TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/10 L515 2212810-1

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Veröffentlicht am 10.04.2019
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Entscheidungsdatum

10.04.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L515 2212810-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER und den fachkundigen Laienrichter RR Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch RA MMag. Christoph DOPPELBAUER, gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Oberösterreich, vom XXXX 2018, OB: XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 45 Abs. 1 und 2, § 47, § 54 Abs. 12, Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF stattgegeben und festgestellt, dass der Grad der Behinderung 50 vH beträgt.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) nach wie vor.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz

(B-VG), BGBl Nr 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die beschwerdeführende Partei (nachfolgend: auch "bP") ist seit mindestens 2010 Inhaberin eines Behindertenpasses mit einem GdB von 50%; sie beantragte am im Akt ersichtlichen Datum beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich (nachfolgend: auch belangte Behörde bzw "bB") die Ausstellung eines Behindertenpasses.

I.2. Ein in der Folge erstelltes Gutachten einer Fachärztin für Psychiatrie vom 08.10.2018 ergab einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 vH.

I.3. Mit Schreiben vom 22.10.2018 wurde der bP das eingeholte Gutachten zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

I.4. Mit angefochtenem Bescheid wurde der Antrag der bP auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen; mit einem Grad der Behinderung von 40 % erfülle sie die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht.

I.5. Mit mittels E-Mail eingebrachtem Schriftsatz vom 04.01.2019 erhob die bP Beschwerde, in welcher sie den ihrer Ansicht nach zu geringen GdB monierte. Laut ihrer Ansicht betrage der GdB mindestens 50 v.H.

1.6. Die belangte Behörde legte dem ho. Gericht die Beschwerdeakte vor, auf das Beschwerdevorbringen ging sie nicht ein.

I.7. Im Rahmen einer nicht öffentlichen Beratung am 10.4.2019 beschloss der erkennende Senat, der Beschwerde stattzugeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die bP ist österreichische Staatsangehörige und an der im Akt ersichtlichen Adresse im Bundesland Oberösterreich wohnhaft.

1.2. Das am 08.10.2018 von einem ärztlichen Sachverständigen (Fachärztin für Psychiatrie) erstellte ärztliche Gutachten weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:

"...

Anamnese:

Es darf zum Teil auf Vorgutachten, zuletzt von Dr. XXXX von 25.03.2011 verwiesen werden.

Aktuelle Situation:

Frau XXXX kommt pünktlich zum vereinbarten Termin, in Begleitung ihres Vaters.

Es seien seit Jahren epileptische Anfälle von klein auf aufgetreten, wobei sie seit 2015 keine Antiepileptika einnehme.

Es seien seit Jahren keine epileptischen Anfälle mehr aufgetreten.

Betreffend psychischer Problematik wird anamnestisch und außenanamnestisch über verminderte Konzentration, die ebenfalls seit Jahren präsent sei berichtet. Die Untersuchte selbst berichtet, dass eine Tic-Störung, die größte Problematik darstellt.

Sie habe Tics: Sie habe ein zwanghaftes Denken, sich mit beiden Händen am Stirnbereich anfassen zu müssen.

Sie würde sich zum Teil auch Haare ausreißen, aktuell sind keine glatzige Stellen vorhanden.

[...]

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Keine, keine Medikation, keine psychotherapeutische oder fachärztliche Betreuung.

Eine Psychotherapie sei von 2015-2017 in der Praxis von A.F. in L. absolviert worden.

[...]

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs

Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

1) Asperger- Persönlichkeits- bzw. Verhaltensstörung mit geringer sozialer Beeinträchtigung

Entsprechend dem Schweregrad, Leichte bis mäßige andauernde Beeinträchtigung in ein oder zwei sozialen Bereichen betreffend Erwachsene außerhalb der Familie, schulische Zeit und Arbeit.

Pos.Nr. 03.04.01, GdB 40 %

2) Epilepsie, Epilepsie

Epilepsie, anfallsfrei

Pos.Nr. 04.10.01, GdB 20 %

Gesamtgrad der Behinderung 40 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Die einzige psychische funktionelle Einschränkung unter laufender Nr. 1, bestimmt auch den Grad der Behinderung.

Epilepsie ist aufgrund der Anfallsfreiheit nicht relevant.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Von Dr. XXXX aus dem Jahr 2010:

Die psychische Problematik wurde nicht berücksichtigt.

Grad der Behinderung besteht seit 05/2018.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Nachuntersuchung 05/2021 - da eine Besserung unter Einleitung einer Therapie möglich wäre.

...."

1.3. Im Rahmen der Beschwerde erklärte sich die bP mit dem festgestellten Grad der Behinderung nicht einverstanden und ersuchte um eine nochmalige Prüfung ihres Gesundheitszustandes.

Der Rechtsfreund der bP schilderte den bisherigen Lebensweg der bP. Insbesondere verwies er darauf, dass von nicht einem positiven Abschluss der Schule, sondern viel mehr von einer Erfüllung der Schulpflicht gesprochen werde könne. Eine selbstständige Arbeitseinteilung, nämlich das Überlegen wie man sich einen Arbeitsablauf selbst gestaltet, sei der bP nicht möglich. Die bP habe zwar eine eigene Wohnung, werde jedoch von den Eltern betreut. Sie lebe sozial ausgegrenzt, bzw. sozial zurückgezogen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

Unstrittig liegt in Bezug auf die bP das beschriebene Krankheitsbild vor. Zu deren sozialen Auswirkungen liegen die bereits beschriebenen Quellen vor, wozu insbesondere auch die Ausführungen der bP bzw. ihrer rechtsfreundlichen Vertretung zu zählen sind.

Die anamnetische Aufnahme des relevanten Sachverhaltes erfolgte in Unkenntnis der detailreichen Schilderung des Lebensweges der bP, da zu diesem Zeitpunkt die Ausführungen ihrer rechtlichen Vertretung noch nicht vorlagen.

Die Ausführungen der rechtlichen Vertretung wurden von der bB, welcher im Beschwerdeverfahren die Rolle einer Partei mit allen ihren Rechten und auch Pflichten, wie etwa die Mitwirkung an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts zukommt, nicht angezweifelt und trat sie diesen in keiner Form entgegen.

Da sich die Ausführungen der rechtlichen Vertretung in der Beschwerdeschrift als schlüssig und nachvollziehbar darstellen und sie auch von der bB nicht angezweifelt wurden, sieht das ho. Gericht keinen Anlass, diesen in tatsächlicher Hinsicht zu folgen, weshalb das ho. Gericht davon ausgeht, dass die bP unter erheblichen sozialen Beeinträchtigungen lebt, wie sie von ihr bzw. ihrer Vertretung beschrieben wurden.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

-

Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl Nr 1/1930 idgF

-

Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl Nr 283/1990 idgF

-

Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr 261/2010 idgF

-

Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl I Nr 10/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl I Nr 33/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl Nr 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

In Anwendung des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt 3.1. im Generellen und die unter Pkt 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

3.4. Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl Nr 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl Nr 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl II Nr 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbstätigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß Abs. 2 ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 54 Abs 12 BBG treten § 1, § 13 Abs 5a, § 41 Abs 1 und 2, § 55 Abs 4 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 81/2010 mit 1. September 2010 in Kraft.

Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach den Grundsätzen des § 3 der genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Leidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt, wobei im Falle der Beurteilung nach dem BEinstG gemäß § 27 Abs 1 dieses Gesetzes Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht (ua VwGH vom 24. September 2003, Zl 2003/11/0032; VwGH vom 21. August 2014, Zl Ro 2014/11/0023-7).

Im Lichte des festgestellten Sachverhalts ist im Rahmen der Feststellung des Grades der Behinderung gem. der Anlage zur Einschätzungsverordnung nicht von der Pos.Nr. 03.04.01, sondern von der Pos.Nr. 03.04.02 auszugehen und ist aufgrund der beschriebenen sozialen Beeinträchtigungen von einem Grad der Behinderung von 50 % auszugehen.

Da es sich bei der Zuordnung des festgestellten Krankheitsbildes zu einer Pos.Nr. der Anlage der Einschätzungsverordnung nicht um Element der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts, sondern um einen Akt der rechtlichen Beurteilung handelt, war das ho. Gericht ohne die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen befugt, den Grad der Behinderung mit 50 % festzusetzen.

Aufgrund der oa. Ausführungen war der Beschwerde stattzugeben.

3.5. Da der Beschwerde stattgegeben wurde, konnte die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung unterbleiben.

3.6. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor.

Die grundsätzlichen Bestimmungen betreffend der Ausstellung eines Behindertenpasses erfuhren keine substanzielle Änderung, weshalb auch in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG gegeben waren.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L515.2212810.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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