Entscheidungsdatum
02.05.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W211 2171365-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. Die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, stellte am XXXX .2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die beschwerdeführende Partei an, in Mogadischu geboren worden zu sein und den XXXX anzugehören. In ihrer Heimat würden sich noch ihre Mutter und elf Geschwister befinden. Ihr Vater sei bereits verstorben. Somalia habe sie wegen Al Shabaab verlassen.
3. Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX 2017 gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, sie habe einen Fahrradunfall erlitten, weshalb sie in medikamentöser Behandlung stehe. Sie gab weiter an, in Somalia zwei Jahre lang die Koranschule besucht und danach in Mogadischu in einem Restaurant gearbeitet zu haben. In Mogadischu habe auch ihre Familie gelebt, wobei sich diese noch immer dort aufhalte. Ihr Vater sei bereits 2011 gestorben. Sie sei mehrmals von Al Shabaab telefonisch bedroht worden, weil sie Ungläubige bedient habe. Mitglieder der Miliz hätten auch das Haus ihrer Familie aufgesucht, ihre Mutter nach dem Aufenthaltsort der beschwerdeführenden Partei befragt und die Zimmer durchsucht. Nachdem sie gegangen seien, habe ihr ihre Mutter gesagt, sie solle nicht nachhause zurückkehren. Die beschwerdeführende Partei habe dann bei einem Kollegen übernachtet und sei in den Stadtteil XXXX gezogen, wo sie eine Anstellung als Kellner in einem Restaurant gefunden und etwa drei Jahre gearbeitet habe. Jedoch habe Al Shabaab von ihrem neuen Arbeitsort erfahren. Auch sei die beschwerdeführende Partei einmal auf dem Heimweg von ihrer Arbeit von der Polizei festgenommen und nach einer dreitägigen Festhaltung erst gegen die Bezahlung von Bestechungsgeld wieder freigekommen. Nach ihrer Freilassung habe sie Al Shabaab abermals kontaktiert und mit dem Tod bedroht. Sie sei dann mit finanzieller Unterstützung ihrer Schwester mit dem Flugzeug in den Sudan ausgereist.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und den Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die beschwerdeführende Partei eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1-3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte die Zugehörigkeit der beschwerdeführenden Partei zum Clan der XXXX und eine Herkunft aus Mogadischu fest. Eine asylrelevante Verfolgung habe die beschwerdeführende Partei nicht glaubhaft machen können. Beweiswürdigend führte sie aus, die beschwerdeführende Partei habe drei Jahre von Al Shabaab unbehelligt in Mogadischu leben können. Weiter wurde hinsichtlich einer vorgebrachten Bedrohung durch die Polizei ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei erklärt habe, diese suche sie nicht. Schließlich lebe ihre gesamte Familie noch in Mogadischu.
5. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht.
6. Am XXXX 2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die somalische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Partei und ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführende Partei im Detail zu ihrem Leben in Österreich und ihren Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Schreiben vom XXXX .2018 von der Teilnahme an der Verhandlung.
7. Mit schriftlicher Stellungnahme vom XXXX .2019 brachte die beschwerdeführende Partei zu in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eingebrachten zusätzlichen Länderinformationen vor, dass die Sicherheitslage in ganz Somalia weiter äußerst prekär sei und der beschwerdeführenden Partei auch eine Umsiedlung in einen anderen Stadtteil Mogadischus daher nicht zugemutet werden könne. Auch wurde auf die Dürresituation und die fehlende Anbindung in anderen Landesteilen hingewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:
1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein männlicher Staatsangehöriger Somalias, die am XXXX 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.
1.1.2. Die beschwerdeführende Partei stammt aus Mogadischu (Bezirk XXXX ), besuchte dort die Koranschule und arbeitete anschließend als Kellner in einem Restaurant im Bezirk XXXX . 2012 zog die beschwerdeführende Partei in den Bezirk XXXX und fand Arbeit in einem Restaurant in XXXX .
Die Mutter und vier Geschwister der beschwerdeführenden Partei leben in Kenia. Zwei Brüder der beschwerdeführenden Partei haben Somalia zwar ebenfalls verlassen, jedoch ist über deren Aufenthaltsort nichts bekannt.
Die beschwerdeführende Partei gehört dem Clan der XXXX an.
1.1.3. Die beschwerdeführende Partei erlitt im Jahr 2015 einen Fahrradunfall, bei dem sie sich schwere Verletzungen zuzog. Die beschwerdeführende Partei war deswegen in stationärer und medikamentöser Behandlung (Befunde und Aufenthaltsbestätigung des Klinikums XXXX (AS 133 - 191), Ambulanzbericht des AKH XXXX (AS 193), Bericht des XXXX (AS 195), Befunde eines Arztes für Allgemeinmedizin vom XXXX .2015 und XXXX 2016). Derzeit ist die beschwerdeführende Partei beschwerdefrei und nimmt keine Medikamente.
Die beschwerdeführende Partei ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Es werden die folgenden Feststellungen zur Situation in Somalia getroffen:
a) Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 12.1.2018 samt Kurzinformation vom 17.09.2018:
Mogadischu bleibt weiterhin unter Kontrolle von Regierung und AMISOM (AI 22.2.2017). Die Stadtverwaltung von Mogadischu ist verhältnismäßig präsent und aktiv (BFA 8.2017). Schritte von Stadt- und Bundesregierung haben bei der Sicherheitslage zu einer Verbesserung geführt - speziell durch die Aufstellung der Mogadishu Stabilization Mission (MSM). Die Zahl von Angriffen der al Shabaab im jeweiligen Ramadan ist von 269 im Jahr 2015 auf 208 im Jahr 2017 zurückgegangen. Andererseits scheint sich die al Shabaab aufgrund der Erfolge der Sicherheitskräfte zunehmend auf Sprengstoffanschläge zu verlegen, welche unter der Zivilbevölkerung ein höheres Maß an Schaden verursachen (UNSC 5.9.2017). Regelmäßig kommt es zu sogenannten komplexen Anschlägen in Mogadischu, wobei ein Sprengstoffanschlag mit dem Einsatz einiger weniger bewaffneter Selbstmordkämpfer kombiniert wird. Ziele sind i.d.R. Hotels oder Restaurants, die häufig von Behördenbediensteten oder Sicherheitskräften frequentiert werden (SEMG 8.11.2017).
Der Einsatz von Artillerie (Mörsern) mit Ziel Mogadischu ist wieder im Steigen begriffen. Im ersten Halbjahr 2017 kam es zu zwölf derartigen Angriffen, im Gesamtjahr 2016 waren es 17 (SEMG 8.11.2017). Am 12.6. und am 4.7.2017 wurden insgesamt neun Mörsergranaten auf Stadtgebiet abgeschossen (UNSC 5.9.2017). Dabei verfügt al Shabaab nunmehr auch über schwere, von AMISOM erbeutete Mörser (120mm), was ihre Möglichkeiten erweitert (SEMG 8.11.2017). Es ist höchst unwahrscheinlich, dass al Shabaab wieder die Kontrolle über Mogadischu erlangt (DIS 9.2015; vgl. EASO 2.2016). Es gibt in der Stadt auch kein Risiko mehr, von der al Shabaab zwangsrekrutiert zu werden (BFA 8.2017; vgl. UKUT 3.10.2014, vgl. EGMR 10.9.2015). Es besteht zwar gemäß mehreren Berichten kein Risiko, alleine aufgrund der eigenen Clanzugehörigkeit angegriffen zu werden. Trotzdem sind Clan und Clanzugehörigkeit in Mogadischu nach wie vor relevant (SEM 31.5.2017).
Die Sicherheitslage hat sich also verbessert (UNSOM 13.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017), bleibt aber volatil (UNSC 5.9.2017). Die MSM hat einige Erfolge verzeichnet, darunter Maßnahmen zur Entwaffnung von Milizen und Zivilisten. Auch die Polizei in Mogadischu funktioniert merklich besser, als vor drei oder vier Jahren. Das Polizeikontingent der AMISOM ist aktiv. Es werden in der ganzen Stadt regelmäßig Patrouillen durchgeführt. Zusätzlich befinden sich Stützpunkte der Armee an neuralgischen Punkten der Stadt. Auch die National Intelligence and Security Agency (NISA) und ihre Spezialeinheiten werden in Mogadischu eingesetzt. Der wichtigste Faktor in Mogadischu ist aber die Präsenz der AMISOM. Sie ist in Mogadischu mit je einem Bataillon aus Uganda und Burundi, mit dem militärischen Stab und mit rund 300 Polizisten präsent. In einem gewissen Ausmaß stellt sie für al Shabaab einen Abschreckungsfaktor dar. Sie macht es für AS schwieriger, in die Stadt zu gelangen (BFA 8.2017). Auch die Regierung zeigt einige Bemühungen, die Sicherheit in der Stadt zu verbessern. Allerdings sind diese ungenügend; korrupte, unbezahlte Soldaten und unzufriedene Clans in der Peripherie ermöglichen es der al Shabaab, Mogadischu zu infiltrieren (ICG 20.10.2017).
Mogadischu ist folglich nicht absolut abgeschottet (BFA 8.2017). Der Amniyat ist schon seit Jahren in der Stadt aktiv und konnte Sicherheitsstrukturen unterwandern (ICG 20.10.2017). Insgesamt reicht die in Mogadischu gegenwärtig gegebene Stärke der unterschiedlichen Sicherheitskräfte nicht aus, um eine flächeneckende Präsenz sicherzustellen. Al Shabaab hingegen verfügt eindeutig über eine Präsenz in der Stadt (BFA 8.2017). Diese Präsenz ist aber keine offen militärische, sondern eine verdeckte (DIS 3.2017). Diese ist in den Außenbezirken stärker, als in den inneren. Zentral-Mogadischu ist relativ konsolidiert. Gleichzeitig hängt die Präsenz der Gruppe auch von der Tageszeit ab. Die nördlichen Bezirke - v.a. Dayniile und Heliwaa - werden in der Nacht von al Shabaab kontrolliert (BFA 8.2017).
Al Shabaab verfügt über die Kapazitäten, menschliche Ziele - auch in Mogadischu - aufzuspüren. Unklar ist allerdings, für welche Person al Shabaab bereit ist, diese Kapazitäten auch tatsächlich aufzuwenden. Außerdem unterliegt auch al Shabaab den Clan-Dynamiken, ist die Gruppe bei der Zielauswahl an gewisse Grenzen gebunden. Durch die Verbindungen mit unterschiedlichen Clans ergeben sich automatisch Beschränkungen. Zusätzlich möchte die al Shabaab mit jedem begangenen Anschlag und mit jedem verübten Attentat auch ein entsprechendes Publikum erreichen (BFA 8.2017). Auch wenn al Shabaab einige Menschen in Somalia als "legitime Ziele" erachtet, so gilt dies für die meisten Zivilisten nicht. Dass normale Zivilisten in von der Regierung und AMISOM kontrollierten Gebieten zum Ziel der al Shabaab werden, ist unwahrscheinlich. Auch "low level"-Ziele (z.B. lokale Mitarbeiter von internationalen oder nationalen NGOs) sind keine Priorität der al Shabaab, sie werden nicht generell angegriffen. Andererseits können high profile Personen, die etwa die Regierung oder die internationale Gemeinschaft repräsentieren, einem hohen Risiko ausgesetzt sein. Auch Personen, die als Unterstützer der somalischen Regierung wahrgenommen werden, können - je nach persönlichen Umständen - einem Risiko ausgesetzt sein. Dies gilt auch für Journalisten oder Mitarbeiter von NGOs, je nachdem, wie sehr sich ihre Aktivitäten gegen al Shabaab wenden (UKHO 7.2017).
Teile der Verwaltung und der Sicherheitsbehörden stehen unter dem Verdacht, von al Shabaab unterwandert worden zu sein. Außerdem sind unterschiedliche Teile der Sicherheitskräfte entlang von Clan-Linien zusammengestellt (BFA 8.2017). Die Regierung strebt danach, Fortschritte bei der Verbesserung der Sicherheitskräfte zu erzielen. Gemeinsam mit AMISOM hat sie neue Modelle zum Einsatz der Polizei auf Bundes- und Bundesstaatsebene erarbeitet. Allerdings wird der Einsatz der Sicherheitskräfte in Mogadischu und anderen von der Regierung kontrollierten urbanen Zentren durch mehrere Probleme gehemmt: Strukturelle Schwäche; schwache Führung; Korruption; Straflosigkeit; Mangel an Ressourcen und Mängel bei Ausbildung und Ausrüstung (UKHO 7.2017).
Die Aktionen der staatlichen Sicherheitskräfte und insbesondere die National Intelligence and Security Agency (NISA) entziehen sich oftmals der zivilen Kontrolle (AA 1.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Gleichzeitig bekennt sich die Regierung zu ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen. Vorwürfe aufgrund systematischer Verfolgung werden nicht erhoben. Jedoch kann im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden, dass Sicherheitskräfte den entsprechenden völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen und bei Verstößen straffrei davonkommen (AA 1.1.2017). Nur selten kommt es zur Untersuchung von durch Polizei, Armee oder Milizen begangenen Vergehen, es herrscht eine Kultur der Straflosigkeit (USDOS 3.3.2017).
AMISOM und nationale Sicherheitskräfte geben ihr Bestes, um die Gefahr durch al Shabaab in Mogadischu einzudämmen. Auch wenn die Arbeit der Polizei Defizite aufweist, so trägt sie doch ihren Teil bei (UKUT 3.10.2014). Insgesamt entspricht das Verhalten der Sicherheitskräfte aber nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 1.1.2017). Der Bundesregierung ist es nicht gelungen, das Gewaltmonopol des Staates wiederherzustellen (BS 2016). In Mogadischu und anderen urbanen Gebieten unter Kontrolle der Regierung und ihrer Alliierten können die Behörden schutzwillig sein; jedoch sind sie meist nicht in der Lage, einen effektiven Schutz zu gewährleisten. Dies kann der strukturellen Schwäche der Sicherheitskräfte, dem Mangel an Ressourcen, Ausbildung und Ausrüstung, schwachen Kommandostrukturen, der Korruption und der Straflosigkeit für schwerste Verbrechen angelastet werden (UKHO 7.2017).
Die Polizei ist generell nicht effektiv, es mangelt an Ausrüstung und Ausbildung (USDOS 3.3.2017). Die Polizei verfügt zwar über einige Kapazitäten, hat aber auch Probleme, sich an den Menschenrechten zu orientieren. Die Bezahlung von Polizisten erfolgt meist nur unregelmäßig, die Korruption ist hoch.
Auch wenn die Übergangsverfassung Folter und unmenschliche Behandlung verbietet, kommt es zu derartigen Vorfällen. Es wurden Anschuldigungen erhoben, dass Angehörige des Geheimdienstes NISA Folter anwenden würden (USDOS 3.3.2017). Es gibt glaubwürdige Berichte, wonach unter Anwendung von Folter Geständnisse erzwungen werden (SEMG 8.11.2017). NISA führt Razzien durch und verhaftet Menschen, obwohl der Dienst dafür über kein Mandat verfügt (HRW 12.1.2017). Die NISA hält Beschuldigte über lange Zeit ohne Anklage fest und misshandelt Verdächtige bei Verhören (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017). Der somalischen Armee werden die unterschiedlichsten Vergehen angelastet: Raub; Errichtung illegaler Checkpoints inkl. Erpressung; willkürliche Verwendung von Schusswaffen; Korruption (BFA 8.2017).
Somalia war im Jahr 2016 laut Transparency International zum wiederholten Male das korrupteste Land der Welt (Platz 176) (TI 2016). Trotz einiger kleiner Fortschritte bei der öffentlichen Finanzgebarung ist es den Bundesbehörden weiterhin nicht möglich, der weit verbreiteten Korruption entgegenzutreten (SEMG 8.11.2017). Regierungsbedienstete und -Offizielle beteiligen sich häufig an Korruption. Es gibt zwar ein Gesetz gegen Korruption in der Verwaltung, dieses wird aber nicht effektiv angewendet (USDOS 3.3.2017). Auch das Justizsystem ist von Korruption durchdrungen (BS 2016).
Alle Konfliktparteien sind für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, die in manchen Fällen auch als Kriegsverbrechen bezeichnet werden können (AI 22.2.2017). Die schwersten Menschenrechtsverletzungen sind: Tötung von Zivilisten durch al Shabaab, somalische Kräfte und unbekannte Angreifer; Gewalt und Diskriminierung von Frauen und Mädchen, darunter Vergewaltigungen und FGM (USDOS 3.3.2017). In Süd-/Zentralsomalia werden extralegale Tötungen in der Regel von der al Shabaab in von ihr kontrollierten Gebieten durchgeführt (AA 1.1.2017).
Weitere Menschenrechtsverletzungen sind Verschwindenlassen (durch al Shabaab); Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung; harte Haftbedingungen; willkürliche und politisch motivierte Verhaftungen; die Verweigerung fairer Verfahren; die Einschränkung von Meinungs-, Presse-, Bewegungsfreiheit; Delogierung von IDPs; Korruption; Misshandlungen und Diskriminierung von Minderheiten-Clans. Generell ist Straflosigkeit die Norm. Die Regierung ergreift nur minimale Schritte, um öffentlich Bedienstete strafrechtlich zu verfolgen (USDOS 3.3.2017).
Die Haftbedingungen sind in den meisten Landesteilen hart, es mangelt an sanitären Einrichtungen, an Hygiene, an adäquater Ernährung und an Wasser sowie an medizinischer Versorgung (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 1.1.2017). Manche Haftanstalten sind überfüllt, zum Teil sind die Haftbedingungen lebensbedrohlich (AA 1.1.2017).
b) Aus dem Fact Finding Mission Bericht, Staatendokumentation, Schweizer Staatssekretariat für Migration, Sicherheitslage, August 2017:
Polizei und Armee sind nicht in der Lage, bei einem Rückzug der AMISOM deren Aufgaben zu übernehmen. Die Armee tut sich schwer, ohne AMISOM-Unterstützung gegen al Shabaab vorzugehen, Somalia ist auf die internationalen Truppen angewiesen. Folglich ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass AMISOM bald abziehen wird. Unterschiedliche Probleme und Schwierigkeiten hemmen die Einsatzfähigkeit der somalischen Sicherheitskräfte:
* Die Bezahlung von Polizisten und Soldaten erfolgt meist nur unregelmäßig. Zum Zeitpunkt März 2017 war die Zahlung bis zu sechs Monate in Verzug. Dies wirkte sich negativ auf die Sicherheitslage aus. In mehreren Fällen desertierten Sicherheitskräfte oder traten sogar in die al Shabaab ein. Zum Zeitpunkt Juni 2017 scheint es zu Auszahlungen an Sicherheitskräfte gekommen zu sein.
* Generell gibt es immer wieder Hinweise darauf, dass Sicherheitskräfte durch AS unterwandert werden.
* Unterschiedliche Teile der Sicherheitskräfte sind entlang von Clan-Linien. zusammengestellt. Gerade für die Armee, die mit ihren Einheiten flächendeckend eingesetzt werden können sollte, ergibt sich dadurch an unterschiedlichen Einsatzorten neues Konfliktpotential
* Eine Quelle der FFM Somalia 2017 bemängelt die fehlende Professionalität der somalischen Sicherheitskräfte
1.3. Die beschwerdeführende Partei wurde in Mogadischu von somalischen Sicherheitskräften aufgrund des Verdachts einer Mitgliedschaft bei Al Shabaab für drei Tage festgehalten und erst nach der Zahlung von Lösegeld freigelassen.
Die beschwerdeführende Partei könnte im Falle einer Rückkehr nach Somalia von den somalischen Sicherheitskräften wegen einer unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung abermals festgenommen und bestraft werden.
Eine Bedrohung durch Al Shabaab wird hingegen nicht festgestellt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der beschwerdeführenden Partei nicht festgestellt werden.
Das Datum der Antragstellung und Ausführungen zum Verfahrenslauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen zur Herkunft aus Mogadischu, zum Schulbesuch, zur Berufstätigkeit, zum Umzug, zur Clanzugehörigkeit und zu den Familienangehörigen im Ausland gründen sich auf den glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei im Laufe des Verfahrens.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand beruht auf den Angaben der beschwerdeführenden Partei im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (siehe Seite 3 des Verhandlungsprotokolls) und den im Zuge des Verfahrens vorgelegten medizinischen Unterlagen.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit der beschwerdeführenden Partei basiert auf einem Strafregisterauszug.
2.3. Zum Vorbringen einer Bedrohung durch Al Shabaab muss in erster Linie darauf verwiesen werden, dass die beschwerdeführende Partei nach ihrem Umzug nach XXXX von keinen Problemen mit der Miliz zwischen 2012 und 2015 berichten konnte, ebenso wenig davon, dass ihre Familie in dieser Zeit von Al Shabaab bedroht worden sein soll (vgl. Verhandlungsprotokoll S 10). Drohanrufe der Miliz in dieser Zeit sind nicht plausibel, da die beschwerdeführende Partei ihre Sim-Karte nicht wechselte (vgl. Verhandlungsprotokoll S 8), was sie jedoch ohne großen Aufwand hätte tun können. Schließlich muss noch in Bezug auf die Länderberichte anerkannt werden, dass Al Shabaab zwar nach wie vor über eine Präsenz in der Stadt verfügt und diese auch einsetzt, um gezielt bestimmte Personengruppen zu verfolgen. Dass die beschwerdeführende Partei zu einer solchen Gruppe gehört, geht aus ihren eigenen Angaben und den Länderberichten nicht hervor, und sprechen eben auch die drei Jahre ungestörter Aufenthalt in XXXX nicht für eine konkrete und gezielte Bedrohung durch die Miliz.
Wenn die beschwerdeführende Partei in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht weiter behauptete, ihre Familie sei nach ihrer Ausreise aus Somalia im Jahr 2015 von Al Shabaab bedroht worden (siehe Seiten 6 und 10 des Verhandlungsprotokolls), so muss darauf hingewiesen werden, dass sie noch in der Einvernahme vor dem Bundesamt auf die Frage nach einer Bedrohung ihrer Familie im Anschluss an ihre Ausreise antwortete, sie wisse es nicht (siehe AS 123), obwohl sie in selbiger Befragung angab, mit ihrer Mutter telefoniert zu haben (siehe AS 121). Es kann wohl angenommen werde, dass diese im Gespräch mit ihrem Sohn eine Bedrohung durch die Miliz erwähnt hätte. Dieses Vorbringen muss daher als ein gesteigertes gewertet werden.
Im Ergebnis gehen aus den Ermittlungsergebnissen keine Hinweise auf eine Bedrohung der beschwerdeführenden Partei durch die Al Shabaab in Mogadischu hervor.
2.4 Jedoch brachte die beschwerdeführende Partei außerdem vor, von somalischen Sicherheitskräften festgenommen, angehalten und erst gegen Zahlung von Bestechungsgeldern wieder freigelassen worden zu sein: Aus dem Verhandlungsprotokoll:
"[...] P: [...] Ich habe gearbeitet und dachte, hier sei ich sicher. Bis eines Tages, als ich unterwegs war, wollte ich nach Hause gehen. Ich war auf der Straße. Ich wollte mit einem Bus nach Hause fahren. Als ich dort auf der Stelle war, sind die Regierungskräfte dorthin gekommen und haben gefragt, was ich dort mache. Sie sagten, dass ich ihnen aufgefallen bin und deshalb muss ich mitkommen. Ich fragte:
"Wohin?", sie sagten: "Zur Polizei.". Ich bin dorthin mitgegangen und habe dann gefragt: "Warum werde ich hier in Haft gesteckt, ich bin unschuldig und habe nichts gemacht?" Sie haben gesagt, dass ich durchsucht werde, was auch gemacht wurde, sie haben aber nichts bei mir gefunden. Sie haben mich in Haft gesteckt. Ich habe dann gefragt: "Was wollen Sie von mir, warum?" und sie haben gesagt, dass ich dableiben muss, bis der Chef von ihnen kommt. Am nächsten Tag ist der Chef gekommen. Er hat mich befragt und sagte mir, dass sie wissen, dass ich vom Bezirk XXXX gekommen bin und hier arbeite. Dort in XXXX gibt es viele Terroristen. Ich sagte: "Alle wohnen irgendwo und sie können ja irgendwo arbeiten gehen." Ich sagte dann: "Das ist ja unmöglich." Und er sagte dann, dass ich mich freikaufen muss, sonst werde ich weiter zum großen Gefängnis geliefert im Regierungsviertel. Er sagte mir, dass es dort noch schlimmer sei. Man müsse sich mit noch mehr Geld freikaufen und man wird mit irgendetwas beschuldigt. Weil ich Angst hatte, dass ich zu diesem schlimmen Gefängnis weitergeliefert werde, habe ich gefragt: "Wie viel verlangt ihr? Ich möchte mich freikaufen." Er sagte dann: "Eine Million somalische Währung". Ich habe dann gesagt: "Ist okay, aber jetzt habe ich kein Geld bei mir, am dritten Tag können Sie jemanden mit zum Restaurant schicken und ich werde das Geld vom Chef nehmen
[...]"
Die Angaben der beschwerdeführenden Partei zu diesem Teil ihrer Fluchtgeschichte erweisen sich als kohärent, detailliert und glaubhaft. Sie stimmen auch mit den relevanten Länderinformationen überein, wonach den somalischen Sicherheitskräften Korruption und Straflosigkeit für schwerste Verbrechen angelastet werden. Darüber hinaus geht auch aus den Länderfeststellungen hervor, dass gerade der Herkunftsbezirk der beschwerdeführenden Partei nach wie vor stark von Al Shabaab unterwandert ist, was einen Fokus der Sicherheitsbehörden auf Personen aus diesen Bezirk und eine Unterstellung einer Mitgliedschaft zur Miliz durch die Sicherheitsbehörden im konkreten Fall plausibel macht.
Unter den somalischen Sicherheitsbehörden herrscht generell ein äußerst hohes Maß an Willkür. Somalia war im Jahr 2016 laut Transparency International zum wiederholten Male das korrupteste Land der Welt. Regierungsbedienstete und -offizielle beteiligen sich häufig an Korruption. Es gibt zwar ein Gesetz gegen Korruption in der Verwaltung, dieses wird aber nicht effektiv angewendet. Auch das Justizsystem ist von Korruption durchdrungen. Teile der Verwaltung und der Sicherheitsbehörden stehen unter dem Verdacht, von Al Shabaab unterwandert worden zu sein. Extralegale Tötungen von Zivilisten durch die somalische Armee und Polizei sind dokumentiert. Auch kommt es nur selten zur Untersuchung von durch Polizei, Armee oder Milizen begangenen Vergehen, es herrscht eine Kultur der Straflosigkeit selbst für schwerste Verbrechen.
In Hinblick auf die zuvor dargestellte Berichtslage, wonach Sicherheitsbehörden auch in Mogadischu willkürlich und regelmäßig schwere Menschenrechtsverletzungen begehen, erscheint es durchaus wahrscheinlich, dass die beschwerdeführende Partei, die zwar einem der Hauptclans Somalias angehört, jedoch aus einem mit Al Shabaab durchsetzen Bezirk stammt und bereits einmal von somalischen Sicherheitsbehörden willkürlich festgehalten wurde, im Fall einer Rückkehr nach Somalia abermals aufgrund einer angenommenen Mitgliedschaft bei Al Shabaab festgenommen und bestraft werden würde, was mit einer Gefahr für Leib und Leben der beschwerdeführenden Partei einherginge. Es konnten daher entsprechende Feststellungen getroffen werden.
Schließlich ist anzumerken, dass allfällige Inkonsistenzen hinsichtlich der Geschehnisse aus den Jahren 2012 bzw. 2015 nicht geeignet sind, das ganze Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, infrage zu stellen. Im gegenständlichen Fall ist das Vorbringen hinsichtlich der Festnahme durch somalische Sicherheitskräfte gerade nicht so oberflächlich und schablonenhaft, um jedenfalls von einem gänzlich konstruierten Fluchtvorbringen auszugehen. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts können daher die zweifellos vorhandenen Schwächen des Vorbringens seine grundsätzliche Konsistenz und Plausibilität nicht in einem entscheidenden Ausmaß erschüttern.
2.5. Die Feststellungen zu 1.2. fußen auf dem Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 12.1.2018 samt Kurzinformation vom 17.09.2018 und dem Fact Finding Mission Bericht, Staatendokumentation, Schweizer Staatssekretariat für Migration, Sicherheitslage, August 2017. Sie beruhen auf den folgenden
Detailquellen:
a) Länderinformationsblatt Staatendokumentation, 12.1.2018 samt
Kurzinformation vom 17.09.2018:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/336580/479258_de.html, Zugriff 14.9.2017
-
BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017
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DIS - Danish Immigration Service (9.2015): Country of Origin Information for Use in the Asylum Determination Process; Report from the Danish Immigration Service's fact finding mission to Nairobi, Kenya and Mogadishu, Somalia; 2-12 May 2015, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1443181235_somalia-ffm-report-2015.pdf, Zugriff 13.12.2017
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DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):
South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016,
https://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/57D4CD96-E97D-4003-A42A-C119BE069792/0/South_and_Central_Somalia_Report_March_2017.pdf, Zugriff 21.11.2017
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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017
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EGMR - Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (10.9.2015):
R.H. v. Sweden, Application no. 4601/14, Council of Europe: ECHR,
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia, http://www.ecoi.net/local_link/334750/476503_de.html, Zugriff 14.9.2017
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ICG - International Crisis Group (20.10.2017): Managing the Disruptive Aftermath of Somalia's Worst Terror Attack , http://www.refworld.org/docid/59e9b7e74.html, Zugriff 11.11.2017
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LI - Landinfo (8.3.2016): Somalia: Media and Journalism, https://landinfo.no/asset/3568/1/3568_1.pdf, Zugriff 21.11.2017
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LI - Landinfo (1.4.2016): Somalia - Relevant social and economic conditions upon return to Mogadishu, https://landinfo.no/asset/3570/1/3570_1.pdf, Zugriff 20.11.2017
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017
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UKHO - UK Home Office (7.2017): Country Policy and Information Note Somalia (South and Central): Fear of Al Shabaab,
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UKHO - UK Home Office (7.2017): Country Policy and Information Note Somalia (South and Central): Fear of Al Shabaab, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1500368455_somalia-al-shabaab-cpin-v2-0.pdf, Zugriff 15.12.2017
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UKUT - United Kingdom Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (3.10.2014): UK Country Guidance Case. MOJ & Ors (Return to Mogadishu) (Rev 1) (CG) [2014] UKUT 442 (IAC), http://www.bailii.org/uk/cases/UKUT/IAC/2014/[2014]_UKUT_442_iac.html, Zugriff 21.12.2017
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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017
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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017
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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017
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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):
SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1500368455_somalia-al-shabaab-cpin-v2-0.pdf, Zugriff 15.12.2017
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http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
b) Fact Finding Mission Bericht, Staatendokumentation, Schweizer Staatssekretariat für Migration, Sicherheitslage, August 2017:
* Forscher am Institute for Security Studies, Addis Abeba. Gespräch im April 2017.
* Internationale Organisation (A), Nairobi und Mogadischu (Skype). Gespräch im März 2017;
* Internationale Organisation, Mogadischu (Skype). Gespräch im März 2017.
* Militärstrategischer Experte, Wien. Gespräch im Juni 2017.
* Somalische Quelle im Sicherheitsbereich, Addis Abeba. Gespräch im April 2017.
* UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia [S/2017/408],
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 13.6.2017; Seite 5.
Das Bundesverwaltungsgericht hat keinen Grund, an der Ausgewogenheit, Verlässlichkeit und Aktualität der Länderinformationen zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
A) Spruchpunkt I.:
3.1. Rechtsgrundlagen
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
3.2.1. Aufgrund der getroffenen Feststellungen muss angenommen werden, dass die beschwerdeführende Partei im Falle einer Rückkehr nach Somalia aufgrund ihrer konkreten Situation einer aktuellen und maßgeblichen Verfolgungsgefahr durch die somalischen Sicherheitskräfte wegen einer ihr auch nur unterstellten oppositionellen religiösen oder politischen Gesinnung, basierend auf einer angenommenen Mitgliedschaft bei Al Shabaab, unterliegen würde. In diese Beurteilung fließt ein, dass die beschwerdeführende Partei aus einem Bezirk in Mogadischu stammt, in dem es eine hohe, nächtens auch offene, Präsenz der Al Shabaab gibt, und sie bereits einmal festgenommen wurde und sich nur durch Zahlung von Bestechungsgeld aus der Haft befreien konnte. Bei den somalischen Sicherheitsbehörden müssen, trotz aller Fortschritte, Willkür bei Verhaftungen, Verhaftungen aus politischen Gründen sowie ein mangelnder Rechtsschutz festgestellt werden.
3.2.2. Eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht, da die beschwerdeführende Partei weder in Süd-, noch in Zentralsomalia, noch in Nordsomalia über Familie verfügt, bzw. für eine erfolgreiche Ansiedlung in einem anderen Teil Somalias Unterstützung durch Kernfamilie oder durch den Clan notwendig ist; beides lässt sich im gegenständlichen Fall nicht annehmen. Darüber hinaus stehen jene Teile Süd- und Zentralsomalias, die nicht von der somalischen Regierung kontrolliert werden, unter dem Einfluss der Al Shabaab, weshalb diese auch nicht infrage kommen, während in Nordsomalia auf Clandynamiken Rücksicht zu nehmen ist.
3.2.3. Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf Ausschlussgründe des § 6 AsylG ergeben haben, ist der beschwerdeführenden Partei nach dem oben Gesagten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist diese Entscheidung mit der Aussage zu verbinden, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 2016/24 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.
3.2.4. Schließlich waren die weiteren Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei der erheblichen Rechtsfrage betreffend die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A. wiedergegeben.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, Schutzunfähigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W211.2171365.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.06.2019