TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/5 W205 2147369-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.04.2019
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Entscheidungsdatum

05.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W205 2147369-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2017, Zl. 1121912604/160953431- EAST Ost, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 4a, § 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia und stellte nach illegaler Einreise am 08.07.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Nach den vorliegenden EURODAC-Treffermeldungen wurde der Beschwerdeführer am 03.01.2016 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt und stellte am 20.02.2017 in Rumänien einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Verlauf seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 08.07.2016 brachte der Beschwerdeführer vor, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können. Im November 2015 habe er sich dazu entschlossen, Somalia zu verlassen. Er sei über die Türkei, Griechenland, Serbien, Rumänien nach Ungarn gereist. Aus Somalia sei er geflohen, weil Al Shabaab seinen Vater getötet habe und er entführt worden sei.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") richtete am 23.08.2016 unter Anführung des EURODAC-Treffer ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Rumänien. In diesem teilten sie mit, dass der Beschwerdeführer in Österreich angegeben habe, minderjährig zu sein, das Ergebnis des bereits durchgeführten Altersgutachtens jedoch noch ausständig sei. Mit Schreiben vom 01.09.2016 führten die rumänischen Behörden aus, dass dem Wiederaufnahmeersuchen nicht entsprochen werden könne, da dem Beschwerdeführer in Rumänien am 23.05.2016 der Asylstatus zuerkannt worden sei und er über ein Reisedokument verfüge, das bis 24.05.2019 gültig sei. Der Beschwerdeführer habe folgende Daten in Rumänien angegeben: XXXX , geb. XXXX . Eine Überstellung nach der Dublin III-VO könne daher nicht erfolgen und es solle eine gesonderte Anfrage nach Rückübernahme-Vereinbarungen gestellt werden.

Am 06.12.2016 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA im Beisein eines Rechtsberaters nach durchgeführter Rechtsberatung. Dabei gab der Beschwerdeführer an, sich geistig und körperlich dazu in der Lage zu fühlen, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten und an keinen schwerwiegenden Erkrankungen zu leiden. Er sei derzeit nicht in medizinischer Behandlung. Weder in Österreich, noch sonst wo in der EU würden Verwandte von ihm leben. Er besuche seit gestern einen Deutschkurs in Österreich. Nach Rumänien wolle er keinesfalls zurück. Auf Nachfrage, warum der Beschwerdeführer in Rumänien angegeben habe, volljährig zu sein, führte der Beschwerdeführer an, dass die Polizei ihm dort gesagt habe, für Minderjährige gebe es keinen Platz. Man habe ihn gezwungen, die Fingerabdrücke abzugeben. Er sei außerdem inhaftiert worden und habe anschließend einen Bescheid bekommen, er wolle nicht nach Rumänien zurück.

Einem ambulanten Patientenbrief eines österreichischen Krankenhauses vom 07.12.2016 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide und sich durch seine geplante Überstellung nach Rumänien in einer suizidalen Krise befinde. Ein Zurückschicken nach Rumänien bedeute eine massive Retraumatisierung und gefährde das Leben des Patienten durch Suizidalität sowie die weitere seelische Entwicklung.

Einem Kurzbrief eines Krankenhauses vom 27.01.2017 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer in Begleitung einer Sozialpädagogin wegen Suizidgedanken, einer schweren depressiven Episode und einer posttraumatischen Belastungsstörung neuerlich vorstellig geworden sei. Der Beschwerdeführer sei in der Nacht von 06.12.2016 auf 07.12.2016 nach schwerer Selbstverletzung in suizidaler Absicht im Rahmen einer akuten Belastungsreaktion zur Krisenintervention im OWS stationär aufgenommen worden. Er leide unter massiven Einschlaf- und Durchschlafstörungen, Gedankenkreisen mit konkreten Suizidgedanken und mehrmals täglich auftretenden Flashbacks im Rahmen der posttraumatischen Belastungsstörung. Auf Grund der deutlichen Zunahme der Symptomatik sei eine sofortige stationäre Aufnahme bei akuter suizidaler Krise erforderlich sowie eine medikamentöse Einstellung bei schwerer depressiver Episode des Patienten.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die beschwerdeführende Partei die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 2 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Rumänien zulässig sei (Spruchpunkt II). In rechtlicher Hinsicht wurde in dem angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Rumänien anerkannter Flüchtling sei und nicht festgestellt werden könne, dass ihm in Rumänien systematische Misshandlungen bzw. Verfolgungen zu erwarten hätte. Der Antrag sei als unzulässig zurückzuweisen, wenn einem Fremden in einem anderen EU Staat der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Aus seinen Angaben wären keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass der Beschwerdeführer tatsächlich konkret Gefahr laufe, in Rumänien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden. Aus der Kürze seines bisherigen Aufenthaltes in Österreich ergebe sich auch keine besondere Integrationsverfestigung. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG seien nicht gegeben. Dass der Beschwerdeführer an einer schwerwiegenden Krankheit leide, habe er weder bei der Erstbefragung, noch vor dem Bundesamt angegeben. Enge familiäre oder andere private Anknüpfungspunkte bzw. Abhängigkeiten zu in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen hätten nicht festgestellt werden können, es seien diesbezüglich auch keine Anhaltspunkte im Verfahren hervorgekommen.

3. Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht durch seinen gesetzlichen Vertreter eingebrachte Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer nur kurze Zeit in Rumänien aufgehalten habe und die rumänischen Behörden den Beschwerdeführer willkürlich ohne Begründung als Volljährigen behandelt hätten. Er sei in Österreich mehrmals Untersuchungen zur Altersfeststellung unterzogen worden, zuletzt sei ein Mindestalter von 17,42 Jahren festgestellt worden. Im Bescheid werde widersprüchlich festgehalten, dass der Beschwerdeführer in Rumänien anerkannter Flüchtling sei, andererseits sei ihm in der Einvernahme mitgeteilt worden, dass die Behörde beabsichtige, ihn nach Rumänien auszuweisen, damit er dort sein Asylverfahren führen könne. Es könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Asylverfahren in Rumänien den europäischen Standards entsprechen. Ihm sei dort das Recht auf ein faires Verfahren entzogen worden, weil er ohne Beistand des gesetzlichen Vertreters ganz auf sich alleine gestellt gewesen sei in seinem Asylverfahren. Die Gewähr geeigneter Maßnahmen sei überdies fraglich, da es von der willkürlichen Einschätzung des berufenen Organwalters abhänge, ob es sich um einen Minderjährigen handle oder nicht. In Österreich stabilisiere sich der Zustand des Beschwerdeführers, wogegen er in Rumänien neuerlich in eine ausweglose Lage geraten würde. Die Möglichkeiten einer adäquaten psychologischen und allenfalls psychiatrischen Behandlung in Rumänien wären nicht beurteilbar. Der Beschwerdeführer sei schwer traumatisiert und habe am 06.12.2016 versucht, sich das Leben zu nehmen, seit seiner Unterbringung in der Wohngemeinschaft mit gleichaltrigen Jugendlichen habe sich sein Zustand verbessert. Im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit des Beschwerdeführers und seinem gesundheitlichen Zustand stünden dem Antrag auf aufschiebende Wirkung keine öffentlichen Interessen entgegen. Die Behörde habe keine Einzelfallprüfung vorgenommen.

Der Beschwerde wurde ein Sozialbericht der Wohngemeinschaft des Beschwerdeführers vom 30.01.2017 angeschlossen, aus welchem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer einen Suizidversuch verübt habe, nachdem er erstmals von der Ausweisung erfahren habe, er habe versucht aus dem 3. Stock zu springen. Zudem habe er seinen Kopf mehrmals gegen einen Spiegel geschlagen, er sei daraufhin in ein Krankenhaus eingewiesen worden, am selben Tag jedoch wieder entlassen worden mit der Begründung es bestehe kein Hinweis auf akute Suizidalität. Als er am 23.01. den Bescheid erhalten habe, sei er wieder in einen sehr deprimierten und hoffnungslosen Zustand verfallen, er sei daraufhin in ein Krankenhaus verbracht worden, wo eine jugendpsychiatrische Abteilung ihn für massiv suizidgefährdet befunden und ihn stationär aufgenommen habe.

Zudem legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses vom 30.01.2017 vor.

4. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.02.2017 wurde der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

5. Dem Akt liegt ein umfangreicher Schriftverkehr hinsichtlich der Abänderung des Obsorgebeschlusses den Beschwerdeführer betreffend bei.

6. Mit hg. Schreiben vom 06.11.2018 wurden dem Beschwerdeführer z.H. seines Vertreters aktualisierte Feststellungen zur Lage in Rumänien mit Stand vom 19.12.2017, zusammengestellt von der Staatendokumentation, übermittelt und ihm Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Ausdrücklich wurde auch die Gelegenheit eingeräumt, Zweckdienliches zur Frage der Beurteilung der Zuständigkeit Österreichs zur Behandlung seines Antrags auf internationalen Schutz vorzubringen und allfällige damit im Zusammenhang stehende Beweismittel (Dokumente und Unterlagen in Original oder in Kopie) vorzulegen. Weiters wurde ihm eingeräumt sich über seine aktuelle persönliche (private und familiäre) Situation in Österreich zu äußern und anzugeben wie sich sein aktueller Gesundheitszustand darstellt. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer noch einer ärztlichen Behandlung bedürfe, wären aktuelle medizinische Befunde vorzulegen.

7. Mit Schreiben vom 20.11.2018 gab die Rechtsberaterin des Beschwerdeführers bekannt, dass sie den Beschwerdeführer weder telefonisch, noch postalisch erreichen hätten können, laut ZMR sei er jedoch noch in Österreich gemeldet. Sie bat um Verlängerung der eingeräumten Frist um weitere zwei Wochen, um Kontakt zum Beschwerdeführer herzustellen bzw. eine etwaige Ummeldung abzuwarten.

8. Mit Schreiben vom 28.11.2018 teilte die Rechtsberaterin des Beschwerdeführers schließlich mit, dass der Beschwerdeführer zwar nach wie vor in Österreich gemeldet sei, die Rechtsberaterin allerdings ein Schreiben mit Vermerk: "verzogen" von der Post bekommen habe. Es sei auch in Erfahrung gebracht worden, dass es das Heim nicht mehr gebe und alle Asylwerber nun wo anders wohnen würde.

9. Mit Schreiben vom 28.11.2018 übermittelte die Rechtsberaterin mittels Fax die Niederlegung der Vollmacht.

10. Der Beschwerdeführer wurde am 06.08.2017 wegen unbekannten Aufenthaltes aus der Grundversorgung abgemeldet. Ein neuer Aufenthaltsort wurde nicht bekanntgegeben, im Zentralen Melderegister ist der Beschwerdeführer nach wie vor an der Adresse seines damaligen Flüchtlingsquartiers gemeldet, das jedoch mittlerweile geräumt wurde.

11. Mit hg. Schreiben vom 18.01.2019 wurden dem Beschwerdeführer neuerlich Feststellungen zur aktuellen Lage in Rumänien zur Stellungnahme übermittelt und ihm ausdrücklich die Gelegenheit eingeräumt, Zweckdienliches zur Frage der Beurteilung der Zuständigkeit Österreichs zur Behandlung seines Antrags auf internationalen Schutz vorzubringen und allfällige damit im Zusammenhang stehende Beweismittel (Dokumente und Unterlagen in Original oder in Kopie) vorzulegen. Weiters wurde ihm Gelegenheit geboten, sich über seine aktuelle persönliche (private und familiäre) Situation in Österreich zu äußern und anzugeben, wie sich sein aktueller Gesundheitszustand darstellt. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer noch einer ärztlichen Behandlung bedürfe, wären aktuelle medizinische Befunde vorzulegen.

Zu diesem neuerlichen Vorhalt gab der Beschwerdeführer keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Somalia, reiste über die Türkei und Griechenland kommend letztlich über Rumänien illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein, wo er am 02.03.2016 um Asyl ansuchte. Mit Bescheid vom 23.05.2016 wurde dem Beschwerdeführer dort der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

In weiterer Folge begab sich der Beschwerdeführer nach Österreich und brachte am 08.07.2016 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

Der Beschwerdeführer leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen. Er befand sich nach einem Selbstmordversuch im Rahmen einer akuten Belastungsreaktion in stationärer Krankenhausbehandlung. Dass er sich aktuell in Behandlung befindet bzw. einer solchen bedürfte, hat er - trotz mehrfach eingeräumter Möglichkeit - nicht vorgebracht.

Der Beschwerdeführer wurde am 06.08.2017 wegen unbekannten Aufenthaltes aus der Grundversorgung abgemeldet. Ein neuer Aufenthaltsort wurde nicht bekanntgegeben, im Zentralen Melderegister ist der Beschwerdeführer nach wie vor an der Adresse seines damaligen Flüchtlingsquartiers gemeldet, das jedoch mittlerweile geräumt wurde.

Zur Lage für Schutzberechtigte im Mitgliedstaat Rumänien legt das Bundesverwaltungsgericht seinem Erkenntnis die dem Beschwerdeführer zum Parteiengehör übermittelten Länderfeststellungen zu Grunde, die wie folgt lauten (unkorrigiert und gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

"Schutzberechtigte

Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte haben fast dieselben Rechte wie rumänische Staatsbürger. Das umfasst auch den Zugang zu Bildung, Wohnungen, Erwachsenenbildung, Arbeit, Krankenversorgung und Sozialleistungen. Aber der faktische Zugang zu diversen Leistungen ist nicht überall im Land gleich. (USDOS 3.3.2017; vgl. IGI o.D.i, IGI o.D.j, IGI. oD.k, IGI o.D.l, IGI o.D.m). Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte haben vor allem weiterhin Probleme beim Zugang zu Wohnung, Arbeit, Bildung, Beratung usw. Der Mangel an Arbeitsplätzen, niedrige Löhne, fehlende Sprachkenntnisse und Schwierigkeiten mit der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, führen oft zu Arbeitslosigkeit bzw., illegaler Beschäftigung. Asylberechtigte dürfen die Staatsbürgerschaft nach vier Jahren beantragen, subsidiär Schutzberechtigte nach acht Jahren ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalt (USDOS 3.3.2017).

Was den Anspruch auf eine finanzielle Beihilfe für Schutzberechtigte betrifft, stehen unterschiedliche Informationen zur Verfügung. Dem Generalinspektorat für Immigration zufolge erhalten Schutzberechtigte, die an dem Integrationsplan teilnehmen, eine monatliche finanzielle Unterstützung in der Höhe von 540 RON (ca. 110 Euro) bis zu zwölf Monate lang und einen Sprachkurs (IGI o.D.j). Laut NGOs hingegen haben Schutzberechtigte Anspruch auf eine monatliche finanzielle Beihilfe von umgerechnet ca. 130 Euro für sechs Monate und Sprachtraining. Das wird von NGOs als zu wenig kritisiert (TNA 22.9.2017).

In Rumänien ist jede Behörde (Innenministerium, Bildungsministerium, Arbeitsministerium, Gesundheitsministerium, etc.) verantwortlich für die Integration Fremder auf ihrem Fachgebiet. Die Koordination liegt beim Innenministerium (dem Generalinspektorat für Immigration (IGI)). Die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen umfassen zum einen den Zugang zu Rechten (auf Arbeit, Wohnung, Bildung, Krankenversorgung, Sozialleistungen) und die Umsetzung von Integrationsprogrammen (kulturelle Orientierung, Beratung, Erwerb der rumänischen Sprache). Hauptaufgabe aller Integrationsmaßnahmen ist es, Fremden mit einem Schutzstatus in Rumänien die Selbsterhaltung und Unabhängigkeit von der Hilfe des Staates oder von NGOs zu ermöglichen. Um diese Ziele zu erreichen unterstützt das IGI über seine Regionalzentren die Schutzberechtigten mit verschiedenen Maßnahmen im Rahmen des zwölfmonatigen Integrationsprogramms (IGI o.D.j). Wenn es wohlbegründet ist, kann auch die Verlängerung des Integrationsprogramms über das Limit von einem Jahr genehmigt werden (IGI o.D.f). Um am Integrationsprogramm teilnehmen zu können ist binnen 30 Tagen ab Statuszuerkennung ein Antrag nötig (IGI o.D.j).

Die Rechte von Personen mit einer Duldung sind jedoch eingeschränkt; sie dürfen zwar arbeiten, haben aber keinen Anspruch auf Sozialhilfe, auf die Teilnahme an Integrationsprogrammen und ihre Bewegungsfreiheit ist auf eine bestimmte Region eingeschränkt (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.f): Vulnerable, http://igi.mai.gov.ro/en/content/vulnerable-0, Zugriff 19.12.2017

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IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.i): Access to health care, http://igi.mai.gov.ro/en/content/access-health-care, Zugriff 19.12.2017

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IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.j): Integration program, http://igi.mai.gov.ro/en/content/integration-program, Zugriff 19.12.2017

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IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.k): Access to labor market, http://igi.mai.gov.ro/en/content/access-labor-market, Zugriff 19.12.2017

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IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.l): Access to education, http://igi.mai.gov.ro/en/content/access-education, Zugriff 19.12.2017

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IGI - Generalinspektorat für Immigration (o.D.m): Access to social benefits, http://igi.mai.gov.ro/en/content/access-social-benefits, Zugriff 19.12.2017

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TNA - The New Arab (22.9.2017):

https://www.alaraby.co.uk/english/indepth/2017/9/22/arab-refugees-receive-a-cold-welcome-in-romania, Zugriff 19.12.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Romania, https://www.ecoi.net/local_link/337198/479962_de.html, Zugriff 19.12.2017"

Konkrete, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor. Der Beschwerdeführer hat Zugang zu Bildung, Wohnungen, Erwachsenenbildung, Arbeit, Krankenversorgung und Sozialleistungen, auch wenn der faktische Zugang zu diversen Leistungen nicht überall im Land gleich ist, weiters erhalten Schutzberechtigte, die an dem Integrationsplan teilnehmen, eine - wenn auch geringe - monatliche finanzielle Unterstützung. Daraus ist erkennbar, dass es einem Schutzberechtigten jedenfalls nicht an einer Existenzgrundlage mangelt.

Private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, der Asylantragstellung in Rumänien und Österreich, sowie der ihm in Rumänien zukommende Status eines Asylberechtigten ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers iZm dem Ergebnis des mit den rumänischen Behörden geführten Konsultationsverfahrens, das aktenkundig ist.

Die Situation von Schutzberechtigten im zuständigen Mitgliedstaat geht aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen hervor, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen und denen der - vertretene - Beschwerdeführer nicht entgegentrat.

Dass der Beschwerdeführer seit 06.08.2017 aus der Grundversorgung abgemeldet ist, ergibt sich aus dem zum Akt genommenen aktuellen Auszug aus dem Grundversorgungssystem. Dass der aktuelle Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht ausfindig gemacht werden konnte, ergibt sich aus den Schreiben der (ehemaligen) Rechtsberaterin des Beschwerdeführers, die den Beschwerdeführer nicht kontaktieren konnte. Diese teilte auch mit, dass an der Adresse, wo der Beschwerdeführer nach wie vor gemeldet ist, kein Asylheim mehr besteht und alle Asylwerber bereits wo anders wohnen würden.

Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidet oder einen aktuellen Behandlungsbedarf hat.

Die Feststellungen zum Fehlen besonderer privater, familiärer oder beruflicher Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich basieren ebenfalls auf seinen eigenen Angaben.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:

"§ 4a Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat.

...

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

----------

1.-der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

[...]

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

...

§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

...

§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

..."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"(1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

3.2. Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer in Rumänien aufgrund einer dort erfolgten Asylantragsstellung bereits den Status eines Asylberechtigten genießt und somit in Rumänien Schutz vor Verfolgung gefunden hat, ging das BFA zutreffend davon aus, dass sich sein nunmehr in Österreich gestellter Antrag auf internationalen Schutz im Lichte des § 4a AsylG wegen Unzuständigkeit Österreichs als unzulässig erweist.

3.3. Allerdings wäre die Wahrnehmung dieser Unzuständigkeit Österreichs dann unzulässig, wenn der Beschwerdeführer dadurch in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt würde.

Dies trifft allerdings im vorliegenden Beschwerdefall nicht zu:

3.3.1. Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat kann jedoch ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr, im Zielstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden, rechnen muss. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 EMRK die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben.

Es entspricht ebenfalls ständiger Judikatur des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ. Es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, wofür die Behörden verantwortlich gemacht werden können (EGMR 27.05.2008 (GK), 26565/05, N./Vereinigtes Königreich Rz 29; 28.02.2008 (GK), 37201/06, Saadi/Italien Rz 134).

Im Laufe seines Verfahrens brachte der Beschwerdeführer in Hinblick auf seinen Aufenthalt in Rumänien zu keinem Zeitpunkt systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylwerber bzw. für bereits Schutzberechtigte vor, er hat auch keine ihm dort widerfahrene unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK konkret geltend gemacht.

Hinsichtlich der diagnostizierten Erkrankungen des Beschwerdeführers war im Falle einer Überstellung im Ergebnis keine Verletzung von Art. 3 EMRK zu befürchten:

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR im Zusammenhang mit der Abschiebung von kranken Personen können von einer Ausweisung betroffene Ausländer grundsätzlich kein Bleiberecht in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates beanspruchen, um weiterhin in den Genuss von dessen medizinischer, sozialer oder sonstiger Unterstützung oder Dienstleistungen zu kommen. Die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse einer Person einschließlich ihrer Lebenserwartung im Fall ihrer Abschiebung deutlich reduziert würden, reicht allein nicht aus, um zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu führen. Die Entscheidung, einen an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leidenden Ausländer in ein Land rückzuführen, in dem die Einrichtungen für die Behandlung dieser Krankheit schlechter als im Vertragsstaat sind, kann ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen, aber nur in einem ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die gegen die Rückführung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"). Im Fall D./Vereinigtes Königreich ("St. Kitts"), EGMR 02.05.1997, 30240/96, lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass der Beschwerdeführer schwerkrank war und dem Tod nahe schien, für ihn in seinem Herkunftsstaat eine Pflege oder medizinische Versorgung nicht gewährleistet werden konnte und er dort keine Familie hatte, die ihn pflegen oder auch nur mit einem Mindestmaß an Lebensmitteln, Unterkunft oder sozialer Unterstützung versorgen hätte können (z. B. EGMR 30.06.2015, 39350/13, A.S., Rn. 31; 26.02.2015, 1412/12, M.T., Rn. 47; Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 42).

Der EGMR schloss nicht aus, dass es "andere ganz außergewöhnliche Fälle" geben kann, in denen die humanitären Erwägungen ähnlich zwingend sind. Er hielt es jedoch für geboten, die im Fall D./Vereinigtes Königreich festgelegte und in der späteren Rechtsprechung angewendete hohe Schwelle beizubehalten. Er erachtete diese Schwelle für richtig, weil der behauptete drohende Schaden nicht aus den absichtlichen Handlungen oder Unterlassungen staatlicher Behörden oder nichtstaatlicher Akteure resultiert, sondern aus einer natürlich auftretenden Krankheit und dem Fehlen ausreichender Ressourcen für ihre Behandlung im Zielstaat. Wenn die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver als im Aufenthaltsstaat ist, dann ist dies unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 43; 22.06.2004, 17868/03, Ndangoya; 06.02.2001, 44599/98, Bensaid, Rn. 38; vgl. auch VfGH 06.03.2008, B 2400/07).

Zu diesen "anderen ganz außergewöhnlichen Fällen" präzisierte der EGMR seine Rechtsprechung im Fall Paposhvili (EGMR, Große Kammer, 13.12.2016, 41738/10, Rn. 183-192), in dem es um die beabsichtigte Abschiebung eines an einer lebensbedrohlichen Erkrankung, nämlich an chronischer lymphatischer Leukämie, leidenden Mannes von Belgien nach Georgien ging. Er sprach aus, dass die "anderen ganz außergewöhnlichen Fälle" im Sinn des Urteils N. gegen das Vereinigte Königreich, die ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen können, derart verstanden werden sollten, dass es dabei um Situationen im Zusammenhang mit der Abschiebung eines schwer kranken Menschen geht, in denen gewichtige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dieser, auch wenn er sich nicht in unmittelbarer Lebensgefahr befindet, einer realen Gefahr ausgesetzt wäre, wegen des Fehlens einer geeigneten Heilbehandlung im Zielstaat oder des mangelnden Zugangs zu einer solchen Heilbehandlung eine ernste, schnelle und irreversible Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die ein starkes Leid zur Folge hat, oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zu erfahren.

Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen. Im vorliegenden Fall litt der Beschwerdeführer 2017 an den in den Sachverhaltsfeststellungen dargestellten Beeinträchtigungen, auf einen aktuellen Behandlungsbedarf besteht allerdings kein Hinweis. Die seinerzeitigen Probleme weisen nicht jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe. Wie oben bereits ausgeführt kann Schutzberechtigten im zuständigen Mitgliedstaat die notwendige medizinische Versorgung zu Teil werden und es können allenfalls erforderliche Therapien auch in diesem Mitgliedstaat der Union erfolgen. In diesem Staat sind alle Krankheiten uneingeschränkt behandelbar. Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK wäre es schließlich unerheblich, wenn etwa die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre als im abschiebenden Staat.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt.

3.3.2. Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Beschwerdeführer verfügt im Bundesgebiet über keine familiären oder verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte, sodass durch die gegenständliche Entscheidung kein Eingriff in sein Recht auf Familienleben nach Art. 8 EMRK erkannt werden kann. Es liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration des Beschwerdeführers in Österreich vor. Folglich würde die Überstellung des Beschwerdeführers nach Rumänien keinen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte darstellen.

Der Beschwerdeführer verfügte zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel in Österreich, sondern stützte den Aufenthalt vielmehr nur auf den zeitweiligen faktischen Abschiebeschutz aufgrund des gegenständlichen unzulässigen Antrages auf internationalen Schutz. Dem Beschwerdeführer war sein unsicherer Aufenthaltsstatus in Österreich bewusst und konnte zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, dass sein Aufenthalt in Österreich dauerhaft wäre, zumal ihm die beabsichtigte Zurückweisung seines Antrags aufgrund seines Schutzstatus in Rumänien nachweislich zur Kenntnis gebracht wurde.

Art. 21 Abs. 1 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) lautet:

"Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einer der Vertragsparteien ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments höchstens bis zu drei Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien bewegen, soweit sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a), c) und e) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste der betroffenen Vertragspartei stehen."

§ 31 Abs. 1 Z 3 FPG ordnet Folgendes an:

"(1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

...

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt) "

Ferner war im Rahmen der Abwägung zu Gunsten der beschwerdeführenden Partei zu berücksichtigen, dass sie strafgerichtlich unbescholten ist.

Insgesamt war der in Österreich zugebrachte Zeitraum gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes jedoch als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen (dort: vorläufig berechtigten) Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293).

Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).

Schwer ins Gewicht fällt allerdings die Missachtung der österreichischen Einreise- und Einwanderungsvorschriften durch die beschwerdeführende Partei. Gemäß Art. 3 Abs. 1 letzter Satz Dublin III-Verordnung wird jeder Antrag auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wenn aber ein Drittstaatsangehöriger bereits in einem Mitgliedstaat internationalen Schutz, also entweder Asyl oder subsidiären Schutz, erhalten hat, dann kann ein neuerlicher Asylantrag dieser Person in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 33 Abs. 2 lit. a Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU als unzulässig zurückgewiesen werden. Daher stellt die rechtswidrige Weiterreise der beschwerdeführenden Partei innerhalb der Union zwecks Einbringung eines weiteren Asylantrages gerade jenes Verhalten dar, das durch die Rechtsvorschriften des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verhindert werden soll, um eine zügige Bearbeitung der zahlreichen jährlich gestellten Asylanträge in den Mitgliedstaaten der Union zu ermöglichen.

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, die einen Aufenthaltstitel erlangen wollen. Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. Hingegen kann nach der maßgeblichen Rechtsprechung ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen (EGMR 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.06.2010, U 613/10).

Die privaten und familiären Interessen der beschwerdeführenden Partei an einem Verbleib im Bundesgebiet treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

3.3.3. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall bei Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher hat das Bundesamt auch im Hinblick darauf, dass dem Beschwerdeführer bereits in Rumänien Asyl zuerkannt worden ist und er - vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zur aktuellen Lage für Schutzberechtigte in diesem Staat und unter Berücksichtigung seiner individuellen konkreten Situation - sohin in Rumänien Schutz vor Verfolgung gefunden hat, den nunmehr in Österreich gestellten weiteren Antrag auf internationalen Schutz zu Recht gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass er sich nach Rumänien zurück zu begeben habe.

3.4. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 61 Abs. 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird. Wie oben ausgeführt, stellt die Anordnung zu ihrer Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der beschwerdeführenden Partei auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.

3.5. Der Beschwerdeführer befand sich seit 08.07.2016 im Bundesgebiet, wobei er seit 06.08.2017 unbekannten Aufenthaltes ist. Sein Aufenthalt ist nicht geduldet und er ist in Österreich nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 61 Abs. 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 4a zurückgewiesen wird. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.

3.6. Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 Satz 1 B-VG idF BGBl. I 164/2013 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen allein in der Bewertung der Situation von Schutzberechtigten im Mitgliedsstaat, welche sich aus den dem Parteiengehör unterzogenen Länderfeststellungen ergab, weiters im Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei sowie in der Bewertung der Intensität ihrer privaten und familiären Interessen und demgemäß in Tatbestandsfragen. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Asylberechtigter, Außerlandesbringung, Mitgliedstaat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W205.2147369.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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