TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/9 W169 2197061-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.05.2019
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Entscheidungsdatum

09.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2197061-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2018, Zl. 1100520200-152076880, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler und schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 29.12.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 30.12.2015 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Punjabi und Hindi in Wort und Schrift sowie ein wenig Englisch beherrsche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Er habe von 1994 bis 2006 die Grundschule im Punjab besucht und sei zuletzt als Obsthändler tätig gewesen. In Indien würden die Eltern und die zwei Schwestern des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass er eine Beziehung zu einer Frau aus einer anderen Kaste geführt habe, ihre Familie jedoch dagegen gewesen sei, da sie viel reicher gewesen sei. Auch sei der Beschwerdeführer mehrmals von ihrer Familie geschlagen und angegriffen worden. Obwohl die Frau zwangsverheiratet worden sei, sei er auch weiterhin bedroht worden. Aus Angst um sein Leben habe er das Land verlassen.

2. Am 15.02.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab er dabei an, dass er der Volksgruppe der Baazigar, eine Scheduled Caste, und glaublich der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Er sei ledig und kinderlos. Er beherrsche die Sprachen Punjabi und Hindi in Wort und Schrift. Der Beschwerdeführer habe zwölf Jahre die Grundschule besucht und diese mit Matura abgeschlossen und danach ein Bachelorstudium in Kunst begonnen, dieses jedoch nach zwei Jahren abgebrochen. Er sei selbstständig gewesen, habe ein Lebensmittelgeschäft gehabt und im Elternhaus gelebt. Die Eltern des Beschwerdeführers hätten in der Vergangenheit ein Geschäft betrieben, und arbeite sein Vater nun als Feldarbeiter, seine Mutter arbeite nicht; sie werde vom Vater und von einer Schwester des Beschwerdeführers finanziell unterstützt. Der Beschwerdeführer habe regelmäßig telefonisch Kontakt zu seiner Mutter und habe er ein gutes Verhältnis zu seiner Familie. Auch habe er sehr viele weitere Verwandte, die alle im Punjab leben würden. Der Beschwerdeführer sei gesund. Er habe keine Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden in Indien gehabt.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

" (...)

LA: Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt? Nennen Sie bitte all Ihre Fluchtgründe!

VP: Ich habe ein Geschäft gehabt, das war am Anfang des Jahres 2014. Ich hatte mehrere Kunden in meinem Geschäft. Mit einem der Kundinnen hatte ich eine Beziehung. Sie war die Tochter eines Großgrundbesitzers. Sie gehörte der Kaste der Jat an. Wir sind eine Beziehung eingegangen und haben alle Grenzen überschritten. Jemand hat uns gesehen, und hat ihre Familie davon berichtet. Ihre Brüder haben mich geschlagen. Es gab eine Dorfratsversammlung und dort wurde entschieden. Die Brüder haben sich dort entschuldigt, dass sie mich geschlagen haben. Danach wurden wir beide in meinem Geschäft erwischt. Diesmal haben sie mich sehr brutal geschlagen und haben auch mein Geschäft demoliert. Meine Freunde kamen mir zu Hilfe und haben mich von ihnen befreit. Nach zwei Tagen war ich bei der Polizei, aber diese haben mich nicht gehört. Die Polizei hat nicht auf mich gehört, und haben mich auch geschlagen. Sie sagten, dass die Personen sehr wohlhabend sind und gute politische Kontakte haben. Meine Eltern waren bei ihrer Familie und wollten sich wegen mir entschuldigen, aber sie haben sogar meine Eltern geschlagen. Die Polizisten haben gesagt, wenn ich mich nochmal bei ihnen blicken lassen, werden sie mich wegen Drogenhandel anzeigen. Sie kamen auch zu uns nach Hause und haben alles demoliert. Aus diesem Grund wohnt meine Familie nicht mehr im Dorf. Sie haben zu meinen Eltern gesagt, dass sie mich umbringen werden. Aus diesem Grund habe ich Indien verlassen.

LA: Haben Sie nun all Ihre Fluchtgründe genannt?

VP: Ja.

LA: Ihre Angaben sind vage und unkonkret machen Sie mir genaue Angaben rund um Ihren Fluchtgrund! Nennen Sie mir Einzelheiten und Details!

VP: Im Jänner 2014 habe ich meine Freundin kennengelernt. Danach haben wir oft einander gesehen und miteinander telefoniert. Im August 2014 erfuhr ihre Familie davon und haben mich das erste Mal geschlagen. Danach haben sie immer wieder gefunden mit mir Streit angefangen. Die Leute sind sehr wohlhabend und haben gute Kontakte. Im September kamen sechs bis sieben Personen in mein Geschäft und haben mein Geschäft demoliert.

Wh. der Frage: Sie schildern einen abstrakten Sachverhalt, Ihr Vorbringen lässt Details und Einzelheiten vermissen. Machen Sie mir konkrete Angaben über Ihren Fluchtgrund!

VP: Danach haben ihre Brüder mich und meine Freundin erwischt.

Wh. der Frage: Ihre Schilderungen lassen Einzelheiten und Details vermissen, Ihr Vorbringen ist so nicht glaubhaft, was sagen Sie dazu? Nennen Sie mir alle Einzelheiten, was Sie darüber wissen! (Schlägereien. etc.)

VP: Ihre Brüder haben mich im Oktober 2014 geschlagen.

LA: Mehr können Sie nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Wurden Sie persönlich bedroht oder verfolgt?

VP: Ja, obwohl ich mein Dorf verlassen habe und mich bei Verwandten aufgehalten habe, wurde ich verfolgt.

LA: Wie oft wurden Sie verfolgt?

VP: Bei meinen Verwandten haben sie einmal. Bei meinen anderen Verwandten haben sie mich auch gesucht. Jetzt suchen sie mich immer.

LA: Wann wurden Sie zum ersten Mal und wann zum letzten Mal verfolgt?

VP: Das erste Mal war im August, das letzte Mal war im Oktober 2014.

LA: Wann fanden diese Vorfälle genau statt! Geben Sie mir einen zeitlichen Überblick!

VP: Im August war es gegen Mittag. Das genaue Datum kann ich nicht sagen.

LA: Wie gestalteten sich diese Vorfälle (Bedrohungen, Schläge)? Machen Sie mir umfangreiche Angaben darüber!

VP: Sie kamen zu mir ins Geschäft und ich wurde bedroht. Ich wurde geschlagen.

Wh. der Frage. Wie gestalteten sich diese Bedrohungen und das Sie geschlagen wurden? Machen Sie detailliertere Angaben!

VP: Das erste Mal kamen die Brüder zu mir, mit fünf bis sechs Personen zu mir, ich glaube das waren ihre Freunde. Sie haben mich geschlafen.

Wh. der Frage! Sie gaben an bedroht und geschlagen worden zu sein, machen Sie mir substantiierte Schilderungen über diese Ereignisse!

LA: Was soll ich noch detaillierte sagen. Es waren fünf bis sechs Personen, die mich das erste Mal geschlagen haben. Ich bin ein einfacher Bürger. Eine Person namens Jagtar Jaggi. Er ist Staatsbürger aus Großbritannien. Er ist seit 90 Tagen in Haft ohne Anzeige. Die Britische Regierung versucht in freizubekommen, aber bis jetzt haben sie es nicht geschafft. Jetzt können sie sich vorstellen, was mir passieren würde.

LA: Mehr können Sie über Ihre Bedrohungen und der Schlägerei nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Erstatten Sie ein konkretes Vorbringen bezüglich Ihrer Bedrohung der Brüder! Schildern Sie mir alle Einzelheiten und Details über die Bedrohung.

VP: Sie kamen zu mir ins Geschäft. Es waren acht Personen. Sie haben angefangen mich zu schlagen. Ich weiß nicht, ob noch mehr Leute vor meinem Geschäft gestanden sind. Als sie fertig waren, sagten sie zu mir, ich soll damit aufhören, sonst werden sie mich umbringen. Danach gingen sie weg.

Wh. der Frage! Machen Sie mir umfangreiche Angaben über den Vorfall, als die Brüder Sie bedroht und geschlagen haben! Ihre Schilderungen lassen Einzelheiten, Details und Gefühle vermissen.

VP: Die Wahrheit ist, dass sie sehr viel Geld haben. Indien ist so, wenn man Geld hat, kann man tun und lassen was man will.

LA: Mehr können Sie nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Erstatten Sie mir umfangreiche Angaben über die Brüder, welche Sie geschlagen hätten!

VP: Was wollen Sie darüber wissen?

LA: Machen Sie mir umfangreiche Angaben über Ihre angebliche Freundin und deren Familie!

Anmerkung: Partei überlegt.

VP: Der Name meiner Freundin ist XXXX .

LA: Mehr wissen Sie nicht?

VP: Vielleicht hat sie ihr Studium in der Stadt Phagwaran gemacht. Das Kollege heißt XXXX .

Wiederholung der Frage! Machen Sie mir umfangreiche Angaben über Ihre angebliche Freundin und deren Familie!

VP: Sie ist am XXXX geboren. Ihr Vater heißt XXXX . Ihre Mutter heißt XXXX . Was wollen Sie noch wissen?

LA: Erzählen Sie mir alles was Sie über Ihre Freundin und deren Familie wissen? Immerhin wurden Sie aufgrund der Beziehung mit Ihrer angeblichen Freundin verfolgt.

VP: Familie ist in der Landwirtschaft tätig.

LA: Mehr wissen Sie darüber nicht?

VP: Was wollen Sie wissen? Sie waren Landwirte und hatten Kontakte mit Politkern, ich war mit dem Mädchen befreundet und man hat nicht viel Zeit um alles nachzufragen.

LA: Wie lange dauerte die Beziehung mit Ihrer Freundin?

VP: 8 bis 10 Monate.

LA: Beschreiben Sie mir die Gespräche und Ereignisse, die Sie mit Ihrer Freundin in dieser Zeit erlebt haben im Detail!

Anmerkung: Partei überlegt.

VP: Wir haben nicht über besondere Sprachen gesprochen und über unsere Zukunft.

Vorhalt: Sie werden mehrmals von der Familie Ihrer Freundin verfolgt und beendeten die Beziehung nicht - sie können keine genauen Angaben über die Familie, Ihre angebliche Freundin und die gemeinsamen Erlebnisse mit Ihrer Freundin anführen. Ihre Angaben sind höchst oberflächlich und blass - was sagen Sie dazu?

VP: Ich habe bereits alles erzählt, was genau wollen sie noch wissen.

LA: Beschreiben Sie mir das Erlebnis als Sie im Geschäft brutal geschlagen wurden!

VP: Meinen Sie das erste Mal!

LA: Als Sie im Geschäft brutal geschlagen wurden - dieses Ereignis möchte ich bitte genauer beschrieben haben!

VP: Es war gegen Mittag. Da kamen die zwei Brüder von ihr in Begleitung von sechs bis sieben Personen. Sie sprachen kein Wort zu mir und begannen mich gleich zu schlagen. Sie sagten mir ich soll damit aufhören ansonsten werden wir dich nicht am Leben lassen.

Wiederholung der Frage! Ihre Angaben sind abstrakt und detailarm, beschreiben Sie mir dieses tragische Erlebnis im Detail - nennen Sie mir Einzelheiten!

VP: Es waren fünf bis sechs Personen, die mich mit Füßen und Händen geschlagen haben - ich konnte nicht sehen wer mich schlägt.

LA: Mehr können Sie darüber nicht anführen?

VP: Nein.

LA: Machen Sie mir umfangreiche Angaben über die politischen Kontakte der verfeindeten Familie!

VP: In unserem Dorf unterstützen Sie die Congress Partei - ich kann ihnen keine Namen angeben - mit wem sie Kontakt haben.

LA: Machen Sie mir detaillierte, genaue Angaben über diese politische Beziehung, welche diese haben sollen!

VP: Sie haben Kontakte mit der Congress Partei.

Wh. der Frage: Machen Sie mir umfangreiche Angaben über diese politische Beziehung, welche diese haben sollen!

VP: Sie gehören zur Congress Partei. In unserem Dorf gibt es drei Parteien. Akali, BJP. Die neue heißt Aam Aadmi Partei. Die Familie meiner Freundin gehören zur Congress Partei.

Wh. der Frage: Erstatten Sie über detaillierte Angaben über die Beziehung und Positionen in der Congress Partei, der Familie Ihrer Freundin!

VP: Egal welche Wahl es gibt, sagen sie immer dass man die Congress Partei wählen sollen.

Wh. der Frage: Erzählen Sie mir alle Einzelheiten und Details über die Brüder!

VP: Die Spitznamen sind XXXX und XXXX . Was möchten Sie noch wissen. Ich weiß nicht, welche Ausbildung sie haben. In meinem Dorf leben mehrere Leute. Ich weiß nicht über alle Leute Bescheid.

Wh. der Frage! Sie gaben an von den Brüdern Ihrer Freundin bedroht, verfolgt und geschlagen worden zu sein, machen Sie mir substantiierte Schilderungen über diese Personen! Sie sind schließlich die Brüder Ihrer Freundin. Sie werden doch über die Familie gesprochen haben.

VP: Was hätte sie über ihre Brüder sagen sollen? Ich wusste, dass sie zwei Brüder hat. Es ist normal, dass sie ins College gehen oder in der Landwirtschaft arbeiten.

LA: Mehr können Sie nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Sie gaben an, dass die Verfolger auch bei Ihren Verwandten waren - was wissen Sie darüber? Nennen Sie mir bitte alle Einzelheiten!

VP: Ich habe es nur telefonisch erfahren, dass ich gesucht werde. Sie sagte mir, dass ein paar Personen da waren und nach mir gefragt haben.

LA: Was haben Sie nach der letzten Bedrohung gemacht?

VP: Ich habe mein Dorf verlassen. Befragt gebe ich an, dass dies Ende Oktober 2014 war.

LA: Wo waren Sie dann aufhältig und wie lange?

VP: Im Dorf namens XXXX - ich war dort ca. eine Woche und dann ging ich eine andere Provinz - dort war ich 15 Tage - danach war ich drei bis vier Tage in Dheli und habe dann das Land verlassen.

LA: Fanden nach Verlassen Ihres Heimatdorfes Bedrohungen gegen Sie statt?

VP: Direkt gegen mich nicht.

LA: Haben Sie eine Anzeige bei der Polizei erstattet wegen den Bedrohungen und Schläge?

VP: Ich war dort, aber sie haben keine Anzeige entgegengenommen.

LA: Waren Sie bei einer anderen Polizeiinspektion oder der Oberbehörde der Polizei oder haben Sie sich einen Rechtsanwalt genommen?

VP: Nein.

LA: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien? Was würde passieren, wenn Sie morgen zurück nach Indien geschickt werden würden?

VP: Ich habe Angst um mein Leben.

(...)".

Weiters gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er legal mit seinem indischen Reisepass ausgereist sei.

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Familienangehörigen habe und mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft lebe. Er arbeite als Zeitungszusteller. Der Beschwerdeführer habe österreichische und indische Freunde bzw. Bekannte; sie würden ins Einkaufszentrum oder in den Park gehen. Er könne etwas Deutsch und Englisch. Seine Freizeit verbringe er zuhause oder im Tempel. Er habe in Österreich weder Kurse oder sonstige Ausbildungen absolviert, noch sei er in Vereinen und Organisationen tätig und nehme auch nicht auf anderer Weise am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich teil.

Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderberichte zur aktuellen Situation in Indien Einsicht und gegebenenfalls diesbezüglich schriftlich Stellung zu nehmen. Dem Beschwerdeführer und seiner Vertretung wurde eine Frist bis 01.03.2017 für die Abgabe einer Stellungnahme gewährt.

3. Mit Schriftsatz der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers vom 15.02.2018 wurde zu den im Verfahren herangezogenen Länderinformationen der Staatendokumentation Stellung bezogen und insbesondere ausgeführt, dass die Reisefreiheit in Indien zu relativieren sei und der Beschwerdeführer keine Möglichkeit habe, sich außerhalb seiner Heimatregion niederzulassen. In Zusammenschau mit den Länderberichten sei das Vorbringen des Beschwerdeführers als glaubhaft zu beurteilen und könne er keinen Schutz durch die indischen Behörden erwarten. Auch würde er sich für den Fall einer Rückkehr in eine ausweglose Lage begeben. Schließlich sei der Beschwerdeführer bemüht, sich im Bundesgebiet zu integrieren und sei die Rückkehrentscheidung aus diesem Grund "auf Dauer für unzulässig" zu erklären.

4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Fall einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

5. Gegen diesen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde. Nach Wiederholung der Fluchtgründe wurde ausgeführt, dass das Bundesamt den Großteil seiner Aussagen nicht zur Kenntnis genommen, sondern nur "selektiv und in tendenziöser Weise jene herausgeklaubt" habe, die seiner eigenen Argumentation zuträglich seien. So habe der Beschwerdeführer genaue Ort- und Zeitangaben gemacht, die Ereignisse chronologisch und konsistent geschildert sowie Erklärungen über sämtliche Personen getätigt. Aus den Aussagen des Beschwerdeführers gehe ferner hervor, dass die indischen Behörden ihm gegenüber schutzunfähig und schutzunwillig seien, was das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht untersucht habe. Auch sei die pauschale Behauptung, in Indien bestehe immer und für jeden eine innerstaatliche Fluchtalternative, nicht zutreffend. Der Beschwerdeführer verfüge in seiner Heimat über kein Auffangnetz mehr, sei entwurzelt und sei ihm aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage subsidiärer Schutz zu gewähren. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprachen Punjabi und Hindi in Wort und Schrift und spricht etwas Englisch und Deutsch. Er ist ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer hat in Indien zwölf Jahre die Grundschule besucht und diese mit Matura abgeschlossen und danach ein Bachelorstudium in Kunst begonnen, welches er nach zwei Jahren abgebrochen hat. Er lebte im Elternhaus, ist selbstständig gewesen und hat ein Lebensmittelgeschäft betrieben. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitet als Feldarbeiter, seine Mutter geht keiner Arbeit nach und wird vom Vater und von einer Schwester des Beschwerdeführers finanziell unterstützt.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder Familienangehörigen in Österreich und lebt mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Er hat am 16.03.2017 das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" angemeldet. Der Beschwerdeführer arbeitet als Zeitungszusteller und bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat österreichische und indische Freunde bzw. Bekannte. In seiner Freizeit ist der Beschwerdeführer zuhause oder geht in den Tempel. Er hat in Österreich weder Kurse, noch sonstige Ausbildungen absolviert und ist nicht in Vereinen und Organisationen tätig. Im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers leben nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers und seine Schwestern. Er hat regelmäßigen telefonischen Kontakt zu seiner Mutter und ein gutes Verhältnis zu seiner Familie. Auch hat er sehr viele weitere Verwandte, die alle im Punjab leben. Der Beschwerdeführer steht im erwerbsfähigen Alter, ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Ethnische Minderheiten

Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 12.2016). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort. Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer Sprache und Kultur (AA 16.8.2016). Das Gesetz räumt dem Präsidenten auch die Befähigung ein, benachteiligte Kasten und Stämme für spezielle Quoten und Begünstigungen zu bestimmen (USDOS 13.4.2016). Gesetze setzen Quoten bei Bildungseinrichtungen und Regierungsanstellungen für sogenannte "registrierte" Kasten (Dalits) und Stämme, sowie einige andere sogenannte "benachteiligte Klassen", fest (FH 27.1.2016).

Historisch sind weite Teile der Gesellschaft in Kasten oder Clans organisiert (USDOS 13.4.2016) und Mitglieder unterer Kasten und Minderheiten sind weiterhin alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt (FH 27.1.2016). Die Kaste ist ein komplexes traditionelles Hierarchiesystem, das auf ritueller Reinheit und Berufsgruppen beruht. Obwohl mit der Verfassung von 1949 Kastendiskriminierung verboten wurde, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver Förderprogramme bestehen und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 13.4.2016). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit, die in der Struktur der indischen Gesellschaft angelegt sind und auf sozialen und religiösen Traditionen fußen und vielfach implizit verlaufen, jedoch weit verbreitet (USDOS 13.4.2016).

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Um Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und ihre Teilhabe zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung (sog. "Dalits" oder "Unberührbare") sowie die Adivasis eine positive Diskriminierung, deren Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist. Im Bildungswesen (u.a. Studienplätze) und in der staatlichen Verwaltung (u.a. Stellenvergabe) sind Quoten von bis zu 49,5% für die sogenannten "Scheduled" Castes and "Scheduled" Tribes ("scheduled" = in der Verfassung erwähnte Kasten und Stämme) sowie für andere benachteiligte Gruppen, "Other Backward Castes", vorgesehen. Quoten werden auf zentralstaatlicher Ebene nur nach Kastenzugehörigkeit und sozialem Status, nicht aber nach Religion, zugeordnet. Allerdings gibt es in einigen Bundesstaaten Quotenregelungen für bestimmte religiöse Gemeinschaften, so z.B. in Tamil Nadu, Kerala und Andhra Pradesh für "rückständige" Christen und Muslime (AA 16.8.2016).

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Trotz dieser umfangreichen positiven Förderprogramme, weitreichender gesetzlichen Schutzbestimmungen und verfassungsmäßigem Verbot von "Unberührbarkeit" (Artikel 17) werden Angehörige von niederen Kasten und Dalits in Indien noch immer massiv und systematisch diskriminiert, vor allem auch durch Polizei und Strafjustiz (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016).

Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Bei den Wahlen 2014 waren 84 Sitze für Kandidaten der geschützten Kasten und 47 für jene der geschützten Stämme reserviert, was insgesamt 24% der Sitze im Unterhaus ergab. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 13.4.2016).

Englisch genießt den Status der sekundär offiziellen Sprache, ist aber die wichtigste Sprache für nationale, politische und wirtschaftliche Kommunikation. Hindi ist die am weitest verbreitet gesprochene Sprache und die Hauptsprache von 41% der Menschen. Es gibt 14 weitere offizielle Sprachen: Bengali, Telugu, Marathi, Tamil, Urdu, Gujarati, Malayalam, Kannada, Oriya, Punjabi, Assamese, Kashmiri, Sindhi, und Sanskrit. Hindustani ist eine populäre Variante des Hindi/Urdu und wird weitgehend im Norden Indiens gesprochen, ist aber gemäß Zensus aus dem Jahr 2001 keine offizielle Sprache (CIA Factbook 12.12.2016). Die nationale Volkszählung kategorisiert die Bevölkerung anhand der gesprochenen Sprachen, aber nicht nach rassischen oder ethnischen Gruppen (USDOS 13.4.2016).

Vor allem in Indiens abgelegenen Nordosten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme und Ethnien. Ihr Verhältnis untereinander und gegenüber der Zentralregierung birgt großes Konfliktpotential. Dieses beruht v.a. auf der Missachtung der großen ethnischen und kulturellen Vielfalt der dortigen Bevölkerungsgruppen, ihren Bestrebungen zur Wahrung ihrer kulturellen Identität sowie auf der wirtschaftlichen Vernachlässigung seitens der indischen Zentralregierung (AA 16.8.2016). Kinder aus vulnerablen Gemeinschaften sind Formen der Diskriminierung aufgrund ihrer Kasten- oder Religionszugehörigkeit sowie ihrer Ethnie ausgesetzt (HRW 27.1.2016).

Konfliktfördernd ist v.a. auch der als Bedrohung wahrgenommene, unkontrollierte Zustrom illegaler (muslimischer) Einwanderer, vor allem aus Bangladesch. Es gibt ca. 100 Rebellengruppen, deren Aktivitäten bis heute zehntausende Menschenleben gekostet haben. Aktionen von Polizei und Militär richten sich gegen diese militante Gewalt, nicht aber gegen bestimmte Ethnien (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.12.2016): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 22.12.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/318378/457381_de.html, Zugriff 16.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): India, Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 21.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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