TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/11 W154 2217166-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.04.2019
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Entscheidungsdatum

11.04.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W154 2217166-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin im Verfahren des XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, betreffend die weitere Anhaltung in Schubhaft aufgrund des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.11.2018, Zahl: 1088909602 -181151737/BMI-BFA_WIEN_RD_TEAM_09, zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, wurde am 30.11.2018 festgenommen und zur Anordnung von Schubhaft einvernommen.

2. Mit gegenständlichem Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 30.11.2018, Zahl: 1088909602 -181151737/BMI-BFA_WIEN_RD_TEAM_09, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dabei wurde im Wesentlichen ausgeführt, der BF befinde sich unrechtmäßig in Österreich, gegen ihn bestünde eine durchführbare Rückkehrentscheidung i.V.m. einem Einreiseverbot und er verfüge kaum über Barmittel. Er habe weder familiäre, berufliche noch soziale Bindungen, er verfüge über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet und gehe keiner legalen Beschäftigung in Österreich nach. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer bereits mehrfach strafgerichtlich verurteilt. Die Behörde gehe daher von vorliegendem Sicherungsbedarf aus und sei die Verhängung der Schubhaft im Sinne der bescheidmäßigen Ausführungen auch verhältnismäßig. Eine allfällige Verhängung eines gelinderen Mittels sei nicht ausreichend geeignet, die notwendige Außerlandesbringung des BF zu sichern. Die verhängte Schubhaft sei daher rechtskonform. Die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers sei gegeben.

3. Am 21.12.2018 wurde der Beschwerdeführer zwecks Identitätsfeststellung einer Delegation der nigerianischen Vertretungsbehörde in Wien vorgeführt. Dabei wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates seitens der nigerianischen Delegation zugesagt.

4. Am 09.04.2019 legte das BFA den gegenständlichen Schubhaftakt mit dem Ersuchen um Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei, dem Gericht vor.

5. Im gegenständlichen Verfahren wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eine Anfrage an die für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständige Abteilung des BFA zum bisher geführten Verfahren und zur Wahrscheinlichkeit einer baldigen Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer gerichtet.

In der Anfragebeantwortung vom 9.4.2019 teilte die zuständige Abteilung mit, dass nach dem am 21.12.2018 - im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates von Nigeria - erforderlichen Interview der Fall am 23.1.2019 bei einem persönlichen Treffen mit dem Konsul der Botschaft von Nigeria im BFA nochmals besprochen worden sei. Der Konsul habe dabei auf die ausstehende zweitinstanzliche Entscheidung betreffend das Asylverfahren hingewiesen. Der Fall des Beschwerdeführers wurde daher am 12.2.2019, 25.2.2019 und am 29.3.2019 per Mail beim Konsulat urgiert. Eine weitere schriftliche Urgenz mit dem Hinweis auf die besondere Dringlichkeit des Falles sei am 9.4.2019 erfolgt. Da sich der Konsul zurzeit im Ausland befinde, werde seine Entscheidung möglicherweise erst in der darauffolgenden Woche mitgeteilt werden. Aufgrund der sehr guten Zusammenarbeit mit der nigerianischen Botschaft (laufende Ausstellung von Heimreisezertifikaten, regelmäßige Charterrückführungen) gehe das BFA jedoch davon aus, dass auch im Fall des Beschwerdeführers eventuell noch offene Fragen in Kürze geklärt werden könnten und in der Folge ein Heimreisezertifikat ausgestellt werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Allgemein:

1.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 30.11.2018 in Schubhaft. Die gesetzliche Viermonatsfrist (§ 22a Abs. 4 BFA-VG) lief am 30.03.2019 ab.

1.2. Der der laufenden Haft zugrundeliegende Schubhaftbescheid ist nicht in Beschwerde gezogen worden. Eine Änderung der Umstände für die seinerzeitige Verhängung der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben.

1.3. Der Beschwerdeführer hatte am 21.12.2018 einen Interviewtermin bei der nigerianischen Botschaft zum Zweck der Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Dabei wurde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates seitens der nigerianischen Delegation zugesagt.

1.4. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft liegen zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung vor.

Gesundheitszustand bzw. Haftfähigkeit:

2. Der Beschwerdeführer ist gesund. Die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers ist zum Entscheidungszeitpunkt gegeben.

Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung (Prognose):

3.1. Die Erteilung eines Heimreisezertifikates in den nächsten Wochen und damit in Verbindung stehend die zeitnahe Außerlandesbringung des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung sind möglich.

3.2. Die gegenständliche Überprüfung der Verhältnismäßigkeit hat keine Änderungen hinsichtlich der Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung ergeben.

Privat- und Familienleben bzw. Fluchtgefahr:

4.1. Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen im Bundesgebiet und ist in Österreich weder legal erwerbstätig noch sozialversichert. Der Beschwerdeführer hat keine Anknüpfungspunkte zu Österreich und verfügt über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Er verfügt kaum über Barmittel und ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. Er brachte keine identitätsbezeugenden Dokumente in Vorlage.

4.2. Der Beschwerdeführer entzog sich auch durch Untertauchen dem Zugriff der Behörden.

4.3. Der Beschwerdeführer ist in Österreich zweifach vorbestraft.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.: Die Angaben über den Verfahrensgang und die hierzu ergangenen Feststellungen beziehen sich auf die Angaben im vorliegenden Akt. Unter Heranziehung der Bestimmungen zur Fristenberechnung gemäß § 32 AVG ergibt sich, dass der Ablauf der Viermonatsfrist auf den 30.03.2019 fiel.

Zu 1.2.: Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der seinerzeitige Schubhaftbescheid nicht in Beschwerde gezogen wurde.

Zu 1.3.: Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer am 21.12.2018 der nigerianischen Botschaft zur Durchführung eines Interviewtermins vorgeführt und die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt worden ist, ergibt sich aus dem Verfahrensakt. Dass gegenwärtig mit der zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates gerechnet werden kann, ergibt sich aus der Stellungnahme der für die Ausstellung von Heimreisezertifikaten zuständigen Abteilung des BFA vom 9.4.2019.

Zu 1.4.: Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der gegenständlichen Schubhaft ergibt sich, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid des BFA vom 4.4.2018 betreffend den Status des Asyl- sowie des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilte wurde, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt wurde, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig sei und für die freiwillige Ausreise keine Frist gewährt worden ist. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht, welche mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.01.2019, Zl. I421 2193424-1/14E, als unbegründet abgewiesen wurde. Das Erkenntnis erwuchs sohin in Rechtskraft, es ist durchsetzbar.

Zu 2. Die Feststellungen zum aktuellen Gesundheitszustand und zur Haftfähigkeit ergeben sich aus dem Verfahrensakt.

Zu 3.1.-3.2.: Die Feststellung zur Identifizierung des Beschwerdeführers durch die nigerianische Botschaft sowie die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer ergibt sich aus dem Verfahrensakt und der Stellungnahme der für die Ausstellung von Heimreisezertifikaten zuständigen Abteilung des BFA vom 9.4.2019.

Zu 4.1.: Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sowie über dessen kaum vorhandene Barmittel und dessen mangelnde Fähigkeit, sich in Österreich selbst zu erhalten, ergeben sich im Wesentlichen aus den unwidersprochen gebliebenen Angaben im Schubhaftbescheid. Des Weiteren ist auf die Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Schubhafteinvernahme vom 30.11.2018 zu verweisen.

Zu 4.2.: Die Feststellung zum Untertauchen des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergibt sich aus einer im Akt einliegenden Anfrage zum Zentralen Melderegister, woraus ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer außer in behördlicher Anhaltung in Österreich noch nie behördlich gemeldet war, weshalb davon auszugehen ist, dass dies unter anderem bewusst geschehen ist, um für die Behörden nicht greifbar zu sein. Es ist auch damit zu rechnen, dass der Beschwerdeführer in Freiheit belassen - wie schon in der Vergangenheit - untertauchen würde, um die eigene Abschiebung zu vereiteln.

Zu 4.3. Die Feststellung zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Auszug aus dem Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A.:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 56/2018 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Zur Dauer der Schubhaft:

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil

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1.-die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck

der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2.-eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht

vorliegt,

3.-der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13)

widersetzt, oder

4.-die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen

oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008)

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Andernfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

3.1.3. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung über die gesetzlich vorgesehene Viermonatsfrist hinaus, weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Betrachtet man die Interessen des Beschwerdeführers an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse so zeigt sich, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet weder über Familienangehörige noch über sonstige Kontaktpersonen verfügt. Der Beschwerdeführer ist zudem in Österreich weder legal erwerbstätig noch sozialversichert. Er hat letztendlich gar keine Anknüpfungspunkte zu Österreich und verfügt auch über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer verfügt kaum über Barmittel und brachte keine identitätsbezeugenden Dokumente in Vorlage. Er ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. Außerdem tauchte der Beschwerdeführer in der Vergangenheit unter und war auch sonst für die Behörden nicht greifbar, woraus zu schließen ist, dass der Beschwerdeführer nicht willig zur Kooperation mit den Behörden ist. Im Zuge der durchzuführenden Abwägung bleibt daher festzuhalten, dass keine sozialen Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich entstanden sind und Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben ist.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

Das Verfahren hat in keiner Weise ergeben, dass der Beschwerdeführer durch die Inhaftierung einer unzumutbaren (unverhältnismäßigen) Belastung ausgesetzt ist, zumal der Beschwerdeführer auch diesbezüglich einer engmaschigen medizinischen Kontrolle unterliegt.

Aufgrund des Ermittlungsverfahrens lässt sich aus derzeitiger Sicht auch erkennen, dass eine zügige Außerlandesbringung des Beschwerdeführers als wahrscheinlich anzusehen ist. So fand für den Beschwerdeführer bereits am 21.12.2018 ein Interviewtermin zur Identitätsfeststellung vor der nigerianischen Botschaft statt, bei dem die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugesagt worden ist. Das Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der Entscheidungserlassung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des Beschwerdeführers nach heutigem Wissensstand zeitnah realistisch erscheint, zumal die oben zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.01.2019 dem Verfahren im Entscheidungszeitpunkt zugrunde liegt.

Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel nicht zur Anwendung kommen kann. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel der Verfahrenspartei nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft und/oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom Beschwerdeführer in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere der Tatsache, dass er untergetaucht war - nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da im vorliegenden Fall die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des Beschwerdeführers besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher nicht in Betracht.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.2. Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einreiseverbot, Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft,
Mittellosigkeit, Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf,
strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung, Untertauchen,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W154.2217166.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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