TE Vwgh Erkenntnis 1999/2/17 94/12/0352

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Veröffentlicht am 17.02.1999
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Index

65/01 Allgemeines Pensionsrecht;

Norm

PG 1965 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde der C in V, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 30. September 1994, Zl. SchA-61809/62/94, betreffend Zurechnung von Jahren gemäß § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1948 geborene Beschwerdeführerin steht als Hauptschuloberlehrerin im Ruhestand in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Kärnten.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juni 1994 wurde die Beschwerdeführerin aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 21. April 1994 gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984 mit Wirkung vom 1. Juli 1994 in den Ruhestand versetzt. Weiters wurde ausgesprochen, daß über die Frage der Zurechnung von Jahren zur ruhegenußfähigen Dienstzeit gemäß § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965 erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werde.

Bei der Versetzung in den Ruhestand lagen folgende Gutachten und Befundberichte vor:

Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. K.

vom 7. Februar 1994

     Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. N. vom

18. April 1994

     Amtsärztliches Gutachten der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt

vom 21. April 1994

     Ärztliche Bestätigung der Stadtphysika Dr. P. vom 25. Mai 1994

     Befundbericht des allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der

Elisabethinen in Klagenfurt vom 12. Juni 1991.

     Die beiden letztgenannten Unterlagen wurden von der

Beschwerdeführerin vorgelegt, nachdem ihr die belangte Behörde mit Schreiben vom 2. Mai 1994 mitgeteilt hatte, daß ihre Versetzung in den Ruhestand beabsichtigt sei, eine Zurechnung von Jahren gemäß § 9 Pensionsgesetz 1965 aber nicht in Betracht komme.

Das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. K. vom 7. Februar 1994 gibt zunächst die Anamnese wieder, wonach sich nach stationärer Behandlung der Beschwerdeführerin und einer Infusionstherapie im Juli 1992 die zuvor beklagte Schwindelsymptomatik deutlich gebessert habe. Im Mai 1993 sei es bei noch reduzierter Lehrverpflichtung zum Auftreten von Störungen der Stimmbildung, insbesondere zu Heiserkeit und schmerzhaften Verspannungen im Halsbereich gekommen. In deutlicher Abhängigkeit von der Sprechbelastung "lasse die Stimme im Laufe des Vormittags immer mehr aus". Die Beschwerdeführerin stehe in konsequenter logopädischer Betreuung. Nachdem sich mit neuerlicher Arbeitsaufnahme und verstärkter Anforderung ab Herbst 1993 diese Beschwerden deutlich verschlechtert hätten, sei die Beschwerdeführerin seit Jänner 1994 im Krankenstand. Zuvor sei es bei den Bemühungen, trotz der Heiserkeit zu sprechen, gegen Mittag zu krampfbedingten Schmerzen gekommen. HNO-fachärztliche Untersuchungen hätten blande lokale Verhältnisse gezeigt. Von der Summe der Belastungen tagsüber abhängig seien auch wechselnd ausgeprägte Schlafstörungen. Weiters werde über wetterabhängige und prämenstruelle Kopfschmerzen geklagt, die von occipital beidseits nach temporal ausstrahlten. Ebenfalls belastungsabhängig komme es bei besonderen Aufregungen zum Auftreten von juckenden Bläschen, gürtelförmig in Bauchmitte; diese Beschwerden würden jeweils über Nacht wieder abklingen.

Die erweiterte Anamnese ergebe eine Reihe von zusätzlichen privaten Belastungen, großen Anforderungen an die Beschwerdeführerin aus der insgesamt derzeit 8-köpfigen Familie. Der Beschwerdeführerin selbst sei ihre Unfähigkeit, sich abzugrenzen, Aufgaben von sich zu weisen bzw. nicht gelöste Probleme vorübergehend stehen zu lassen, bekannt. So habe sie im letzten Jahr eine zunehmende Verdichtung und wechselseitige Überlagerung der Belastungsbereiche und zunehmende Verselbständigung der oben angeführten psychosomatischen Reaktionen erlebt.

Im Anschluß an diese Anamnese folgt als psychopathologischer Befund: "Orientiert, bewußtseinsklar, kohärenter Gedankengang, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen faßbar, belastungsabhängige Konzentrationsschwierigkeiten, Umsetzung psychophysischer Belastung in verschiedene körperliche Beschwerdebilder". Nach der "zusammenfassenden Beurteilung" finde sich kein Hinweis auf eine organneurologische strukturelle Läsion. Es liege jedoch eine organneurotische Entwicklung mit zunehmender Eigendynamik bei neurotischer Persönlichkeitsstruktur vor. Derzeit bestehe kein Hinweis auf eine aktuell faßbare endogenomorphe Depression.

Das Gutachten schließt mit einem "Therapievorschlag", wonach eine Fortsetzung der logopädischen Bemühungen sowie Entspannungstechniken und lokale Massagebehandlungen zu empfehlen wären, ebenso eine längerfristige berufliche Entlastung, wobei noch nicht abzuschätzen sei, inwiefern die weitere Hilfestellung ausreichende Restitution der Arbeitsfähigkeit erwarten lasse. Unbedingt zu empfehlen sei auch eine weitere therapeutische Begleitung.

Nach dem orthopädischen fachärztlichen Befundbericht Dris. N. vom 18. April 1994 wurde bei der Beschwerdeführerin im Juni 1991 eine Kniearthroskopie beidseitig durchgeführt. Rechts habe sich eine Meniskusläsion medial, links eine Chondropathie im medialen Gelenkskompartment bei Zustand nach Menisektomie gefunden. Nach einem Sturz im Oktober hätten Schmerzen in der linken Schulter durch ein Supraspinatussyndrom bestanden. Durch eine entsprechende Behandlung habe sich dieser Zustand weitgehend gebessert. Im Jänner 1994 habe sich eine Belastungsarthritis im rechten Acromeo-Clavikulagelenk eingestellt. Durch eine lokale Infiltration sei dieser Zustand behoben worden. Durch eine erneute Überlastung der rechten Schulter bei der Gartenarbeit sei es im April 1994 erneut zu einer Reizung dieses Gelenkes gekommen, welches wieder infiltriert worden sei.

Das amtsärztliche Gutachten vom 21. April 1994 lautet wie

folgt:

"Vorgeschichte:

1971 Appendektomie. Partus: 3. Thrombophlebitis links. Meningitis 1980. Seither Mb. Meniere. Migräne. Behandlungen im Kurhaus Reichel wegen des Mb. Meniere und der Kopfschmerzen. Meniscusoperation links medial. 1991 Arthroskopie beider Kniegelenke mit Meniscusentfernung rechts medial. 1992 Verschlimmerung des Mb. Meniere. Krankenhausaufenthalt mit Infusionen. Im Mai 1993 acute Aphonie vermutlich ausgelöst durch Hausstaubmilben.

Derzeitige Beschwerden:

Heisere leise Stimme. Nachlassen der Stimmleistung bei dauerndem Sprechen nach 1/2 Stunde bis zur völligen Aphonie. Fallweise Attacken von Drehschwindel in Verbindung mit Übelkeit. Psychische Probleme mit Schlafstörungen. Beschwerden von seiten der Hals- und Lendenwirbelsäule.

Befund:

45-jährige Frau in gutem Allgemeinzustand, übergewichtig

(73 kg schwer bei einer Größe von 157 cm).

Caput: Augen: derzeit geringgradige Conjunctivitis. Benötigt

noch keine Brille. Gehör: im wesentlichen normal

Mundhöhle: Gebiß saniert, Tonsillen entfernt.

Stimme ist heiser und leise

Collum: unauffällig

Thorax: symmetrisch, seitengleich beatmet.

Pulmo: beidseits Vesikuläratmen.

Cor: Aktion rhythmisch, 88/Min. RR: 120/80.

Abdomen: Narbe nach Appendektomie, sonst unauffällig.

Wirbelsäule: Hals- und Lendenwirbelsäulengegend klopfempfindlich.

Nierenlager beidseits frei. Harn: Alb.:-, Sacch.:-, Nitrit:-,

pH: 7.

Diagnose:

Hyperfunktionelle Dysphonie. Mb. Meniere, Neurasthenie,

Cervical- und Lumbalsyndrom.

Beurteilung:

Da die Stimmleistung sich trotz logopädischer Behandlung nicht entscheidend bessert, besteht in Verbindung mit der subdepressiven Symptomatik dauernde Dienstunfähigkeit. Die Pensionierung der Hauptschullehrerin wird daher amtsärztlicherseits empfohlen."

Die Stadtphysika Dr. P. stellte in ihrer Bestätigung vom 25. Mai 1994 folgende Leiden fest: Durchblutungsstörungen, Morbus Meniere, Hausstaubmilbenallergie, Wirbelsäulenfehlstellung mit Bandscheibenläsion, varicöser Symptomenkomplex, Migräne cervicale, Zustand nach Arthroskopie beider Kniegelenke, rechts Meniskusläsion medial, links Chondropathie und Zustand nach Menisektomie, linke Schulter Supraspinatussyndrom und Arthritis im rechten Acromeo-Clavikulagelenk, weiters ein endoreaktiv-subdepressives Syndrom und eine hyperfunktionelle Dysphonie.

Der Befundbericht des allgemeinen Krankenhauses der Elisabethinen bestätigt die Vornahme von endoskopischen Meniskusoperationen an beiden Knien sowie einer Resektion der Plica mediopatellaris.

Zur Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 9 Pensionsgesetz 1965 wurden von der belangten Behörde keine weiteren Gutachten eingeholt.

Mit Schreiben vom 15. Juni 1994 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Ermittlungsergebnis mit. Die Beschwerdeführerin sei insbesondere wegen der Probleme mit der Stimme zwar für den Dienst als Hauptschullehrerin unfähig geworden, die ihr verbliebenen körperlichen und geistigen Kräfte reichten jedoch durchaus aus, einer anderen, nicht im Lehrberuf liegenden, sozial jedoch zumutbaren Beschäftigung nachzugehen. Als mögliche Verweisungsberufe nannte die belangte Behörde die Tätigkeit als Bibliothekarin oder in der Verwaltung. Die Voraussetzungen für eine Zurechnung von Jahren gemäß § 9 Abs. 1 Pensionsgesetz 1965 seien nicht gegeben.

In ihrem Schreiben vom 22. Juni 1994 brachte die Beschwerdeführerin vor, daß subjektiv gesehen und von den Fachärzten objektiv festgestellt eine zumutbare uneingeschränkte Erwerbsgelegenheit in Zukunft nicht in Betracht komme.

Mit Bescheid vom 30. September 1994 stellte die belangte Behörde - ohne weitere Verfahrensschritte - fest, daß eine Zurechnung von Jahren zur ruhegenußfähigen Dienstzeit gemäß § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 nicht stattfinde.

Begründend wurde nach Wiedergabe des Sachverhaltes und der Rechtslage dargelegt, wie die erstatteten Befunde hinsichtlich ihrer Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen seien: Die hyperfunktionelle Dysphonie (Störung der normalen Stimmbildung) stelle naturgemäß für die Tätigkeit als Lehrerin eine schwere Beeinträchtigung dar; sie schließe aber alle anderen Tätigkeiten, die mit einem vergleichsweise geringen Anspruch an die Sprechfähigkeit verbunden seien, nicht aus. So müsse z.B. eine Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Bibliothekarin oder in der Verwaltung für durchaus zumutbar erachtet werden. Die mit dem Morbus Meniere verbundenen Schwindelattacken träten dem amtsärztlichen Gutachten zufolge nur fallweise auf. Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. K. spreche in seinem Gutachten davon, daß sich diese Schwindelsymptomatik in den letzten zwei Jahren durch medikamentöse Behandlung deutlich gebessert habe. Dieser Befund bilde daher keine Grundlage für die Unfähigkeit zur Ausübung eines zumutbaren Erwerbs; selbst der Lehrberuf könnte weiterhin ausgeübt werden. Die Neurasthenie wiederum werde ausdrücklich nur im amtsärztlichen Gutachten erwähnt. Das eingehendere fachärztliche Gutachten Dris. K. spreche allerdings von der privaten Belastung, der die Beschwerdeführerin wegen der großen Anforderungen im Zusammenhang mit ihrem 8-köpfigen Haushalt ausgesetzt sei. Diese Symptomatik sei aber nach Meinung der Dienstbehörde weniger als krankhafter Befund zu sehen, sondern vielmehr in der privaten Lebenslage der Beschwerdeführerin begründet. Eine Reduzierung der familiären Belastung würde hier eine Änderung zum Positiven mit sich bringen. Dieser durch die privaten Lebensverhältnisse begründete Erschöpfungszustand könne nicht für so weitgehend gehalten werden, um daraus eine Erwerbsunfähigkeit abzuleiten. Die Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates (Cervikal- und Lumbalsyndrom) lägen durchwegs mehrere Jahre zurück. Sie gingen offensichtlich auf außerberufliche Belastungen (z.B. Gartenarbeiten) zurück. Da es außerdem offenbar gelungen sei, die Beschwerden durch gezielte orthopädische Behandlung zu beheben, könne diesem physischen Mangel keine Grundlage für die Unfähigkeit zur Ausübung eines zumutbaren Erwerbes zuerkannt werden. Dem Befundbericht des Landeskrankenhauses der Elisabethinen sei in diesem Zusammenhang nichts abzugewinnen, da er lediglich eine Aufzählung der durchgeführten Therapien enthalte. Die im ärztlichen Gutachten Dris. P. erwähnte Hausstaubmilbenallergie werde fachärztlich behandelt. Die Dienstbehörde könne in diesem Befund kein Hindernis zur Ausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit erblicken.

Die Gesamtheit der durch die verschiedenen Krankheiten bedingten Beeinträchtigungen der Lebensbetätigungen wirke sich nicht so schwerwiegend aus, daß die Beschwerdeführerin nicht in der Lage wäre, einem anderen, nicht im Lehrberuf liegenden, ihr sozial zumutbaren Erwerb nachzugehen. Dabei kämen beispielsweise Büroberufe oder die Tätigkeit als Bibliothekarin in Betracht, die der eingeschränkten Sprechfähigkeit Rechnung tragen würden.

Von der Möglichkeit zur Stellungnahme habe die Beschwerdeführerin am 22. Juni 1994 insofern Gebrauch gemacht, als sie dem Amt schriftlich mitgeteilt habe, daß sie der Meinung sei, daß für sie subjektiv gesehen und von den Fachärzten objektiv festgestellt eine zumutbare uneingeschränkte Erwerbsgelegenheit in Zukunft nicht in Betracht käme. Weitere medizinische Unterlagen bzw. Entkräftigungen der im Schreiben der belangten Behörde vom 15. Juni 1994 dargelegten Schlußfolgerungen fänden sich in der Stellungnahme nicht. Aufgrund der vorliegenden Sachverständigennachweise sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 106 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG), BGBl. Nr. 302/1984, lautet:

"(1) Für das Besoldungs- und Pensionsrecht gelten unter Bedachtnahme auf Abs. 2 folgende Vorschriften, soweit nicht in den nachstehenden Bestimmungen anderes bestimmt wird:

1.

.....

2.

das Pensionsgesetz 1965, BGBl. Nr. 340, ........

(2) Die nach Abs. 1 für Landeslehrer und ihre Hinterbliebenen für anwendbar erklärten Vorschriften sind in ihrer jeweils geltenden Fassung (einschließlich der in den Novellen zu diesen Vorschriften sonst enthaltenen Bestimmungen, soweit sich diese auf die in Abs. 1 genannten Rechtsbereiche beziehen) mit der Maßgabe anzuwenden, daß

Z. 1 ....

Z. 4 bezüglich der Ausübung der Diensthoheit sich die Zuständigkeit nach § 2 richtet, ...."

§ 2 leg. cit. lautet:

"Dienstbehörden (einschließlich der Leistungsfeststellungs- und Disziplinarbehörden) im Sinne dieses Bundesgesetzes sind jene Behörden, die zur Ausübung der Diensthoheit über die im § 1 genannten Personen hinsichtlich der einzelnen dienstbehördlichen Aufgaben durch die gemäß Art. 14 Abs. 4 lit. a B-VG erlassenen Landesgesetze berufen sind."

§ 1 des Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes, LGBl. für Kärnten Nr. 16/1965, lautet:

"Die Ausübung der Diensthoheit über die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Lande stehenden Lehrer für öffentliche Volks-, Haupt- und Sonderschulen, Polytechnische Lehrgänge und Berufsschulen (Landeslehrer) obliegt, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird, der Landesregierung."

§ 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965 in der Fassung der 8. Pensionsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 426/1985, lautet:

"(1) Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm seine oberste Dienstbehörde aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre, zu seiner ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen."

Gemäß § 36 Abs. 1 PG 1965, BGBl. Nr. 340/1965, hat die Dienstbehörde, soweit die Beurteilung eines Rechtsbegriffes von der Beantwortung von Fragen abhängt, die in das Gebiet ärztlichen Fachwissens fallen, durch ärztliche Sachverständige Beweis zu erheben.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Zurechnung von Jahren zu ihrer ruhegenußfähigen Dienstzeit nach § 9 Abs. 1 PG durch unrichtige Anwendung dieser Norm sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG, §§ 37, 39, 60 AVG) verletzt.

Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften macht die Beschwerdeführerin im wesentlichen geltend, daß mindestens zur Frage der nervösen Erschöpfungszustände bzw. des Stütz- und Bewegungsapparates (Schultergelenk) Ergänzungen der vorliegenden Gutachten erforderlich gewesen wären; bezüglich der Hausstaubmilbenallergie hätte sogar ein vollständiges Gutachten eingeholt werden müssen. Als weitere entscheidende Tatsachenfrage sei vollständig ungeklärt geblieben, welche Auswirkungen die Gesundheitsstörungen speziell auch in ihrem Zusammenwirken auf die berufliche Leistungsfähigkeit hätten und welche Berufsbilder im Hinblick darauf noch in Frage kommen könnten. Das eine wäre durch entsprechende Ergänzungen der medizinischen Sachverständigengutachten zu ermitteln gewesen, das andere durch die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens. Daraus hätte sich ergeben, daß allein schon die Kombination aus Sprechbeeinträchtigung, Schwindelanfällen und Hausstaubmilbenallergie jede zumutbare Beschäftigung ausschließen würde.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, daß die Rechtslage in der Bescheidbegründung von der belangten Behörde an sich richtig beschrieben werde; von einer richtigen Anwendung auf den gegenständlichen Sachverhalt könne jedoch nicht die Rede sein. Dem sozialen Status nach könne einem Lehrer zweifellos nur eine Beschäftigung zugemutet werden, die im allgemeinen Berufsleben dem Maturantenniveau mit erheblicher Zusatzausbildung entspreche; gewöhnliche Bürotätigkeiten kämen daher nicht in Betracht, jede Tätigkeit mit Parteienverkehr würde an der eingeschränkten Sprechfähigkeit scheitern. Gegen eine Tätigkeit als Bibliothekarin sprächen sowohl die Gefahr von Schwindelanfällen als auch die Hausstaubmilbenallergie. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung könne keineswegs eine zumutbare weitere Erwerbsfähigkeit angenommen werden.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung zu § 9 Abs. 1 PG die Auffassung, daß die Behörde die in einem Verfahren nach der genannten Gesetzesstelle entscheidende Rechtsfrage, ob der Beamte noch "zu einem zumutbaren Erwerb" fähig ist, nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Versetzung des Beamten in den Ruhestand zu lösen hat; hiebei hat sie zunächst auf der Grundlage eines mängelfreien und schlüssigen ärztlichen Gutachtens die Frage zu beantworten, ob der Beamte überhaupt noch zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigt ist; bejahendenfalls hat sie sodann auf der Grundlage dieses sowie eines mängelfreien und schlüssigen berufskundlichen Gutachtens die Frage zu klären, ob dem Beamten jene Erwerbstätigkeiten, die er nach seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit vom medizinischen Standpunkt aus noch auszuüben vermag, zugemutet werden können; letzteres ist dann der Fall, wenn diese Tätigkeiten ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme solcher Tätigkeiten vom Beamten auch nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann. Ob dem Beamten eine solche Beschäftigung, die an sich Gegenstand des allgemeinen Arbeitsmarktes ist, tatsächlich vermittelt werden kann, ist für die abstrakt vorzunehmende Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ohne Bedeutung. In einem dem Standpunkt des Beamten nicht vollinhaltlich Rechnung tragenden Bescheid nach § 9 Abs. 1 PG hat die Behörde entsprechend den §§ 58 Abs. 2, 60 AVG und § 1 DVG in einer sowohl die Wahrnehmung der Rechte durch den Beamten als auch die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglichenden Art und Weise die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1994, Zl. 94/12/0162, und die dort zitierte Judikatur).

Das im Beschwerdefall durchgeführte Verfahren wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Schon die Gutachten der beigezogenen medizinischen Sachverständigen erweisen sich als mangelhaft. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Februar 1992, Zl. 90/12/0140) muß ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Mit anderen Worten:

Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlußfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteils (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen beschafft wurden, erkennen läßt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht. Der Sachverständige muß also, damit eine Schlüssigkeitsprüfung seines Gutachtens vorgenommen werden kann, auch darlegen, auf welchem Wege er zu seinen Schlußfolgerungen gekommen ist. Sind andere Gutachten oder Befunde Bestandteile des Sachverständigengutachtens geworden, so müssen sie insoweit den eben dargelegten Anforderungen entsprechen, die an ein Sachverständigengutachten zu stellen sind.

Das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. K., das im Beschwerdefall eine wesentliche Entscheidungsgrundlage dargestellt hat, erschöpft sich - abgesehen von der Anamnese - in der Abgabe eines sehr knappen Befundes. Schlußfolgerungen im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin werden nicht gezogen, sieht man von der lapidaren Feststellung ab, daß eine längerfristige berufliche Entlastung zu empfehlen sei.

Das amtsärztliche Gutachten enthält einen ebenfalls knappen, dem Gutachten Dris. K. teilweise widersprechenden Befund. Die "Beurteilung", also das Gutachten im engeren Sinn, erschöpft sich in der Aussage, daß aufgrund der Dysphonie in Verbindung mit der subdepressiven Symptomatik dauernde Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin bestehe. Auf die Voraussetzungen der von der Dienstunfähigkeit zu unterscheidenden Erwerbsunfähigkeit (vgl. zu den Begriffsbestimmungen z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. November 1994, Zl. 94/12/0162) geht das Gutachten, das im Pensionierungsverfahren erstattet und im Verfahrens nach § 9 PG nicht ergänzt wurde, überhaupt nicht ein.

Die weiteren der belangten Behörde vorliegenden medizinischen Unterlagen stellen schon im Hinblick auf ihre eingeschränkte Zielsetzung keine den oben genannten Anforderungen entsprechenden Sachverständigengutachten dar.

Da in Anbetracht der diagnostizierten Beschwerden - wie Morbus Meniere, Dysphonie, Neurasthenie, Hausstaubmilbenallergie, depressive Zustände - bei Einholung eines zusammenfassenden (das Zusammenspiel der verschiedenen Krankheiten der Beschwerdeführer berücksichtigenden) medizinischen Sachverständigengutachtens ein für die Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis nicht ausgeschlossen werden kann, hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet.

Sollte sich herausstellen, daß die Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht eingeschränkt erwerbsfähig ist, wäre die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens erforderlich. Von der Einholung eines derartigen Gutachtens könnte nur dann abgesehen werden, wenn aus anderen Umständen (wie z. B. einer tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit) verläßliche Rückschlüsse für den rechtserheblichen Sachverhalt gewonnen werden können (vgl. dazu das bereits genannte Erkenntnis vom 16. November 1994).

Da aber schon die für den Ausgang des Verfahrens rechtserheblichen medizinisch zu beurteilenden Tatsachen nicht ausreichend klargestellt wurden, war der angefochtene Bescheid aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Februar 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1994120352.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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