TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/7 W159 2154391-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.2019
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Entscheidungsdatum

07.05.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W159 2154391-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehöriger von Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.04.2017, Zahl XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28.03.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, gelangte (spätestens) am 03.02.2016 unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der noch am selben Tag erfolgten Erstbefragung nach dem Asylgesetz durch die polizeiliche Sicherheitsbörde gab der Beschwerdeführer an, afghanischer Staatsbürger, Hazara, schiitischer Moslem und verheiratet zu sein und zwei Kinder zu haben. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass nunmehr die Taliban die Leute der Volksgruppe Hazara jagen und töten würden. Sie seien komplett isoliert ohne Nahrung und medizinische Versorgung gewesen.

Am 20.02.2017 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde, niederschriftlich einvernommen. Er legte der belangten Behörde eine Kursbestätigung für die Teilnahme an einem Deutschkurs und ein Empfehlungsschreiben vor.

Der Beschwerdeführer gab an er gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei schiitischer Moslem. Er sei jedoch seit seinem 18. Lebensjahr Atheist, denn er würde die Religion nicht so wichtig finden. Seine Mutter hätte Bescheid gewusst, er hätte sich getraut ihr es zu sagen, denn er hätte ein gutes Verhältnis zu ihr. Es sei ihm gelungen den Atheismus zehn Jahre lang in der Öffentlichkeit zu verschleidern, sonst hätte er massive Probleme bekommen. Er hätte keine Schulbildung, jedoch hätte er vier Jahre lang als Bauarbeiter gearbeitet. Er hätte Häuser gebaut und so für seine Familie gesorgt. Er hätte in der Provinz Ghazni, mit seiner Mutter, seiner Frau und seinen beiden Kindern und seinen Geschwistern gewohnt. Jetzt wohne niemand mehr in seinem Heimatdorf. Seine Angehörigen seien zum Schwiegervater gezogen, weil seine Mutter und seine Frau von den Mullahs psychisch angegriffen worden seien. Die Mullahs hätten Probleme mit dem Beschwerdeführer gehabt, weil er sich geweigert hätte religiöse Traditionen mitzumachen. Er hätte im Jahr 2008 traditionell geheiratet, weil seine Schwiegereltern es gewollt hätten. Die Mullahs und Stammesältesten hätten von den Dorfbewohnern eine Art Steuer verlangt. Er hätte den Mullahs gesagt, dass es falsch sei, was sie machen, denn das Geld was sie einnehmen, das Zakat, würde den Taliban zukommen, um Anschläge zu finanzieren. Der Beschwerdeführer erklärte, er hätte den Zakat nicht geleistet, weil er nicht daran glauben würde. Die Mullahs hätten bis zum Verschwinden des Vaters, den Zakat von von seinem Vater bekommen. Der Vater sei jedoch drei Jahre vor der Ausreise des Beschwerdeführers weggangen und nicht mehr wiedergekommen. Die religiöse Erziehung seiner Kinder hätte seine Frau übernommen. Kurz vor seiner Ausreise hätten die Mullahs dann erfahren, dass Religion dem Beschwerdeführer nicht wichtig sei. Zu seinen genauen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei einen Tag vor seiner Ausreise unterwegs gewesen, um Medikamente für seine Mutter zu holen. Auf dem Weg sei er von den Taliban angehalten worden. Der Mullah hätte den Taliban erzählt, dass der Beschwerdeführer kein gläubiger Mensch sei. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer gefesselt und zusammengeschlagen. Sie hätten ihn gefragt, ob er für die Ausländer oder die Ungläubigen arbeiten würde. Der Beschwerdeführer hätte ihnen gesagt, dass er ein gewöhnlicher Arbeiter sei. Die Taliban hätten es auch an den Händen des Beschwerdeführers gesehen und festgestellt, dass er wirklich ein Arbeiter sei. Ein Taliban hätte dann zu den anderen gesagt, dass sie den einen finden müssten, von dem der Mullah erzählt hätte, dass er gegen die Taliban sei. Während sie sich unterhielten, hätte einer festgestellt, dass sie sofort flüchten müssten, denn die afghanische Armee sei unterwegs. Die afghanische Armee sei in dieser Gegend gewesen um Minen zu suchen und hätte den Beschwerdeführer gefunden. Der Beschwerdeführer hätte den Soldaten über das Vorgefallene erzählt. Er hätte starke Prellungen an den Rippen gehabt. Als der Beschwerdeführer am Abend zu Hause angekommen sei, hätte der Onkel väterlicherseits ihm mitgeteilt, dass er sofort flüchten müsse. Die Mullahs hätten den anderen gesagt, dass sie den Beschwerdeführer steinigen müssen, denn er sei ein ungläubiger Mann. Er hätte seine Frau an diesem Abend noch einmal gesehen. Nach der Flucht des Beschwerdeführers sei seine Familie psychisch angegriffen worden. Dadurch hätte seine Ehefrau das Kind im dritten Monat verloren und darum hätte der Schwiegervater sie aufgenommen.

Mit dem im Spruch bezeichneten Bescheid vom 10.04.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), dem Beschwerdeführer wurden 14 Tage Frist für eine freiwillige Ausreise gegeben (Spruchpunkt IV.).

In der Begründung des Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass es unglaubwürdig sei, dass der Beschwerdeführer Atheist sei, denn er sei als Person unglaubwürdig und die Ausführungen seien blass und widersprüchlich. Der zweite vorgebrachte Fluchtgrund, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt worden wäre, sei nicht glaubhaft. Es könne somit nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Aghanistan aus den genannten Gründen verlassen hätte.

Die belangte Behörde hielt rechtlich begründend zu Spruchpunkt I. fest, dass der Beschwerdeführer im gesamten Verlauf des Verfahrens eine konkrete Verfolgung oder drohende Verfolgung aus in der GFK taxativ aufgezählten Gründen nicht glaubhaft vorgebracht hätte.

Zu Spruchteil II. wurde festgestellt, dass sich aus der allgemeinen Lage im Heimatland des Beschwerdeführers keine Gefährdungslage im Sinne des § 8 AsylG ergeben würde. Demnach sei auch kein Abschiebungshindernis ersichtlich. Es wäre eine Rückkehr bzw. Neuansiedlung trotz der insgesamt als prekär zu bezeichnenden Sicherheitslage im Heimland des Beschwerdeführers im Hinblick auf die unterschiedlichen Sicherheitslagen in den Regionen und Distrikten möglich. Es sei auch davon auszugehen, dass ein Neustart in Herat oder Mazar-e Sharif jenen Rückkehren, die über ein familiäres oder soziales Netzwerk verfügen würden, leichter fallen würde. Der Beschwerdeführer sei volljährig, grundsätzlich gesund und könne bei einer Rückkehr für seinen Lebensunterhalt sorgen, zumal er über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse für Afghanistan verfüge. Die islamische Glaubensgemeinschaft sei grundsätzlich bestrebt, Schutz- und Unterkunftssuchende zu beherbergen, was auch für Afghanistan gültig sei.

Zu Spruchpunkt III. wurde festgestellt, dass diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden gewesen sei, da der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und ein Aufenthaltstitel nicht zuerteilt worden sei. Es hätte kein Aufenthaltstitel erteilt werden können, da der belangten Behörde keine Hinweise auf das Vorliegen eines schützenswertens Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK bekannt gewesen seien.

In Spruchpunkt IV. wurde mit der Rückkehrentscheidung eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid in vollem Umfang, fristgerecht Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. In der Begründung der Beschwerde wurde das bisherige Vorbringen wiedergegeben und um länderspezifische Ausführungen ergänzt. Die belangte Behörde hätte mangelhaft ermittelt und es wären mangelhafte Länderberichte vorgelegen. Die Länderberichte hätten sich auch nicht mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt.

Mit 21.01.2019 übermittelte der Bescherdeführer ein Taufzeugnis der XXXX sowie eine Vertretungsvollmacht für den MigrantInnenverein St. Marx.

An der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.03.2019 nahmen der Beschwerdeführer in Begleitung seines Rechtsvertreters und eine Dolmetscherin teil. Die belangte Behörde verzichtete bereits mit der Vorlage der Beschwerde am 24.04.2017 auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

Der Rechtsvertreter legte ein Schreiben der ira XXXX vom 25.03.2019, diverse Empfehlungsschreiben und eine Bestätigung der Stadtgemeinde XXXX über gemeinnützige Arbeiten sowie eine Einstellungszusage vor. Der Beschwerdeführer hielt sein Vorbringen und scheine Beschwerde aufrecht.

Der Beschwerdeführer gab an, dass er in der Einvernahme vom Dolmetscher gefragt worden sei, wo sich seine Kinder befänden. Er sei nicht gefragt worden, nach welchem Glauben sie erzogen werden würden. Er hätte die Frage so verstanden, wo sie aufwachsen würden. Ohne dass der Beschwerdeführer gefragt worden sei, sei protokolliert worden, dass Mutter die Kinder nach dem islamischen Glauben erziehen würde. Die Kinder seien viel zu klein, um die Religion zu begreifen. Wenn sie alt genug seien, sollen sie selbst für sich entscheiden.

Der Beschwerdeführer gab weiters an, er sei afghanischer Staatsangehörer, gehöre der Volksgruppe der Hazara an und sei als schiitischer Moslem geboren worden, seine Eltern seien auch Schiiten. Ab dem 18. Lebensjahr hätte er für sich entschieder, keiner Religion mehr anzugehören und ohne Bekenntnis zu sei. Da seien aber Probleme entstanden, denn der Beschwerdeführer hätte keinen Glauben akzeptiert und man habe ihn aufgefordert, sich unterzuordnen. Jetzt sei er Christ (freikirchlich).

Der Beschwerdeführer erzählte sein Vater sei streng gläubig gewesen, die Mutter eher nicht. Er hätte wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara in Afghanistan Probleme gehabt, denn er hätte über keine Reisefreiheit verfügt. Sie, die Hazara seien überall kontrolliert, worden, und unschuldige Personen aus seiner Volksgruppe seien grundlos getötet worden. Er hätte persönlich keine Probleme gehabt. Der Beschwerdeführer sei aber an die Taliban verraten worden und hätte dementsprechend Probleme mit den Taliban gehabt. Er hätte nur in seinem Heimatdorf gelebt, sei aber im Heimatdistrikt hie und da gereist. Der Beschwerdeführer gab weiters an, er hätte keine schulische oder sonstige Ausbildung, bedauerlicherweise sei er Analphabet. Bevor sein Vater unerklärlicherweise nicht mehr nach Hause zurückgekehrt sei, habe dieser für sie gesorgt, ab dem zwanzigsten Lebensjahr habe er im Bauwesen gearbeitet und Häuser gebaut. Er hätte erfreulicherweise keine wirtschaftlichen Probleme in Afghanistan gehabt. Nachgefragt führte der Beschwerdeführer aus, er hätte vor zehn Jahren traditionell geheiratet und habe zwei Kinder.

Die Frage des Richters, ob er in seiner Heimat die schiitische Religion ausgeübt hätte, verneinte der Beschwerdeführer. Bis zu seinem 18. Lebensjahr, hätte er, wenn gebetet worden sei, sich dazugestellt und die Bewegungen nachgeahmt. Er hätte aus Respekt seinen Eltern nichts gesagt. Der islamische Glaube hätte ihn nicht interessiert und er hätte auch keine Informationen darüber haben wollen. Das was die Gelehrten über die Religion erklärt hätten, hätte ihn eher abgeschreckt. Er hätte es als Zwang empfunden und das Gefühl gehabt, er sei zu etwas gedrängt worden. Bereits als Kind hätter er mitbekommen, wie die Menschen in der Umgebung gesagt hätten, "betet, dann bekommt ihr dieses und jenes", er hätte aber nichts erhalten. Ihn hätte besonders am Islam gestört, dass das was die Gelehrten von sich gegeben hätten, bewusst gelogen gewesen sei. Niemand hätte sich getraut nachzufragen, um die Wahrheit zu erfahren. Das hätte dann auch mit der Zeit dazu geführt, dass der Beschwerdeführer nichts mit dem Islam zu tun haben wollte.

Auf die Frage des Richters, ob der Beschwerdeführer Beispiele dafür nennen könne, was ihn konkret am Islam gestört hätte, antwortete er sich fünfmal am Tag sich hinzustellen und zu beten, das Fasten, den ganzen Tag zu hungern, nicht arbeiten zu können, um die Frau und das Kind z.B. zu versorgen. Das Allerwichtigste sei, dass man mit der Familie, der Ehefrau und dem Kind ein glückliches Leben führe. Seine Freunde und seine Mutter hätten gewusst, dass er den Islam nicht ausübe, wenn ältere Personen ihn angesprochen hätten, dann hätte er Ausreden erfunden. Seine eigenen Freunde, hätten auch viele unbeantwortete Fragen gehabt und seien nicht streng gläubig gewesen. Ein Freund des Beschwerdeführers, hätte einem Mullah eine Frage gestellt. Seine Mutter hätte dann erzählt, dass in der Nacht in deren Haus von vier bewaffneten und maskierten Männern überfallen und verschleppt worden sei. Er hätte auch persönlich wegen der Nichtausübung des Islams in Afghanistan Probleme bekommen. Als zwei Jahre vor seiner Flucht sein Vater verschwunden sei, hätte der Gelehrte den Beschwerdeführer aufgefordet nunmehr die Armentsteuer zu zahlen. Auf das Drängen und die Aufforderung des Gelehrten hätte der Beschwerdeführer ihn gefragt, wieso er sich an die Regeln halten solle, wenn er nicht an etwas glaube. Der Mullah hätte geantwortet, es sei seine Verpflichtung alle islamischen Regeln einzuhalten. Auf die Provokationen des Mullahs hätte der Beschwerdeführer geantwortet, dass er nicht glaube. Der Mullah sei schockiert gewesen, hätte auf den Beschwerdeführer gezeigt und gesagt, "du bist ungläubig und du gehört gesteinigt".

Auf die Frage des Richters, wofür die Armensteuer seiner Meinung nach verwendet werde, antwortete der Beschwerdeführer: "Die Armensteuer kommt bedauerlicherweise nicht den Armen zugute, mit diesen Geldern unterstützen sie die Taliban oder andere Gruppierungen. Die Menschen vor Ort sind nicht dumm, sie haben nur Angst alles zu hinterfragen."

Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor, er habe beim der belangten Behörde nichts davon erzählt, dass ein Mullah ihm mit der Steinigung bedroht hätte. Der Beschwerdeführer gab an, er hätte es angegeben. Das sei auch schlussendlich der Grund gewesen, warum er aus Afghanistan geflüchtet sei.

Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, er hätte keine Probleme mit staatlichen Behördenorganen gehabt. Der Staat hätte nicht gewusst, dass er damals ohne Bekenntnis gewesen sei. In Afghanistan handle es sich um eine islamische Regierung. Wenn der Staat davon erfahren hätte, wäre man mit ihm entsprechend umgegangen. Auf die Frage des Richters, ob der Beschwerdeführer Probleme mit bewaffneten Gruppierungen, wie den Taliban gehabt hätte, antwortete er, er persönlich hätte keine Probleme mit ihnen gehabt. Die Gelehrten hätten sich zusammengeschlossen und den Beschwerdeführer an die Taliban verraten. In Afghanistan sei es üblich, dass man eine Person, die man aus dem Weg räumen möchte, an die Taliban verate. So mache man sich die eigenen Finger nicht schmutzig.

Nachgefragt erzählte der Beschwerdeführer er sei in Richtung Ghazni unterwegs gewesen, als er angehalten worden sei. Drei Personen hätten aus dem Fahrzeug aussteigen müssen. Es seien ihnen die Hände zugebunden worden. Er hätte mehrere Schläge abbekommen. Während die Taliban geflucht hätten, hätten sie den Namen des Beschwerdeführers gesagt. Sie hätten gemeint, sie müssten diesen Mann finden, sonst würden sie schlecht vor den Gelehrten dastehen. Die vier bewaffneten Männer seien mit den Motorrädern unterwegs gewesen. Auf die Frage wie der Beschwerdeführer heiße, hätte er einen anderen Namen genannt. Die Taliban hätten den Beschwerdeführer etwa eineinhalb Stunden gequält und mit einem Gewehrkolben geschlagen. Er hätte eine Rippenprellung davongetragen. Einer der Männer hätte dann gerufen, dass ein Fahrzeug der Nationalarmee vorfahre und so seien die Taliban geflüchtet. Die Fahrzeuge der Nationalarmee würden dort für gewöhnlich fahren, um Minen sicherzustellen und/oder diese zu entschärfen. Die Soldaten der Nationalarmee hätte den Beschwerdeführer und die beiden anderen Gefangenen vorgefunden, entfesselt und weggebracht. Sie hätten nicht einmal genau nachgefragt, was passiert sei. Die Soldaten hätten gewusst, dass diese Region von den Taliban kontrolliert werden würde. Der Beschwerdeführer sei dann mit einem Auto zurück nachhause gefahren worden. Gegen Abend sei er dann zuhause angekommen. Sein Onkel väterlicherseits hätte ihn gefragt, was passiert sei und meinte auch, dass er von den Taliban mitgenommen worden sei. Er hätte den Beschwerdeführer auch gefragt, wie er freigekommen sei. Der Beschwerdeführer hätte ihm über das Vorgefallene berichtet. Der Onkel väterlicherseits hätte dem Beschwerdeführer gesagt, er solle nicht abwarten, sondern sofort flüchten, da die Gelehrten entschieden hätten, den Beschwerdeführer morgen zu steinigen.

Der Richter hielt dem Beschwerdeführer vor, dass er vor der belangten Behörde angegeben hätte, dass die Taliban ihm vorgeworfen hätten, dass er für die Ausländer arbeiten würde. Der Beschwerdeführer antwortet, er wisse nicht, was die Taliban gedacht hätten. Sie hätten gewusst, dass er keinen Glauben hätte. Als er von den Männern geschlagen worden sei, sei Pashtu gesprochen worden. Das Meiste hätte der Beschwerdeführer nicht verstanden. Die Männer hätten sich mit den drei Gefangenen auf Dari unterhalten und zwischendurch immer Paschtu gesprochen. Dieser Vorfall hätte vor etwa drei Jahren stattgefunden.

Auf Rat des Onkels hätte der Beschwerdeführer noch in derselben Nacht das Haus verlassen und sei über die Berge geflüchtet. Er hätte dann einen Schlepper, der Paschtune gewesen sei, kennenglernt und dieser hätte ihm geholfen und den Beschwerdeführer bis nach Nimroz gebracht. Er sei von einem Schlepper zum nächsten gereicht worden. Er hätte einem im Iran lebenden Freund telefonisch sein Auto verkauft, um die Schlepper bezahlen zu können. Das Auto sei in Afghanistan gewesen und von seiner Familie, welche in der unmittelbaren Umgebung der Familie des Beschwerdeführers gelebt hätte, geholt worden.

Auf die Frage des Richters, warum der Beschwerdeführer nicht mit seiner Frau und den Kindern ausgereist sei, antwortete der Beschwerdeführer, dass seine Frau damals schwanger gewesen sei, darüber hinaus leide seine Mutter an Asthma. Auf die Schnelle hätte er keine Flucht für alle organisieren können. Für den Moment hätte er nur sich selber retten können, wenn er länger geblieben wäre, wäre er mit Sicherheit getötet worden.

Der Beschwerdeführer gab an, er hätte etwa alle fünfzehn Tage oder mind. einmal im Monat Kontakt zu seiner Familie. Er werde angerufen. Seine Frau und seine Mutter wüssten von dem Glaubenswechsel. Beide hätten das anfänglich nicht so gut aufgenommen, weil beide die christliche Lehre nicht kennen würden. Der Beschwerdeführer hätte ihnen mit sehr viel Geduld versucht einiges zu erklären. Mittlerweile würden sie "normal" mit dem Beschwerdeführer umgehen.

Auf die Frage des Richters, wie er vom Atheisten zum Christen geworden sei, erzählte der Beschwerdeführer, er hätte anfänglich keinen Glauben gehabt. Er hätte am 03.07.2017 den Religionsunterricht der Iraner besucht, weil er eine "Farsi" sprechende Kirche gesucht hätte, da er nicht gut Deutsch spreche und unbedingt jedes Wort verstehen wollte. Er hätte sich in der Kirche wohlgefühlt und mit dem Besuch des Religionsunterrichts hätte sich dieses Gefühl verstärkt. Er hätte zwei 2 Monate am Unterricht teilgenommen und Zeit gebraucht, um an Gott glauben zu können, an den wahren Gott.

Auf die Frage des Richters, was ihn am Christentum so fasziniert hätte, dass er konvertiert sei, antwortete der Beschwerdeführer:

"Die christliche Lehre bedeutet Nächstenliebe, die Hoffnung, dass man liebevoll mit seinen Nachbarn in der Umgebung umgeht. Die 10 Gebote, die die christliche Lehre auch ausmachen, haben mir gefallen. Ich kannte diese Gebote nicht. Jedes einzelne Gebot hatte ich innerlich Auswirkungen auf mich. Dann habe ich die Menschen kennengelernt und all das verglichen und festgestellt, dass das die christliche Lehre ist. Christentum bedeutet innere Ruhe, Nächstenliebe zu anderen Menschen. Als Christ ist es einem gleichgültig, welche Hautfarbe man hat, ob man männlich oder weiblich ist. Ich fühle mich als Christ in meiner Haut sehr wohl. Ich bin glücklich darüber, dass ich den wahren Weg gefunden habe. Ich kann anderen gegenüber Liebe entgegenbringen, Vorurteile, Hass, all das hat sich aus meinem Herzen entfernt."

Der Beschwerdeführer gab an, er hätte sich vor der Taufe näher mit dem Christentum beschäftigt und religiöse Unterweisungen erhalten.

Auf die Frage des Richters, was er über das Leben von Jesus Christus wissen, antwortete der Beschwerdeführer:

"Ich habe sehr viel über das Leben von Jesus Christus erfahren, vom Hören kann ich es wiedergeben, obwohl ich ein Analphabet bin. Das allerwichtigste ist, dass man mit seinem Herzen fühlt und aufnimmt. Ich habe von Jesus Christus gelernt mit anderen liebevoll umzugehen. Christus meinte zu uns, "dass was du dir selbst wünscht, solltest du auch anderen wünschen", "sehe deinen Nachbarn als einen guten Freund, wünsche deinen Nachbarn nichts Schlechtes".

Jesus habe einen Vater im Himmel und einen Vater auf Erden gehabt. Seine Mutter sei die "Heilige Maria".

Jesus habe während seines Aufenthaltes auf der Erde Wunder verbracht, er habe Blinden wieder das Sehen ermöglicht, gelähmten Personen das Gehen. Er habe sogar Tote zum Auferstehen gebracht und er habe Wasser in Alkohol umgewandelt. Jesus Christus sei in einem Fluss in Jordanien im Alter von 30 Jahren getauft worden. Eine Woche vor der Auferstehung, sei er auf einem Esel in Richtung Jerusalem geritten. Jesus Christus habe sich wegen der Sünden der Menschen aufgeopfert. Es sei bereits vorhergesehen gewesen, dass Jesus Christus im Alter von 33 Jahren, für die Liebe, die er für die Menschen empfinden würde, getötet werde. Er sei wegen der Sünden der Menschen, für die er sich geopfert hat, gekreuzigt worden. Drei Tage nachdem er gekreuzigt worden sei, sei er von den Toten auferstanden, das sei an einem Sonntag gewesen. Er sei dann noch 40 Tage auf der Erde geblieben und danach in den Himmel zu seinem himmlischen Vater gefahren. Zehn Tage nach seiner Himmelfahrt habe er den Heiligen Geist zu seinen Jüngern gesandt. An diesem Tag hätten 3.000 Menschen den Weg zum Glauben gefunden. Die Menschen hätten verschiedene Sprachen gesprochen und trotzdem alles verstanden. Die Geburt Christi werde am 25.12. gefeiert. Dann gibt es Pfingsten, Christi Himmelfahrt und die Auferstehung zu Ostern.

Auf die Frage des Richters, welche Teile der Bibel der Beschwerdeführer kenne, antwortete er: "Ich bin nicht sonderlich gebildet. Ich kann nur das, was man mir sagt wiedergeben. Aber das, was ich gelernt habe, empfinde ich auch so."

Auf die Frage des Richters, was er zu den 10 Geboten sagen könne, antwortete er: "Die 10 Gebote bestehen daraus, dass man nur Gott und keine anderen Götter neben ihn anbetet, man soll keine Götzen anbeten, man soll nicht den Namen Gottes schwören, den Ruhetag einhalten, erweise deinen Eltern Respekt, töte nicht, begehe keine Sünden, damit meine ich, dass man keinen Ehebruch begehen soll, stehle nicht, den Nachbarn nicht beneiden oder auf dessen Hab und Gut es absehen."

Die XXXX sein eine evangelische Kirche. Er wisse, dass es in XXXX , in seiner Ortschaft auch eine Kirche gäbe, dort werde aber Deutsch gesprochen und nicht Farsi. Bei seiner Taufe habe er ein weißes Gewand angehabt. Er sei in einem Becken im Beisein des Priesters getauft worden. Er sei gefragt worden, ob er Jesus Christus als seinen Gott akzeptiere und ob er akzeptiere, dass er im Namen Gottes, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft werde. Zwei Personen seien bei ihm gestanden, als er die Fragen bejaht habe. Eine Person habe ihm seine Nase zugehalten. Von der zweiten Person sei er gestützt und nach hinten ins Wasser getauft worden. Es gäbe keine Photos, weil es nicht gestattet worden sei. Er sei nach wie vor in der XXXX aktiv. Da er weiter weg wohne, würde er die Kirche einmal wöchentlich besuchen. Er hätte auch mitgeholfen Stühle zu schlichen. Er versuche Nichtchristen nicht unter Zwang für das Christentum zu gewinnen, sondern durch Gespräche und Liebe. Die Lehre würde keinen Zwang gestatten. Man könne von der Lehre erzählen und einladen.

Auf eine weitere Frage des Richters, wo er die wesentlichen Unterschiede zwischen Islam und Christentum sehe antwortete der Beschwerdeführer: "Vorab möchte ich sagen, dass ich niemanden beleidigen möchte, weder die Religion noch die Volksgruppe. Ich habe mitbekommen, dass der Islam Gewalt und Krieg bedeutet. Die christliche Lehre bedeutet für mich ein Miteinander und ein Füreinander. Über Jesus Christus habe ich gelernt für mich und für andere Geduld zu haben und zu erkennen, was das Leben überhaupt bedeutet. Wir Menschen sind sehr überheblich, wir sollten uns alle daran erinnern, wie Jesus Christus gehandelt hat und das auch vorleben. Jesus Christus ist unser Befreier." Er sei durch das Christentum sehr ruhig geworden. "Wenn ich Gott, also Jesus Christus, um etwas bitte, dann habe ich Hoffnung. Mein Leben ist jetzt geordnet. Ich bin auch offen in der Umgangsweise mit anderen. Es fällt mir auch jetzt leichter Freundschaften zu schließen, weil ich meine Vorurteile aufgegeben habe. Alles Negative, damit meine ich auch Hass, habe ich aus meinem Herzen entfernt. Ich bin Christ und ich schreite meinen eigenen Weg."

Auf die Frage des Richters, was der Beschwerdeführer derzeit in

Österreich mache, sagte er: "Ich darf bedauerlicherweise zurzeit in

Österreich nicht arbeiten. Sollte ich die Chance in Österreich zu

leben erhalten, möchte ich mich sofort um meine Ausbildung kümmern

und möchte so schnell wie möglich anfangen zu arbeiten. Ich möchte

Steuern zahlen. .... Ich habe hier Sprachkurse besucht, die A1

Prüfung habe ich bereits abgelegt. Den A2 Kurs habe ich noch nicht

abgeschlossen, das lag auch daran, weil unsere Unterkunft

geschlossen wurde. Bis zum 9. Kapitel haben wir gelernt. Die Prüfung

konnte ich nicht mehr ablegen. ...... Ich habe private Hilfe

erhalten und so lesen und schreiben gelernt." Der Beschwerdeführer gab an, er hätte ehrenamtlich gearbeitet. Er hätte auch für die Stadtgemeinde in XXXX gearbeitet. Er hätte auch im Pflegeheim ausgeholfen und so versucht seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Er sei bei XXXX tätig. Er könne sich kein Fintnessstudio leister, aber er spiele mit Freunden Volleyball, und gelegentlich spiele er auch Fußball. Er hätte auch österreichische Freunde. Seine Mutter und sein Ehefrau wüßten, dass er seinen Glauben gewechselt habe. Anderen Leuten könne er sich nicht anvertrauen. Ich hätte Angst, dass man seinen Angehörigen schaden könnte. Auch wenn er nach Afghanistan zurückkehren würde, würde er Jesuch Christus nicht verleugnen.

Er würde auch in Afghanistan versuchen andere vom Christentum zu überzeugen, weil er es als seine Pflicht ansehe, die Lehre zu verbreiten. Er würde seinen Glauben nicht leugnen. Bei einer Rückkehr nach Afghanisten würde er getötet werden und großer Gefahr ausgesetzt sein. Es würde nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch seine Kinder getötet werden. Davor würde sich der Beschwerdeführer fürchten. Die ganze Familie würde als Ungläubige bezeichnet werden. Man wisse schon, dass er, der Beschwerdeführer vom Islam abgefallen sei. Der Beschwerdeführer gab abschließend an, er habe in Afghanistan bereits ein Kind, das sich im Mutterleib befunden hat, verloren. Die Gelehrten hätten Gewalt an seiner Frau ausgeübt und hätten sie verprügelt. Sie hätten seiner Frau zu diesem Zeitpunkt gesagt, dass er nicht mehr am Leben sei. Der daraus resultierende Schockzustand hätte zu einer Fehlgeburt geführt, sie sei im 3. Monat schwanger gewesen. Er schließe daraus, dass sie folglich auch nicht zu seinen anderen Kindern barmherzig sein würden.

Im aktuellen Strafregisterauskunft schien keine Verurteilung auf.

In der Stellungnahme, eingelangt am 10.04.2019, nimmt der rechtliche Vertreter zum Übertritt zum christlichen Glauben und die daraus entstehenden Probleme in Afghanistan Bezug.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und in der afghanischen Provinz Ghazni geboren und aufgewachsen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Bis zu seiner Ausreise nach Europa war er dort aufhältig. Er war ursprünglich schiitischer Moslem, hat aber diesen Glauben schon in Afghanistan abgelehnt.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan verlassen, weil er dem Mullah und Gelehrten mitgeteilt hat, dass er nicht an die Lehren des Islams glaube und ihm deswegen Verfolgung gedroht habe. Der Beschwerdeführer ist nunmehr getauftes Mitglied der XXXX Kirche in Wien. Der Beschwerdeführer engagiert sich in seiner Kirchengemeinde.

In Österreich besuchte der Beschwerdeführer diverse Kurse. Er erwarb das Deutschzertifikat Niveau A1.

1.2 Zu Afghanistan wird folgendes erfahrensbezogen festgestellt:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

Quellen:

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1TV (31.10.2018): Suicide attack kills seven outside Kabul prison, http://www.1tvnews.af/en/news/

afghanistan/36271-suicide-attack-kills-seven-outside-kabul-prison? fbclid=IwAR2WADPVHTuF8LZMwm0-LYci05vz1p06BygjhELlFr-wLKNDNo8XQRLXnuQ, Zugriff 22.11.2018

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AJ - Al Jazeera (21.11.2018): 'Brutal and barbaric': Victims recount horror of Kabul attack, https:// www.aljazeera.com/news/2018/11/barbaric-victims-recount-horror-kabul-attack- 181121162807917.html, Zugriff 22.11.2018

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AJ - Al Jazeera (12.11.2018): Kabul: Suicide bomber targets protesters demanding security,

https://www.aljazeera.com/news/2018/11/afghanistan-suicide-bomber-targets-protesters-kabul- 181112094659291.html, Zugriff 22.11.2018

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ANSA - Agenzia Nazionale Stampa Associata (12.11.2018):

Afghanistan: 67 morti in 24 ore, http:// www.ansa.it/sito/notizie/topnews/2018/11/12/afghanistan-67-morti-in-24-ore_71bfd73c-c68f-4182- a798-34b9ace3ae65.html, Zugriff 22.11.2018

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Dawn (1.11.2018): Seven killed in suicide attack near Kabul prison,

https://www.dawn.com/news/1442782/seven-killed-in-suicide-attack-near-kabul-prison, Zugriff 22.11.2018

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DZ - Die Zeit (20.11.2018): Mehr als 50 Tote bei Anschlag in Kabul,

https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-11/afghanistan-kabul-explosion-anschlagattentat-ulema-rat-versammlung-tote, Zugriff 22.11.2018

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DZ - Die Zeit (12.11.2018): Mehrere Tote bei Anschlag nahe Anti-Taliban-Demo,

https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-11/kabul-anschlag-explosion-demonstration-talibanregierungstruppen-ghasni, Zugriff 12.11.2018

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IFQ - Il Fatto Quotidiano (20.11.2018): Afghanistan, attacco kamikaze a Kabul durante incontro religioso: almeno 50 morti e 80 feriti gravi,

https://www.ilfattoquotidiano.it/2018/11/20/afghanistanattacco-kamikaze-a-kabul-durante-incontro-religioso-almeno-40-morti-e-80-feriti/4779194/, Zugriff 22.11.2018

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KP - Khaama Press (12.11.2018): Protesters gather near Presidential Palace in Kabul over recent wave of violence, https://www.khaama.com/protesters-gather-near-presidential-palace-in-kabulover-recent-wave-of-violence-02722/?

fbclid=IwAR2cNyRcLjWNmzaEoWNieBq37J1eVAKL2aT_4yCqbU9HdYKpr30O1NoXe-g, Zugriff 22.11.2018

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LE - L'Express (21.11.2018): Attentat à Kaboul : la lecture de verset du Coran soudain interrompue, raconte un blessé, https://www.lexpress.fr/actualites/1/monde/attentat-a-kaboul-lalecture-de-versets-du-coran-soudain-interrompue-raconte-un-blesse_2049660.html, Zugriff 22.11.2018

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NYT - New York Times (20.11.2018): At Leas 55 Killed in Bombing of Afghan Religious Gathering,

https://www.nytimes.com/2018/11/20/world/asia/afghanistan-wedding-hall-bombing.html, Zugriff 22.11.2018

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Pajhwok Afghan News (31.10.2018): Suicide blast in front of Pul-i-Charhi prison leave 6 people dead, https://www.pajhwok.com/en/2018/10/31/suicide-blast-front-pul-i-charkhi-prison-leave-6- people-dead, Zugriff 22.11.2018

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SS - Stars and Stripes (20.11.2018): Suicide bomb attack in Kabul kills at least 43, wounds 83,

https://www.stripes.com/news/suicide-bomb-attack-in-kabul-kills-at-least-43-wounds-83-1.557397, Zugriff 22.11.2018

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TNAE - The National (21.11.2018): Kabul reels in grief after wedding hall attack,

https://www.thenational.ae/world/asia/kabul-reels-in-grief-after-wedding-hall-attack-1.794365, Zugriff 22.11.2018

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Tolonews (20.11.2018): Death Toll Rises To 50 In Kabul Wedding Hall Explosion,

https://www.tolonews.com/afghanistan/40-killed-80-wounded-kabul-wedding-hall-blast, Zugriff 22.11.2018

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Tolonews (12.11.2018): MoI Confirms 6 Death In Kabul Explosion, https://www.tolonews.com/afghanistan/casualties-feared-explosion-rocks-kabul, Zugriff 22.11.2018

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TS - Tagesschau (21.11.2018): Deutschland verurteilt Anschlag in Kabul, https://www.tagesschau.de/ausland/anschlag-kabul-135.html, Zugriff 22.11.2018

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Milionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Milionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED

[Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

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(UNAMA 10.10.2018)

Quellen:

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AAN - Afghanistan Analysts Network (26.10.2018): Before Election

Day Three: Looking at Kandahar's upcoming vote, https://www.afghanistan-analysts.org/before-election-day-threelooking-at-kandahars-upcoming-vote/, Zugriff 29.10.2018

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AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018a): Election Day One (Evening Update): Voter determination and technical shambles, https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-oneevening-update-voter-determination-and-technical-shambles/ Zugriff 22.10.2018

-

AAN - Afghanistan Analysts Network (21.10.2018b): Election Day Two: A triumph of administrative chaos, https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-two-a-triumph-of-administrative-chaos/, Zugriff 22.10.2018

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AAN - Afghanistan Analysts Network (20.10.2018): Election Day One:

A rural-urban divide emerging,

https://www.afghanistan-analysts.org/election-day-one-a-rural-urban-divide-emerging/, Zugriff 22.10.2018

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AFP - Agence France Presse (20.10.2018): Nearly 170 casualties as violence rocks chaotic Afghan elections, https://www.afp.com/en/news/15/nearly-170-casualties-violence-rocks-chaoticafghan-elections-doc-1a599v9, Zugriff 22.10.2018

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AJ - Al Jazeera (19.10.2018): Afghanistan: Kandahar elections delayed by a week after killings, https://www.aljazeera.com/news/2018/10/afghan-election-polls-kandahar-delayed-week- 181019082632025.html Zugriff 22.10.2018

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CNN - Cable News Network (27.10.2018): Kandahar goes to the polls in Afghan parliamentary vote delayed by violence, https://edition.cnn.com/2018/10/27/asia/afghan-elections-kandahar-intl/ index.html, Zugriff 29.10.2018

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LS - La Stampa (21.10.2018): Ancora sangue sul secondo giorno di voto in Afghanistan,

http://www.lastampa.it/2018/10/21/esteri/ancora-sangue-sul-secondo-giorno-di-voto-inafghanistan-quhK2AP00HBuCKGBEHU8TN/pagina.html, Zugriff 22.10.2018

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RN - Rainews (21.10.2018): Chiusi I seggi in Afghanistan, 4 milioni al voto nonostante gli attacchi dei Talebani, http://www.rainews.it/dl/rainews/articoli/Chiusi-i-seggi-in-Afghanistan-4-milioni-alvoto-nonostante-gli-attacchi-52f120d0-cda8-4c1c-b469-363549cb767c.html, Zugriff 22.10.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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