TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/25 W266 2211177-1

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Veröffentlicht am 25.04.2019
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Entscheidungsdatum

25.04.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W266 2211177-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf HALBAUER, Bakk. Phil. als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen,

Landesstelle Wien, vom 29.08.2018, OB: XXXX , betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nicht öffentlicher

Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem im Spruch zitierten Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (in der Folge: belangte Behörde) wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 24.4.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden sei und nach diesem Gutachten ein Grad der Behinderung von 30% vorliege.

Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung würden als schlüssig anerkannt und in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung in Höhe von 30% festgestellt habe, lägen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vor, da gemäß § 40 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz der Grad der Behinderung mindestens 50% zu betragen habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen, fristgerechten Beschwerde führt die Beschwerdeführerin - ohne Vorlage weiterer Befunde - im Wesentlichen aus, dass ihr Orthopäde bei ihr Gicht diagnostiziert habe und sich ihr Zustand deswegen weiter verschlechtert habe.

In der Folge wurde von der belangten Behörde eine ergänzende Stellungnahme des bereits mit der Sache betrauten Sachverständigen eingeholt.

Am 14.12.2018 wurde die Beschwerde mitsamt dem dazugehörigen Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

Mit Schreiben vom 8.1.2019 wurde der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde die ergänzende Stellungnahme zur allfälligen Stellungnahme binnen zweier Wochen ab Zustellung übermittelt.

Von dieser Möglichkeit haben weder die belangte Behörde noch die Beschwerdeführerin Gebrauch gemacht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Nach Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt, insbesondere in das allgemeinmedizinische Gutachten, welches auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin basiert, in die dazu ergangene ergänzende Stellungnahmen, in die vorgelegten Befunde sowie Einholung eines aktuellen Auszuges aus dem zentralen Melderegister steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin ist am XXXX geboren und wohnhaft in XXXX Wien, XXXX

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes wird folgendes festgestellt:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

gut

Größe: 156,00 cm Gewicht: 92,00 kg Blutdruck: 120/75

Klinischer Status - Fachstatus:

Sauerstoffsättigung der Raumluft: pO2: 96%, Puls: 94/min, keine Ruhedyspnoe

Kopf: Zähne: saniert, Computer- und Lesebrille, Sensorium frei, Nervenaustrittspunkte unauff.,

Hals: keine Einflussstauung, Schilddrüse schluckverschieblich, Lymphknoten o.B.,

Thorax: symmetrisch,

Herz: normal konfiguriert, Herztöne rein, keine pathologischen Geräusche,

Lunge: vesikuläres Atemgeräusch, Basen gut verschieblich, son. Klopfschall,

Wirbelsäule: Halswirbelsäule frei beweglich, Kinn-Jugulum-Abstand 2cm, seichte linkskonvexe Skoliose der Brustwirbelsäule, Gegenschwung in der Lendenwirbelsäule, Hyperlordose der Lendenwirbelsäule, Fingerbodenabstand 15cm, thorakaler Schober 30/33cm, Ott: 10/14cm, Hartspann der Lendenwirbelsäule, blande eingezogene Narbe nach Operation im Lendenwirbelsäulensegment,

Abdomen: weich, über Thoraxniveau, Hepar und Lien nicht palpabel, keine Resistenz tastbar, im rechten Mittelbauch längsverlaufende blande Narbe nach Nephrektomie und mediale Unterbauchlaparotomie nach gynäkologische Operation,

Nierenlager: beidseits frei,

obere Extremität: frei beweglich, Globalfunktion und grobe Kraft beidseits erhalten, Nacken- und Kreuzgriff möglich,

untere Extremität: frei beweglich, krepitierendes Reiben beider Kniegelenke bei freier Beweglichkeit und festem Bandapparat, Umfang des rechten Gelenkes: 46,5cm (links: 45cm), keine signifikante Involutionsatrophie der Unterschenkelmuskulatur, Umfang des rechten Unterschenkels: 47cm (links: 46,5cm), keine Ödeme, Gefäßzeichnung ohne trophische Hautstörungen, Reflex lebhaft auslösbar, Babinski negativ, Zehenballen- und Fersengang möglich.

Gesamtmobilität - Gangbild:

unauff. Gangbild, keine Gehhilfe erforderlich, keine objektivierbare Sturzneigung,

Status Psychicus:

zeitlich und örtlich orientiert, ausgeglichene Stimmungslage, unter Berücksichtigung einer überbrückbaren Sprachbarriere eine für die Gutachtenserstellung ausreichende Kommunikation möglich.

Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers entsprechen den folgenden Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Zustand nach Nephrektomie rechts (wegen Wilms-Tumor) im 10. Lebensmonat oberer Rahmensatz, da kompletter Organverlust rechts

08.01.01

30

2

degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Zustand nach Foraminotomie oberer Rahmensatz, da nachvollziehbare Symptomatik ohne Erfordernis einer analgetischen Dauertherapie und geringe Funktionseinschränkung

02.01.01

20

3

leichter Bluthochdruck fixer Rahmensatz

05.01.01

10

4

Abnützungserscheinung an beiden Kniegelenken unterer Rahmensatz, da Krepitieren, jedoch keine signifikante Funktionsstörung fassbar

02.02.01

10

und beträgt der Grad der Behinderung 30%.

Das führende Leiden unter lf. Nr. 1) wird durch die Gesundheitsschädigungen unter lf. Nr. 2) bis 4) nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen beruhen betreffend Geburtsdatum und Wohnadresse auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers am Antragsformular, sowie auf den übereinstimmenden Unterlagen im Verwaltungsakt sowie auf dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des Grades der Behinderung beruhen die Feststellungen auf dem bereits von der belangten Behörde eingeholten allgemeinmedizinischen Gutachten, welches auf einer persönlichen Untersuchung basiert sowie auf der ergänzenden Stellungnahme. Diese sind in sich schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Es wird darin vollständig und in nachvollziehbarer Art und Weise auf alle, von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Leidenszustände unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde eingegangen.

Der Sachverständige ordnet das Leiden 1 (Zustand nach Nephrektomie rechts wegen Wilms-Tumor im 10. Lebensmonat) dem oberen Rahmensatz der Position 08.01.01 der EVO zu, da ein kompletter Organverlust rechts vorliegt. Dies entspricht den in der EVO für diesen Rahmensatz vorgesehenen Kriterien (bei ausgeprägten Symptomen, Beschwerden, Verlust oder anlagebedingtes Fehlen einer Niere bei uneingeschränkter Funktionsfähigkeit der anderen Niere).

Das Leiden 2 (degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Zustand nach Foraminotomie) wird dem oberen Rahmensatz der Position 02.01.01 der EVO zugeordnet, da eine nachvollziehbare Symptomatik ohne Erfordernis einer analgetischen Dauertherapie und eine geringe Funktionseinschränkung vorliegen. Dies entspricht den in der EVO für diesen Rahmensatz vorgesehenen Kriterien (Akute Episoden selten (2-3 Mal im Jahr) und kurzdauernd (Tage), Mäßige radiologische Veränderungen, im Intervall nur geringe Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben, keine Dauertherapie erforderlich).

Das Leiden 3 (leichter Bluthochdruck) ordnet der Sachverständige der Position 05.01.01 der EVO zu, da eine leichte Hypertonie besteht, für die laut EVO ein fixer Rahmensatz von 10% vorgesehen ist.

Schließlich wird das Leiden 4 (Abnützungserscheinung an beiden Kniegelenken) vom Sachverständigen dem unteren Rahmensatz der Position 02.02.01 der EVO zugeordnet, da Krepitieren gegeben ist, jedoch keine signifikante Funktionsstörung fassbar ist. Dies entspricht den in der EVO für diesen Rahmensatz vorgesehenen Kriterien (Leichte Beschwerden mit geringer Bewegungs- und Belastungseinschränkung).

Schließlich begründet der Sachverständige den Gesamtgrad der Behinderung damit, dass das führende Leiden 1 durch die Gesundheitsschädigungen 2 bis 4 nicht erhöht wird, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken besteht.

Diese Beurteilungen des Sachverständigen sind in Zusammenschau mit dem erhobenen klinischen Befund und den vorgelegten Befunden nachvollziehbar und schlüssig und ordnet der Sachverständige die vorliegenden Funktionseinschränkungen auch schlüssig den Kriterien der jeweiligen Positionsnummern zu.

Schlüssig und nachvollziehbar wird auch die Änderung im Vergleich zum Vorgutachten (Gesamtgrad der Behinderung 40%) damit begründet, dass hinsichtlich der Leiden 1 und 3 keine Änderung eingetreten ist, Leiden 2 sich jedoch stabilisiert hat und ohne analgetisches Behandlungserfordernis um eine Stufe niedriger bewertet wird. Dies wirkt sich auf die Gesamteinschätzung aus. Durch das neu aufgenommene Leiden 4 ist keine weitere Änderung der Gesamteinschätzung gerechtfertigt.

Auf das Vorbringen in der Beschwerde geht der Sachverständigen in seiner ergänzenden Stellungnahme ein und erläutert dazu schlüssig, dass dieses nicht durch objektive medizinische Befunde belegt wurde und auch keine Dokumente vorgelegt wurden, die ein höheres Funktionsdefizit an den Extremitäten beschreiben, als anlässlich der durchgeführten Untersuchung ermittelt werden konnte. Bei Fehlen abweichender medizinische Befunde muss an der Einschätzung der erfassten Gesundheitsschädigungen festgehalten werden.

Das gegenständliche Sachverständigengutachten sowie die ergänzende Stellungnahme werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist,.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

Gemäß § 1. Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) ist unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Die relevanten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung lauten:

08.01 Ableitende Harnwege und Nieren

08.01.01

Fehlbildung der Niere, des Nierenbeckens und des Harnleiters

10 - 30 %

Abhängig von den Einschränkungen im gesamten ableitenden System, dem Nierenhohlsystem Nierenhypoplasie, Beckenniere, Nierenhohlraumzysten, Nephroptose 10 - 20 %: bei leichten bis mäßigen Symptomen 30 % : bei ausgeprägten Symptomen, Beschwerden Verlust oder anlagebedingtes Fehlen einer Niere bei uneingeschränkter Funktionsfähigkeit der anderen Niere

 

 

02.01 Wirbelsäule

02.01.01

Funktionseinschränkungen geringen Grades

10 - 20 %

Akute Episoden selten (2-3 Mal im Jahr) und kurzdauernd (Tage) Mäßige radiologische Veränderungen Im Intervall nur geringe Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben Keine Dauertherapie erforderlich

 

 

05.01.01

Leichte Hypertonie

10 %

02.02 Generalisierte Erkrankungen des

Bewegungsapparates

Es ist die resultierende Gesamtfunktionseinschränkung bei entzündlich rheumatischen

Systemerkrankungen, degenerative rheumatischen Erkrankungen und systemischen

Erkrankungen der Muskulatur einzuschätzen.

Falls sie mit Lähmungserscheinungen einhergehen, sind sie entsprechend den funktionellen

Defiziten nach Abschnitt 04. "Neuromuskuläre Erkrankungen" im Kapitel

"Nervensystem" zu beurteilen.

02.02.01

Mit funktionellen Auswirkungen geringen Grades

10 - 20 %

Leichte Beschwerden mit geringer Bewegungs- und Belastungseinschränkung

 

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

Gemäß § 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

Gemäß § 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

Gemäß § 3 Abs. 4 Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Gemäß § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

Gemäß § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Daraus folgt:

Das gegenständliche allgemeinmedizinische Gutachten sowie die ergänzende Stellungnahme entsprechen den formalen und inhaltlichen Voraussetzungen der Einschätzungsverordnung und werden, aus den unter Punkt 2 näher ausgeführten Gründen der Entscheidung zugrunde gelegt.

Für die Ausstellung eines Behindertenpasses ist gemäß § 40 Abs. 1 BBG neben den formalen Erfordernissen ein Grad der Behinderung in Höhe von zumindest 50% Voraussetzung.

Die Funktionsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin betragen jedoch, wie festgestellt, 30% da diese, wie bereits oben unter Punkt 2 ausgeführt, vom Amtssachverständigen schlüssig und nachvollziehbar den oben genannten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet wurden.

Da bei der Beschwerdeführerin keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden konnten, und der Grad der Behinderung sohin entsprechend § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung iVm den Positionen 08.01.01, 02.01.01, 05.01.01 und 02.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung 30% beträgt, liegen nicht alle Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vor.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 VwGVG normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH).

Unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr. 36.801/06) aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Dies gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes umso mehr für den Fall einer von den Parteien nicht beantragten mündlichen Verhandlung.

In diesem Zusammenhang wird auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) verwiesen, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur ("rather technical in nature") sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt ("the outcome depended on the written medical opinions") unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz zuständigen (Verwaltungs)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. etwa EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21.660/09, sowie VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221, mit Hinweis auf EGMR 18.07.2013, Beschw. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle gg. Liechtenstein; EGMR 10.05.2007, Beschw. Nr. 7401/04, Hofbauer gg. Österreich Nr. 2; EGMR 03.05.2007, Beschw. Nr. 17.912/05, Bösch gg. Österreich).

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten - vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten - Gutachten eines medizinischen Sachverständigen, dem die Beschwerdeführerin weder auf gleicher fachlicher Ebene noch durch ein sonst substantiiertes Vorbringen entgegengetreten ist. Die strittigen Tatsachenfragen gehören ausschließlich dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

ZU B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung im Gegenstand von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W266.2211177.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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