Entscheidungsdatum
05.04.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W196 2013768-1/21E
W196 2014422-1/18E
W196 2163454-1/4E
W196 2163456-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. am XXXX , 2.) XXXX , geb. am XXXX , 3.) XXXX , geb. am XXXX , und 4.) XXXX , geb. am XXXX, alle StA. Georgien, alle vertreten durch RA Mag. Clemens LAHNER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu 1.) und 2.) vom 28.10.2014, Zlen. 1032810501-140060297 und 1032810610-140060305, 3.) und 4.) vom 13.06.2017, Zlen. 1088756503-151429130 und 1088756601-151429245, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.04.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Den Beschwerden wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. bis IV. der angefochtenen Bescheide stattgegeben und festgestellt, dass gemäß § 52 FPG iVm. § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.
III. XXXX , XXXX , XXXX und XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 1 und 58 Abs. 2 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" jeweils für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Erstbeschwerdeführer (BF1) und seine Ehefrau die Zweitbeschwerdeführerin (BF2) beide Staatsangehörige von Georgien, reisten gemeinsam nach Österreich ein und stellten am 12.10.2014 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.
Anlässlich der niederschriftlichen Befragung am 14.10.2014 vor Beamten der Polizeiinspektion Traiskirchen, gab der BF1 zu seinen Gründen für die Antragstellung befragt an, dass er mit seiner Frau aus politischen Gründen geflohen sei. Er sei Parteimitglied der Partei des ehemaligen Präsidenten Saakashvili gewesen, da jetzt eine andere Partei an der Regierung sei, wäre er von Leuten dieser anderen Partei bedroht worden und aus Angst habe er beschlossen das Land zu verlassen.
Die BF2 gab anlässlich ihrer Befragung durch die Polizeiinspektion Traiskirchen am 14.10.2014 an, dass sie Georgien verlassen habe, weil ihr Mann politisch in der Partei des alten Präsidenten tätig gewesen wäre. Als der alte Präsident gestürzt wurde seien andere Leute an die Regierung gekommen. Diese Leute hätten ihren Mann bedroht. Ihr Mann hätte Angst bekommen und beschlossen, dass sie aus Georgien flüchten sollten.
Am 24.10.2014 wurden die Eheleute durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.
Dabei brachte BF1 im Wesentlichen vor, dass er Koordinator, jedoch kein Parteimitglied, der nationalen Bewegung gewesen sei. Von 2010 bis zu seiner Ausreise sei es seine Aufgabe gewesen die Bevölkerung vor, nach und während der Wahlen zu registrieren. Er sei gemeinsam mit seiner Frau und anderen Kollegen zu Haushalten gegangen, um Befragungen durchzuführen. Insgesamt wären ca. 200 Menschen dieser Tätigkeit nachgegangen. Dezidiert zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF1 an, dass jeder gewusst habe, dass sie [wohl gemeint BF1 und BF2], Aktivisten der Bewegung seien. Anfang August 2014 wäre er, als er von der Arbeit nach Hause gegangen sei, bei einem Treppenaufgang in der Nähe seines Hauses fünf oder sechs Männer begegnet. Sie hätten ihm gesagt, dass sie über seine Tätigkeit bei der Partei Bescheid wüssten. Sie hätten zu ihm gesagt, es wäre besser, er würde verschwinden und hätten sie ihn physisch angegeriffen. Sie hätten ihn mit einer Eisenstange auf den Kopf schlagen wollen, wobei er diesen Schlag mit seiner Hand habe abwenden können, aber sei er dennoch geschlagen und bedroht worden. Sie hätten ihn mit einem eisernen Gegenstand auf den Rücken geschlagen. Zudem hätten sie gedroht seine Frau und seine Töchter zu vergewaltigen. Er habe sie ein weiteres Mal am 26.09.2014 in der Nähe seines Hauses gesehen, wobei es diesmal keinen physischen Übergriff gegeben habe, er sei nur gewarnt und gefragt worden, warum er noch hier sei. Daraufhin habe er die Entscheidung getroffen auszureisen. Zudem habe es noch einen weiteren Übergriff Ende August 2014 gegeben. Er sei von drei Personen geohrfeigt worden. Dies wären all seine Fluchtgründe. Aufgrund dieser Vorfälle habe er sich nicht mehr sicher gefühlt. Zudem habe seine Partei verloren und hätten sie sich von der Bevölkerung nicht mehr willkommen und angenommen gefühlt. Mangels Vertrauen und aus Angst habe er sich nicht an die heimische Sicherheitsbehörde gewandt.
BF2 gab im Zuge der Einvernahme am 24.10.2014 zusammengefasst an, dass sie als Koordinatorin der nationalen Bewegung gearbeitet habe. Zu ihrem Fluchtgrund befragt, gab sie an, dass ihr Mann, der BF1, in Georgien bedroht worden sei. Sie selbst habe auch Schwierigkeiten gehabt, da sie für die nationale Bewegung gearbeitet habe und habe man ihr eine Anstellung im öffentlichen Dienst verweigert und jedes Mal eine ablehnende Entscheidung erhalten. Dies habe sie von einem Bekannten gehört, schriftlich habe sie diese Information nicht erhalten. Ihre Kinder habe sie nicht mitgenommen, weil sie Angst gehabt habe und ihre Mutter auch dagegen gewesen sei. Am 27. September hätten sie ihre Sachen gepackt und wären ausgereist.
Mit den im Spruch angeführten Bescheiden vom 28.10.2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 12.10.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Unter Spruchpunkt III. wurde ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen fest, dass die Beschwerdeführer allesamt Staatsangehörige Georgiens seien. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftslandes folgerte die Behörde, dass eine Gefährdung oder Verfolgung der BF im Herkunftsland nicht festgestellt werden können. Sie würden im Herkunftsland über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfügen und fänden daher auch Unterstützung- und Unterkunftsmöglichkeiten vor. BF1 als auch BF2 würden über eine Schul- und Berufsausbildung verfügen. Sie seien gesund, arbeitsfähig und somit in der Lage die Mittel zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes zu erwirtschaften. Beweiswürdigend führte die Behörde im Wesentlichen hinsichtlich BF1 aus, dass es diesem nicht gelungen sei ein in wesentlichen Punkten widerspruchsfreies Vorbringen bzgl. seiner Fluchtgründe darzulegen. Ferner habe BF2 im Zuge der Einvernahme erstmals abstrakt und vage in den Raum gestellt bei ihrer Arbeitssuche diskriminiert worden zu sein. Auch bei diesbezüglicher mehrfacher Nachfrage sei es der BF2 nicht gelungen ihre Vermutungen glaubhaft zu machen. Ihr Vorbringen habe sich pauschal und vage gestaltet und sei es ihr nicht gelungen, auch vor dem Hintergrund der Länderinformationen, zu einem konkreten, schlüssigen asylrelevanten Sachverhalt zu gelangen.
Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass der BF1 vorgebracht habe aus politischen Gründen verfolgt und deshalb sein Herkunftsland verlassen zu haben. BF1 habe nachvollziehbar und vor allem überprüfbare Angaben getätigt und dargelegt, dass dieser Koordinator und Mitglied der nationalen Bewegung (MTATSMINDA) gewesen sei, jedoch kein Parteimitglied. Der BF1 habe dargelegt, dass er für seine Tätigkeit, die er gemeinsam mit BF2 ausgeübt habe, entsprechend Geld erhalten habe. Zudem habe BF1 ganz konkrete Angaben zum Vorfall von 2014 gemacht und dargelegt, dass er von Männern bedroht und geschlagen worden sei. Am 26.09.2014 sei BF1 erneut aufgesucht und gewarnt worden, wobei kein physischer Übergriff stattgefunden habe. BF1 habe zudem darauf hingewiesen Angst gehabt zu haben sich an die Sicherheitsbehörden zu wenden. Nach Ansicht des BF1 wurde ihm nicht genügend Zeit eingeräumt, die von ihm erwähnten Unterlagen in Vorlage zu bringen und werde auf die Unterlagen verwiesen, wonach von der nationalen Bewegung "Kreisorganisation von MTATSMIND" vom 23.10.2014 bestätigt werde, dass BF1 seit 2010 Mitglied der Kreisorganisation sei und an Parteitätigkeiten aktiv teilnehme. Zudem leide der BF1 an Hepatitis C und sei darauf nicht eingegangen worden. Ferner wurde im Beschwerdeschriftsatz der BF2 auf das Vorbingen des BF1 verweisen und ergänzend vorgerbacht, dass die BF2 durchaus konkret vorgebracht habe, wo sie gearbeitet habe und wer ihr Chef gewesen sei. Sie habe übereinstimmend mit ihrem Gatten vorgebracht, dass ihr Ehemann in Georgien bedroht worden sei. Nach Ansicht der BF2 sei die Behörde nicht näher auf ihr Vorbringen eingegangen. Im Wesentlichen wurde auf den Inhalt der Beschwerde des BF1 verwiesen und ausgeführt, dass vor allem unter Bezugnahme auf den Umstand, dass es sich bei der BF2 um eine Frau handle, welche offensichtlich ein politisches Amt bekleidet habe, aber auch Rechtsanwältin sei, nicht auszuschließen sei, dass diese aufgrund des Umstandes, dass sie mit dem BF1 verheiratet sei, ebenfalls Widrigkeiten gegen Leib und Leben erfahren würde, müsste sie nach Georgien zurückkehren.
Am 21.09.2015 reisten die minderjährigen Kinder der BF1 und BF2 legal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte deren gesetzliche Vertretung (BF2) am 25.09.2015 für die Drittbeschwerdeführerin (BF3) und die Viertbeschwerdeführerin (BF4) gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz. Dabei brachte die BF2 vor, dass sie Angst um deren beiden Kinder gehabt habe, da sie selbst Probleme in Georgien gehabt hätten. Sie hätten sich gegenseitig vermisst und sei es schwer für sie ohne ihre Kinder zu leben. Des Weiteren gab sie an, dass für BF3 und BF4 dieselben Fluchtgründe, wie für sie, gelten würden. Überdies hätten sie keine eigenen Fluchtgründe.
Nach Zulassung des Verfahrens der BF3 und der BF4 gab ihre gesetzliche Vertreterin anlässlich der niederschriftlichen Befragung am 07.06.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines von der erkennenden Behörde bestellten und beeideten Dolmetschers der Sprache Georgisch sowie vor einem zur Entscheidung berufenen Organwalters an, dass ihre Kinder gesund seien. Vor deren Ausreise hätten sie bei den Eltern der BF2 gelebt. Dort hätten die Kinder die Schule und den Kindergarten besucht. Zu den Fluchtgründen wurde vorgebracht, dass BF3 und BF4 keine eigenen Fluchtgründe hätten.
Mit Bescheiden vom 13.06.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der BF3 und BF4 auf internationalen Schutz vom 25.09.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt II.) ab. Unter Spruchpunkt III. wurde ihnen ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurden gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Z 2 FPG erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der BF3 und BF4 nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise auf 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die von der gesetzlichen Vertreterin der BF3 und der BF4 angegebenen Gründe für das Verlassen des Herkunftslandes nicht glaubhaft seien. Es könne nicht festgestellt werden, dass die BF3 und BF4 einer Gefährdung oder Verfolgung im Herkunftsland ausgesetzt seien bzw. wären. Eine Verfolgung ihrer Person, im Falle einer Rückkehr nach Georgien, könne nicht angenommen werden. Bei einer Rückkehr würden sie sich in der Obhut ihrer Eltern befinden. Sie hätten seit der Ausreise ihrer Eltern bei ihrer Großelter mütterlicherseits gelebt, welche die Obsorge für BF3 und BF4 übernommen habe. Zudem würde die Familie in Österreich finanziell von den Großeltern väterlicherseits in Georgien unterstützt. Diese Unterstützung könnten sie im Heimatland weiterhin erhalten. Sie würden in Georgien nicht in eine existentielle Notlage geraten und könnten weiterhin die Schule in Georgien besuchen. Beweiswürdigend wurde gefolgert, dass
ihre gesetzliche Vertreterin angegeben habe, dass den BF3 und BF4 jene Probleme anhaften würden, mit denen auch deren Eltern in Georgien konfrontiert wären. Eigene Fluchtgründe habe ihre gesetzliche Vertreterin für sie jedoch nicht vorgebracht. In einer Gesamtschau sei deren gesetzliche Vertreterin außerstande, vor der Behörde ein glaubhaftes Fluchtvorbringen darzulegen. Somit sei auch nicht glaubhaft, dass den BF3 und BF4 in ihrer Heimat Verfolgung drohen würde. Der gesetzlichen Vertreterin der BF3 und der BF4 sei es nicht gelungen, ihr Vorbringen zur behaupteten Bedrohungssituation glaubhaft zu machen und habe die von ihr ins Treffen geführte Bedrohungssituation daher nicht als maßgeblicher Sachverhalt festgestellt werden können. Zudem habe ihre gesetzliche Vertreterin ausgeführt, dass die BF3 und die BF4 nach der Ausreise der Eltern ein Jahr lang in deren Heimat gelebt hätten. Die Obsorge über die BF3 und BF4 habe die Großmutter erhalten. Es sei ihnen sogar möglich gewesen in diesem Zeitraum weiterhin die Schule zu besuchen. Die Ausreise der BF3 und der BF4 sei außerdem auf legalem Wege erfolgt. Die gesetzliche Vertreterin habe dazu ausgeführt, dass sie Kontakt mit dem Justizhaus in Tiflis über Skype aufgenommen habe und wäre die Ausreise mittels notarieller Vollmacht organisiert worden. Unverständlich sei jedoch das Verhalten der Eltern, dass diese im Oktober 2014 aus dem Heimatland nach Österreich ausgereist seien, die BF3 und BF4 jedoch bis zu ihrer Ausreise im September 2015 weiterhin im Heimatland verblieben seien. Hätte es wirklich die von den Eltern in deren Verfahren angegebene Gründe gegeben, so wären die BF3 und die BF4 ggf. sofort mit ihren Eltern ausgereist bzw. wären sie viel früher nachgekommen. Aus dem von der gesetzlichen Vertreterin im Original vorgelegten georgischen Reisepass gehe hervor, dass dieser im August 2015 ausgestellt worden sei. Wären die BF3 und die BF4 wirklich bedroht worden, so hätten die BF43 und BF4 mit deren Großmutter bereits die Flucht antreten können bzw. wie bereits erwähnt, mit ihren Eltern flüchten können. Es entstehe der Anschein, dass die BF3 und BF4 keiner Bedrohung im Heimatland ausgesetzt wären, nachdem auch deren Eltern über eine notarielle Vollmacht ihre Ausreise organisiert und den Kontakt mit dem Justizhaus in Tiflis hergestellt hätten.
Mit Schriftsatz vom 30.06.2017 wurde Beschwerde gegen die oben angeführten Bescheide der BF3 und BF4 erhoben. Darin wurde nach Wiederholung des im Zuge der Einvernahme der gesetzlichen Vertreterin der BF3 und BF4 Vorgebrachten im Wesentlichen auf das Fluchtvorbringen der BF1 und der BF2 hingewiesen und auf diverse Artikel, Länderinformationen und der Rechtsprechung des EGMR hingewiesen. Demnach würde für die BF3 und BF4 Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familienmitglieder von aus politischen Gründen verfolgten Oppositionellen in Georgien asylrelevante Verfolgung drohen. Sofern lediglich den Eltern der BF3 und BF4 aufgrund der von diesen zu befürchtenden politisch motivierten Verfolgung Asyl zuerkannt werde, sei der gleiche Schutz gemäß § 34 Abs.2 AsylG jedenfalls auch den BF3 und BF4 zu gewähren. Zudem wurde auf die beispiellose Integration der BF3 und der BF4 hingewiesen.
Am 01.04.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme einer geeigneten Dolmetscherin für die Sprache Georgisch statt, an der die Beschwerdeführer und deren Rechtsvertreter teilnahmen.
Dem Beschwerdeprotokoll der Befragung sind folgende entscheidungswesentliche Passagen zu entnehmen:
R an BF1: Erzählen Sie mir näheres über Ihren Fluchtgrund:
BF1 (auf Deutsch): Ich bin am XXXX geboren, ich und meine Frau sind Aktivisten, wir haben für den Wahltag 2012 geholfen und unsre Partei die Nationale Bewegung hat nicht gewonnen, die Partei georg. Traum hat gewonnen.
BF1: Nachdem die Partei gewonnen hat, haben unsere Probleme begonnen, Sie heißt Mtatsminda, es ist eine vereinte Nationale Bewegung die für Tiflis zuständig ist. Nach dem Wahltag haben wir viele Probleme bekommen. Kurz nach den Wahlen wurden viele Personen aus dem Gefängnis freigelassen (ca. 16.000). Die Gefangenen haben behaupte sie wären Politische Häftlinge. Sie waren sehr verärgert und waren gegen die Aktivisten, Mitglieder der Nationalbewegung. Es war ca. 2014 im August, wir hatten ein Problem gegen 5-6 Personen, sie haben gesagt du hast mit der Nationalbewegung gearbeitet und ihr wart der Grund wieso wir im Gefängnis waren. Sie haben mich auf den Kopf geschlagen, mich angegriffen und gesagt "du kannst hier nicht weiterhin Leben, du und deine Partei haben vielen Leuten Probleme bereitet". Ich wurde bedroht, dass sie meiner Familie und mir etwas antun. Im September war ein zweiter Vorfall, ich wurde wieder geschlagen und beschimpft. Weiters gab es einen dritten Vorfall, der war nicht so schlimm wie die anderen, ich wurde nicht geschlagen, nur bedroht. Es waren immer dieselben Personen, Ende September habe ich mit meiner Frau gesprochen und wir sind uns einig geworden das wir wegmüssen. Es war spontan, wir haben nicht vorausgeplant. Wir sind dann nach Batummi, von dort haben wir einen Weg für die Ausreise gesucht. Wir haben dort 10 Tage verbracht und haben dann aus der Türkei zwei Schlepper gefunden.
BFV: Ist es richtig das in Mtatsminda ein Teil von einem Ort ist?
BF1: Ja, es ist ein Ort, in der Hauptstadt.
R an BF2: Sie sind Rechtsanwältin?
BF2: Ich bin Juristin und habe die Prüfung zur Rechtsanwältin gemacht. Ich habe dasselbe gemacht wie mein Mann, damit meine ich, ich habe auch der Partei geholfen, ich habe Personenlisten aufgestellt. Es war eine Bürgerliste, es wurden Daten aufgenommen, um herauszufinden wer wahlberechtigt ist. Ich war auch Wahlbeobachterin.
R: Sind Sie bedroht worden?
BF2: Nein ich bin nicht physisch angegriffen worden, nur beschmipft worden, es ist ein kleiner Ort wo wir wohnen, jeder kennt jeden.
BFV an BF2: Wie war die Situation als Sie erfahren haben, was Ihrem Mann passiert ist?
BF2: Ich habe die blauen Flecken gesehen und das Blut, er hat erzählt das er mit einem Metallstock geschlagen wurde. Mein Mann erzählte mir das er nicht nur geschlagen wurde, sondern auch aufgefordert wurde sofort das Land zu verlassen. Ich war so schockiert, dass ich mich bis heute nicht an Einzelheiten erinnern kann.
R: Sie sind nicht zur Polizei gegangen und Ihr Mann auch nicht, haben diese Leute nicht angezeigt, wieso nicht?
BF2: Ich wollte das machen, aber mein Mann wollte das nicht.
R hat keine weiteren Fragen an BF2
R an BF3: Möchtest du mir etwas erzählen?
BF3: Beilage 1 ist von meiner Freundin, ich tanze auch als Ballerina und spiele Blockflöte. Ich bin auch bei den Pfadfindern (Beilage 1).
R an BF4: Möchtest du mir etwas erzählen?
BF4: Ich gehe in das Purkersdorfer Gymnasium, in die 3. Klasse, ich tanze auch Ballett. Ich mache verschiedene Dinge in der Schule z.B. Chor, Zeichnen, ich spiele Flöte. (Beilage 2)
Zur Integration wird ebenso weitere Dokumente vorgelegt (Beilage 3).
Festgehalten wird, dass die BF1-4 sehr gut Deutsch sprechen und eine perfekte Integration haben.
Im Zuge des Verfahrens wurden folgende im Akt befindlichen Unterlagen in Kopie in Vorlage gebracht:
* Übersetzung des Trauungszeugnisses, ausgestellt am 18.06.2005;
* Empfehlungsschreiben vom 12.05.2015, zwei vom 13.05.2015, vom 24.05.2015, vom 27.05.2015, vom 05.02.2019, vom 20.02.2019, vom 27.02.2019; vom 28.02.2019, vom 08.03.2019, zwei Schreiben vom 12.03.2019, vom 14.03.2019, vom 17.03.2019;
* Unterstützungsschrieben vom 15.05.2015, dem zu entnehmen ist, dass BF1 und BF2 in der einer im Akt näher bezeichneten Privatschule einen Vortrag gehalten haben;
* Empfehlungsschreiben der Deutschlehrerin und Nachbarin vom 18.05.2015;
* Unterstützungsschreiben unterzeichnet von fünf Personen vom 20.05.2015;
* Unterstützungsschreiben vom 22.06.2015;
* Empfehlungsschreiben der Marktgemeinde XXXX unterzeichnet vom Bürgermeister vom 29.06.2015;
* Empfehlungsschreiben der Evangelischen Pfarrgemeinde, ausgestellt am 11.08.2015;
* Bestätigung betreffend das ehrenamtliche Engagement und Mitwirkung der Familie bei einem Verein für Jugend und Kultur vom 17.05.2017;
* Zeitungsartikel sowie
* Empfehlungsschreiben ohne Datumsangabe der evangelischen Pfarrgemeinde XXXX
Betreffend den Erstbeschwerdeführer:
* Übersetzung eines ärztlichen Attests vom 09.08.2007;
* Übersetzung eines Schreibens, dem zu entnehmen ist, dass der BF1 seit 2010 Mitglied der Kreisorganisation von Mtatsminda der "Gemeinsamen Nationalen Bewegung" sei und an der Parteitätigkeit aktiv teilnehme, ausgestellt am 23.10.2014;
* Übersetzung eines Antwortschreibens des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und sozialen Schutz Georgiens vom 30.10.2014, wonach das Medikament "Sofosbuvir" von Seiten des Staates nicht finanziert werde;
* Befunde vom 20.10.2014, vom 10.11.2014, vom 26.11.2014, vom 09.12.2014, vom 02.03.2015, vom 04.03.2015, vom 11.03.2015 und 12.11.2015;
* Überweisung vom 02.03.2015;
* Empfehlungsschreiben vom 15.05.2015;
* Schreiben eines im Akt näher bezeichneten Krankenhauses vom 21.05.2015 betreffend die Therapie und Kontrolle;
* Bestätigung über eine Therapie eines im Akt näher angeführten Krankenhauses wegen Leberzirrhose und Hepatits C, vom 29.07.2015;
* Schreiben betreffend die Betrauung mit der Sicherung des Schulweges gemäß § 97a StVO, ausgestellt am 13.01.2017;
* Zeugnis und Schreiben betreffend die ehrenamtliche Tätigkeit als Schülerlotes, als ehrenamtlicher Fahrer im Rahmen des Projektes " XXXX " und seinem freiwilligen Engagement und seiner Hilfsbereitschaft im Zuge von Schulveranstaltungen, ausgestellt von der Marktgemeinde XXXX , unterzeichnet vom Bürgermeister vom 03.04.2017 und vom 04.02.2019;
* ÖSD Zertifikat A2 vom 31.05.2017;
* Bestätigung betreffend die ehrenamtliche Tätigkeit - wöchentliche Lebensmittelausgabe an bedürftige Personen - vom 07.06.2017;
* Willkommensschreiben des Österreichischen Roten Kreuzes vom 06.07.2017;
* Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs am 02.08.2017;
* Zeitungsartikel betreffend die Tätigkeit als Schülerlotse vom April 2017;
* Bescheinigung über die Teilnahme am Erste Hilfe Kurs des Österreichischen Roten Kreuzes, ausgestellt am 19.03.2018;
* Kulturpass vom 11.06.2018;
* Zeugnis des Sprachenzentrums der Universität Wien über den Kurs B1. 1 vom 19.06.2018;
* Bestätigung betreffend die ehrenamtliche Mitarbeit beim Fremdenverkehrs- und XXXX , ausgestellt am 21.02.2019;
* Empfehlungsschreiben des Pfarrgemeinderates der kath. Kirche XXXX vom 25.02.2019;
* Bestätigung betreffend die Vereinstätigkeit beim "Verein XXXX " vom 11.03.2019;
* Beglaubigte Übersetzung vom 11.03.2019 betreffend Diplom über den Abschluss des Studiums und der Verleihung der Qualifikation des Ingenieur-Technologen;
* Übersetzung der Geburtsurkunde vom 11.03.2019;
* Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs Niveau B2 vom 12.03.2019;
* Kursbesuchsbestätigung - B1 für Fortgeschrittene, ausgestellt am 13.03.2019;
* Einstellungszusage der Imkerei Scheer vom 13.03.2019;
Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin:
* Befunde vom 20.10.2014;
* Ultraschall-Befund vom 20.11.2014;
* Schreiben vom 22.02.2015 betreffend die wöchentliche Behandlung der BF2 wegen depressiver Symptome;
* Ärztliche Überweisung vom 13.03.2015, vom 13.03.2015, vom 25.03.2015, vom 16.04.2015, vom 27.04.2015;
* Empfehlungsschreiben vom 15.05.2015;
* Bestätigung betreffend die Beschäftigung in einem Hotel mit einer bedingten Einstellungszusage vom 12.04.2015;
* Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs im Ausmaß von 80 Stunden vom 20.05.2017;
* ÖSD Zertifikat A1 vom 31.05.2017;
* Teilnahmebestätigung am Werte- und Orientierungskurs am 02.08.2017;
* ÖSD Zertifikat A2 vom 11.12.2017;
* Bescheinigung über die Teilnahme am Erste Hilfe Kurs des Österreichischen Roten Kreuzes, vom 18.03.2018;
* Kulturpass vom 11.06.2018;
* Zeugnis des Sprachenzentrums der Universität Wien über den Kurs B1. 1 vom 19.06.2018;
* Schreiben betreffend die Betrauung mit der Sicherung des Schulweges gemäß § 97a StVO, ausgestellt am 05.11.2018;
* Beglaubigte Übersetzung vom 11.03.2019 betreffend Diplom über den Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften;
* Übersetzung der Geburtsurkunde vom 11.03.2019;
* Anmeldebestätigung für einen Deutschkurs Niveau B2 vom 12.03.2019;
* Empfehlungsschreiben des Bürgermeisters XXXX vom 12.03.2019;
* Empfehlungsschreiben vom 13.03.2019;
* Kursbesuchsbestätigung - B1 für Fortgeschrittene, ausgestellt am 13.03.2019
Betreffend die Drittbeschwerdeführerin:
* Teilnahmeurkunde am 12. Niederösterreichischen "Blockflötenbigbandtag" vom 28.05.2018;
* Jahreszeugnis des Musikschulverbands XXXX , ausgestellt am 29.06.2018;
* Jahreszeugnis der NMS XXXX für das Schuljahr 2017/2018, ausgestellt am 26.07.2018;
* Fahrtenschwimmerausweis vom 24.08.2018;
* Übersetzung der Geburtsurkunde vom 27.11.2018;
* Bericht einer im Akt näher genannten Psychotherapeutin zum Gesundheitszustand, ausgestellt am 22.03.2019;
* Diverse Urkunden (Sport- Musik- Freizeitveranstaltungen);
* Schulnachricht des BRG XXXX für das Schuljahr 2018/19 vom 01.02.2019;
* Schreiben einer Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom 28.03.2019
Betreffend die Viertbeschwerdeführerin:
* Jahreszeugnis des Musikschulverbands XXXX , ausgestellt am 29.06.2018;
* Diverse Urkunden (Sport- Musik- Freizeitveranstaltungen);
* Freischwimmerausweis vom 24.08.2018;
* Schulnachricht der Volksschule XXXX für das Schuljahr 2018/19 vom 01.02.2019;
* Übersetzung der Geburtsurkunde vom 19.02.2019
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, der Anträge auf internationalen Schutz, den Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.10.2014, der niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl 24.10.2014, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.04.2019 sowie der zahlreichen in Vorlage gebrachten Unterlagen und Dokumente, werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige Georgiens und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Sie führen die im Spruch genannten Namen. BF1 und BF2 sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen BF3 und BF4. BF1 und BF2 stellten am 12.10.2014 Anträge auf internationalen Schutz. BF3 und BF4 reisten am 21.09.2015 legal nach Österreich ein und stellte deren gesetzliche Vertretung am 25.09.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Seit deren Antragstellung halten sich die Beschwerdeführer in Österreich auf. Für alle vier Beschwerdeführer liegt ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG vor.
Alle BF sind in Georgien, in Tiflis, geboren. Der BF1 hat zehn Jahre die Grundschule und anschließend fünf Jahre lang die dortige Polytechnische Universität besucht und in der Fachrichtung Ingenieur und Mechaniker sein Studium abgeschlossen. Acht Jahre vor seiner Ausreise arbeitete er in einem Verkehrsamt, einer privaten Gesellschaft für Straßenbau in der Logistik. Der BF1 spricht Georgisch, Russisch und Englisch. BF2 hat in Tiflis 11 Jahre die Grundschule und folglich erfolgreich an der Universität Rechtswissenschaften studiert. Nach ihrem erfolgreichen Abschluss des Studiums hat sie die Aufnahmeprüfung für Rechtsanwälte im Jahr 2005 bestanden. In Georgien arbeitete sie von 2005 bis 2008 als selbständige Rechtsanwältin. In der Folge war sie in Karenz und arbeitet sie - wie auch der BF1 - seit 2010 als Koordinatorin der nationalen Bewegung und war sie als Anwältin tätig. Die Existenzgrundlage der BF war in Georgien gesichert. Die BF verfügen über Verwandte und Familienmitglieder in Georgien. In Georgien leben die Eltern und ein Bruder des BF1 sowie die Eltern, der Bruder mit dessen Familie sowie Tante und Onkel der BF2. BF3 und BF4 haben bis vor ihrer Ausreise aus Georgien die Volksschule und den Kindergarten besucht.
Festgestellt wird, dass der BF1 und die BF2 bei der nationalen Bewegung tätig waren. Festgestellt wird, dass BF1 von Dritten bzw. Privaten angesprochen und bedroht wurde. Festgestellt wird, dass Georgien ein sicherer Herkunftsstaat ist. Demzufolge wird festgestellt, dass sich BF1 hinsichtlich des Vorfalls an die Sicherheitsbehörden wenden hätte können. Nicht festgestellt werden kann, dass es sich bei Georgien um einen Staat handelt bei dem von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates gesprochen werden kann.
Die Beschwerdeführer haben keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention geltend gemacht. Die gesetzliche Vertreterin der Dritt- bis Viertbeschwerdeführer, sowie die Zweitbeschwerdeführerin selbst, hat keine Fluchtgründe für ihre Kinder vorgetragen und beziehen sich allesamt auf das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers. Die BF2 konnte keine konkret gegen sie gerichtete Diskriminierung geltend machen.
Nicht festgestellt werden konnte, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Georgien reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für diese als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.
Die Beschwerdeführer leiden an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen (im Endstadium), bezüglich derer es keine Behandlungsmöglichkeiten in Georgien gibt.
Die unbescholtenen Beschwerdeführer führen im Bundesgebiet ein schützenswertes Privat- und Familienleben. Alle BF sind in das Gemeindeleben bestens integriert. Die BF1 und BF2 betätigen sich als Schülerlotsen sowie in zahlreichen Vereinen, darunter beispielhaft das Rote Kreuz, der Fremdenverkehrs- und XXXX sowie der Verein XXXX , der sich auf die Beförderung von Personen spezialisiert hat, die über kein eigenes Fahrzeug verfügen. Die BF3 leidet an einer Anpassungsstörung und einer depressiven Reaktion. Die behandelnde Psychotherapeutin diagnostizierte eine mittelschwere depressive Episode. Der Wegfall des stabilisierenden Umfeldes hätte gravierende Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der BF3 und würde nach Ansicht ihrer Therapeutin zu einer Verschlechterung ihres Zustandes führen. Die erwachsenen BF (BF1 und BF2) bemühen sich intensiv um die Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse und haben kürzlich Kurse auf dem Niveau B1 besucht und sind für den Kurs der Niveaustufe B2 angemeldet. Sie verfügen beide über das ÖSD-Zertifikat A2 und haben im August 2017einen Werte- und Orientierungskurs abgelegt. Für die gesamte Familie wurden zahlreiche Unterstützungsschrieben (vom Nachbarn, kirchliche Institutionen, Vereinen, Mitgliedern ihrer Gemeinde darunter auch der Bürgermeister uvm.) abgegeben und Empfehlungsschreiben vorgelegt. Der BF1 und die BF2 sind ehrenamtlich tätig. Der BF1 verfügt über eine Einstellungszusage einer Imkerei. Auch für die BF2 wurde eine bedingte Einstellungszusage eines Hotels vorgelegt. BF1 und BF2 haben darüber hinaus weitere Fort- und Weiterbildungskurse (Deutschkurse an der Universität Wien sowie Kurse des Österreichischen Roten Kreuzes) absolviert. Die beiden Kinder besuchen beide die Schule (BF3 das Bundesrealgymnasium und BF4 die Volksschule). Sie nehmen an zahlreichen Freizeitbeschäftigungen teil, was durch zahlreiche Urkunden, Schwimmausweise und Zeugnisse der Musikschule untermauert wird.
Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer:
Politische Lage
Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).
Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).
Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).
Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).
Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).
Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt Tiflis (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).
Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).
Quellen:
* Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 26.3.2018
* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 26.3.2018
* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions,
http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 26.3.2018
* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017):
Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017,
http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 26.3.2018
* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians
In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 26.3.2018
* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren,
http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 26.3.2018
* Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50,
http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 26.3.2018
1. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).
Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sowie Einbrüche kommen vor, und sind gelegentlich von Gewalt begleitet. Übergriffe gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, können vorkommen (AA 6.6.2018a, vgl. EDA 6.6.2018).
Bei einem Anti-Terroreinsatz in Tiflis sind am 22.11.2017 ein Polizist und drei mutmaßliche Terroristen getötet worden. Mehrere mutmaßliche Anhänger einer terroristischen Gruppe hatten sich der Festnahme widersetzt, indem sie das Feuer mit automatischen Waffen eröffneten und Handgranaten auf die Anti-Terror-Einheit warfen (Standard 23.11.2017). Einer der getöteten Terroristen war offenbar Achmed Tschatajew, ein tschetschenischer Befehlshaber des sog. Islamischen Staates (IS), der den georgischen Behörden bekannt war. Tschatajew stand seit 2015 auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auch von Russland und der Türkei wegen der Organisation des tödlichen Bombenanschlags auf den Flughafen von Istanbul im Juli 2016 gesucht. Die Prognose, dass sich die terroristische Bedrohung in Georgien auf die einheimischen und zurückkehrenden Kämpfer verlagert hat, wurde durch die Operation in Tiflis drastisch bestätigt (Jamestown 29.11.2017, GA 1.12.2017):
Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien und die EU-Beobachtermission (EUMM), die zu Stabilität und Frieden beitragen. Georgien hat sich weiterhin den internationalen Gesprächen in Genf verschrieben. Der sog. "Incident Prevention Mechanisms (IPRM)", der 2009 geschaffen wurden, um Risiko- und Sicherheitsfragen zu erörtern, die die Gemeinden in Abchasiens bzw. Südossetiens betreffen, und die EUMM-Hotline arbeiten weiterhin effizient als wesentliche Instrumente, um lokale Sicherheitsfragen anzugehen und, um die weitere Vertrauensbildung zwischen den Sicherheitsakteuren zu fördern (EC 9.11.2017).
Anfang März 2018 wiederholte Premierminister Giorgi Kvirikashvili Georgiens Interesse, bei den internationalen Gesprächen in Genf konkrete Fortschritte zu erzielen. Hierzu erklärte er sich auch bereit, in einen direkten Dialog mit Vertretern der separatistischen Regionen Abchasien und Südssetien zu treten (Jamestown 26.3.2018, vgl. Civil.ge 9.3.2018).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (6.6.2018a): Landesspezifische Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/georgien-node/georgiensicherheit/201918#content_0, Zugriff 6.6.2018
* Civil.ge (9.3.2018): Prime Minister Appeals to Russian Authorities, Offers Direct Dialogue with Sokhumi, Tskhinvali, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30935&search, Zugriff 12.4.2018
* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018
* EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.6.2018): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 6.6.2018
* GA - Georgien aktuell (1.12.2017): Anti-Terror-Einsatz: getötete Terroristen offenbar illegal ins Land gekommen, http://georgien-aktuell.info/de/politik/innenpolitik/article/13430-illegal, Zugriff 9.4.2018
* Jamestown (26.3.2018): Georgian Government Insists on Direct Talk With Moscow-Backed Separatists, https://jamestown.org/program/georgian-government-insists-direct-talk-moscow-backed-separatists/, Zugriff 12.4.2018
* Jamestown (29.11.2017): Special Operation in Tbilisi Highlights Risk of Terrorism by Returning Fighters in Georgia, https://jamestown.org/program/special-operation-tbilisi-highlights-risk-terrorism-returning-fighters-georgia/, Zugriff 9.4.2018
* Der Standard (23.11.2017): Vier Tote bei Anti-Terror-Einsatz in Tiflis,
https://derstandard.at/2000068329714/Vier-Tote-bei-Anti-Terror-Einsatz-in-Tiflis, Zugriff 9.4.2018
1.1. Regionale Problemzone: Abchasien
Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich - unterstützt von Russland - als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in denen sich ein de-facto politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur zu sehr geringem Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 jedoch nicht mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/megrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Passdokumenten und damit Freizügigkeit, Ausübung des Stimmrechts bei de facto-Präsidentschaftswahlen 2014, Besetzung öffentlicher Stellen, Zugang zu Bildung und Gesundheitsfürsorge, Ermöglichung von "Grenz"-Übertritten nach Georgien, Arbeitserlaubnis). Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen. Von Abchasien aus war es bislang gängige Praxis, dass Kinder ethnischer Georgier die Administrative Boundary Line (ABL) zum Schulbesuch auf dem georgischen Hauptterritorium regelmäßig überqueren konnten. Nach der Schließung von mittlerweile drei der fünf offiziellen Übergangsstellen verlängert sich der tägliche Schulweg aber so sehr (z.T. ca. 100 km einfach), dass diese Möglichkeit inzwischen kaum noch genutzt wird (AA 11.12.2017).
Die abchasische Regierung ist finanziell von Russland abhängig, das eine militärische Präsenz auf dem Territorium unterhält und zu den wenigen Staaten gehört, die die Unabhängigkeit Abchasiens anerkennen. Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf, und die meisten Einwohner sind Berichten zufolge gegen eine formelle Annexion durch Russland. Während die lokalen Rundfunkmedien weitgehend von der Regierung kontrolliert werden, gibt es einige unabhängige Print- und Online-Medien. Die Versammlungsfreiheit wird in der Regel respektiert. Zu den anhaltenden Problemen gehören ein zutiefst mangelhaftes Strafrechtssystem und die Diskriminierung von ethnischen Georgiern (FH 1.2017).
Die abchasischen Behörden inhaftieren weiterhin Personen, die die "Grenze" illegal überquert haben sollen. Russische Grenzwächter entlang der Verwaltungsgrenze zwischen Abchasien und Georgien setzen normalerweise die Regeln der abchasischen Machthaber um, indem sie Individuen abstrafen und wieder freilassen. Es gab Berichte über willkürliche Verhaftungen von ethnischen Georgiern in den abtrünnigen Gebieten. Ihnen wurden weder die Gründe für die Haft noch für das Vorführen vor den Staatsanwalt mitgeteilt. In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992-93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 20.4.2018).
Die Behörden in Abchasien lehnen weiterhin die Rückkehr von ethnischen georgischen Binnenvertriebenen an Orte ihrer Herkunft oder ihres gewöhnlichen Aufenthalts mit Ausnahme der Distrikte Gali, Ochamchira und Tkvarcheli ab. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) hat die Behörden wiederholt um Zusicherungen in Bezug auf die Rechte der Rückkehrer hinsichtlich des Daueraufenthalts, Freizügigkeit, Geburtenregistrierung und Eigentumsrechte gebeten. Generell haben die Vereinten Nationen gefordert, den Zugang der Rückkehrer zu politischen Rechten, gleichen Schutz vor dem Gesetz, soziale Sicherheit, Gesundheitsversorgung, Arbeit und Beschäftigung, Bildung, Gedanken-, Gewissens- und Meinungsfreiheit und kulturelles Leben zu gewährleisten. Im Dezember 2016 wurde das "Gesetz über die Rechtsstellung von Ausländern in Abchasien" geändert, um die Einführung einer "Aufenthaltserlaubnis für Ausländer" zu ermöglichen, die den in Abchasien lebenden ethnischen Georgiern die Ausübung ihrer Rechte erleichtern würde (UN-GA 3.5.2017).
Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (11.12.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
* FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/abkhazia, Zugriff 13.4.2018
* UN_GA - UN General Assembly (3.5.2017): Status of internally displaced persons and refugees from Abkhazia, Georgia and the Tskhinvali region/South Ossetia, Georgia [A/71/899], https://www.ecoi.net/en/file/local/1402817/1226_1499079794_n1712489.pdf, Zugriff 13.4.2018
* USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practces 2017 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1430256.html, Zugriff 6.6.2018
1.2. Regionale Problemzone: Südossetien
Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig (90% seines Budgets für 2016), und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus. Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, die auch die Aktivitäten der Zivilgesellschaft einschränken oder genau überwachen. Die Justiz unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 1.2017).
Russische Streitkräfte und De-facto-Behörden in Südossetien haben die Bewegungsfreiheit über die De-facto-Grenze weiter eingeschränkt und Dutzende von Menschen wegen "illegalen" Grenzübertritts kurzzeitig festgenommen und bestraft. Die zunehmende Umzäunung entlang der Verwaltungsgrenzen beeinträchtigte weiterhin die Rechte der Anwohner, einschließlich des Rechts auf Arbeit, Nahrung und einen angemessenen Lebensstandard, da der Zugang zu ihren Obstgärten, Weiden und Ackerland verloren ging (AI 22.2.2018).
In Südossetien leben kaum noch ethnische Georgier. Das Recht auf Rückkehr der Vertriebenen wird von den dortigen de facto-Behörden verwehrt. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen zu bewegen. Als Ausnahme ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori (Südossetien) lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 11.12.2017).
Die südossetischen Behörden haben gegenüber UN-Vertretern ihre Offenheit für die Rückkehr von Binnenvertriebenen nach Südossetien bekundet, allerdings hauptsächlich in den Bezirk Akhalgori und unter der Voraussetzung, dass sich die Personen nur dort aufhalten werden. Besuche im Bezirk Akhalgori scheinen für die Vertriebenen und ihre Angehörigen möglich zu sein. Die zuständigen südossetischen Behörden haben rund 4.300 neue Grenzübertrittsdokumente