TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/31 G308 2199898-2

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Veröffentlicht am 31.10.2018
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Entscheidungsdatum

31.10.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §57 Abs1
FPG §76

Spruch

G308 2199898-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA Pakistan, geb XXXX, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Wien, gegen den Bescheid des BFA vom 29.06.2018, GZ XXXX betreffend Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Es wird festgestellt, dass im Zeitraum XXXX.2018 bis XXXX.2018 die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen sind.

III. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Mandatsbescheid des BFA Regionaldirektion XXXX, GZ XXXX, vom 29.06.2018 wurde über XXXX, (im folgenden Beschwerdeführer oder kurz BF), geboren am XXXX, StA Pakistan gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl 100/2005 (FPG) idgF iVm § 57 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) idgF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst -ARGE Rechtsberatung Beschwerde.

3. Am 09.07.2018 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an der der BF, ein Dolmetscher, seine Rechtsberaterin sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen. Im mündlich verkündeten Erkenntnis wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung, die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass die Fortsetzung der Schubhaft wegen Fluchtgefahr und zur Abklärung einer allfälligen Staatsangehörigkeit durch die afghanische Botschaft und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten verhältnismäßig ist.

4. Am 23.07.2018 wurde der BF aus der schubhaft entlassen und ihm mit Mandatsbescheid vom 23.07.2018 gemäß § 57 Abs 1 FPG iVm § 57 Abs1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in einer genannten Betreuungseinrichtung zu nehmen.

5. Am 24.07.2018 wurde dieses mündlich verkündete Erkenntnis vom 09.07.2018 gekürzt schriftlich ausgefertigt.

6. Mit Schreiben vom 03.08.2018 erhob der BF durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft zwischen 13.07.2018 und 23.07.2018. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF am 13.07.2018 der afghanischen Botschaft vorgeführt wurde, wobei festgestellt wurde, dass er kein afghanischer Staatsbürger ist. Erst am 23.07.2018 wurde er aus der Schubhaft entlassen.

Im Erkenntnis des BVWG vom 09.07.2018 zur GZ G301 2199898-1/6Z wurde der Fortsetzungsausspruch und die bis zu diesem Zeitpunkt Verhältnismäßigkeit der Schubhaft mit der Abklärung einer allfälligen afghanischen Staatsangehörigkeit begründet. Nach der Vorführung des BF auf der afghanischen Botschaft wurde der Sicherungszweck der Schubhaft erreicht. Zu diesem Zeitpunkt bestand keinerlei Gefahr, dass der BF seiner Mitwirkungspflicht an der Abklärung seiner Staatsangehörigkeit nicht nachkommen könnte. Fest steht, dass Pakistan kein HRZ ausgestellt hat, und konnte die belangte Behörde nicht mehr von einer zeitnahen Abschiebung ausgehen. Der Zweck der Sicherung der Abschiebung konnte daher nach der Vorführung des BF auf der afghanischen Botschaft nicht mehr erreicht werden. Die Anhaltung des BF war aus diesen Gründen rechtswidrig. Weiters wird der Ersatz etwaiger Dolmetschkosten sowie der Ersatz von Aufwendungen des BF beantragt, sowie im Falle des Obsiegens der Behörde beantragt, den BF vom Ersatz des Aufwandersatzes im Sinne der VwG- Aufwandersatzverordnung zu befreien.

7. Mit Schreiben vom 03.08.2017 wurde die Beschwerde eingebracht, und am 06.08.2018 protokolliert.

8. Mit Schreiben vom 03.08.2018 nahm das BFA zur eingebrachten Beschwerde wie folgt Stellung: Vorab ist anzumerken, dass sich der BF erneut durch Untertauchen dem Verfahren entzogen hat. Sein Aufenthaltsort ist auch dem nunmehr gewillkürten Vertreter, der Rechtsanwaltskanzlei Dr. LECHENAUER, Dr. SWOZI, welche ihn im Verfahren zur Durchführung zur Effektuierung der Ausreiseentscheidung vertreten, nicht bekannt. Es ist daher begründet davon auszugehen, dass auch der eigenen Rechtsberatung der Aufenthaltsort des BF unbekannt ist und daher die angeführten Angaben in der Beschwerde ohne tatsächliche Faktenkenntnis erhoben wurden. Diese entbehren nämlich jeglicher Grundlage und sind schlichtweg aktenwidrig. Die Vorführung bei der afghanischen Botschaft erfolgte am Freitag, den 20.07.2018, und nicht am 13.07.2018, da der Termin von der Botschaft verschoben wurde. Am Montag, den 23.07.2018 wurde nach Einlangen des Ergebnisses in der RD Salzburg und nach Vorlage an den zuständigen Referenten die Entlassung des BF aus der Schubhaft angeordnet. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde wurde somit die Anhaltung in Schubhaft nicht zehn weitere Tage nach Bekanntgabe des Ergebnisses der Identitätsfeststellung fortgeführt. Im Gegenteil wurde unmittelbar nach Bekanntgabe der Nicht- Identifizierung die Entlassung angeordnet.

Am Tag der Entlassung wurde durch den BF der ARGE Rechtsberatung eine Vollmacht erteilt, an diesem Tag hat eine Rechtsberatung stattgefunden. Somit hätte die ARGE Rechtsberatung bei ordnungsgemäßer Feststellung des Sachverhaltes und einer allumfassenden Rechtsberatung und Befragung des BF feststellen müssen, dass nicht, wie in der Beschwerde fälschlicherweise behauptet, die Vorführung bereits am 13.07.2018 stattgefunden hat.

Weiters wird der Antrag auf Kostenersatz in der gesetzlichen Höhe gestellt.

9. Mit Schreiben vom 10.08.2018 wurde der ARGE- Rechtsberatung Gelegenheit zur Stellungnahme zum Schreiben des BFA gegeben.

10. Mit Schreiben 14.08.2018 führt diese aus, dass auf den Inhalt der Beschwerde verwiesen und diese vollinhaltlich aufrechterhalten wird. Im gesamten Verfahren lagen zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte vor, wonach die pakistanische Staatsbürgerschaft des BF zweifelhaft sein könnte.

Am 23.07.2018 wurde der BF während eines andauernden Rechtsberatungsgespräches aus dem AHZ Vorderberg entlassen, dem Rechtsberater wurden für die Entlassung keine Gründe genannt. In diesem Gespräch versicherte der BF am Freitag bei der afghanischen Botschaft gewesen zu sein und dort nicht als afghanischer Staatsbürger identifiziert worden zu sein. Im Zuge der Rechtsberatung wurde dem Rechtsberater eine Vollmacht erteilt, um die fortgesetzte Anhaltung in Schubhaft zu bekämpfen.

Am 30.07.2018 nahm die ARGE- Rechtsberatung zur ordnungsgemäßen Feststellung des Sachverhalts Akteneinsicht in den Räumlichkeiten des BVWG-Außenstelle Graz, weiters am 01.08.2018 beim BFA-RD Salzburg, wobei allerdings sämtliche für die vorliegende Beschwerde relevanten Aktenteile von der Einsicht ausgenommen waren. Insofern war aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Behörde die ARGE Rechtsberatung darauf angewiesen, sich auf die Angaben des BF zu stützen. Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Absicht der Behörde, den BF am Freitag, den 13.07.2018 der afghanischen Botschaft vorzuführen, musste die ARGE Rechtsberatung davon ausgehen, dass der BF bereits am Freitag, den 13.07.2018 der Botschaft vorgeführt wurde.

Nach dreiwöchiger Anhaltung des BF in Schubhaft war der BF psychisch angeschlagen und hatte ein verzerrtes Zeitgefühl. Der BF hat dennoch deutlich zu verstehen gegeben, dass die Erhebung einer Beschwerde gegen die Anhaltung in seinem Interesse liegt, weshalb die ARGE Rechtsberatung, die Beschwerde erhoben hat.

Das Vorliegen von Fluchtgefahr, welches ausdrücklich bestritten wird, berechtigt nicht zur Verhängung der Schubhaft. Das Verhalten des BF nach seiner Entlassung hat in der Beurteilung der Frage, ob eine Fluchtgefahr zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft bzw. im Zeitpunkt der angefochtenen fortgesetzten Anhaltung in Schubhaft, vorläufig nicht in die Beurteilung einzufließen, die Frage der Fluchtgefahr kann immer nur ex ante beurteilt werden, eine ex post Beurteilung ist keinesfalls zulässig.

11. Auf Nachfrage durch das BVWG teilte die ARGE Rechtsberatung mit Schreiben vom 28.09.2018 ausdrücklich mit, dass die Beschwerde sich auf den gesamten ursprünglich genannten Zeitraum der Schubhaft bezieht. Einschränkungen wurden ausdrücklich nicht zugelassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF behauptet, Staatsbürger Pakistans zu sein. Er besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Er ist nach eigenen Angaben am 26.12.2016 illegal ins Bundesgebiet eingereist und hält sich seither hier auf.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt. Dazu ist festzuhalten, dass der BF und sein bevollmächtigter Rechtsvertreter in der Beschwerde den im angefochtenen Bescheid dargelegten Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde auch nicht substanziiert entgegengetreten sind.

Auf Grund seines bisherigen Gesamtverhaltens tritt das erkennende Gericht im Ergebnis vollinhaltlich der Beurteilung der belangten Behörde bei, dass sich der BF bislang im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Ausreise aus Österreich und Rückkehr in seinen Herkunftsstaat als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat. Er machte wissentlich falsche Angaben, tauchte unter und entzog sich den Behörden, und erklärte selbst nicht rückkehrwillig zu sein.

Dass der BF ganz offensichtlich nicht gewillt ist, sich an die Rechtsordnung zu halten, ergibt sich auch daraus, dass er wissentlich falsche Angaben machte, sowohl zu seiner Identität als auch zu in Österreich lebenden Bekannten.

Letztlich war zu berücksichtigen, dass der BF in Österreich über keinerlei familiäre oder nennenswerte private Bindungen verfügt und daher eine maßgebliche soziale Verankerung in Österreich jedenfalls nicht anzunehmen war.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Abweisung der Beschwerde betreffend Schubhaftbescheid und Feststellung (Spruchpunkt A.I.und II):

Gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann.

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG darf die Schubhaft nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z 1), oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 2).

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG idF des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2017 (FrÄG 2017), BGBl. I Nr. 145/2017, ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Gemäß § 76 Abs. 3 FPG idF FrÄG 2017 liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647). Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138). Schubhaft erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498).

Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH 05.07.2011, Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Der BF verfügt über keine Berechtigung zur Einreise in das und zum Aufenthalt im Bundesgebiet.

Die belangte Behörde hat den gegenständlich angefochtenen Schubhaftbescheid erkennbar auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gestützt und zum Zweck der Sicherung der Abschiebung erlassen. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass die Rechtsfolgen des Schubhaftbescheides nach Beendigung der Gerichtshaft eintreten.

Die belangte Behörde begründete das Vorliegen einer Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der Erschwerung oder Verhinderung behördlicher Maßnahmen durch den BF (§ 76 Abs. 3 Z 1) - insbesondere dessen illegale Einreise nach Österreich, seinen unsteten Aufenthalt und sein geführtes Leben mit einem geringen Grad der sozialen Verankerung des BF in Österreich (§ 76 Abs. 3 Z 9), insbesondere dessen fehlende Wohn- und Familiensituation, auch das Fehlen einer aufrechten Meldung und somit die Verschleierung seines Aufenthaltsortes, wodurch davon auszugehen wäre, dass der BF bei Belassen auf freiem Fuß untertauchen werde um die behördlichen Maßnahmen zu verhindern. Der BF sei aufgrund seiner massiven strafbaren Verhaltens und bisherigen Vorverhaltens im Verfahren aller Voraussicht nach auch künftig nicht gewillt sich an Rechtsvorschriften zu halten. Dies ist aus den Ausführungen im angefochtenen Bescheid klar ersichtlich. Das BFA stützte sich bei der Feststellung der Fluchtgefahr somit erkennbar auf die Ziffern 2 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG und prüfte auch den Grad der sozialen Verankerung des BF in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG. Wie der weitere Verfahrensablauf auch zeigte, ist der BF untergetaucht.

Das erkennende Gericht schließt sich im Ergebnis dieser Beurteilung der belangten Behörde an. Der BF weist auf Grund seines bisherigen Gesamtfehlverhaltens weder die erforderliche Vertrauenswürdigkeit noch eine ernst zu nehmende Kooperationsbereitschaft auf. Überdies verfügt er in Österreich über keine maßgeblichen familiären oder sonstigen sozialen Bindungen, über keine eigene gesicherte Unterkunft und über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Der Antrag auf internationalen Schutz des BF wurde schließlich am 05.06.2018 rechtskräftig abgewiesen. Gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Pakistan für zulässig erklärt.

Dem Vorliegen der aufgezeigten Kriterien für eine bestehende Fluchtgefahr konnte auch in der Beschwerde nicht substanziiert entgegengetreten werden.

Der Mangel einer sozialen Verankerung des Beschwerdeführers in Österreich iSd. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG - insbesondere erwähnt seien hier das Fehlen familiärer Bindungen in Österreich, einer legalen Erwerbstätigkeit, ausreichender Existenzmittel sowie das Fehlen eines gesicherten Wohnsitzes des BF in Österreich - erweist sich als unbestritten, zumal auch vonseiten des BF diese Feststellung in keiner Weise entkräftet werden konnte.

Es kann daher der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausging, dass sich der BF durch Untertauchen oder Flucht der beabsichtigten Rückführung in seinen Herkunftsstaat entziehen oder die Abschiebung dorthin wesentlich erschweren könnte.

Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat.

Die belangte Behörde konnte somit unter den gegebenen Umständen zu Recht von einer Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG ausgehen. Die Anordnung der Schubhaft erweist sich bei Abwägung aller betroffenen Interessen, insbesondere auch unter Berücksichtigung des mehrfachen strafrechtlichen Fehlverhaltens des BF nach § 76 Abs. 2a FPG, auch als verhältnismäßig.

Dem Vorwurf, die Schubhaft über Gebühr verlängert zu haben ist nicht zu folgen, da dies durch den genau vorgelegten Ablauf widerlegt wurde.

Da die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen war, dass sich der unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige BF der zu sichernden Rückführung (Abschiebung) entziehen könnte, - was auch durch den weiteren Verlauf bestätigt wurde-und sie den gegenständlich angefochtenen Bescheid unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgeblichen Rechtslage und Sachlage zutreffend auf die im Spruch angeführten Rechtsvorschriften gestützt hat, war die Beschwerde hinsichtlich des Schubhaftbescheides gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm. § 76 Abs. 2 Z 1 FPG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu den Anträgen auf Ersatz der Aufwendungen (Spruchpunkte A.III. und A.IV.):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Den Ersatz von Aufwendungen im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) regelt § 35 VwGVG, wonach die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Als Aufwendungen gelten die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Die Höhe der in solchen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 idgF, geregelt (zur Zulässigkeit des Kostenzuspruchs siehe auch VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144).

Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Da die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid abgewiesen wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und die beschwerdeführende Partei unterlegene Partei.

Die belangte Behörde hat im Zuge der Aktenvorlage mit Schreiben vom 03.08.2018 fristgerecht beantragt, dem Bund Kostenersatz im Umfang des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes zuzusprechen.

Es war daher spruchgemäß der beschwerdeführenden Partei als unterlegener Partei der zu leistende Aufwandersatz (Vorlage- und Schriftsatzaufwand) in der Gesamthöhe von 426,20 Euro aufzuerlegen.

Der in der Beschwerde gestellte Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da sie (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt. Kommissionsgebühren, Dolmetschergebühren und Barauslagen sind im gegenständlichen Verfahren nicht angefallen.

3.4. Entfall der mündlichen Verhandlung:

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substanziierter Weise behauptet (siehe VwGH 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9).

Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

3.5. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH jeweils vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021 und Ra 2016/21/0144, insbesondere zur geltenden Rechtslage des § 76 FPG (im Zusammenhalt mit unionsrechtlichen Bestimmungen) und der Zulässigkeit eines Kostenzuspruchs und eines "Kostenrisikos" nach § 35 VwGVG. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen ist, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufwandersatz, Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche
Sicherheit, Schubhaft, Schubhaftbeschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G308.2199898.2.00

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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