar sein muss, das für die Anhaltung genau dieses Antragstellers/dieser Antragstellerin ausschlaggebend gewesen ist. Dies ist jedoch nicht gelungen.
Die unübliche Anhaltung des Antragstellers in der Filiale hat die Aufmerksamkeit der KundInnen hervorgerufen und ihn als Dieb erscheinen lassen. Der geschilderte Vorfall stellt somit eine unerwünschte und unangebrachte Verhaltensweise dar, welche die Würde des Antragstellers verletzt und ein demütigendes Umfeld geschaffen hat. Daher ist der Vorfall auch als Belästigung durch die Erstantragsgegnerin und den Drittantragsgegner iSd § 35 Abs. 1 leg.cit. zu qualifizieren.
Der Senat III kam zur Auffassung, dass durch die Erstantragsgegnerin und den Drittantragsgegner eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes durch eine unmittelbare Diskriminierung des Antragstellers aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 32 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz und eine Belästigung gemäß § 35 Abs. 1 Gleichbehandlungsgesetz vorliegt.
Der Senat III der Gleichbehandlungskommission hält es daher für notwendig, dass die Erstantragsgegnerin und der Drittantragsgegner sich mit der geltenden Rechtslage vertraut macht, das Gleichbehandlungsgesetz respektiert und in Hinkunft alle Menschen, ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit, gleich behandelt.
Insbesondere sollen durch die Erstantragsgegnerin taugliche innerbetriebliche Strukturen zur Vermeidung von Diskriminierungen geschaffen werden, wie gründliche Schulungen der MitarbeiterInnen hinsichtlich aller relevanten Gesetzesmaterien, insbesondere dem Gleichbehandlungsgesetz.
Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes hat die betroffene Person Anspruch auf Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Demgemäß muss die Schadenersatzleistung wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Der Senat III der Gleichbehandlungskommission empfiehlt daher der Erstantragsgegnerin und dem Drittantragsgegner einen dementsprechenden Schadenersatz an den Antragsteller zu leisten.
Wien, April 2018
Mag. Robert Brunner
(Vorsitzender)
Hinweis: Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz sind die Vorschläge der Gleichbehandlungskommission binnen zwei Monaten umzusetzen. Wenn einem Auftrag gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz (siehe obige Vorschläge des Senates III) nicht binnen zwei Monaten entsprochen wird, kann jede im Senat III vertretene Interessenvertretung gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.
Zuletzt aktualisiert am
19.06.2019