Entscheidungsdatum
28.03.2019Norm
AWG 2002 §1 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde der A, ***, ***, gegen Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 25. April 2018, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses richtet, gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Spruchpunkt aufgehoben und das Verwaltungstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) eingestellt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 25. April 2018, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführerin Folgendes zur Last gelegt:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:
Zeit:
12.08.2016, in der Zeit von 19.00 Uhr bis 19.30 Uhr
Ort:
***, ***
Tatbeschreibung:
1. Sie haben im oa. Zeitraum nicht gefährliche Abfälle (laut eigener Aussage Tapeten) verbrannt und sind somit als Nutzungsberechtigte Ihres Anwesens Ihrer Verpflichtung, diese nicht gefährlichen Siedlungsabfälle nur durch Einrichtungen
der Gemeinde *** oder Einrichtungen, deren sich
die Gemeinde *** bedient, erfassen und behandeln zu lassen,
nicht nachgekommen.
2. Sie sind dafür verantwortlich, dass auf dem Parkplatz der Reihenhausanlage
an der oa. Örtlichkeit zwei Altfahrzeuge (zwei VW Golf, in denen die Betriebs-flüssigkeiten noch enthalten waren) abgestellt und somit gefährliche Abfälle
gelagert waren, obwohl derartige Abfälle außerhalb hiefür genehmigter Anlagen
nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden dürfen.
Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.“
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
Zu 1. § 9 Abs.1, § 33 Abs.1 Z. 2 NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 1992
Zu 2. § 15 Abs.3 Z.1, § 79 Abs.1 Z.1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafen von
Falls diese Uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Gemäß
Zu 1. € 200,00
36 Stunden
§ 33 Abs. 2 NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 2002
Zu 2. € 1.000,00
8 Stunden
§ 79 Abs.1 Abfallwirtschaftsgesetz 1992“
Weiters wurde die Rechtsmittelwerberin zur Bezahlung der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde darauf, dass der im Spruch angeführte Sachverhalt am 12. August 2016 telefonisch bei der Polizeiinspektion *** angezeigt worden wäre, worauf weitere Erhebungen durch einen Polizeibeamten dieser Dienststelle erfolgt wären und anschließend von diesem die Anzeige erstattet worden sei.
Die ihr angelasteten Verwaltungsübertretungen könnten als begangen und erwiesen angesehen werden, da sie der Aufforderung zur Rechtfertigung bis dato unentschuldigt keine Folge geleistet habe. Es wäre in der Aufforderung zur Rechtfertigung ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass in diesem Fall das Verfahren ohne ihre weitere Anhörung durchgeführt werde.
Nach Wiedergabe der relevanten gesetzlichen Bestimmungen hielt die Strafbehörde fest, dass bei der Strafbemessung die Unbescholtenheit der Rechtsmittelwerberin zur Tatzeit als mildernd berücksichtigt worden sei. Erschwerend wäre die durch ihr Verhalten eingetretene Gefährdung der durch das Abfallwirtschaftsgesetz gesetzlich geschützten Interessen, insbesondere an einer intakten Umwelt.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Die Beschuldigte erhob gegen diese behördliche Entscheidung fristgerecht Beschwerde und begründete wie folgt:
„Kennzahl *** von 26.5.2017 wurde mir nie Zugestellt!
Da mit den gleichen Datum die Kennzahl *** erstellt wurde und ich von diesem Brief *** keine Kenntnis hatte stelle ich mir hier die Frage, wie das zustande kam.
Auch von der Polizeiinspektion *** die bei mir versuchte den ausstehenden Gesamtbetrag von 600.- einzutreiben da ich aber nur ein Gesamteinkommen von ca 1000.-
habe war mir das nicht möglich.
Trotz Einschüchterungen von aussagen wie 'wenn sie nicht bezahlen muss ich sie mitnehmen' fruchtete nicht außer Unbehagen und Angst. Auch hier war keine Rede von den zweiten.Verwaltungsstrafverfahren ***.
Ich habe bereits versucht auszuforschen was tatsächlich mit diesem Brief passierte. Teilweise noch keine Rückmeldung erhalten.
Deshalb habe ich bis zur Zustellung der Straferkenntnis von 25.4.2018 bei Begründung ABS 2 ich bin der Aufforderung vom 25.5.2017 zur Rechtfertigung nicht nachgekommen. WIE GESAGT KEINEN BRIEF *** ERHALTEN !!
Übrigens Kennzahl *** bin ich nachgekommen zum Sachverhalt Stellung genommen und als Beweismittel legte ich sogar einen Teil der Tapete beigelegt!
Doch dieser Bescheid wurde nie behandelt. Da das versenden von Briefen, dass Risiko beim Absender liegt, habe ich damit abgefunden und die Strafe von € 600.- zur Kenntnis genommen.
Und die Ersatzfreiheitsstrafe von 16. bis 18.10 verbüßt.
Tipp von einem Malermeister erhalten.
Dieser hatte sich diese Tapete schon nach dem Vorfall von 12.8.2016 angesehen und ist ebenfalls der Meinung es handelt sich hier um eine Papiertapete. Ich sollte es aufheben.
Und sollte es auch an die BH senden.
Habe noch immer Reste aufgehoben und lege auch ihnen ein Stück dieser besagten Tapete in der eingeschriebenen Briefsendung bei. Bei den Erhebungen der Polizeiinspektion ***, die als sie an 12.8.2018 ca 19.45-19.50 bei mir waren nahmen KEINE GERUCHSBELÄSTIGUNG war ich gab aber bereitwillig Auskunft und machte auch den Vorschlag ich hole ein Stück der Tapete her raus.
Aber ihre Antwort war das brauchen sie nicht. Ich kann mit der Entwicklung des Rauches nur so erklären Sonneneinstrahlung auf meinen Kamin ich hatte es unterschätzt.
Auch die besagten Fahrzeuge die auf asphaltierten privat Parkplatz standen waren bereits Flüssigkeiten und Altöl entfernt worden und war nur mehr wenige Tage abgestellt, da sie zur Abholung durch die Firma B bereitstanden zur fachgerechten Entsorgung.
Auch hier machte ich die Inspektoren DARAUF AUFMERKSAM sie können gerne Prüfen ich muss nur schauen, wo ich die Schlüssel hingelegt habe da mein Sohn die Flüssigkeiten entfernt hat.
Doch auch hier wurde nicht eingegangen.
DOPPELT BESTRAFT:
***
***
GLEICHER TATBESTAND
GLEICHE ZEIT
GLEICHER ORT
Nur unter verschiedenen § des NÖ Abfallwirtschaftgesetz!
Ich hoffe meine Begründung bzw. sämtliche Angaben genügen und bitte um Nachsicht sollte etwas fehlen bzw. nicht korrekt ausgefüllt sein.
Ich habe nicht wirklich Erfahrung damit.
Und hoffe auf positive Erledigung“
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Am 07. März 2019 führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher durch die Verlesung des Aktes der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt mit der Zl. *** sowie des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich mit der Zl. LVwG-S-1211-2018, insbesondere die darin enthaltene Lichtbilddokumentation des umweltkundigen Organs der Polizeiinspektion ***, Beweis erhoben wurde. Weiters erfolgte die Einvernahme der Beschwerdeführerin sowie des C als Zeuge.
4. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin war zumindest noch am 12. August 2016 Besitzerin eines schwarzen Personenkraftwagens der Marke VW Golf SDI sowie eines blauen Personenkraftwagens der Marke VW Golf Kombi, welche sie zuvor gelegentlich bestimmungsgemäß gebrauchte. Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt fasste sie den Entschluss, diese beiden Kraftfahrzeuge verkaufen zu wollen. Nachdem sie keinen Käufer für diese Fahrzeuge finden konnte, beauftragte sie im Sommer 2016 die Firma B mit der Entsorgung dieser Kraftfahrzeuge. Weil die Abholung dieser Fahrzeuge durch das beauftragte Unternehmen nicht unverzüglich stattfand, lagerten diese noch am 12. August 2016, zwischen 19.00 Uhr und 19.30 Uhr, auf dem asphaltierten Privatparkplatz der Beschwerdeführerin in ***, ***. Die Fahrzeuge waren zu diesem Zeitpunkt nicht dem Stand der Technik entsprechend trockengelegt.
Keines dieser Fahrzeuge wies zu diesem Zeitpunkt äußere Beschädigungen auf, aus welchen geschlossen werden kann, dass die Autos reparaturbedürftig bzw. aus wirtschaftlichen Gründen einer Reparatur nicht mehr zugänglich gewesen wären. Ebenso liegen keine Hinweise vor, dass diese Fahrzeuge damals nicht mehr bestimmungsgemäß verwendet werden konnten. Auch konnten keine Betriebsmittelaustritte festgestellt werden.
Anhaltspunkte, dass durch das Abstellen der Kraftfahrzeuge auf asphaltiertem Boden im Tatzeitpunkt eine Gefährdung für Boden und Gewässer eintreten hätte können, können nicht festgestellt werden.
5. Beweiswürdigung:
Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich insbesondere auf Grund der vom Anzeigenleger erstellten Fotodokumentation, welche im Wesentlichen mit den Angaben des umweltkundigen Organs der Polizeiinspektion *** korrespondiert. Dass keine Verunreinigung durch Betriebsmittelaustritte auf der befestigten Abstellfläche vorhanden war, ergibt sich aus der glaubwürdigen Aussage des Zeugen C.
Aus der Tatsache, dass auf der Windschutzscheibe der verfahrensinkriminierten Fahrzeuge vertrocknetes Laub lagerte, hat der einschreitende Polizeibeamte geschlossen, dass diese Autos schon länger dort stehen. Auch konnte er keine
§ 57a-Überprüfungsplaketten auf den Fahrzeugen vorfinden, ebenso stellte er eine Durchrostung der Fahrertüre eines Pkws fest.
Auf Fragen der Verhandlungsleiterin, weshalb er eine Reparaturunwürdigkeit der verfahrensinkriminierten Fahrzeuge angenommen hat, gab er an, dass er „auf Grund des Gesamteindruckes der Fahrzeuge“ zu diesem Schluss gekommen wäre. Er habe sich nicht vorstellen können, dass man für diese Autos noch ein „Pickerl“ bekommt. Es liegen keine Hinweise vor, dass der Polizeibeamte auch über eine kraftfahrtechnische Ausbildung verfügt, sodass aus diesen Aussagen in der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit jedenfalls nicht geschlossen werden kann, dass die kraftfahrtechnische Beurteilung des einschreitenden Polizeibeamten fachlich richtig vorgenommen wurde.
Aus der von ihm anfertigten Lichtbilddokumentation kann lediglich ein Rostschaden an der Fahrertür und auf dem linken hinteren Radverbau eines Fahrzeuges festgestellt werden. Weitere Schäden waren nicht erkennbar und wurden solche von diesem Zeugen auch nicht behauptet. Aus den vorgelegten Lichtbildern kann auch nicht geschlossen werden, dass die Autos nicht mehr bestimmungsgemäß gebraucht werden könnten, zumal die abgelichteten Verunreinigungen durch eingetrocknetes Laub und Staub nicht in einem solchen Ausmaß vorhanden waren, dass daraus der Rückschluss gezogen werden könnte, dass die Fahrzeuge über längeren Zeitraum nicht mehr gefahren wurden.
Diese Conclusio ist in Verbindung mit der Angabe in der Anzeige zu sehen, wonach eine Lagerung der Fahrzeuge “seit etwa sechs Jahren“ erfolgte sei. Bei seiner zeugenschaftlichen Einvernahme wurde vom amtshandelnden Organ der öffentlichen Aufsicht diese Zeitdauer insofern relativiert, als er den schwarzen VW Golf bei seinen Streifendiensten scheinbar noch nie festgestellt hat, obwohl er nach eigenen Angaben den angelasteten Tatort des Öfteren überprüft. Lediglich den hellblauen VW Kombi habe er im Zuge von Erhebungen mit der technischen Gewässeraufsicht der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt einmal besichtigt, doch wären bei dieser Überprüfung keine Beanstandungen festgestellt worden. In diesem Zusammenhang merkte der Zeuge an, dass sich dieses Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite befunden habe, woraus für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zu schließen ist, dass dieses Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt noch bestimmungsgemäß zu gebrauchen war. Auch ist aus dem Umstand, dass bei dieser Überprüfung eines der beiden verfahrensgegenständlichen Fahrzeuge durch die technische Gewässeraufsicht der belangten Behörde, gemeinsam mit dem umweltkundigen Organ der Polizeiinspektion ***, keinerlei Veranlassungen zum Schutz von Boden und Gewässer zu treffen waren, zu schließen, dass die Möglichkeit einer Gefährdung dieser Schutzgüter im Tatzeitpunkt durch die Lagerung dieses Pkws nicht gegeben war.
Dass die Beschwerdeführerin im Sommer 2016 den Entschluss fasste, die verfahrensinkriminierten Fahrzeuge mangels Zustandekommen des beabsichtigten Autoverkaufes entsorgen lassen zu wollen, ergibt sich aus ihrer glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussage bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Da die verfahrensgegenständlichen Fahrzeuge einige Tage nach Besichtigung durch die Polizeiinspektion *** entsorgt wurden, kann in Zusammenschau mit den obigen Ergebnissen des Beweisverfahrens nicht festgestellt werden, dass die Autos reparaturbedürftig wären bzw. aus wirtschaftlichen Gründen einer Reparatur nicht mehr zugänglich gewesen wären. Die Feststellung, dass die Kraftfahrzeuge nicht dem Stand der Technik trockengelegt waren, ergibt sich daraus, als zwar nach Behauptungen der Rechtsmittelwerberin ihr Sohn Trockenlegungsarbeiten verrichtet hat. Da dieser aber - wie in der Verhandlung dargelegt - nicht über eine fachliche Ausbildung für diese Arbeiten verfügt, ist entsprechend festzustellen.
6. Rechtslage:
Die Strafnorm des § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 idF BGBl. I Nr. 103/2013 regelt Folgendes:
„Wer gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs. 1 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt, begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 € bis 41.200 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4.200 € bedroht.“
Von der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführerin angelastet, dass sie entgegen dem § 15 Abs. 3 AWG 2002 Abfälle gelagert hat. Diese Norm lautet wie folgt:
„Abfälle dürfen außerhalb von
1. hiefür genehmigten Anlagen oder
2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten
nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.“
Gemäß § 2 Abs. 1 AWG 2002 sind Abfälle bewegliche Sachen, deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat (subjektiver Abfallbegriff), oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 leg. cit. nicht zu beeinträchtigen (objektiver Abfallbegriff). Abfall liegt bereits dann vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (VwGH 23.02.2012, 2008/07/0179). Der objektive Abfallbegriff ist erfüllt, wenn durch das gelagerte Fahrzeug die in
§ 1 Abs. 3 AWG 2002 normierten öffentlichen Interessen beeinträchtigt werden könnten.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass durch die Lagerung der verfahrensgegenständlichen, nicht dem Stand der Technik entsprechend trocken gelegten Kraftfahrzeuge auf befestigter Fläche im Tatzeitpunkt eine Umweltgefährdung verursacht werden könnte.
Zwar ist für die Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes keine konkrete Kontamination erforderlich, sondern reicht bereits die bloße Möglichkeit einer Gefährdung von Schutzgütern im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 aus (VwGH 22.12.2005, 2005/07/0088). Zum objektiven Abfallbegriff hat der Verwaltungsgerichtshof etwa erkannt, dass bereits eine Menge von 30 ml Bremsflüssigkeit, die aus einem Altfahrzeug bei auftretenden Undichtheiten in den unbefestigten Boden und ins Grundwasser sickern kann, geeignet ist, eine Gefährdung des Grundwassers und der Umwelt im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 herbeizuführen (VwGH 18.11.2010, 2007/07/0035). Unter Bedachtnahme, dass dieses Judikat zu einem Autowrack ergangen ist, geht das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich davon aus, dass zur Verwirklichung des objektiven Abfallbegriffes Indizien vorhanden sein müssen, welche die Möglichkeit eines Betriebsmittelaustrittes wahrscheinlich machen.
Ergänzend ist zur Beurteilung des Anzeigelegers hinsichtlich des fehlenden „Pickerls“ auszuführen, dass der Ablauf (oder das Fehlen) einer Begutachtungsplakette am Kraftfahrzeug nicht per se dazu führt, dass eine bestimmungsgemäße Verwendung ausgeschlossen werden kann, sondern bedingt dieser Umstand lediglich, dass eine neuerliche Begutachtung gemäß § 57a KFG 1967 bei diesem Kraftfahrzeug vorzunehmen ist, bevor es weiterverwendet werden darf.
Da aber das Ermittlungsverfahren keine Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer entsprechenden Umweltgefährdung ergeben hat, ist im Gegenstand der objektive Abfallbegriff nicht erfüllt.
Von einer Entledigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 kann dann
gesprochen werden, wenn die Weggabe einer Sache in erster Linie darauf abzielt,
diese loszuwerden (vgl. VwGH 22.12.2005, 2005/07/0088, mwN).
Ein starker Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Entledigungswillens liegt darin,
wenn der Inhaber oder Vorbesitzer ausdrücklich seinen Verwendungsverzicht erklärt oder diesen sonst zum Ausdruck bringt (VwGH 25.09.2014, Ro 2014/07/0032).
Nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin sollten die Fahrzeuge in naher Zukunft entsorgt werden. Diese Vorgangsweise verdeutlicht, dass eine Entledigungsabsicht der Rechtsmittelwerberin bestand und daher die Fahrzeuge im Tatzeitpunkt Abfall in subjektiver Hinsicht gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 darstellen. Grundsätzlich ist der belangten Behörde somit zuzustimmen, dass die Beschwerdeführerin im Tatzeitpunkt somit gefährlichen Abfall auf der angelasteten Fläche gelagert hat.
Wie festgestellt erklärte die Beschwerdeführerin erst kurze Zeit vorher einen Verwendungsverzicht bezüglich der Kraftfahrzeuge. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Entledigungsabsicht am Gelände der Entstehung der Abfälle, also am Anfallsort, gefasst wurde (vgl. R13 des Anhanges zum Abfallwirtschaftsgesetz 2002).
Nach der Rsp unterwirft das Abfallwirtschaftsgesetz 2002 zwar jede Lagerung von Abfällen den Vorschriften des § 15 Abs. 3 AWG 2002, somit auch kurze Zeiträume (Scheichl/Zauner/Berl, Abfallwirtschaftsgesetz 2002, § 15 Rz 19 mwN). Die Lagerung von Abfällen am Anfallsort ist aber vorrangig nach den Behandlungspflichten der
§§ 15 Abs. 5, Abs. 5a und Abs. 5b AWG 2002 zu beurteilen.
§ 15 Abs. 5 AWG 2002 lautet wie folgt:
„Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden; Abfälle zur Beseitigung sind regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, Abfälle zur Verwertung sind regelmäßig, mindestens einmal in drei Jahren, einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.“
Die Beschwerdeführerin hatte somit als Abfallbesitzerin der vom Verwendungsverzicht betroffenen Kraftfahrzeuge gemäß § 15 Abs. 5 AWG 2002 deren Sammlung und Behandlung durch Berechtigte jedenfalls so rechtzeitig zu veranlassen, dass eine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen vermieden wird.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in dubio pro reo verfahrensgegen-ständlich die Möglichkeit einer Gefährdung der öffentlichen Interessen durch die Lagerung der Fahrzeuge nicht festgestellt werden konnte, ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin der Behandlungspflicht des § 15 Abs. 5 AWG 2002 zeitgerecht nachgekommen ist. Im Ergebnis hat die Beschuldigte die ihr zu Spruchpunkt 2. angelastete Tathandlung nicht begangen, weshalb der Beschwerde in diesem Umfang Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden ist.
Da die erkennende Richterin auf Grund der Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich nur für die Entscheidung über die Beschwerde zum Spruchpunkt 2. des angefochtene Straferkenntnisses zuständig ist, bezieht sich die gegenständliche Entscheidung nur auf diesen Spruchpunkt.
7. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen z.B. VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095) und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. z.B. VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035).
Schlagworte
Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Verwaltungsstrafe; Abfallbegriff; Abfalleigenschaft;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.S.1211.002.2018Zuletzt aktualisiert am
13.06.2019