Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der E GmbH & Co KG in W, vertreten durch Dr. Susanne Fuchs-Weisskircher, Rechtsanwältin in Wien I, Rudolfsplatz 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. März 1998, Zl. RV/049-16/04/98, betreffend Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate September 1995 bis November 1996, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus dem angefochtenen Bescheid und den Verwaltungsakten, soweit diese vorgelegt wurden, ergibt sich folgendes:
Nach den aufgrund einer Anzeige durchgeführten Ermittlungen des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde setzte das Finanzamt mit Bescheiden vom 3. Juni 1996 die Umsatzsteuervorauszahlungen für Dezember 1995 und Jänner bis März 1996 in der Höhe von S 2,5 Millionen und 7,5 Millionen fest.
Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin Berufung und beantragte, der Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen die gleichzeitig übersandten Umsatzsteuervoranmeldungen für Dezember 1995 bis März 1996 zugrunde zu legen, aus denen sich ein Gesamtguthaben von S 1,283.784,-- ergebe.
In der Folge führte das Finanzamt eine abgabenbehördliche Prüfung betreffend die Umsatzsteuer für den Zeitraum Februar 1995 bis November 1996 durch.
Nach Ermittlungen und wiederholten Besprechungen fand am 28. Oktober 1997 die letzte Besprechung statt, bei der dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin ein Vorausexemplar der Niederschrift mit der Aufforderung zur Stellungnahme übergeben wurde.
In der Stellungnahme vom 18. November 1997 wurde ausgeführt, für den gesamten Schätzungszeitraum bis 31. März 1996 sei die Buchhaltung samt Belegsammlung dem Finanzamt vorgelegt worden. Die als Halbtagskräfte gemeldeten Mitarbeiter würden auch als solche beschäftigt. Von irgendwelchen Auskunftspersonen behauptete Überstunden seien nicht geleistet worden. Die Behauptung, an langjährige Mitarbeiter seien unglaubwürdige Beträge ausbezahlt worden, könne nicht stimmen, weil die Beschwerdeführerin erst seit 1995 bestehe. Die vorliegenden Bestätigungen von drei Mitarbeitern mit "niedrigen Bezügen" enthielten den Grund für die geringe Höhe des Gehaltes. Die Behauptung, dass 50 bis 100 nicht gemeldete Arbeitskräfte beschäftigt worden seien, sei völlig aus der Luft gegriffen. Seit Bestehen des Unternehmens sei bei laufenden Baustellenkontrollen durch die zuständigen Behörden keine einzige Beanstandung bezüglich "Fremdarbeiterbeschäftigung" erfolgt. Es sei zudem unmöglich, die behauptete Anzahl von nicht angemeldeten Arbeitskräften unbemerkt zu beschäftigen. Es werde der Antrag auf Vernehmung der Zeugen A. und G. gestellt. Diese Personen seien mit dem laufenden Geschäftsbetrieb befasst gewesen und hätten einen Überblick über die beschäftigten Dienstnehmer und die Auszahlungen.
Die Beschwerdeführerin legte eine Reihe von Erklärungen ihrer Arbeitnehmer vor, in denen das Ausmaß ihrer Beschäftigung bestätigt wurde.
In der Niederschrift vom 20. November 1997 - diese Niederschrift wird im angefochtenen Bescheid auf den Seiten 4 bis 15 wörtlich wiedergegeben - führte die Prüferin im wesentlichen aus, aufgrund - im Einzelnen beschriebener - ungerechtfertigter oder überhöhter Gutschriften seien Umsatzminderungen von insgesamt S 3,718.788,20 bewirkt worden. Durch näher bezeichnete nicht erklärte Ausgangsrechnungen - bestimmte Rechnungsnummern seien doppelt vergeben worden - ergäben sich im Prüfungszeitraum nicht erklärte Umsätze von S 1,346.825,77. Weitere vergleichbare Vorgänge im Prüfungszeitraum hätten Auswirkungen in nachfolgenden Umsatzsteuervoranmeldungszeiträumen. Aufgrund von nicht berücksichtigten Gutschriften zu Eingangsrechnungen seien Vorsteuern von insgesamt S 1,128.860,14 unberechtigt in Anspruch genommen worden.
Im Zuge der Prüfungshandlungen seien ehemalige Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin als Auskunftspersonen befragt worden. Diese hätten angegeben, bei der Beschwerdeführerin sei es üblich gewesen, ganztägig beschäftigte Arbeitnehmer nur als Teilzeitkräfte zu melden. Neben dem "offiziellen" Lohn sollen namhafte Beträge in bar ausbezahlt worden seien, die auf dem Lohnkonto nicht erfasst worden seien. Zahlungen für Überstunden seien den Befragten zufolge bar ausbezahlt und nicht der Lohnsteuer unterzogen worden. Diese Behauptungen würden durch den Umstand gestützt, dass laut Lohnkonto auch an langjährige Mitarbeiter zum Teil unglaubwürdig niedrige Beträge (zum Teil weniger als S 4.000,-- pro Monat) ausbezahlt worden seien, was die Frage aufwerfe, wie diese Arbeitnehmer ihren Lebensunterhalt hätten bestreiten können. Zwei der befragten Auskunftspersonen hätten angegeben, dass die Beschwerdeführerin ihren Schätzungen zufolge ca. 50 bis 100 nicht angemeldete Arbeitskräfte beschäftigt habe.
Die Schätzungsbefugnis gemäß § 184 Abs. 1 BAO ergebe sich aus der dargestellten Unrichtigkeit der Aufzeichnungen (Minderung der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer durch ungerechtfertigte oder überhöhte Gutschriften auf Ausgangsrechnungen, nicht erklärte Erlöse und Inanspruchnahme überhöhter Vorsteuerbeträge infolge Nichterfassung von Gutschriften auf Eingangsrechnungen). Diese Feststellungen hätten nur aufgrund von Erhebungen bei Geschäftspartnern der Beschwerdeführerin getroffen werden können, die der Prüferin bekannt gewesen seien. Die Prüfungsfeststellungen könnten daher insoweit keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Es müsse vielmehr davon ausgegangen werden, dass nur ein Teil der verkürzten bzw. nicht erklärten Erlöse aufgedeckt worden sei. Dies werde durch die Aussagen ehemaliger Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin erhärtet, wonach Teile des Arbeitslohns bar ausbezahlt und auf dem Lohnkonto nicht erfasst worden seien, teilzeitgemeldete Arbeitnehmer ganztags beschäftigt worden seien, Überstunden keinen Niederschlag in den Lohnkonten gefunden hätten und nicht angemeldete Arbeitskräfte in großer Zahl beschäftigt worden seien. Da die Aufzeichnungen des geprüften Unternehmens nachweislich unrichtig bzw. unvollständig seien und aus den genannten Gründen die Basis für die Abgabenerhebung nicht ermittelt oder berechnet werden könne, sei diese im Schätzungswege zu ermitteln.
Bei der Schätzung werde für September 1995 - in diesem Monat seien noch keine Arbeitskräfte beschäftigt worden - von den Besteuerungsgrundlagen laut Umsatzsteuervoranmeldung ausgegangen. Beim Personaleinsatz werde grundsätzlich von den im Prüfungszeitraum angemeldeten Arbeitskräften laut Arbeitgeberkartei des Finanzamtes ausgegangen, wobei jedoch aufgrund der genannten Angaben von Auskunftspersonen Halbtagskräfte als ganztägig beschäftigt behandelt würden. Die Beschwerdeführerin habe im Prüfungszeitraum durchschnittlich 40 bis 50 produktive Beschäftigte gemeldet. Unter der auf die Aussage von Auskunftspersonen gestützten vorsichtigen Annahme, dass weitere 50 nicht gemeldete Arbeitskräfte eingesetzt worden seien und für diese weniger hohe Stundensätze als für die gemeldeten Arbeitskräfte erlöst worden seien, werde geschätzt, dass zumindest ein Drittel des auf dem Personaleinsatz beruhenden Umsatzes mit nicht gemeldeten Kräften erwirtschaftet worden sei, weshalb der hinsichtlich der gemeldeten Kräfte geschätzte Betrag um 50 % erhöht werde.
Der Materialeinsatz werde auf der Basis der in den Umsatzsteuererklärungen gemeldeten Vorsteuerbeträge (gekürzt um die sich aus den Gutschriften ergebenden Beträge) ermittelt. Es werde angenommen, dass der so ermittelte Wareneinsatz mit einem Aufschlag von 10 % an die Leistungsempfänger weiterfakturiert worden sei. Ausgehend davon errechne sich ein geschätzter Gesamtumsatz für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1995 in der Höhe von S 17,923.933,-- und für den Zeitraum Jänner bis November 1996 in der Höhe von S 53,796.561,--. Unter Zugrundelegung dieser Umsätze und der daraus sich ergebenden Umsatzsteuerzahllasten bzw. -gutschriften sei der Berufung gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide für den Zeitraum Dezember 1995 und Jänner bis März 1996 teilweise stattzugeben.
Das Finanzamt gab aufgrund dieser Ausführungen der Prüferin in der Niederschrift mit Berufungsvorentscheidung der Berufung gegen die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für die Zeiträume Dezember 1995 und Jänner bis März 1996 teilweise statt. Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und erhob auch gegen die weiteren Bescheide, mit denen die Umsatzsteuervorauszahlungen festgesetzt wurden, Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. In der Begründung führte sie nach Wiedergabe des Verfahrensverlaufes im wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei den detaillierten Feststellungen der Prüferin nicht "auf entsprechende Weise" entgegengetreten. Zum Antrag auf Zeugenvernehmung des A. und des G. sei nach Vorhalt der belangten Behörde als Beweisthema "dass keine nicht erfassten Auszahlungen erfolgten" bekanntgegeben worden. Dabei handle es sich nicht um ein konkretisiertes Beweisthema. Der als Zeuge namhaft gemachte A. könne zudem als Gesellschafter der Beschwerdeführerin nicht als Zeuge vernommen werden. Als Gesellschafter habe er im Zuge des Verfahrens alles vorbringen können. Der als Zeuge genannte G. sei nach der Vorhaltsbeantwortung Obermonteur gewesen. Als solcher habe er keine Tätigkeit ausgeübt, die mit der Frage zusammenhänge, ob nicht erfasste Auszahlungen erfolgt seien. Es seien zwar Erklärungen von Arbeitnehmern vorgelegt worden, doch habe die Beschwerdeführerin auf die Frage, wie die Arbeitnehmer (mit 20 Wochenstunden) bei einem Wochenlohn von S 1.400,-- ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten, nicht reagiert. Die Antwort ergebe sich aus dem in der Niederschrift geschilderten Verhalten der Beschwerdeführerin. Bei Betrachtung der gesamten Feststellungen sei die systematische Verminderung der Besteuerungsgrundlagen durch die Beschwerdeführerin auf mehreren Ebenen ersichtlich. Die Belegmanipulationen seitens der Beschwerdeführerin seien durch Erhebungen bei den Geschäftspartnern positiv nachgewiesen worden. Die Manipulationen seien in einer Art durchgeführt worden, die eine systematische, zum Zwecke der Abgabenhinterziehung vorgenommene Vorgangsweise darstelle. Die Beschwerdeführerin habe zudem die Erklärung eines Dienstnehmers vorgelegt, der Monate zuvor der Prüferin gegenüber unter Anführung zahlreicher weiterer Details angegeben habe, nicht teilzeitbeschäftigt gewesen zu sein, sondern zwischen 35 und 45 Stunden wöchentlich gearbeitet zu haben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin macht unter dem Beschwerdegrund der inhaltlichen Rechtswidrigkeit geltend, die belangte Behörde habe die Unzuständigkeit der Erstbehörde nicht aufgegriffen. Die Beschwerdeführerin habe ihren Geschäftsbetrieb am 15. Mai 1996 an eine näher bezeichnete Adresse im 23. Wiener Gemeindebezirk verlegt. Die Verlegung sei am 1. Juni 1996 in das Firmenbuch eingetragen worden. Die Verlegung des Unternehmens sei der Erstbehörde (Finanzamt für die Gemeindebezirke IV, V und X) und der belangten Behörde bekannt gewesen.
Gemäß § 73 Abs. 1 BAO endet die Zuständigkeit eines Finanzamtes für die Erhebung von Abgaben - abgesehen von den hier unbeachtlichen Fällen des § 71 BAO - mit dem Zeitpunkt, in dem ein anderes Finanzamt von den seine Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen Kenntnis erlangt. Es kommt also weder auf den Zeitpunkt an, in dem das die Zuständigkeit beeinflussende Ereignis eintritt, noch auf den Zeitpunkt, in dem das bisher zuständige Finanzamt von einem solchen Umstand Kenntnis erlangt (siehe dazu das hg.Erkenntnis vom 29. April 1992, 92/13/0094). Dass das Finanzamt für die Gemeindebezirke XII, XIII, XIV und XXIII vor der Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide (durch das Finanzamt für die Gemeindebezirke IV, V und X) von der Verlegung der Geschäftsleitung der Beschwerdeführerin in seinen Zuständigkeitsbereich Kenntnis erlangt hat, behauptet die Beschwerdeführerin nicht und kann auch nach der Aktenlage nicht angenommen werden, sodass nicht von der Beendigung der Zuständigkeit der Erstbehörde vor Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide ausgegangen werden kann. Der diesbezügliche Einwand der Beschwerdeführerin erweist sich daher als unbegründet.
Die Beschwerdeführerin bekämpft mehrere der von der Prüferin in der Niederschrift vom 20. November 1997 getroffenen und von der belangten Behörde erkennbar übernommenen Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere jene, dass Arbeitslöhne auf den Lohnkonten nicht erfasst worden seien und dass nicht angemeldete Arbeitskräfte in großer Zahl beschäftigt worden seien.
Die Beschwerdeführerin vermag mit ihren diesbezüglichen Ausführungen keine Zweifel an der Schätzungsberechtigung der belangten Behörde zu wecken. Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen. Zu schätzen ist zufolge § 184 Abs. 3 BAO u.a. insbesondere dann, wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind. Diese Voraussetzung war im Beschwerdefall im Hinblick auf die zahlreichen, in der Niederschrift von der Prüferin unter den Punkten 2.1 bis 2.3 dargestellten Unrichtigkeiten (Umsatzminderung durch ungerechtfertigte oder überhöhte Gutschriften, Umsatzminderung durch nicht erklärte Ausgangsrechnungen und Inanspruchnahme überhöhter Vorsteuerbeträge infolge Nichtberücksichtigung der von Lieferanten erteilten Gutschriften) erfüllt. Die Beschwerde tritt den diesbezüglichen Feststellungen nicht konkret entgegen, sie bekämpft in diesem Zusammenhang lediglich den von der belangten Behörde erkennbar übernommenen Schluss der Prüferin, es müsse angenommen werden, dass nicht alle Fälle der doppelten Vergabe von Rechnungsnummern und somit nur ein Teil der verkürzten bzw. nicht erklärten Erlöse aufgedeckt worden seien, ohne allerdings konkret darzutun, warum dieser auf dem Umstand, dass Erhebungen nur bei den Auftraggebern der Beschwerdeführerin, von denen die Prüferin Kenntnis hatte, durchgeführt wurden, beruhende Schluss unrichtig sein soll. Die Schätzungsberechtigung der belangten Behörde war daher im Hinblick auf die schwerwiegende sachliche Unrichtigkeit der Bücher der Beschwerdeführerin gegeben.
Im Rahmen der kalkulatorischen Schätzung hat die belangte Behörde die Angaben anonym gebliebener Personen zugrunde gelegt, wonach Teile des bar ausbezahlten Arbeitslohnes nicht auf den Lohnkonten aufgeschienen seien, teilzeitgemeldete Arbeitskräfte in Wahrheit ganztags beschäftigt worden seien und nicht angemeldete Arbeitskräfte in großer Zahl beschäftigt worden seien. Damit hat die belangte Behörde gegen die Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs verstoßen. Als Beweismittel kommen nur Umstände in Betracht, die der Partei bekannt gegeben werden dürfen. Das Parteiengehör erstreckt sich auch auf die Identität von Auskunftspersonen und Zeugen. Aussagen von Auskunftspersonen oder Zeugen, deren Namen der Partei gegenüber geheim gehalten werden, können zwar einen zu entsprechenden Ermittlungen und Nachforschungen Anlass gebenden Verdacht begründen, dürfen aber nicht verwendet werden, d.h. sie dürfen nicht zur Begründung von Feststellungen im Bescheid herangezogen werden (siehe dazu Stoll, BAO-Kommentar, 1764; Ritz, BAO-Kommentar, § 166 Tz 7, sowie die dort jeweils zitierte hg. Rechtsprechung). Da somit der Schätzung zugrunde liegende Sachverhaltsannahmen auf Beweisen beruhen, die nicht hätten verwendet werden dürfen, hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.
Das Gleiche gilt zum Teil auch für die Unterlassung der beantragten Zeugenvernehmungen durch die belangte Behörde. Soweit sie meint, der als Zeuge namhaft gemachte A. hätte nicht als Zeuge vernommen werden können, weil er Gesellschafter der Beschwerdeführerin sei, ist nicht erkennbar, worauf die belangte Behörde diese Annahme stützt. Der im Akt erliegende Auszug aus dem Firmenbuch (Abfragedatum 17. Dezember 1997) spricht gegen diese Annahme.
Hinsichtlich des als Zeugen namhaft gemachten G. kann nicht schon deshalb von seiner Vernehmung Abstand genommen werden, weil er als "Obermonteur" tätig gewesen ist. Im Hinblick auf diese Funktion und die bekannte Tatsache, dass Lohnzahlungen im Baugewerbe zum Teil auch an der Baustelle erfolgen, kann nicht von vornherein gesagt werden, dass er zur Wahrheitsfindung über die Gepflogenheiten der Beschwerdeführerin betreffend Lohnzahlung nichts beitragen kann.
Hinsichtlich der weiteren namhaft gemachten Zeugen wird die belangte Behörde nur dann von ihrer Vernehmung Abstand nehmen können, wenn sie hinsichtlich dieser Personen keine über die in der Buchhaltung erfassten hinausgehenden Lohnzahlungen annimmt. Soweit sich nämlich das bekannt gegebene Beweisthema "dass keine nicht erfassten Auszahlungen erfolgten" auf die den jeweiligen Zeugen betreffenden Vorgänge bezieht, kann der belangten Behörde nicht gefolgt werden, wenn sie meint, es handle sich um kein konkretisiertes Beweisthema. Ob den allfälligen diesbezüglichen Zeugenaussagen dann Glauben zu schenken ist oder nicht, kann erst nach Durchführung der Vernehmung beurteilt werden.
Ein weiterer Verfahrensfehler liegt darin, dass der Spruch, soweit er die Berufung gegen die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlungen für Dezember 1995 und Jänner bis März 1996 abweist, mit der Begründung des angefochtenen Bescheides im Widerspruch steht. Das Finanzamt hatte der Berufung insoweit mit Berufungsvorentscheidung vom 4. Dezember 1997 teilweise stattgegeben. Aufgrund des Antrages der Beschwerdeführerin auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz galt ihre Berufung zufolge § 276 Abs. 1 BAO wieder als unerledigt. Die belangte Behörde hat sich in ihrer Begründung erkennbar den Standpunkt der Prüferin und damit der Berufungsvorentscheidung zu Eigen gemacht, dennoch aber die Berufung betreffend die genannten Zeiträume zur Gänze als unbegründet abgewiesen, ohne dies näher zu begründen. Die (auf Seite 17 des angefochtenen Bescheides enthaltene) Behauptung, die Berufung sei "durch die nachfolgende UVA-Prüfung überholt", stellt keine taugliche Begründung für die vollständige Abweisung der Berufung in Ansehung der genannten Zeiträume dar.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 17. Februar 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998140105.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
24.02.2010