TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/17 LVwG-AV-302/001-2019

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Veröffentlicht am 17.04.2019
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Entscheidungsdatum

17.04.2019

Norm

BAO §207 Abs2
BAO §208 Abs1
BAO §209a Abs1
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §10
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §15 Abs4
GdwasserleitungsG NÖ 1978 §15 Abs6

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Hofrat Mag. Röper als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, ***, ***, vom 24. Februar 2019 gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 30. Jänner 2019, Zl. ***, mit welchem der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 25. September 2018, betreffend Wasserbezugsgebühr keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt worden war, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1.       Sachverhalt:

1.1. Grundsätzliche Feststellungen:

Herr A (in der Folge: Beschwerdeführer) ist grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes Nr. *** EZ ***, KG ***, welches die topographische Anschrift ***, ***, aufweist:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

(Quelle: imap geodaten des Landes Niederösterreich, Abfrage vom 12. Februar 2019)

Die Liegenschaft ist an die Ortswasserleitung angeschlossen.

Mit Beschluss des Gemeinderates der Marktgemeinde *** in der Sitzung vom 1. September 1969 war beschlossen worden, dass „die Gemeindebediensteten die Wasserabgabe ohne Entgelt“ erhalten sollten.

In den Jahren 2013 bis 2017 ist für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft kein Bescheid über die Wasser-Endabrechnung ergangen. Die Wasser-Endabrechnung erfolgte mittels einer vierteljährlichen Lastschriftanzeige. Die Bekanntgabe der verbrauchten Wassermenge erfolgte in diesem Zeitraum durch den Beschwerdeführer im Wege der Selbstablesung.

1.2. Abgabenbehördliches Verfahren:

1.2.1.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde *** vom 25. September 2018, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer für die Liegenschaft mit der Anschrift ***, ***, für den Zeitraum 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2017 die Wasserbezugsgebühr wie folgt vorgeschrieben:

Jahr             Verbrauch           Grundgebühr  Wasserbezugsgebühr

2013       155,00 m³   € 2,05    € 317,75

2014       165,00 m³   € 2,05    € 338,25

2015       170,00 m³   € 2,05    € 348,50

2016       110,00 m³   € 2,20    € 242,00

2017       150,00 m³   € 2,20    € 330,00

Summe               € 1.576‚50

Davon bereits bezahlt:      € - 690,47

Gesamtbetrag am Fälligkeitstag zu entrichten:   € 1.043,68

Begründend wurde unter Verweis auf § 10 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 ausgeführt, dass gemäß der jeweiligen Fassung der Wasserabgabenordnung der Marktgemeinde *** für die Jahre 2013, 2014 und 2015 war die Grundgebühr mit € 2,05 (pro m³) festgesetzt gewesen sei. Für die Jahre 2016 und 2017 sei diese mit € 2,20 (pro m³) festgesetzt gewesen.

1.2.2.

Mit Schreiben vom 12. November 2018 erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid vom 25. September 2018 und begründete diese im Wesentlichen damit, dass im Lichte des Beschlusses des Gemeinderates vom 1. September 1969 die Marktgemeinde *** ihren Bediensteten Dienstleistungen in irgendeiner Form gewährt habe. Der aufrechte Beschluss könne nur mit Beschluss des Gemeinderates abgeändert bzw. aufgehoben werden. Im vorliegenden Fall gelangten mindestens 6 Jahre zur Vorschreibung. Die Festsetzungsverjährung trete bei Gemeindeabgaben fünf Jahre nach Ablauf des Jahres ein, in dem der Abgabenanspruch entstanden sei.

1.2.3.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 30. Jänner 2019, Zl. ***, wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Begründend wird nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und der als maßgeblich erachteten Rechtsvorschriften ausgeführt, dass am 1. September 1969 der Gemeinderat der Marktgemeinde *** beschlossen habe, dass die Gemeindebediensteten die Wasserabgabe ohne Entgelt erhalten sollten. Aufgrund dieses Beschlusses sei bis vor kurzem an einige Gemeindebedienstete keine und an andere Gemeindebedienstete nur teilweise Wassergebühren vorgeschrieben worden. Anderen Gemeindebediensteten seien jedoch die vollen Wasserabgaben bzw. Wassergebühren vorgeschrieben worden. Die Existenz eines Gemeinderatsbeschlusses über eine gänzliche oder teilweise Befreiung von ehemaligen Gemeindebediensteten von den Wassergebühren, wie er in der gegenständlichen Berufung erwähnt werde, könne bis zum heutigen Tag nicht bestätigt werden. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes seien Abmachungen zwischen dem Abgabengläubiger und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld, wie etwa auch über einen teilweisen oder gänzlichen Verzicht auf die Abgabenforderung, ohne abgabenrechtliche Bedeutung. Insbesondere könne die Behörde ohne gesetzliche Ermächtigung auf die Erhebung von Abgaben nicht verzichten. Diese Berechnung oder Begünstigung sei entgegen den Bestimmungen des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetzes und entgegen der jeweiligen Wasserabgabenordnung der Marktgemeinde *** erfolgt und sei somit aus diesen Gründen unzulässig gewesen. Gemäß § 114 BAO hätten Abgabenbehörden darauf zu achten, dass alle Abgabenpflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfasst und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, dass Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden.

1.3. Beschwerdevorbringen:

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24. Februar 2019 rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und führte begründend im Wesentlichen aus, dass der Gemeinderat der Marktgemeinde *** in seiner Sitzung vom 1. September 1969 folgendes beschlossen habe:

[Abweichend vom Original – Bild nicht wiedergegeben]

„…

…“

Jetzt die Wasserabgabe schlagartig 5 bzw. 6 Jahre rückwirkend vorzuschreiben - ohne vorherige Aufhebung des Beschlusses - sei schon außergewöhnlich. Die Gemeinderatsbeschlüsse seien zu vollziehen und es hätten die Gemeindebediensteten bereits gutgläubige Rechte erworben. Auch habe er in den Jahren zuvor niemals einen Bescheid über die Wasser-Endabrechnung bekommen. Die Wasser-Endabrechnung habe er immer mittels einer Lastschriftanzeige erhalten. Bescheide für die Jahre 2013 bis 2017 lägen nicht vor. Eine Lastschriftanzeige entspreche in Wirklichkeit nicht den Formen eines Bescheides.

1.4. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 8. März 2019 legte die Marktgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Gemeindevorstandes) vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Einsichtnahme in den bezughabenden Akt der Marktgemeinde *** sowie durch in das öffentliche Grundbuch Beweis aufgenommen.

1.5. Beweiswürdigung:

Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt.

2.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:

§ 1. ( 1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden.

§ 114. (1) Die Abgabenbehörden haben darauf zu achten, daß alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfaßt und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, daß Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden. Sie haben alles, was für die Bemessung der Abgaben wichtig ist, sorgfältig zu erheben und die Nachrichten darüber zu sammeln, fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

2.2. NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978, LGBl. 6930-6:

Wasserbezugsgebühr

§ 10. (1) Für den Wasserbezug aus der Gemeindewasserleitung ist eine Wasserbezugsgebühr zu entrichten.

(2) Die Wasserbezugsgebühr ist derart zu berechnen, daß die vom Wasserzähler innerhalb eines Ablesungszeitraumes als verbraucht angezeigte Wassermenge in Kubikmeter mit der für einen Kubikmeter festgesetzten Grundgebühr vervielfacht wird.

(3) Als verbrauchte Wassermenge hat die Differenz zwischen der vom Wasserzähler am Ende des Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl abzüglich der am Ende des vorhergegangenen Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl zu gelten.

(4) Der Ablesungszeitraum ist vom Gemeinderat in der Wasserabgabenordnung festzusetzen und darf nicht kürzer als zwei Monate sein.

(8) Wenn die Richtigkeit der vom Wasserzähler angezeigten Wassermenge bestritten und dessen Prüfung beantragt wird, so hat die Gemeinde die Prüfung durch die Eichbehörde zu veranlassen und den Wasserzähler während der gesamten Verfahrensdauer aufzubewahren. Ergibt die Prüfung, daß die Wassermenge richtig gemessen wird, hat der Abgabenschuldner der Gemeinde die Prüfungskosten zu ersetzen. Die Wassermenge gilt auch dann als richtig gemessen, wenn die Abweichung nicht mehr als 5 vom Hundert beträgt. Beträgt die Abweichung mehr als 5 vom Hundert, ist die Wassermenge zu schätzen.

Entstehung des Abgabenanspruches; Abgabenschuldner

§ 15. (4) Der Anspruch auf die Wasserbezugsgebühr entsteht mit Ablauf des Ablesungszeitraumes, in dem die der Berechnung der Wasserbezugsgebühr zugrundegelegte Wassermenge verbraucht wurde. Dies gilt im Fall des § 11 Abs. 3 sinngemäß.

(6) Abgabenschuldner ist der Eigentümer der angeschlossenen Liegenschaft, sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nicht anderes ergibt.

2.3. Wasserabgabenordnung der Marktgemeinde *** idF vom 29. Oktober 2012:

Wasserbezugsgebühren

§ 6. (1) Die Wasserbezugsgebühren werden für Liegenschaften, für die von der Gemeinde ein Wassermesser beigestellt ist, nach den Bestimmungen des § 10 Abs.2 des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 berechnet.

(2) Für die im Abs. (1) genannten Liegenschaften wird die Grundgebühr für 1 m³ Trinkwasser mit € 2,05 festgelegt.

2.4. Wasserabgabenordnung der Marktgemeinde *** idF vom 14. Dezember 2015:

Grundgebühr zur Berechnung der Wasserbezugsgebühr

§ 7. (1) Die Grundgebühr gemäß § 10 Abs. 5 des NÖ Gemeindewasserleitungsgesetzes 1978 wird für 1 m³ Wasser mit € 2,20 festgesetzt.

2.5. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:

         1.       Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;

         2.       Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;

         3.       Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.

(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden. …

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3.       Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Die Beschwerde ist nicht begründet.

3.1.1.

Grundsätzlich ist hervorzuheben, dass die im Zeitraum zwischen 2013 und 2017 abgelesene bzw. bezogene Wassermenge nicht bestritten wird.

Strittig ist vielmehr, ob angesichts des Gemeinderatsbeschlusses vom 1. September 1969 überhaupt (bzw. zur Hälfte) Abgaben vorgeschrieben werden durften.

3.1.2. Grundsätzliches:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Festsetzung einer Abgabe nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. z.B. VwGH 2005/17/0055 und VwGH 2005/17/0168). Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die Abgabenbehörden des mitbeteiligten Gemeindeverbandes rechtsrichtig die Wasserabgabenordnung in den Fassungen vom 29. Oktober 2012 und vom 14. Dezember 2015 den Vorschreibungen zugrunde gelegt haben.

Hinsichtlich der Wasserbezugsgebühr ergibt sich der Abgabentatbestand aus § 10 Abs. 1 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978. Gemäß § 10 Abs. 2 leg.cit. ist die Wasserbezugsgebühr derart zu berechnen, dass die vom Wasserzähler innerhalb eines Ablesungszeitraumes als verbraucht angezeigte Wassermenge in Kubikmeter mit der für einen Kubikmeter festgesetzten Grundgebühr vervielfacht wird. Die verbrauchte Wassermenge ergibt sich wiederum gemäß § 10 Abs. 3 leg.cit. aus der Differenz zwischen der vom Wasserzähler am Ende des Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl abzüglich der am Ende des vorhergegangenen Ablesungszeitraumes angezeigten Kubikmeteranzahl. Gemäß § 10 Abs. 4 leg.cit. ist der Ablesungszeitraum vom Gemeinderat in der Wasserabgabenordnung festzusetzen und darf nicht kürzer als zwei Monate sein.

Hervorzuheben ist, dass die Richtigkeit der angewendeten Gebührensätze vom Beschwerdeführer nicht beanstandet wurde.

3.1.3. Zur Verjährungseinrede:

Gemäß § 208 Abs. 2 BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Die Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein die Verwirklichung eines Abgabentatbestandes und das Bestehen einer Abgabenschuld voraus. Die Erfüllung des abgabenrechtlichen Tatbestandes ist Voraussetzung für die Vorschreibung einer Abgabe (vgl. VwGH 82/17/0085).

Im vorliegenden Fall ist der Anspruch auf die Wasserbezugsgebühr gemäß § 15 Abs. 4 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 mit Ablauf des Ablesungszeitraumes, in dem die der Berechnung der Wasserbezugsgebühr zugrunde gelegte Wassermenge verbraucht wurde, entstanden. Der Abgabenanspruch für das Jahr 2013 ist im selben Jahr entstanden.

Gemäß § 209 Abs. 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen werden.

Die Festsetzungsverjährung von 5 Jahren (§ 207 Abs. 2 BAO), beginnend mit Ablauf des Jahres der Entstehung des Anspruches (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO) wäre demnach mit Jahresende 2018 abgelaufen.

Verzögerungen im Rechtsmittelverfahren über die Verjährung hinaus stehen gemäß § 209a Abs. 1 BAO einer Berufungsentscheidung nicht im Wege. Dies gilt auch für die absolute Verjährung (vgl. VwGH 2010/15/0033 und VwGH 2012/15/0111). Auch durch eine meritorische Berufungsentscheidung in Abgabensachen wird eine Abgabe "festgesetzt" (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2206).

Im vorliegenden Fall wurden aber in den Jahren 2018 (Bescheid vom
25. September 2018) und 2019 (Berufungsverfahren bis zur Anrufung des Landesverwaltungsgerichtes) derartige Maßnahmen iSd § 209 BAO gesetzt, sodass eine Festsetzungsverjährung nicht eingetreten ist.

3.1.4. Zum Grundsatz von Treu und Glauben:

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Grundsatz von Treu und Glauben schützt nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit. Die Behörde ist vielmehr verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zeitigt der Grundsatz von Treu und Glauben nur insoweit Auswirkungen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. VwGH 2002/14/0148 und VwGH Ra 2015/15/0007).

Das Vertrauen auf die Beibehaltung einer von der Abgabenbehörde geübten (unrichtigen) Vorgangsweise (hier: die Nichtvorschreibung bzw. Teilvorschreibung der Abgabe über einen gewissen Zeitraum) ist nach der Rechtsprechung somit nicht schon deshalb im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben geschützt.

Eine Grenze für die Vorschreibung ergibt sich in einem solchen Fall lediglich aus den Verjährungsvorschriften der BAO (siehe dazu oben die Ausführungen unter Punkt 3.1.3.).

3.1.5. Zum Gemeinderatsbeschluss vom 1. September 1969:

Mit diesem Beschluss wurde gegenüber den Gemeindebediensteten ausgesprochen, dass diese Wasser ohne Entgelt beziehen sollen. Diese Regelung hat auf Grund ihres unstrittig dienstrechtlichen Bezuges somit einen zivilrechtlichen Inhalt.

Eine zivilrechtliche Rechtsgestaltung, der zufolge die Abgabenschuld trotz gegebener Tatbestandsmäßigkeit nicht (bzw. nicht in voller Höhe) entstünde, kann ohne eine diesbezügliche (Berücksichtigungsregelung) Regelung in den Abgabenvorschriften (Abgabenverfahrensvorschriften) weder das Entstehen des Abgabenanspruches hindern noch dessen Inhalt verändern. Entstehung, Inhalt und Erlöschen der Abgabenschuld, einschließlich des diesbezüglichen Verfahrens und der diesbezüglichen Rechtsformen hoheitlichen Handelns sind nämlich ausschließlich durch Gesetz geregelt (vgl. VwGH 99/17/0187).

Daraus folgt, dass die bisher offenbar gepflogene Vorgangsweise, bestimmten Gemeindebediensteten die die Abgabenschuld trotz gegebener Tatbestandsmäßigkeit nicht bzw. nicht in voller Höhe vorzuschreiben, rechtswidrig war. Die Behörde war damit verpflichtet, von dieser als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Dies auch deshalb, da die Behörde ohne gesetzliche Ermächtigung auf die Erhebung von Abgaben nicht verzichten darf (vgl. VwGH 88/17/0128).

3.1.6.

Mit dem im Instanzenzug bekämpften Bescheid vom 25. September 2018 wurde für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft erstmals die Wasserbezugsgebühr für die Jahre 2013 bis 2017 vorgeschrieben. Die durch die mitbeteiligte Gemeinde bis dahin geübte Praxis, die Wasser-Endabrechnung mittels einer vierteljährlichen Lastschriftanzeige zu bewerkstelligen 8insbesondere für die Jahre 2013 bis 2017), begründet im Übrigen auch keine entschiedene Sache (vgl. etwa VwGH 2006/16/0129), da es sich bei Lastschriftanzeigen nicht um Bescheide iSd BAO handelt (vgl. VwGH Ra 2014/17/0023 und VwGH 2010/17/0114, mwN).

3.1.7.

Auch sonst war der angefochtene Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde *** vom 30. Jänner 2019 unter dem Aspekt der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Beschwerdeführers nicht zu beanstanden, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

3.1.8.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt und ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die unter Punkt 3.1. auch dargelegt wird.

Schlagworte

Finanzrecht; Wasserbezugsgebühr; Abgabenanspruch; Entstehung; Lastschriftanzeige; Verjährung; Zivilrecht;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.302.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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