TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/9 LVwG-AV-274/001-2019

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Veröffentlicht am 09.04.2019
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Entscheidungsdatum

09.04.2019

Norm

GewO 1994 §13 Abs3
GewO 1994 §26 Abs2
IO §256
IO §123a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Cervenka-Ehrenstrasser über die Beschwerde des A, vertreten durch RA B, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 28. Jänner 2019, ***, betreffend Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass das Ansuchen um Erteilung der Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung für die Ausübung des Gewerbes „Maler und Anstreicher verbunden mit Lackierer; Vergolder und Staffierer; Schilderhersteller (verbundenes Handwerk)“ zurückgewiesen wird.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom 5. Juni 2018 hat A, wohnhaft in ***, ***, einen Antrag auf Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung für die Ausübung des

Gewerbes „Maler und Anstreicher verbunden mit Lackierer, Vergolder und Staffierer; Schilderhersteller (verbundenes Handwerk)“ gemäß § 26 Abs. 2 GewO 1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt gestellt.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 28. Jänner 2019, ***, wurde der Antrag auf Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung für die Ausübung des Gewerbes „Maler und Anstreicher verbunden mit Lackierer; Vergolder und Staffierer; Schilderhersteller (verbundenes Handwerk)“ gemäß § 26 Abs. 2 GewO 1994 abgewiesen.

In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts *** vom 21. Dezember 2017, Zl. ***, über das Vermögen von A das Konkursverfahren mangels Kostendeckung aufgehoben worden sei.

Über Anfrage der Bezirkshauptmannschaft habe die NÖ Gebietskrankenkasse in ihren Stellungnahmen vom 11. Juni 2018 und vom 20. November 2018 ausgeführt, dass angesichts der Rückstandssituation eine weitere Gewerbeausübung nicht im Interesse der NÖ Gebietskrankenkasse liege. Herr A schulde der NÖ Gebietskrankenkasse Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von € 32.241,43 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen, es bestehe kein aufrechtes Zahlungsübereinkommen, ein Ratenansuchen sei abgewiesen worden, da Herr A die letzte Ratenvereinbarung vom 23. März 2018 nicht eingehalten habe.

Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe mit Schreiben vom 22. August 2018 und vom 7. Dezember 2018 ebenfalls mitgeteilt, dass angesichts des Beitragsrückstandes die Erteilung der Nachsicht vom Gewerbeausschluss sowie eine neuerliche Gewerbeanmeldung nicht in ihrem Interesse liege, solange ein offener Beitragsrückstand bestehe. Es bestehe zwar derzeit eine aufrechte Zahlungsvereinbarung, jedoch sei Herr A mit seinen Ratenzahlungen im Rückstand und habe bereits eine Mahnung erhalten. Die Ratenvereinbarung werde daher demnächst wieder beendet werden.

Entsprechend dieser Stellungnahmen könne daher festgestellt werden, dass Herr A aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage die offenen Rückstände nicht begleichen könne. Auch eine langfristige erfolgreiche Einhaltung einer Zahlungsvereinbarung mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft und der NÖ Gebietskrankenkasse und somit die Begleichung der offenen Rückstände bei den Versicherungen könne nicht erwartet werden.

Es könne auch nicht erwartet werden, dass er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungsverpflichtungen nachkommen werde.

Dagegen hat A, vertreten durch RA B, ***, ***, fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, dass der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt dahingehend abgeändert werde, dass dem Antrag auf Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung gemäß § 26 Abs. 2 GewO 1994 stattgegeben werde.

Dazu wurde vorgebracht, dass er aufgrund eines bereits einige Zeit zurückliegenden Konkursverfahrens Verbindlichkeiten gegenüber der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe, auf diese Verbindlichkeiten habe er in den letzten Monaten immer wieder Teilzahlungen geleistet. Aktuell gebe es mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft eine Ratenzahlungsvereinbarung, gemäß welcher er monatlich € 167,-- zu zahlen habe. Die letzte Rate sei im Februar 2021 fällig. Zum Beweis war ein Schreiben der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 14. Februar 2019 betreffend Bewilligung einer Zahlungsvereinbarung angeschlossen.

Auch bei der Gebietskrankenkasse habe er sich um eine Ratenvereinbarung bemüht, welche ihm vorerst zugesichert, letztlich jedoch nicht zuerkannt worden sei.

Der Umstand, dass er trotz seiner geringfügigen Bezüge nicht unerhebliche Zahlungen an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse sowie an die Sozialversicherungsanstalt geleistet habe, zeige seinen Zahlungswillen. Aufgrund seines Gesundheitszustandes - ihm sei ein Finger amputiert und dabei Nerven von der Hand nachhaltig verletzt worden - sei es ihm nicht mehr möglich, einer unselbständigen Beschäftigung nachzugehen. Die einzige Chance, die offenen Forderungen zu begleichen, sehe er in einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Die körperlichen Arbeiten, welche ihm nicht mehr möglich seien, würden von einem Arbeitnehmer zu verrichten sein. Es müsse im Interesse sämtlicher Beteiligter, insbesondere im Interesse der Gebietskrankenkasse und der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gelegen sein, ihm die Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung zu erteilen.

Mit Schreiben vom 5. März 2019 hat die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt die Beschwerde und den bezughabenden Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem Ersuchen um Entscheidung übermittelt.

Mit Schreiben vom 4. April 2019 hat der Beschwerdeführer bekannt gegeben, dass er Zahlungen aufgrund der Ratenzahlungsvereinbarung mit der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft geleistet habe. Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft habe daher auch das Exekutionsverfahren eingestellt, eine Kopie des diesbezüglichen Beschlusses des Bezirksgerichts *** samt einer Kopie des Antrags auf Einstellung der Exekution war dem Schreiben angeschlossen.

Bezüglich der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse habe es seinerseits Bemühungen gegeben, eine neue Ratenvereinbarung zu erreichen, welche jedoch erfolglos gewesen seien. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2018 sei das Ratenansuchen abgelehnt worden, zwischenzeitlich habe die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse einen Konkursantrag beim Bezirksgericht *** eingebracht. Das Scheitern einer Ratenvereinbarung sei jedenfalls nicht aus seinem Verschulden erfolgt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 5. April 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der Beweis aufgenommen wurde durch Verlesung des Aktes der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt, ***, und des Aktes des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, LVwG-AV-274/2019, sowie durch Verlesung des Auszuges aus der Insolvenzdatei vom 5. April 2019 zum Verfahren *** des Bezirksgerichtes ***. Zu dieser Verhandlung ist der nunmehrige Beschwerdeführer nicht erschienen

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu wie folgt erwogen:

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist von folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen auszugehen:

Mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts *** vom 5. Dezember 2017, ***, wurde der Konkurs über das Vermögen von A mangels Kostendeckung aufgehoben. Der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in diesen Insolvenzfall gewährt wird, ist mit Ablauf des 5. Dezember 2018 abgelaufen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes *** vom 1. April 2019 zur Zahl *** wurde das Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des nunmehrigen Beschwerdeführers mangels Kostendeckung nicht eröffnet. Zu diesem Konkursantrag ist es über Veranlassung der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse gekommen. Der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in diesem Insolvenzfall gewährt wird, ist noch nicht abgelaufen. Dieser Beschluss ist noch nicht rechtskräftig.

Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht aufgrund folgender Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen beruhen auf dem unbedenklichen Akt der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt zur Zahl ***. Die Feststellungen zu den Insolvenzverfahren beim Landesgericht *** zur Z. *** sowie beim Bezirksgericht *** zur Z. *** beruhen insbesondere auf der Einsicht in die Insolvenzdatei im Akt der belangten Behörde bzw. in den Auszug der Insolvenzdatei vom 5. April 2019. Im Übrigen sind die getroffenen Feststellungen nicht strittig.

In rechtlicher Hinsicht wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles ... und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Folgende rechtliche Bestimmungen kommen zur Anwendung:

§ 13 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lautet:

(3) Rechtsträger sind von der Gewerbeausübung als Gewerbetreibende (§ 38 Abs. 2) ausgeschlossen, wenn

                 1. das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet oder aufgehoben wurde und

                 2. der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, noch nicht abgelaufen ist.

Dies gilt auch, wenn ein mit dem angeführten Ausschlussgrund vergleichbarer Tatbestand im Ausland verwirklicht wurde.

§ 26 Abs. 2 GewO 1994 lautet:

(2) Die Behörde hat im Falle des Ausschlusses von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs. 3 oder 4 die Nachsicht von diesem Ausschluß zu erteilen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage des Rechtsträgers erwartet werden kann, daß er den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird.

§ 256 Insolvenzordnung (IO) lautet:

(1) In die Ediktsdatei sind die Daten aufzunehmen, die nach diesem Bundesgesetz öffentlich bekanntzumachen sind (Insolvenzdatei).

(2) Die Einsicht in die Insolvenzdatei ist nicht mehr zu gewähren, wenn ein Jahr vergangen ist seit

1.

der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach §§ 123a, 123b und 139,

2.

Ablauf der im Sanierungsplan vorgesehenen Zahlungsfrist, wenn dessen Erfüllung nicht überwacht wird,

3.

Beendigung oder Einstellung der Überwachung des Sanierungsplans,

4.

Ablauf der im Zahlungsplan vorgesehenen Zahlungsfrist oder

5.

der vorzeitigen Einstellung oder Beendigung des Abschöpfungsverfahrens.

(3) Auf Antrag des Schuldners ist die Einsicht in die Insolvenzdatei bereits dann nicht mehr zu gewähren, wenn der rechtskräftig bestätigte Sanierungsplan oder Zahlungsplan erfüllt worden ist. Der Schuldner hat die Erfüllung urkundlich nachzuweisen. Mit der Prüfung der Erfüllung kann das Gericht einen Sachverständigen beauftragen, dessen Kosten vom Schuldner zu tragen sind. Über die Einsicht entscheidet das Gericht mit unanfechtbarem Beschluss.

(4) Die Einsicht in die Eintragung der mangels kostendeckenden Vermögens oder wegen Vermögenslosigkeit nach § 68 nicht eröffneten Insolvenzverfahren ist nach drei Jahren nach der Eintragung nicht mehr zu gewähren.

§ 123a IO lautet:

Kommt im Lauf des Insolvenzverfahrens hervor, dass das Vermögen zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens nicht hinreicht, so ist das Insolvenzverfahren aufzuheben. Die Aufhebung unterbleibt, wenn ein angemessener Kostenvorschuss geleistet wird.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts *** vom 21. Dezember 2017, ***, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen von A mangels Kostendeckung nicht eröffnet. Gemäß § 256 Abs. 2 Z. 1 IO ist die Einsicht in die Insolvenzdatei nicht mehr zu gewähren, wenn ein Jahr vergangen ist seit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach §§ 123a, 123b und 139. Mit Ablauf des 5. Dezember 2018 war daher der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, bereits abgelaufen ist, sodass diesbezüglich zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides der Gewerbeausschlussgrund des § 13 Abs. 3 GewO 1994 nicht mehr vorgelegen ist.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts *** zur Zahl *** vom 1. April 2019 wurde jedoch ein Schuldenregulierungsverfahren betreffend den Schuldner A mangels Kostendeckung nicht eröffnet. Der Zeitraum, in dem in der Insolvenzdatei Einsicht in den genannten Insolvenzfall gewährt wird, ist noch nicht abgelaufen. Sache des Verfahrens ist der Antrag auf Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung gemäß § 13 Abs.3 GewO 1994. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung an Hand der im Zeitpunkt seiner Entscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage zu treffen. § 13 Abs. 3 Z. 1 GewO 1994 setzt voraus, dass das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens rechtskräftig nicht eröffnet worden ist. Da der genannte Beschluss des Bezirksgerichts *** zur Z. *** vom 1. April 2019 zum Zeitpunkt dieser Entscheidung noch nicht rechtskräftig war, liegt weiterhin kein Gewerbeausschließungsgrund nach § 13 Abs. 3 GewO vor, sodass der Antrag auf Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung mangels Vorliegen eines Gewerbeausschließungsgrundes zurückzuweisen ist.

Der angefochtene Bescheid war daher spruchgemäß abzuändern.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht das gegenständliche Erkenntnis von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Gewerbeausübung; Ausschluss; Nachsicht; finanzielle Leistungsfähigkeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.274.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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