Entscheidungsdatum
21.05.2019Norm
GewO 1994 §1 Abs4Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde des A, in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 3. Mai 2019, Zl. ***, betreffend Bestrafungen nach der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
2. Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt und der Beschwerde ergibt sich nachstehender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
1.1. Mit als Aufforderung zur Rechtfertigung bezeichnetem Schriftsatz der belangten Behörde vom 3. April 2019 wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:
„Es wird Ihnen zur Last gelegt, folgende Verwaltungsübertretungen begangen zu haben:
Zeit: zumindest 02.04.2019 bis 03.04.2019
Ort: ***, ***
Tatbeschreibung:
1. Sie haben es als nach § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der B GmbH (FN ***) mit Firmensitz in ***, *** zu verantworten, dass diese Gesellschaft durch Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen auf der Homepage ***, und zwar werden laut Homepage "Elektroinstallationen im Stark- und Schwachstrombereich" durchgeführt, das reglementierte Gewerbe Elektrotechnik gem. § 94 Z.16 GewO 1994 ausgeübt hat, ohne hierfür die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
2. Sie haben es als nach § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der B GmbH (FN ***) mit Firmensitz in ***, *** zu verantworten, dass diese Gesellschaft durch Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen auf der Homepage ***, und zwar werden laut Homepage Lüftungsanlagen und Klimaanlagen montiert, das reglementierte Gewerbe Kälte- und Klimatechnik gem. § 94 Z.37 GewO 1994 ausgeübt hat, ohne hierfür die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
zu 1. § 94 Z.16, § 366 Abs.1 Z.1 Gewerbeordnung (GewO )1994
zu 2. § 94 Z.37, § 366 Abs.1 Z.1 Gewerbeordnung (GewO )1994“
1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer eine wortgleiche Tatbeschreibung wie in der Aufforderung zur Rechtfertigung zur Last gelegt und über ihn jeweils wegen Übertretung des § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 und jeweils gemäß § 366 Abs. 1 „Einführungssatz“ GewO 1994 Geldstrafen in der Höhe von jeweils 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils: 93 Stunden) zuzüglich Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs. 2 VStG verhängt.
Begründend findet sich im Straferkenntnis keine weitergehende Bezugnahme auf den Wortlaut der Ankündigung auf der Homepage.
1.3. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde mit näherer Begründung.
2. Rechtliche Erwägungen:
2.1. Zur Aufhebung und Einstellung:
2.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen der GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994, in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung (12. November 2018), lauten auszugsweise:
„1. Geltungsbereich(1) Dieses Bundesgesetz gilt, […], für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten.
(2) Eine Tätigkeit wird gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hiebei macht es keinen Unterschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll.
(3) Selbständigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird.
(4) Auch eine einmalige Handlung gilt als regelmäßige Tätigkeit, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann oder wenn sie längere Zeit erfordert. Das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen wird der Ausübung des Gewerbes gleichgehalten. […]
[…]
Strafbestimmungen(1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, begeht, wer
1.
ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben;
[…]“
2.1.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zu § 1 Abs. 4 zweiter Satz GewO 1994 festzuhalten, dass es beim – der Ausübung des Gewerbes gleich zu haltenden – Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit auf den in diesem Zusammenhang zu prüfenden objektiven Wortlaut und nicht etwa auf die Absicht des Anbietenden ankommt. Der Tatbestand des Anbietens einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 4 zweiter Satz GewO 1994 ist dann erfüllt, wenn einer an einen größeren Kreis von Personen gerichteten Ankündigung die Eignung zukommt, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass eine unter den Wortlaut der Ankündigung fallende gewerbliche Tätigkeit entfaltet wird (zB VwGH vom 25. Februar 2004, 2002/04/0069).
Auch Ankündigungen im Internet sind grundsätzlich geeignet eine Strafbarkeit gemäß §§ 366 Abs. 1 Z 1 iVm 1 Abs. 4 zweiter Satz auszulösen (vgl. das soeben zitierte Erkenntnis vom 25. Februar 2004).
Der Vorwurf einer unbefugten Gewerbeausübung durch Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen in Form von Ankündigungen bedarf der Anführung des Wortlautes der hierauf bezughabenden „Ankündigungen“ im Spruch des Straferkenntnisses (bzw. der Verfolgungshandlung), da tatbestandsbegründend ist, dass sich hieraus das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit zweifelsfrei ergibt (vgl. – betreffend eine Einschaltung in einem Telefonbuch – VwGH vom 17. März 1987, 85/04/0210).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu § 44a Z 1 VStG dargelegt hat, ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist in Ansehung aller Tatbestandselemente ermöglicht wird und die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Es sind daher insbesondere in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragrafenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Auch muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen. Schließlich muss der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. zB VwGH 2. Juni.1999, 99/04/0095 mit Hinweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Zl. 82/03/0265, VwSlg. 11466 A/1984).
An die Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 VStG sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieselben Anforderungen zu stellen, wie an die Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses nach § 44a Z 1 VStG (vgl. VwGH vom 18. Oktober 2012, 2012/04/0020 mit ausführlicher Begründung), wobei ein Straferkenntnis in seiner Gesamtheit als Verfolgungshandlung zu werten ist (vgl. VwGH vom 5. November 2013, 2013/09/0065).
2.1.3. Die Aufforderung zur Rechtfertigung und auch das angefochtene Straferkenntnis erkennen als „Anbieten“ einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit iSd § 1 Abs. 4 GewO 1994 zu Spruchpunkt 1. die Nennung der Wortfolge „Elektroinstallationen im Stark- und Schwachstrombereich“ auf der Homepage. Aus diesem Wortlaut lässt sich aber ein „Anbieten“ einer Tätigkeit nicht ableiten.
Zu Spruchpunkt 2. findet sich – entgegen der dargestellten Rechtsprechung – gar kein Wortlaut der Ankündigung, sondern lediglich die Schlussfolgerung, dass „laut Homepage Lüftungsanlagen und Klimaanlagen montiert“ würden; aufgrund welchen Wortlauts der Homepage die belangte Behörde zu dieser Schlussfolgerung kommt ist nicht Teil der Tatbeschreibung.
Tatbestandsbegründend ist aber wie dargestellt, dass sich aus der wörtlich zu nennenden Ankündigung das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit zweifelsfrei ergibt, was durch die Tatbeschreibungen im angefochtenen Straferkenntnis jeweils nicht erfolgt.
Eine alle erforderlichen Tatbestandselemente umfassende Verfolgungshandlung kann auch nicht dadurch ersetzt werden, dass dem Beschuldigten allenfalls bewusst ist, um welche Ankündigung auf der Homepage es geht (vgl. VwGH vom 15. Dezember 1993, 92/03/0249), bzw. dass (möglicherweise aufgrund der Aktenlage) erschlossen werden kann, welchen Tatvorwurf die belangte Behörde erheben wollte (vgl. VwGH vom 12. Dezember 2001, 99/03/0006, sowie die in den Akten ersichtlichen Screenshots betreffend die verfahrensgegenständliche Homepage, deren „Ankündigungen“ jedoch in keiner Verfolgungshandlung zum Tatvorwurf erhoben wurden).
Eine Sanierung dieses Mangels ist dem Landesverwaltungsgericht verwehrt, da es damit die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis überschreiten würde (vgl. etwa VwGH vom 23. Juni 1995, Zl. 94/04/0080).
2.1.4. Das Straferkenntnis ist somit zur Gänze aufzuheben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen, weil die zur Last gelegte Tat keine Verwaltungsübertretung darstellt (vgl. VwGH vom 7. März 2017, Ra 2016/02/0271, wonach die bloße Aufhebung des Straferkenntnisses ohne gleichzeitige Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens selbst dann unzulässig ist, wenn die Verfolgungsverjährungsfrist – wie hier – noch nicht abgelaufen ist); eine Verhandlung entfällt gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG.
Zur Vermeidung von Missverständnissen auf Seiten des Beschwerdeführers sei jedoch festgehalten, dass damit nicht gesagt wird, dass sein Verhalten rechtmäßig war.
2.2. Die Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und daran anknüpfend die einzelfallbezogene Beurteilung der Tatumschreibung erfolgte (zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der Revision zu Fragen der hinreichenden Konkretisierung einer Tatumschreibung zB VwGH vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0053, und vom 13. Dezember 2018, Ra 2017/11/0301).
Schlagworte
Gewerberecht; Verwaltungsstrafe; Gewerbeberechtigung; Anbieten; Tatumschreibung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.S.1205.001.2019Zuletzt aktualisiert am
13.06.2019