Entscheidungsdatum
30.05.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L518 2195963-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus Steininger als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Republik Armenien, vertreten durch die Mutter XXXX , geb. XXXX , diese vertreten durch RA Mag. Reichenvater, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.04.2018, Zl. 1023497802-14751596, beschlossen:
A) Gem. § 28 Abs. 3 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBL I 33/2013 idgF wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge als "bP" bezeichnet) ist das mj. Kind der XXXX , am XXXX geb. und des XXXX , geboren am XXXX . Diese brachten nach rechtswidriger und schlepperunterstützter Einreise in das Bundesgebiet am 23.7.2010 erstmals für sich und das erstgeborene gemeinsame mj. Kind einen Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher mit Bescheiden des Bundesasylamtes (nunmehr Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - auch BFA) vom 19.1.2011, Zlen. 10 06.473-BAT, 10 06.476-BAT und 10 10.612-BAT auf der Rechtsgrundlage der §§ 3, 8 Abs. 1 Z. 1 und § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005, BGBl I 2005/100 idgF abschlägig entschieden wurde.
Dem dagegen eingebrachten Rechtsmittel der Beschwerde wurde mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 10.3.2011, Zlen. E13 417.640-1/2011-6E, E13 417.639-1/2011-6E und E13 417.641-1/2011-6E keine Folge gegeben und die Entscheidung erster Instanz bestätigt.
Am 17.5.2011 neuerlich eingebrachte Anträge auf internationalen Schutz wurde mit erstinstanzlichen Bescheiden vom 27.5.2011, Zlen. 11 04.784-EAST-Ost, 11 04.785-EAST-Ost und 11 04.786-EAST-Ost, gem. § 68 Abs. 1 AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF zurückgewiesen. (Spruchpunkt I.). Gem. § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 wurden sie aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien ausgewiesen (Spruchpunkt II.).
Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 10.6.2010, Zlen. E10 417.640-2/2011/3E, E10 417.639-2/2011/3E und E10 417.641-2/2011/3E wurden die Rechtsmittel der Beschwerde gem. § 68 Abs. 1 AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idgF. und §§ 75 Abs. 4, 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005, BGBl I 2005/100 idgF abgewiesen.
Am 17.1.2012 abermals eingebrachte Anträge auf internationalen Schutz (der nunmehr dritte Antrag) wurden mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 16.2.2012, Zlen. 12 00.763-EAST-Ost, 12 00.759-EAST-Ost und 12 00.760-EAST-Ost gem. § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 idgF (AVG) zurückgewiesen und die Beschwerdeführer gem. § 10 Abs. 1 Z. 1 aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich nach Armenien ausgewiesen.
Mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 10.6.2010, Zlen. E10 417.640-3/2011/3E, E10 417.639-3/2011/3E und E10 417.641-3/2011/3E wurden die Rechtsmittel der Beschwerde gem. § 68 Abs. 1 AVG 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idgF. und §§ 75 Abs. 4, 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005, BGBl I 2005/100 idgF abgewiesen.
I.2. Auch der Antrag des in Österreich geborenen Bruders der XXXX , XXXX XXXX , geb. XXXX , wurde zwischenzeitlich vollinhaltlich rechtskräftig abgewiesen. Der Antrag auf internationalen Schutz der weiteren Schwester der XXXX , XXXX , geb. XXXX , wurde ebenfalls erstinstanzlich negativ beschieden und wurde das Beschwerdeverfahren mit selben Tag wie das Verfahren der bP hg. anhängig.
I.3. Am 26.06.2014 brachte die Mutter für den mj. Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz ein und wurde dazu erstbefragt. Sie gab an, dass er keine Familienangehörigen in Armenien habe, noch nie in Armenien gewesen und in Österreich geboren sei. Die Fluchtgründe des Vaters würden auch für die bP gelten.
Am 23.10.2015 wurden Unterlagen zur Integration des Vaters der bP vorgelegt.
Am 21.09.2016 wurde die Mutter der bP vor der belangten Behörde einvernommen und legte eine Geburtsurkunde der bP vor.
I.4. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch ersichtlichen Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10
(3) AsylG, 9 BFA-VG, 52 Abs. 2 Z 2 FPG wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Armenien zulässig ist. (Spruchpunkt III.). Der Beschwerde gegen die Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV).
I.5. Gegen den oa. Bescheid wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben.
I.6. Die Beschwerdevorlage langte am 23.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der Verwaltungsbehörde und der eingebrachten Beschwerde.
1. Feststellungen:
Die belangte Behörde hat die notwendigen Ermittlungen des maßgeblichen Sachverhaltes unterlassen, weshalb dieser zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde nicht hinreichend feststand. Hinsichtlich des Verfahrensganges und festzustellenden Sachverhalt wird auf die unter Punkt I getroffenen Ausführungen verwiesen.
2. Beweiswürdigung:
Der für die gegenständliche Zurückverweisung des Bundesverwaltungsgerichtes relevante Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage zweifelsfrei.
3. Rechtliche Beurteilung:
II.3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Bis zum 31.12.2013 war es dem Asylgerichtshof und davor dem Unabhängigen Bundesasylsenat gemäß § 66 Abs 2 AVG möglich, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückzuverweisen, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft war, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erschien. Abs 3 leg cit legte fest, dass der Asylgerichtshof die mündliche Verhandlung und unmittelbarer Beweisaufnahme auch selbst durchführen konnte, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden war.
Diesbezüglich hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom 21.11.2002, 2002/20/0315 und 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im zuletzt genannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt, dass bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte auch berücksichtigt werden muss, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Der Gesetzgeber hat zur Sicherung der Qualität des Asylverfahrens einen Instanzenzug vorgesehen, der zum Unabhängigen Bundesasylsenat und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt. Es kommt dem Unabhängigen Bundesasylsenat in dieser Funktion schon nach der Verfassung die Rolle einer "obersten Berufungsbehörde" (Art 129c Abs 1 B-VG) zu. Diese wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, da es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen.
Im bereits zitierten Erkenntnis vom 21.11.2002, 2000/20/0084, sowie im Erkenntnis vom 22.12.2002, 2000/20/0236, weist der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass - auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens - eine ernsthaft Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich bei derselben Behörde enden solle. Ein Vorgehen gemäß § 66 Abs 2 AVG ermöglicht es daher, dem Abbau einer echten Zweiinstanzlichkeit des Verfahrens und der Aushöhlung der Funktion des unabhängigen Bundesasylsenates als Kontrollinstanz entgegenzuwirken.
Zu § 28 Abs. 3 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich meritorisch zu entscheiden haben, eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen jedoch insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen relevanter behördlicher Sachverhaltsermittlungen. Hinsichtlich dieser Voraussetzung gleicht die Bestimmung des § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG jener des § 66 Abs. 2 AVG, der als - eine - Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung gleichfalls Mängel der Sachverhaltsfeststellung normiert, sodass insofern - auch wenn § 66 Abs. 2 AVG im Gegensatz zu § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG als weitere Voraussetzung der Behebung und Zurückverweisung auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraussetzt - auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG zurückgegriffen werden kann.
§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.
Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.
Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
II.3.2. Einzelfallbezogen ergibt sich hieraus Folgendes:
Die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung bzw. die Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens ist im gegenständlichen Fall unterblieben und ist die belangte Behörde nach dem Dafürhalten des Bundesverwaltungsgerichts ihrer Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Im vorliegenden Fall sind die seitens der Höchstgerichte gestellten Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren in qualifizierter Weise unterlassen worden.
II.3.2.1. Der angefochtene Bescheid leidet unter dem schweren Mangel, dass sich das BFA mit dem Antrag auf internationalen Schutz der bP sowie insbesondere der Frage der Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht in gehöriger Weise auseinandergesetzt hat. Die Mutter der bP wurde als gesetzliche Vertreterin am 21.09.2016 letztmalig vor der bB einvernommen und wurden damals aktuelle Länderfeststellungen erörtert. Ohne weitere Stellungnahmemöglichkeit wurden der nunmehr 1 Jahr und 8 Monate später erfolgten Entscheidung aktuelle Länderfeststellungen, zu welchen der Vertretung der bP nie Parteiengehör eingeräumt wurde, zugrunde gelegt. Darüber hinaus konnte mangels entsprechender Ermittlungen die aktuelle Integration der bP nicht festgestellt werden und ist die bP nicht mehr in einem Alter, in dem von keinerlei Integration ausgegangen werden kann. Damit konnte in der Bescheidbegründung des angefochtenen Bescheides insgesamt (Feststellungen, Beweiswürdigung, rechtliche Würdigung) nicht ausreichend auf den notwendigen Sachverhalt eingegangen werden.
II.3.2.2. Hinsichtlich des Unterbleibens einer aktuellen Einvernahme der gesetzlichen Vertreterin der bP im gegenständlichen Verfahren durch das BFA ist auch auf die einschlägige Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Bewertung der integrationsbegründenden Umstände im Rahmen der Interessenabwägung eine besondere Bedeutung zukommt, welche umgelegt auf die minderjährige bP zumindest eine aktuelle Erhebung der integrationsbegründenden Umstände bei den Eltern bedingt (VwGH, 26.03.2015, Ra 2014/22/0154, mwN). Ebenso VwGH 12.11.2015 Ra 2015/21/0101 und vom 30.07.2015 Ra 2014/22/0055: Außerdem kann die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden und kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen insbesondere auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 MRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zu (vgl. E 23. Juni 2015, Ra 2014/22/0181 sowie VfGH vom 06.06.2014, Zl. U2522/2013-14).
Bei der Einvernahme sind damit insbesondere die aktuellen familiären und auch die privaten Bindungen abzuklären. Auf jeden Fall sind im gegenständlichen Fall weitere Ermittlungstätigkeiten im oa. Umfang zu setzen und hat dann die belangte Behörde entsprechende Feststellungen inklusive aktueller Länderfeststellungen zu treffen, welche der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen sind. Ohne nachvollziehbare Erörterung und Würdigung der relevanten Sachverhaltselemente und einer Befragung der Vertretung der bP in diesem Zusammenhang kann der Sachverhalt nicht entsprechend festgestellt werden und war eine ordnungsgemäße Interessensabwägung nicht möglich.
II.3.3. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist der Sachverhalt jedenfalls derart mangelhaft ermittelt, dass gleichsam erstmalig ordnungsgemäße Ermittlungen und Feststellungen erfolgen müssten. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht somit nicht fest.
Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, dass sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde weder als geklärt erweist, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen ein tragfähiges Ermittlungssubstrat, das einer Entscheidung zugrunde gelegt werden könnte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass der maßgebliche Sachverhalt feststeht und die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.
Es ist in erster Linie die Aufgabe der Verwaltungsbehörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung den maßgeblichen Sachverhalt vollständig zu ermitteln und diese Aufgabe nicht etwa an die Rechtsmittelinstanz auszulagern.
Da also der maßgebliche Sachverhalt im Fall des BF noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
II.3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielshaft Erk. d. VwGH v. 16.12.2009, GZ. 2007/20/0482; Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167) auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aktuelle Länderfeststellungen, Asylverfahren, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L518.2195963.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.06.2019