TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/29 W103 2187318-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.04.2019
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Entscheidungsdatum

29.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W103 2187318-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.12.2017, Zl.:

1075546700-150757605, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z. 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, gelangte illegal in das Bundesgebiet und stellte am 29.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Dabei gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er stamme aus XXXX und habe seinen Herkunftsstaat im Jänner 2014 verlassen. Zum Grund seiner Ausreise führte der Beschwerdeführer an, sein Vater sei im Jahr 2001 im Krieg gestorben, seine Mutter sei 2004 verstorben; der Beschwerdeführer habe versucht, sich selbst zu versorgen, dies sei jedoch nicht mehr gegangen, in Somalia werde man nicht unterstützt. Er habe geglaubt, dass es hier leichter sei und er hier besser leben könnte. Durch die von Al Shabaab begangenen Anschläge mit Todesopfern sei die Situation noch schlechter. Der Beschwerdeführer habe mit einem namentlich genannten Mitarbeiter des Finanzamtes gewohnt, welcher in Anwesenheit des Beschwerdeführers getötet worden wäre. Der Genannte sei auf der Straße erschossen worden, die Täter seien weggelaufen und hätten den Beschwerdeführer später am Mobiltelefon angerufen und ihm mitgeteilt, dass er möglicherweise ebenfalls getötet werden würde. Dem Beschwerdeführer sei nicht bekannt, woher sie gewusst hätten, wer er sei und woher sie seine Nummer gehabt hätten. Im Protokoll ist am dieser Stelle angemerkt, dass die Frage nach den Gründen "aufgrund einer Folge immer dubioserer Antworten abgebrochen" worden wäre. Für den Fall einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, umgebracht zu werden. Al Shabaab würde alle Leute umbringen und der Beschwerdeführer könnte einer von ihnen sein; die Männer, die seinen Freund getötet hätten, könnten auch ihn töten.

Nach Zulassung seines Verfahrens erfolgte am 02.08.2017 im Beisein einer Dolmetscherin für die somalische Sprache eine niederschriftliche Einvernahme des zwischenzeitig volljährigen Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab eingangs an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen und gesund zu sein. Er habe bis dato wahrheitsgemäße Angaben erstattet, stamme aus XXXX und habe mit Ausnahme einer dort lebenden Tante keine Angehörigen mehr in Somalia. Der Beschwerdeführer habe fünf Jahre lang die Schule besucht und nach dem Tod seiner Eltern auf der Straße geschlafen; er habe manchmal in einem Geschäft gearbeitet und die Straße geputzt. Seine Reise nach Europa sei durch den Inhaber jenes Geschäfts sowie somalische Staatsbürger, die er unterwegs getroffen hätte, finanziert worden. Der Beschwerdeführer gehöre dem Clan der Madhibaan/Gabooye an und sei sunnitischer Moslem. Zu den Gründen seiner Asylantragstellung führte er aus, seine Eltern seien verstorben und er habe auf der Straße gelebt. Der namentlich genannte Inhaber des zuvor erwähnten Geschäfts habe ihm immer geholfen und habe zudem mit den Behörden zusammengearbeitet. Al Shabaab sei zu diesem gekommen und hätte ihn getötet; davor hätte dieser dem Beschwerdeführer Geld gegeben. Al Shabaab habe den Beschwerdeführer angerufen und gesagt, dass sie wissen würden, dass der Beschwerdeführer für den erwähnten Mann arbeite; dann hätten sie gesagt, dass sie ihn töten würden, weil er für jenen Mann arbeite. Aus Angst habe der Beschwerdeführer Somalia verlassen. Der Aufforderung zur Erstattung konkreterer Angaben kam der Beschwerdeführer nicht nach. Eine vom Beschwerdeführer bejahte Verfolgung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit wurde nach mehrfacher Nachfrage dahingehend präzisiert, als er erklärte, Al Shabaab hätte gesagt, sie würden ihn töten, da er Madhibaan sei und mit dem erwähnten Mann zusammenarbeite. Dies habe sich Ende des Jahres 2013 zugetragen. Er sei ab der Ermordung des erwähnten Mannes jeden Tag angerufen worden, bis er Somalia verlassen hätte. Diesen Umstand bestätigte der Beschwerdeführer auf nochmalige Nachfrage; er sei von Al Shabaab nie persönlich bedroht worden, sie hätten nur telefoniert. Befragt, ob er demnach von Ende 2013 bis Anfang 2014 ständig angerufen und mit dem Tod bedroht worden wäre, bestätigte der Beschwerdeführer dies; er sei zweimal am Tag angerufen worden. Persönlich habe er Al Shabaab nie getroffen. Befragt, ob es üblich sei, dass eine terroristische Gruppierung jemanden am Telefon bedrohen, ihre Drohung jedoch nicht in die Tat umsetzen würde, merkte der Beschwerdeführer an, er habe sich versteckt gehalten. Er wisse nicht, ob Al Shabaab ihn gesehen hätte; es sei nur per Telefon gewesen. Er wisse nicht, weshalb Al Shaabab abgewartet hätte; als er das Geld gehabt hätte, habe er Somalia verlassen. Das Geld in Höhe von 400 EUR habe er von dem zuvor erwähnten Mann bekommen; Grund sei gewesen, dass dieser ein sehr netter Mensch gewesen wäre. 300 EUR habe er verdient und erst nach einem Jahr Arbeit ausbezahlt bekommen, 100 EUR habe er ihm einfach so geschenkt. Der erwähnte Mann sei von Al Shabaab getötet worden, da er neben der Führung des Geschäfts noch für das somalische Finanzministerium gearbeitet hätte. Nachgefragt, habe sich der Beschwerdeführer gerade in der Moschee befunden, als der erwähnte Mann von Al Shabaab getötet worden wäre und vom Bruder des Getöteten sowie von Al Shabaab davon erfahren. Auf Vorhalt seiner Angabe in der Erstbefragung, wonach er anwesend gewesen wäre, als sein Freund getötet worden sei, gab der Beschwerdeführer an, dies nicht so gesagt zu haben. Auf Vorhalt seiner damals erstatteten Aussage, dass er anwesend gewesen wäre, als der Freund auf der Straße getötet worden wäre und der Beschwerdeführer zu ihm gelaufen wäre, erwiderte der Beschwerdeführer, der Dolmetscher habe es falsch aufgeschrieben. Auf Vorhalt des von ihm unterzeichneten Protokolls der Erstbefragung, erwiderte der Beschwerdeführer, er habe unterschrieben, es sei ihm jedoch nichts vorgelesen worden. Auf Vorhalt der zu Beginn der Einvernahme bestätigten Richtigkeit seiner Angaben anlässlich der Erstbefragung, erwiderte der Beschwerdeführer, er habe den Dolmetscher am Anfang nicht richtig gehört. Befragt, wie der Freund des Beschwerdeführers, wie vom Beschwerdeführer zu Beginn der Einvernahme angegeben, seine Reise organisieren habe können, wenn er zu diesem Zeitpunkt bereits tot gewesen wäre, erwiderte der Beschwerdeführer, er habe gemeint, dass er ihm das Geld gegeben hätte. Auf mehrfache Nachfrage, wie die Bedrohung aufgrund seiner Volksgruppe ausgesehen hätte, verneinte der Beschwerdeführer, dass es zu einer solchen gekommen wäre. Seine Volksgruppe sei eine Minderheit, welche diskriminiert worden wäre.

In Österreich habe der Beschwerdeführer viele Freunde und wolle künftig als Ingenieur arbeiten.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Die Behörde stellte die Staatsangehörigkeit, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität des Beschwerdeführers fest. Die von ihm angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes seien nicht glaubhaft. Nicht festgestellt werden könne, dass dieser in Somalia asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche Verfolgung künftig zu befürchten hätte. Der Beschwerdeführer habe den vorgetragenen Fluchtgrund auf mehrfache Nachfrage nicht zu konkretisieren vermocht und von sich aus keine konkreten Daten oder Angaben gemacht. Sein gesamtes Fluchtvorbringen sei höchst vage und unkonkret. Der Beschwerdeführer sei sowohl in Bezug auf den Zeitpunkt der fluchtauslösenden Vorfälle als auch bezüglich der Anrufe von Al Shabaab vage geblieben. Es sei jedoch davon auszugehen, dass Personen, die aufgrund einschneidender Ereignisse gezwungen würden, ihr Heimatland zu verlassen, detailliert und konkret über die Beweggründe, die zu diesem Schritt geführt hätten, berichten könnten. Seine Angaben bezüglich Al Shabaab seien unglaubwürdig gewesen; in der Erstbefragung habe der Beschwerdeführer angegeben, Al Shabaab hätte gesagt, dass der Beschwerdeführer "möglicherweise" auch getötet werden würde. Während der freien Erzählung vor dem BFA habe der Beschwerdeführer angegeben, dass Al Shabaab gesagt hätte, dass sie wüssten, dass der Beschwerdeführer mit dem von ihm benannten Freund zusammenarbeite und dass er getötet werden würde. Konkret nachgefragt habe der Beschwerdeführer wiederum angegeben, dass Al Shabaab ihn aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe töten wollen. Nach Vorhalt seiner Angaben bei der Erstbefragung habe der Beschwerdeführer lediglich angegeben, dass er dies nicht gesagt hätte. Es sei nicht glaubhaft, dass Al Shabaab ihn, wie geschildert, zweimal täglich angerufen und bedroht hätte. Für die Behörde erscheine es unglaubwürdig, dass Al Shabaab auf telefonische Bedrohungen zurückgreifen würde, in denen sie dem Angerufenen mitteile, dass er getötet werden würde, die Drohung jedoch nicht in die Tat umsetzen würde. Dies klinge nicht nach dem Handeln einer etablieren Terrororganisation. Nicht nachvollziehbar sei, dass der Beschwerdeführer sich nicht daran erinnern könne, wann konkret der erste Anruf gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe selbst angegeben, dass Al Shabaab ihn niemals persönlich bedroht oder aufgesucht hätte; es erscheine daher nicht nachvollziehbar, dass Al Shabaab die Bedrohung mit Verlassen des Landes - wovon Al Shabaab nichts habe wissen können - einfach eingestellt hätte. Seine Darstellung der Ereignisse deute darauf hin, dass er sich eines Konstrukts bediene. In Bezug auf den Tod des von ihm benannten Freundes habe der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben erstattet; so habe er bei der Erstbefragung angegeben, dass er bei der Ermordung anwesend gewesen wäre. Im Zuge der Einvernahme vor dem BFA habe er jedoch ausgeführt, dass er in der Moschee gewesen wäre und vom Tod des Freundes erst von dessen Bruder erfahren hätte. Nach Vorhalt der entgegenstehenden Aussage bei der Erstbefragung habe der Beschwerdeführer wiederum nur angegeben, dass er dies nicht gesagt hätte. Auf weitere Nachfrage habe er angegeben, dass der Dolmetsch dies wahrscheinlich falsch notiert hätte. Hierzu sei weiters anzuführen, dass der Beschwerdeführer zu Beginn der Einvernahme gesagt hätte, dass bei der Erstbefragung "alles richtig" gewesen wäre. Auf diesbezüglichen Vorhalt habe der Beschwerdeführer wiederum - entgegen der zuvor wiederholt bestätigten problemlosen Verständigung mit dem Dolmetscher - ausgeführt, dass er den Dolmetscher nicht "richtig gehört" hätte. Dessen Angabe, dass seine widersprüchlichen Angaben in der Erstbefragung und der Einvernahme aufgrund des Dolmetschers entstanden wären, sei für die Behörde demnach nicht glaubhaft. Weitere widersprüchliche und vage Angaben habe der Beschwerdeführer in Bezug auf eine Bedrohung/Verfolgung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit/Religion erstattet. Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer ethnischen oder religiösen Volksgruppe allein sowie deren schlechte allgemeine Situation seien zur Rechtfertigung einer Asylgewährung nicht geeignet. In Somalia gebe es auch keine systematische Form der Ausgrenzung von staatlicher Seite aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit. XXXX befinde sich unter Kontrolle von Regierung und AMISOM. Alleine wegen der unsubtantiiert vorgebrachten Fluchtgeschichte einer angeblichen Bedrohung durch Al Shabaab lasse sich keine Verfolgung im Sinne der GFK nach sich ziehen. Der Beschwerdeführer habe weder schlüssig, nachvollziehbar noch plausibel darlegen können, dass er davon betroffen gewesen wäre und sei dies auch unwahrscheinlich, da in Somalia weder ein Meldesystem noch eine Ausweispflicht bestehe und der Beschwerdeführer dort überall anonym leben könnte. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass die Person des Beschwerdeführers aufgrund der langen Ortsabwesenheit am Herkunftsort längst vergessen sei und es erscheine äußerst unwahrscheinlich, dass eine nachhaltige Suche durch die angeblichen Bedroher veranlasst würde. Aus der pauschalen Behauptung, dass eine Bedrohung bzw. Verfolgung durch Al Shabaab bestehen würde, lasse sich keine gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen ableiten.

Der Beschwerdeführer sei ein volljähriger und arbeitsfähiger Mann, welcher an keinen chronischen oder lebensbedrohlichen Krankheiten leide. Ihm sei es zumutbar, im Fall einer Rückkehr selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen; zumindest eine Tante würde noch in Somalia leben, weshalb er notfalls auf Unterstützung durch ein familiäres Netz zurückgreifen könnte. Das bloße Aufzeigen von Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln oder die mangelnde Arbeits- und Berufserfahrung sowie fehlende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in XXXX seien nicht ausreichend, um die Gefahr einer Bedrohung im Sinne des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr nach XXXX ersichtlich zu machen. In XXXX herrsche kein erhöhtes Risiko einer Nahrungsmittelknappheit. Eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Somalia stelle zum Entscheidungszeitpunkt keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention dar und bedeute für den Beschwerdeführer als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Angehörigen, spreche nur wenig Deutsch und sei in keinen Vereinen oder Organisationen tätig. Eine Integrationsverfestigung des erst seit Juni 2015 in Österreich aufhältigen Beschwerdeführers habe nicht festgestellt werden können, weshalb sich eine Rückkehrentscheidung nach Abwägung der zu berücksichtigenden Interessen als zulässig erweise.

3. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch die nunmehr bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation mit Schriftsatz vom 22.02.2018 fristgerecht Beschwerde ein, in welcher begründend im Wesentlichen ausgeführt wurde, die belangte Behörde habe der angefochtenen Entscheidung mangelhafte Länderfeststellungen zugrundegelegt, zumal sie es insbesondere unterlassen habe, sich mit dem Clan der Madhiban sowie der aktuellen Sicherheitslage in Somalia, der Al Shabaab-Miliz sowie der vorherrschenden Dürre ausreichend auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund wurde auf ergänzendes Berichtsmaterial zum Clan der Madhiban (ACCORD-Anfragebeantwortungen vom 05.01.2016 und vom 12.06.2015, USDOS-Jahresbericht zur Menschenrechtslage aus Februar 2014, NOAS-Bericht über eine Fact Finding Mission aus April 2014, UN Human Rights Council, HRC aus Februar 2011) verwiesen, welchem sich entnehmen lasse, dass die Madhiban/Midgan zu den gefährdeten Gruppen in XXXX zählen würden. Desweiteren wurde auf Berichtsmaterial zur allgemeinen Sicherheits- und humanitären Lage in Somalia verwiesen und moniert, dass die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen zur Situation und Sicherheitslage in XXXX stark veraltet seien. Zudem sei die durch näher angeführte Berichte belegte derzeitige Dürresituation in Somalia durch die Behörde unzureichend berücksichtigt worden; die humanitäre Lage in Somalia bleibe prekär, etwa 38 Prozent der Bevölkerung seien auf Unterstützung angewiesen. Hätte die belangte Behörde die ergänzend dargestellten Länderberichte herangezogen, hätte sie zur Feststellung kommen müssen, dass den Madhiban als Minderheit in ganz Somalia Verfolgung drohe sowie dass die Sicherheitslage in ganz Somalia äußerst instabil sei. Darüber hinaus wäre ersichtlich geworden, dass der Beschwerdeführer bei einer zwangsweisen Rückkehr in ganz Somalia Gefahr laufe, aufgrund der vorherrschenden Dürrekatastrophe in eine aussichtlose Lage zu geraten. Entgegen der Ansicht des Bundesamtes habe der Beschwerdeführer sein Vorbringen sehr detailliert und lebensnah gestaltet. Soweit dem Beschwerdeführer vorgeworfen werde, dass seine Angaben vage und unkonkret gewesen wären, so werde keinerlei Rücksicht auf die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers, insbesondere zum Zeitpunkt des fluchtauslösenden Moments, genommen. Der Beschwerdeführer sei als Waise aufgewachsen und zum Zeitpunkt der Flucht erst fünfzehn Jahre alt gewesen. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass der Genannte über Erlebnisse nicht so detaillierte und schlüssig nachvollziehbar berichten kann, wie dies von einem Erwachsenen erwartet werden könne. Die Behörde übersehe überdies, dass fernmündliche Drohungen zum Standardrepertoire der Al Shabaab gehören würden. Da der Beschwerdeführer seine SIM-Karte vor Flucht zerbrochen hätte, sei es für Al Shabaab nicht möglich gewesen, die telefonischen Drohungen weiter aufrecht zu erhalten. Zum vermeintlichen Widerspruch bezüglich des Aufenthaltsorts des Beschwerdeführers beim Mord an seinem Freund sei der Behörde ein Ermittlungsmangel zu den örtlichen Gegebenheiten anzulasten. Hätte die Behörde den Beschwerdeführer entsprechend befragt, so hätte dieser angeben können, dass sich das Haus des Freundes in unmittelbarer Nähe zur Moschee befunden hätte. Ein Widerspruch sei insofern nicht zu erkennen. Aus den Länderberichten ergebe sich, dass eine allgemeine Schutzfähigkeit des somalischen Staates nicht gegeben sei. Auch sei der Beschwerdeführer Angehöriger eines Minderheitenclans, welchem der Zugang zur Polizei nur erschwert möglich sei und sei zum Zeitpunkt der Flucht minderjährig gewesen. Jüngste Anschläge in XXXX würden die landesweite Handlungsfähigkeit der Gruppierung zeigen, weshalb die Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers nach wie vor aktuell sei. Dem Umstand Rechnung tragend, dass der Beschwerdeführer in Somalia wegen der Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe der Madhiban sowie einer unterstellten politischen und religiösen Gesinnung verfolgt werde, lasse für ihn die Definition eines Flüchtlings im Sinne der GFK zutreffen, zumal eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung stünde. Wie aus den angeführten Länderberichten und den Aussagen des Beschwerdeführers weiter hervorginge, drohe dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Clan der Madhiban unmenschliche und erniedrigende Behandlung und anhaltende Diskriminierung. Dadurch bestehe für den Beschwerdeführer aufgrund der humanitären Situation verstärkt durch die anhaltende Dürre, in Somalia die Gefahr, in eine aussichtslose Lage zu geraten. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 27.02.2018 mitsamt dem bezughabenden Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 19.02.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung mit 02.01.2019, neu zugewiesen.

5. Mit hg. Schreiben vom 05.04.2019 wurde dem Beschwerdeführer die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.05.2018 zum Thema "Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt, Versorgungslage in XXXX " zur eventuellen Stellungnahme innerhalb von 14 Tagen zur Kenntnis gebracht.

Bis zum Entscheidungszeitpunkt erfolgte keine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia, gehört der Volksgruppe der Madhiban an und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest. Er wurde in XXXX geboren und ist seinen Angaben zufolge nach dem Tod seiner Mutter im Jahr 2004 als Waise in dieser Stadt aufgewachsen, hat fünf Jahre eine Schule besucht und in einem Lebensmittelgeschäft eines befreundeten Mannes sowie als Straßenreiniger gearbeitet. Der Beschwerdeführer gelangte als unbegleiteter Minderjähriger illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet, wo er am 29.06.2015 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Seitdem hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatort XXXX einer gezielten Bedrohung durch die Al Shabaab unterliegen würde. Es kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach XXXX aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, bei einer Rückkehr in den Raum XXXX Verfolgung durch staatliche Behörden befürchten zu müssen, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung seiner Rechte auf Leben, nicht unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden und/oder nicht der Todesstrafe zu unterliegen und als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein. Bei einer Rückkehr nach XXXX besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehenden gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine Bedrohungssituation und liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im Juni 2015 durchgehend auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und bestritt seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs besucht, legte jedoch keinen Nachweis über eine abgeschlossene Ausbildung oder bereits vorhandene Deutschkenntnisse vor. Er hat seinen Angaben zufolge Freundschaften im Bundesgebiet geknüpft, verfügt jedoch über keine verwandtschaftlichen oder sonst engen sozialen Bezugspersonen im Inland. Eine bereits erfolgte Integration in sprachlicher, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Hinsicht kann nicht erkannt werden.

Es besteht in Österreich kein schützenswertes Privat- oder Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK.

1.2. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird auf die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Länderbeichte sowie die dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs ergänzend zur Kenntnis gebrachte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu XXXX vom 11.05.2018 verwiesen, aus welchen sich die verfahrensgegenständlich relevante Lage ergibt. Diese stellt sich auszugsweise wie folgt dar:

...

1. Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.12.2015).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.12.2015). Somalia ist keine Wahldemokratie. Es gibt keine demokratischen Institutionen. Das Parlament wurde durch Clan-Repräsentanten ausgewählt, und zwar entlang der sogenannten 4.5-Formel. Diese gibt den vier Hauptclans jeweils gleich viele Sitze, und den kleineren Clans und Minderheiten insgesamt halb so viele Sitze, wie einem Hauptclan. Trotzdem wird die Förderung der Demokratie formell von allen politischen Akteuren - mit der Ausnahme von al Shabaab - akzeptiert. So ist das politische System Somalias weder demokratisch noch autoritär; alles dreht sich um die Repräsentation auf Basis der Clans (BS 2016).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Das derzeitige Bundesparlament wurde konsensual unter Einbeziehung traditioneller Eliten bestimmt und hat dann den Präsidenten gewählt (AA 1.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Dies ist die erste Regierung Somalias seit 1991, der breite internationale Unterstützung zukommt (BS 2016). Somalia gilt laut dem UN-Repräsentanten nicht mehr als failed state, sondern als fragiles Land. Die Situation hat sich in den vergangenen drei Jahren stabilisiert (AP 23.12.2015; vgl. AA 1.12.2015).

Eigentlich waren für 2016 Wahlen vorgesehen. Der Präsident hat aber im Juni 2015 angekündigt, dass diese "one person, one vote"-Wahlen verschoben werden (USDOS 13.4.2016; vgl. UNSC 8.1.2016). Dagegen hat es im Parlament Proteste gegeben (AI 24.2.2016). Ein von der Regierung einberufenes National Consultative Forum soll über einen anderen Wahlprozess für das Jahr 2016 beraten. Gleichzeitig soll das Forum auf Vorbereitungen für allgemeine Wahlen im Jahr 2020 treffen (UNSC 8.1.2016).

Obwohl seit dem Ende der Übergangsperiode wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet wird, ist die faktische Situation nach wie vor in all diesen Bereichen sehr mangelhaft (AA 1.12.2015). Die Erfolge der aktuellen Regierung bei Friedens- und Staatsbildung waren sehr bescheiden. Politische Grabenkämpfe zwischen dem Präsidenten und dem Premierminister haben zu mangelnder Kontinuität beim Regierungspersonal geführt (BS 2016). Zuletzt gab es im August 2015 eine Regierungskrise, als das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Mohamud einleiten wollte (UNSC 11.9.2015; vgl. AI 24.2.2016). Dieses Begehren wurde später zurückgezogen (UNSC 8.1.2016).

Die anhaltenden politischen Grabenkämpfe und der Fokus auf die Föderalisierung haben die Regierung von Reformen im Justiz- und Sicherheitsbereich abgelenkt (HRW 27.1.2016). Das Clansystem hat wiederum die Einrichtung nachhaltiger Regierungs- und Verwaltungsstrukturen behindert (UNHRC 28.10.2015). Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 1.12.2015).

Es gab einen signifikanten Fortschritt bei der Einrichtung staatlicher Strukturen auf regionaler Ebene, und für alle Bezirke (außer Baardheere) gibt es vorläufige Verwaltungen (UNSC 8.1.2016). Gleichwohl gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach, wesentliche Staatsfunktionen können nicht ausgeübt werden (AA 1.12.2015). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 10.2015). Die regionalen Verwaltungen kämpfen noch damit, ihre Autorität durchzusetzen. Sie stehen dabei einem Mangel an Geld, einem Mangel an Regierungsinfrastruktur und einem Mangel an Personal gegenüber. Außerdem fehlt es an Details zu den Strukturen der Bundesstaaten sowie an breiter Unterstützung beim Staatsbildungsprozess (UNSC 8.1.2016). Die internationalen Partner werden auch weiterhin signifikante Unterstützung gewähren müssen (UNSC 8.1.2016), wie etwa über laufende Projekte zur Kapazitätsbildung und zu Kernfunktionen der Regierung durch die Weltbank und UNDP (UNSC 11.9.2015).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/319738/445108_en.html, Zugriff 22.3.2016

-

AP - Associated Press (23.12.2015): Somalia no longer a failed state, just a fragile one, says UN. The Guardian, http://www.theguardian.com/world/2015/dec/23/somalia-no-longer-a-failed-state-just-a-fragile-one-says-un, Zugriff 20.4.2016

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016

-

EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 14.4.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/318350/443530_en.html, Zugriff 22.3.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (10.2015):

Asylländerbericht Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

-

UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

-

UNSC - UN Security Council (8.1.2016): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

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UNSC - UN Security Council (11.9.2015): Report of the Secretary - General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2015&dlid=252727, Zugriff 14.4.2016

Sicherheitslage

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen. Es wurden die unterschiedlichen Akteure in Somalia kategorisiert:

* Die farbigen Gebiete zeigen Akteure, die über signifikanten Einfluss verfügen. Diese Akteure verfügen auch über Ressourcen, um diesen Einfluss zu garantieren. Derartige Akteure sind: Somaliland, Puntland, die Galmudug Interim Administration (GIA), AMISOM und die Somali National Army (SNA), die Jubbaland Interim Administration (JIA), al Shabaab (AS) und die Ahlu Sunna Wal Jama'a (Zentralsomalia; ASWJ). Einige Städte werden von anderen Parteien beherrscht: Von der Clan-Miliz SSC (Dulbahante; Khatumo), von der Clan-Miliz der Warsangeli, von ASWJ (Fraktion Gedo), von Clan-Milizen an der Grenze zu Äthiopien (in den Regionen Gedo, Bakool und Hiiraan). Eine Gebiete - und hier vor allem in Süd-/Zentralsomalia - werden von zwei dieser relevanten Akteure beeinflusst.

* In mit strichlierten Linien umrandeten Gebieten gibt es zusätzliche Akteure mit eingeschränktem Einfluss. Diese Akteure agieren neben den oben erwähnten Hauptakteuren, und sie verfügen nur über eingeschränkte Ressourcen (EASO 2.2016).

Kommentare zu den Eintragungen auf der Karte:

* In Puntland und Jubbaland wurden Zellen des Islamischen Staates markiert; diese Markierungen erfolgten auf der Grundlage anekdotischer Berichte über größere Gruppen von AS-Deserteuren.

* Einige der kleineren Ortschaften der al Shabaab wurden auf der Grundlange anekdotischer Berichte eingetragen.

* Hinsichtlich der Städte Buuhoodle (Togdheer) und Taalex (Sool) gibt es unterschiedliche Berichte und Informationen, die keine Grundlage bieten, diese Ortschaften mit einem relevanten Akteur zu verbinden.

* Die Karte zeigt für Qoryooley keine Garnison der AMISOM. Allerdings gibt es einen Stützpunkt und auch verfügbare Truppen. Allerdings scheinen diese Truppen den Stützpunkt nicht permanent besetzt zu halten. Daher ist Qoryooley die einzige von AMISOM kontrollierte Bezirkshauptstadt, für welche keine Garnison eingetragen worden ist (wiewohl es eine Garnison der somalischen Armee gibt).

* Dhusamareb wurden deshalb als AMISOM markiert, da die Garnison äthiopischer AMISOM-Truppen in der Stadt der wichtigste Akteur ist. Allerdings hat dort nach wie vor ASWJ die politische Kontrolle.

* Das gleiche gilt für die Städte Ceel Buur und Wabxo: Sie sind zwar unter der politischen Kontrolle der GIA, der jeweils wichtigste Akteur im Ort ist aber AMISOM.

* Dies gilt auch für Städte in Gedo: Sie mögen unter der politischen Kontrolle der JIA sein, trotzdem ist ungewiss, ob die Führung in Kismayo tatsächlich die Kontrolle über die Armee in Gedo innehat. So bleibt als wichtigster Akteur AMISOM.

* Äthiopische Flaggen markieren nicht nur äthiopische AMISOM-Garnisonen sondern auch Garnisonen äthiopischer Truppen, die nicht Teil von AMISOM sind sowie Kräfte der äthiopischen Liyu Police. Letztere operiert im mit "Government Allied Militias" markierten Gebiet entlang der äthiopischen Grenze.

* Während die kenianischen, burundischen, ugandischen und dschibutischen Garnisonen nahezu abgedeckt zu sein scheinen, gibt es mehr äthiopische Garnisonen als auf der Karte vermerkt. Es ist unmöglich, ein klares Bild über die oben erwähnten äthiopischen Truppen außerhalb von AMISOM zu erlangen.

* Jene AMISOM-Garnisonen, die als "Strongholds" (Bastionen) markiert sind, können als permanent erachtet werden. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese an al Shabaab fallen können.

* Die meisten AMISOM-Garnisonen, die als "Forward Position" markiert sind, haben taktische Relevanz und scheinen permanent zu sein. Allerdings hat die Vergangenheit gezeigt, dass diese unter starkem Druck der al Shabaab geräumt werden können (EASO 2.2016).

Gemäß der auch von EASO zitierten Analyse der Staatendokumentation zur Sicherheitslage in Somalia hat sich die Situation im Zeitraum 7.2014-6.2015 in folgenden Bezirken verschlechtert: Dhusamareb und Ceel Buur (Galgaduud); Belet Weyne und Bulo Burte (Hiiraan); Wanla Weyne, Afgooye, Qoryooley, Merka und Baraawe (Lower Shabelle);

Baidoa und Burhakaba (Bay); Xudur, Waajid und Rab Dhuure (Bakool);

Bulo Xawo (Gedo); Kismayo (Lower Jubba). Die Situation in folgenden Bezirken hat sich im gleichen Zeitraum verbessert: Ceel Waaq und Luuq (Gedo). In den anderen Bezirken sind keine relevanten Änderungen eingetreten (BFA 10.2015; vgl. EASO 2.2016).

Bild kann nicht dargestellt werden

(EASO 2.2016).

Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen. Dies ist einerseits bei der Verteilung terroristischer Aktivitäten im urbanen Raum zu erkennen, andererseits bei der Anzahl bewaffneter Auseinandersetzungen je Bezirk (BFA 10.2015).

Quellen:

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BFA - BFA Staatendokumentation (10.2015): Analyse zu Somalia:

Lagekarten zur Sicherheitslage, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329638_soma-analyse-lagekarten-2015-10-12-endversion.pdf, Zugriff 23.3.2016

-

EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

1.1. Süd-/Zentralsomalia

Seit Beginn des Bürgerkrieges 1991 gab es in weiten Landesteilen kaum wirksamen Schutz

gegen Übergriffe durch Clan- und andere Milizen sowie bewaffnete kriminelle Banden. In Süd-/Zentralsomalia herrscht weiterhin in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM) gegen die radikalislamistische Miliz al Shabaab. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der al Shabaab oder anderer Milizen (AA 1.12.2015; vgl. ÖB 10.2015) oder sind von AMISOM Offensiven betroffen (ÖB 10.2015). Al Shabaab führt weiterhin Angriffe auf Stellungen der AMISOM und der somalischen Armee sowie auf zivile Ziele durch (UNSC 8.1.2016). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, durch Sprengsätze oder Handgranaten ums Leben oder werden verwundet (AI 24.2.2016). Aus verschiedenen Garnisonsstädten heraus werden Vorstöße tief ins Gebiet der al Shabaab unternommen. Diese werden teilweise von Luftschlägen begleitet (BFA 10.2015). Al Shabaab betreibt auch asymmetrische Kriegsführung (EASO 2.2016; vgl. UNHRC 28.10.2015), gekennzeichnet durch Sprengstoffanschläge und komplexe Angriffe, von welchen Zivilisten überproportional betroffen sind. Daneben führt al Shabaab auch gezielte Attentate (UNHCR 28.10.2015; vgl. UKHO 15.3.2016) und sogenannte hit-and-run-Angriffe aus (DIS 9.2015).

Die Unsicherheit in den von der Regierung kontrollierten Gebieten, einschließlich Mogadischu, sowie politische Machtkämpfe behindern Fortschritte im Bereich der Justiz und die Reform des Sicherheitssektors (ÖB 10.2015). Politische Anstrengungen zur Etablierung von Bundesländern verstärkten die Clankämpfe in einigen Bereichen (ÖB 10.2015; vgl. BS 2016, USDOS 13.4.2016). Dabei kam es auch zu zahlreichen Todesopfern und Vertreibungen, z.B. zwischen Dir und Hawadle im Jänner 2015 (USDOS 13.4.2016).

Auch Regierungstruppen und Clanmilizen geraten regelmäßig aneinander. Dadurch werden viele Zivilisten schwerverletzt bzw. getötet und deren Eigentum wird zerstört. In solchen Fällen bleibt Zivilisten nichts andres übrig als die Flucht zu ergreifen, da weder Clan- noch staatlicher Schutz gegeben ist (ÖB 10.2015). Neben den Kampfhandlungen gegen al Shabaab gibt es aus dem ganzen Land auch Berichte über Inter- und Intra-Clankonflikte um Land und Wasserressourcen (EASO 2.2016).

AMISOM hat al Shabaab weitgehend zurückgedrängt (ÖB 10.2015). Bei gemeinsamen Offensiven mit der somalischen Armee wurde al Shabaab aus Städten in Hiiraan, Bay, Bakool, Gedo und Lower Shabelle vertrieben (AI 24.2.2016). Bei den beiden jüngeren Offensiven (Operation Indian Ocean, Operation Jubba Corridor) trafen AMISOM und Regierungskräfte aufgrund taktischer Rückzüge der al Shabaab nur auf wenig Widerstand. Eingenommen wurde die letzte Bastion der al Shabaab in der Region Gedo - Baardheere - und Diinsoor in der Region Bay. Der al Shabaab wurde zwar die Kontrolle über diese Städte entzogen, doch ist sie ansonsten nicht relevant geschwächt worden. Dahingegen kann AMISOM aufgrund einer Überdehnung der zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht mehr in jeder Stadt und in jedem Dorf eine Präsenz aufrecht halten (EASO 2.2016). Auch die Haupttransportrouten werden von al Shabaab kontrolliert (HRW 27.1.2016).

In der Folge kam es zu schweren Angriffen der al Shabaab auf Janaale (am 1.9.2015) (UNSC 8.1.2016) und Leego (am 26.6.2015) mit insgesamt rund 100 Toten Soldaten der AMISOM und zahlreichen Vermissten (BFA 10.2015; vgl. UNSC 8.1.2016, EASO 2.2016). Als Reaktion auf diese Angriffe begann AMISOM mit einer Umgruppierung, wobei einige Städte und Ortschaften geräumt wurden, darunter Kurtunwarey, Ceel Saliini, Cambarey, Golweyne und Busley (Lower Shabelle); Buq-Aqabla und Xarar-Lugoole in Hiiraan; und Fidow an der Grenze zu Middle Shabelle. Al Shabaab hat all diese Orte unmittelbar besetzt (UNSC 8.1.2016). Auch Qoryooley und Wanla Weyne blieben über Tage ohne permanente Truppen der AMISOM (allerdings mit Besatzungen der somalischen Armee). Insgesamt ist einzelnen, exponierten und schwach besetzten Außenposten ein permanenter Status abzusprechen. Spätestens seit dem Angriff der al Shabaab auf den AMISOM-Stützpunkt in Leego werden einzelne Orte zugunsten einer Konzentration von Truppen in größeren Stützpunkten aufgegeben, teilweise wurde der Schutz an die - nur eingeschränkt widerstandsfähige - somalische Armee übertragen (BFA 10.2015).

Es ist nicht möglich, zu definieren, wie weit der Einfluss oder die Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee von einer Stadt hinausreicht. Der Übergang zum Gebiet der al Shabaab ist fließend und unübersichtlich. Im Umfeld (Vororte, Randbezirke) der meisten Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung in Süd-/Zentralsomalia verfügt al Shabaab über eine verdeckte Präsenz, in den meisten Städten selbst über Schläfer (DIS 9.2015). Manche Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung können als Inseln auf dem Gebiet der al Shabaab umschrieben werden (BFA 10.2015; vgl. DIS 9.2015). Jedenfalls verfügt al Shabaab über ausreichend Kapazitäten, um in Städten unter Kontrolle von AMISOM und Regierung asymmetrische Kriegsführung (hit-and-run-Angriffe, Sprengstoffanschläge, gezielte Attentate) anzuwenden. Es gibt in allen Regionen in Süd-/Zentralsomalia Gebiete, wo al Shabaab Präsenz und Einfluss hat, und wo sie die lokale Bevölkerung zu Steuerzahlungen zwingt. Die Bastion der al Shabaab ist dabei die Region Middle Juba (DIS 9.2015).

Die Sicherheitslage in von der Regierung kontrollierten Städten bleibt also volatil (HRW 27.1.2016). Al Shabaab ist nach wie vor in der Lage, auch auf die am schwersten bewachten Teile von Mogadischu oder anderer Städte tödliche Angriffe zu führen (AI 24.2.2016). Bei aller Fragilität der Lage hat aber auch UNHCR festgestellt, dass es Zeichen zunehmender Stabilität gibt (UNHRC 28.10.2015). Seitens der Regierung, AMISOM und der internationalen Gemeinde gibt es Anstrengungen, die neu eroberten Bezirke zu stabilisieren. So wurden etwa nach Diinsoor unmittelbar Verwaltungsbeamte entsendet (UNSC 11.9.2015). Dass al Shabaab unter den gegenwärtigen Umständen Städte zurückerobert, in denen starke Garnisonen ("strongholds") der AMISOM stationiert sind, ist sehr unwahrscheinlich (EASO 2.2016; vgl. DIS 9.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.12.2015): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/319738/445108_en.html, Zugriff 22.3.2016

-

BFA - BFA Staatendokumentation (10.2015): Analyse zu Somalia:

Lagekarten zur Sicherheitslage, http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329638_soma-analyse-lagekarten-2015-10-12-endversion.pdf, Zugriff 23.3.2016

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 24.3.2016

-

EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 22.3.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/318350/443530_en.html, Zugriff 22.3.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (10.2015):

Asylländerbericht Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1729_1445329855_soma-oeb-bericht-2015-10.pdf, Zugriff 25.2.2016

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UNHRC - UN Human Rights Council (28.10.2015): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, Bahame Tom Nyanduga,

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1451399567_a-hrc-30-57-en.docx, Zugriff 23.3.2016

-

UNSC - UN Security Council (8.1.2016): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1453284910_n1600065.pdf, Zugriff 1.4.2016

-

UNSC - UN Security Council (11.9.2015): Report of the Secretary - General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1443010894_n1527126.pdf, Zugriff 23.3.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2015&dlid=252727, Zugriff 14.4.2016

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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