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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs6;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 98/08/0057 E 16. Februar 1999 Besprechung in: ZAS 1/2001, S 23 - S 26;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der A in G, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 25. September 1997, Zl. LGS600/LA2/1218/1997-Dr.J/S, betreffend Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung gemäß § 7 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid keine Folge gegeben und ausgesprochen, daß ihr Bezug des Arbeitslosengeldes ab 1. Juli 1997 eingestellt werde. Nach Zitierung der von der belangten Behörde für wesentlich gehaltenen gesetzlichen Bestimmungen und einer Darstellung des Verfahrensganges traf die belangte Behörde folgende entscheidungswesentliche Feststellungen:
"Sie sind von Beruf Psychologin, stellten am 29.4.1997 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktserivce Graz den Antrag auf Arbeitslosengeld und wiesen Sie im Zuge dieser Antragstellung Ihr Dienstverhältnis als Berufsanwärterin (Berufsbezeichnung) nach, das nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung vom 23.4.1997 vom 15.7.1996 bis 30.4.1997 gedauert, durch Lösung im beiderseitigen Einverständnis geendet und zu Dr. (F.N.), Psychologe, in 8700 Leoben ... bestanden hat. Am 1.6.1997 haben Sie (erneut) die Beschäftigung als Berufsanwärterin bei Dr. (F.N.) aufgenommen und wird diese Tätigkeit Montag und Dienstag jeder Woche von 9.30 Uhr bis 15.00 Uhr ausgeübt und handelt es sich nach den zur Sozialversicherung gemeldeten Daten um ein geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis. Nach einer mit 29.4.1997 abgegebenen Erklärung erklären Sie sich ausdrücklich zur Aufnahme und Ausübung einer am Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereit und beauftragen Sie das Arbeitsmarktservice Ihnen bei der Suche nach einer solchen Beschäftigungsmöglichkeit behilflich zu sein; nach ihrer weiteren Erklärung vom 2.7.1997 und nach Ihrer Berufungsausführung sind Sie bereit, diese Beschäftigung aufzugeben, um eine vom Arbeitsmarktservice vermittelte Stelle anzunehmen. Vom 1.5.1997 bis 30.6.1997 bezogen Sie Arbeitslosengeld, welcher Bezug mit dem durch die vorliegende Berufung bekämpften Bescheid ab 1.7.1997 eingestellt wurde. Festzuhalten ist, daß nach einer Kontaktnahme (AMS-Personenservice) am 4.4.1997 Ihr Dienstverhältnis mit Ende April 1997 endet und eine geringfügige Beschäftigung vorgesehen war, da Ihnen eine Arbeitsbescheinigung mitgegeben wurde; nach dem Inhalt einer Kontaktnahme vom 19.8.1997 haben Sie selbst zwei Bewerbungen getätigt bzw. haben Sie vor, sich ab Mitte September 1997 selbständig zu machen."
In rechtlicher Hinsicht beurteilte die belangte Behörde diesen Sachverhalt dahingehend, daß die Beschwerdeführerin im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG der Arbeitsvermittlung (jedenfalls seit 1. Juli 1997) nicht zur Verfügung stehe, weil sie montags und dienstags während der "üblichen Geschäftszeit" tätig sei. Aus der Erklärung, die Beschwerdeführerin sei bereit, diese Beschäftigung für die Aufnahme einer Vollbeschäftigung zu beenden, sei zu folgern, "daß dies gleichzeitig und damit derzeit nicht möglich ist und ist daher nicht davon auszugehen, daß Sie zur Aufnahme und Ausübung einer Tagesbeschäftigung im Ausmaß von 35 bis 40 Wochenstunden zur Verfügung stehen." Der "Nichtunterbreitung von Beschäftigungsangeboten durch das Arbeitsmarktservice" sei die Eigeninitiative der Beschwerdeführerin gegenüberzustellen; es seien lediglich zwei "solche Bemühungen und diese aus einem Zeitpunkt nach Bescheiderlassung" aktenkundig. Dazu komme die Absicht der Beschwerdeführerin, sich selbständig zu machen. Bei Würdigung aller Umstände "einschließlich jener illustrativen Charakters" entspreche die Beurteilung, wie sie durch die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz vorgenommen wurde, der Sach- und Rechtslage.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Arbeitslosenversicherungsrecht kennt seit der mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 vorgenommenen Novellierung des AlVG - ungeachtet der systemfremden Einbindung des Begriffs der Arbeitslosigkeit in die Verfügbarkeit in § 7 Abs. 2 AlVG - mehrere Kriterien der Verfügbarkeit als zusätzliche Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld.
Der Arbeitsvermittlung steht gemäß § 7 Abs. 2 zur Verfügung, wer ua eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf.
Wer eine Beschäftigung aufnehmen "kann und darf", ist wieder in § 7 Abs. 3 Z. 1 und 2 AlVG (in der genannten Fassung des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201) mit zwei Voraussetzungen näher definiert, nämlich mit dem "Bereithalten" zur Aufnahme einer solchen Beschäftigung, die den in dieser Bestimmung näher bezeichneten Kriterien entspricht, einerseits, und der Erlaubnis, sich im Inland dazu aufhalten zu dürfen, andererseits. Das zuletzt genannte Kriterium der Verfügbarkeit ist im Beschwerdefall allerdings nicht strittig.
Die belangte Behörde stützte sich - unter Zugrundlegung der oben wiedergegebenen Feststellungen - auf den erstgenannten, in § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG geregelten Tatbestand.
Danach kann eine Beschäftigung aufnehmen, wer sich zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithält.
Diese Bestimmung ist - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem ausführlich begründeten Erkenntnis vom 22. Dezember 1998, Zl. 97/08/0106, dargelegt hat - so auszulegen, daß sich die Merkmale der Verfügbarkeit von jenen, die ausnahmsweise Arbeitslosigkeit nicht ausschließen (obgleich sie vom Typus her eine Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 und 3 AlVG darstellen), noch unterscheiden lassen:
Jene Umstände, die bereits das Vorliegen von Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 AlVG ausschließen, insbesondere die Ausübung von Erwerbstätigkeiten, die mit einem entsprechenden Erwerbseinkommen verbunden sind oder doch Erwerbszwecken dienen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 13.11.1990, Zl. 89/08/0229), stehen der Annahme von Arbeitslosigkeit und damit zwangsläufig auch der Verfügbarkeit entgegen.
Andererseits kann aber einer Erwerbstätigkeit, die Arbeitslosigkeit nicht ausschließt, weil der dabei erzielte Verdienst die Geringfügigkeitsgrenzen des § 12 Abs. 6 AlVG nicht übersteigt, nicht schlechthin über den Umweg der fehlenden Verfügbarkeit Einfluß auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld eröffnet werden, weil sonst die Geringfügigkeitsgrenzen des § 12 Abs. 6 AlVG leerlaufen würden. Dies wäre dann der Fall, wenn schon das niedrige Entgelt eine nur geringe zeitliche Auslastung durch die Erwerbstätigkeit und damit das Vorliegen der Verfügbarkeit indiziert, wie dies bei Dienstnehmern (im Gegensatz zur zeitlich uneingeschränkten Tätigkeit von selbständig, insbesondere gewerblich Tätigen) in der Regel der Fall ist. Insoweit also die Geringfügigkeitsgrenzen gleichzeitig ein vertyptes Verfügbarkeitskriterium enthalten, liegt mit der Arbeitslosigkeit auch die Verfügbarkeit vor, wie im Falle einer Teilzeitbeschäftigung, für die aufgrund der kurzen Arbeitszeit der arbeitslosen Person nur ein geringfügiges Entgelt zusteht, wenn nicht andere Tätigkeiten hinzutreten.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich der angefochtene Bescheid insofern als rechtswidrig, als die belangte Behörde - wie aus den zum Teil sprachlich unklaren Begründungselementen des angefochtenen Bescheides der Sache nach entnommen werden kann - davon ausgeht, daß die Beschwerdeführerin für eine "Vollbeschäftigung" zur Verfügung stehen müsse, um verfügbar im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu sein.
Wie der Verwaltungsgerichtshof - im Zusammenhang mit der Arbeitswilligkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 9 AlVG - ausgesprochen hat, muß ein Arbeitsloser zwar zur Annahme einer (die Geringfügigkeitsgrenze überschreitenden und Arbeitslosigkeit daher ausschließenden) Teilzeitbeschäftigung, aber auch zur Annahme einer Vollzeitbeschäftigung bereit sein, um das Erfordernis der Arbeitswilligkeit zu erfüllen (vgl. das Erkenntnis vom 19. März 1996, Zl. 95/08/0212, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 19. September 1989, Slg. Nr. 12.986/A).
Die im konkreten Fall einer Zuweisung unter Beweis zu stellende jederzeitige Bereitschaft, eine zumutbare Beschäftigung anzutreten, und die sich daraus ergebende weitere Verpflichtung des Arbeitslosen, beim Eingehen vertraglicher Bindungen, welche jedoch Arbeitslosigkeit nicht ausschließen, gegebenenfalls auf deren jederzeitige Lösbarkeit Bedacht zu nehmen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 16. Oktober 1990, Zl. 89/08/0141, und vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0235), um eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung antreten zu können, ist aber - wegen des Erfordernisses der Abgrenzung vom Begriff der Arbeitslosigkeit in bezug auf geringfügig Beschäftigte - nach dem System des AlVG erst im Zusammenhang mit der Voraussetzung der Arbeitswilligkeit im Sinne des § 9 AlVG, nicht aber schon bei der Prüfung der Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu beurteilen.
Schon der bisher - wenngleich systemfremd innerhalb der Regelung des § 12 AlVG über die Arbeitslosigkeit - normierte Fall der mangelnden Verfügbarkeit der in bestimmten Ausbildungen Befindlichen knüpft an Umständen an, bei deren Vorliegen die unwiderlegliche Vermutung des Gesetzes gerechtfertigt ist, daß der Betreffende während dieser Zeit nicht an einer neuen Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG, sondern an anderen Zielen (im genannten Fall: an der konkreten Ausbildung) interessiert ist (vgl. in diesem Sinne auch das Erkenntnis vom 8. Juni 1993, Zl. 92/08/0129).
Dieses Kriterium ist - mutatis mutandis - auf die Regelung über die Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 1 AlVG zu übertragen: ist ein unter der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Einkommen auf eine bloß zeitlich begrenzte Inanspruchnahme, wie z. B. in einem Teilzeit-Arbeitsverhältnis zurückzuführen, dann fehlt es nicht an der Verfügbarkeit (und auch nicht an der Arbeitslosigkeit), wohl aber gegebenenfalls an der Arbeitswilligkeit, sofern ein solches Beschäftigungsverhältnis dazu führt, daß ein zumutbares, die Arbeitslosigkeit beendendes Arbeitsverhältnis nicht angetreten werden kann oder nicht angetreten (bzw. die Aufnahme der Beschäftigung vereitelt) wird. Nur wenn die Geringfügigkeit des Einkommens nicht bloß auf eine geringe zeitliche Bindung, sondern auch auf andere Umstände zurückzuführen ist, kann es - nach dem vorstehend
Gesagten - durchaus schon an der Verfügbarkeit mangeln.
Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet; dieser war
daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. Februar 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997080584.X00Im RIS seit
21.02.2002