TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/16 96/08/0265

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Veröffentlicht am 16.02.1999
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/03 Sonstiges Sozialversicherungsrecht;

Norm

ABGB §1409;
ASVG §67 Abs4;
ASVG §67 Abs6;
EFZG §13;
EFZG §18 Z1;
EFZG §18 Z3 lita;
EFZG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader, Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwälte in Graz, Grazbachgasse 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. August 1996, Zl. 5-s26r3/10-96, betreffend Rückforderung eines Erstattungsbetrages gemäß § 9 EFZG (mitbeteiligte Partei: J in P, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, Schmiedgasse 31), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 9. November 1995 verpflichtete die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse den Mitbeteiligten, einen zu Unrecht geleisteten Erstattungsbetrag von S 15.083,38 binnen 14 Tagen "rückzuerstatten".

Begründend wurde ausgeführt, die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse habe für die Arbeitsverhinderung des Dienstnehmers G.F. vom 26. Jänner 1991 bis zum 22. Februar 1991 aufgrund eines Antrages auf Erstattung gemäß § 8 EFZG das fortgezahlte Entgelt einschließlich des beantragten Pauschalbetrages von insgesamt S 15.083,38 refundiert. Einem Urteil vom 26. März 1991 zufolge habe G.F. den Verkehrsunfall, durch den er an der Leistung seiner Arbeit verhindert gewesen sei, aber in näher bezeichneter Weise grob fahrlässig herbeigeführt. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung sei nach § 2 Abs. 1 EFZG daher nicht entstanden, weshalb der von der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse zu Unrecht geleistete Erstattungsbetrag "gemäß § 9 leg. cit. zurückzuerstatten" sei.

Dieser Bescheid enthielt keine Auseinandersetzung mit dem Umstand, daß es nicht der Mitbeteiligte, sondern dessen Vater gewesen war, an den der Erstattungsbetrag für die Arbeitsverhinderung des Dienstnehmers G.F. vom 26. Jänner 1991 bis zum 22. Februar 1991 geleistet worden war. Der Vater des Mitbeteiligten hatte in seinem Einspruch gegen einen Bescheid vom 4. September 1995, mit dem zunächst er zur Rückzahlung des Erstattungsbetrages verpflichtet worden war, geltend gemacht, er habe den Betrieb am 8. März 1995 an den Mitbeteiligten übergeben. Mit Einspruchsvorentscheidung vom 27. September 1995 hatte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse den Haftungsbescheid vom 4. September 1995 behoben und dazu begründend ausgeführt, aus dem Einspruch habe sich ergeben, daß der Vater des Mitbeteiligten seit dem 8. März 1995 "nicht mehr als Arbeitgeber anzusehen" sei.

In seinem Einspruch gegen den Bescheid vom 9. November 1995 und in ergänzenden Eingaben dazu brachte der Mitbeteiligte unter anderem vor, er habe "den elterlichen Betrieb im Jahre 1994 übernommen"; er habe auch hohe Schulden übernehmen müssen und mache das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände geltend. Die Arbeitsverhinderung des Dienstnehmers habe nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. Außerdem sei Verjährung eingetreten. Die letzte Eingabe enthielt auch die Behauptung, der Mitbeteiligte sei "nie" Arbeitgeber von G.F. gewesen, weshalb ihn die Rückerstattungspflicht nicht treffen könne. Mit dieser Eingabe wurde die Bestätigung eines Wirtschaftstreuhänders vorgelegt, worin unter anderem ausgeführt wurde, der Mitbeteiligte habe "mit Wirkung 01.03.1995 den Betrieb seines Vaters (Tischlerei) übernommen" und dabei Schulden im Ausmaß von 1,5 Millionen Schilling mitübernommen.

In ihrer Stellungnahme zum Einspruch brachte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse unter anderem vor, der Mitbeteiligte habe die Tischlermeisterei seines Vaters mit allen Aktiven und Passiven übernommen, weshalb er "als uneingeschränkter Rechtsnachfolger mit allen Rechten und Pflichten nach den Bestimmungen des ABGB anzusehen" sei.

Die belangte Behörde gab dem Einspruch des Mitbeteiligten Folge, behob den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG und begründete dies im wesentlichen damit, daß zwar Verjährung nicht eingetreten sei, weil die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse erst 1994 von der Alkoholisierung des Dienstnehmers im Zeitpunkt des Unfalls erfahren habe, der Mitbeteiligte aber niemals der Arbeitgeber dieses Dienstnehmers gewesen sei. Der Rückforderungsanspruch nach § 9 EFZG bestehe nur gegenüber jenem Arbeitgeber, an den die Erstattungsbeträge geleistet worden seien. Die genannte Gesetzesbestimmung sehe keinen Übergang des Rückforderungsrechtes (gemeint: der Verpflichtung zum Rückersatz) auf den Betriebsübernehmer vor.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Erstattung einer Gegenschrift durch den Mitbeteiligten erwogen hat:

Nach § 9 EFZG hat der Krankenversicherungsträger "zu Unrecht geleistete Erstattungsbeträge vom Arbeitgeber zurückzufordern". Dieses Recht verjährt "binnen zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem dem Krankenversicherungsträger bekannt geworden ist, daß der Erstattungsbetrag zu Unrecht geleistet worden ist".

Auf die Frage der Verjährung (vgl. dazu zuletzt das Erkenntnis vom 22. November 1994, Zl. 91/08/0164) braucht im vorliegenden Fall nicht eingegangen zu werden, weil schon die Ansicht der belangten Behörde, der Mitbeteiligte komme nicht als "Arbeitgeber" im Sinne des § 9 EFZG in Betracht, den angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu tragen vermag:

Daß der Mitbeteiligte jemals Arbeitgeber von G.F. gewesen sei, macht die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse nicht geltend. Ihre behauptete Verletzung in dem Recht, den Erstattungsbetrag "gemäß § 9 EFZG zurückzufordern", stützt sie vielmehr auf das Argument, "daß gemäß § 1409 ABGB der Übernehmer eines Vermögens oder Unternehmens ... den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übernahme kannte oder kennen mußte, unmittelbar verpflichtet" sei, wobei nahe Angehörige die Beweislast dafür treffe, daß ihnen die Schulden bei der Übergabe weder bekannt waren noch bekannt sein mußten. Die weiteren Beschwerdeausführungen dienen der Untermauerung des Standpunktes, "die Voraussetzungen für eine Haftung des Übernehmers Johann W. jun. gemäß § 1409 ABGB" lägen vor.

Diese Argumentation beruht auf dem Rechtsirrtum, ein auf § 1409 ABGB gestützter Anspruch könne im vorliegenden Zusammenhang Gegenstand des Verwaltungsverfahrens sein. Derartige Ansprüche gehören auf den Rechtsweg (vgl. dazu etwa OGH 9. Oktober 1986, EvBl 1987/203), weshalb die belangte Behörde zu Recht davon Abstand genommen hat, den im übrigen auch nicht auf § 1409 ABGB gestützten erstinstanzlichen Bescheid einer Überprüfung anhand der den ausschießlichen Gegenstand der Beschwerde bildenden Voraussetzungen dieser Gesetzesbestimmung zu unterziehen.

Für die Durchführung der Bestimmungen des zweiten Abschnittes des Entgeltfortzahlungsgesetzes sieht § 18 Z. 1 EFZG die "entsprechende" Geltung u.a. der §§ 64 bis 69 ASVG vor. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies aber nicht, daß auch in Fällen des § 9 EFZG (und nicht nur für rückständige Beiträge i.S. des § 13 EFZG) an eine "entsprechende" Anwendung des § 67 Abs. 6 ASVG über die Haftung des Betriebsnachfolgers gemäß § 67 Abs. 4 ASVG ("für Beiträge") zu denken sei. In § 9 EFZG geht es nicht um Beiträge, sondern um die Rückabwicklung einer (gemäß § 18 Z. 3 lit. a EFZG einer Versicherungsleistung aus der Krankenversicherung gleichzuhaltenden) Leistung. Dazu kommt, daß es für die "entsprechende" Geltung des § 67 Abs. 6 ASVG im Zusammenhang mit Beiträgen angesichts des § 13 EFZG nicht an einem Anwendungsbereich fehlt, und daß der Gesetzgeber für die "entsprechende" Geltung von Bestimmungen des ASVG in § 18 EFZG an mehreren Stellen "Maßgaben" vorgesehen hat, die in Bezug auf § 67 Abs. 6 ASVG eine besondere Erwähnung erwarten ließen, wenn diese Regelung für die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Erstattungsbeträge gelten sollte. Der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretenen Auffassung, eine (zu ergänzen: im Verwaltungsverfahren durchsetzbare) Haftung des Betriebsnachfolgers für derartige Rückzahlungen sei dem Gesetz nicht entnehmbar, ist daher beizupflichten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf den Ersatz von Stempelmarken gerichtete Mehrbegehren des Mitbeteiligten war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit gemäß § 110 ASVG iVm § 18 Z. 1 EFZG abzuweisen.

Wien, am 16. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996080265.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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