TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/16 L507 2176912-2

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Veröffentlicht am 16.10.2018
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Entscheidungsdatum

16.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L507 2176912-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Habersack über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2018, Zl. 1153035810 - 180108876, zu Recht erkannt:

A)

1. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß § 68 Abs. 1 AVG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Spruchpunkte I. und II. zu lauten haben:

I. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 31.01.2018 wird hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

II. Ihr Antrag auf internationalen Schutz vom 31.01.2018 wird hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die palästinensischen Autonomiegebiete/Westjordanland abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkte III. bis VII. gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3,

57 AsylG, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 und

55 Abs. 1a FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt V. zu lauten hat:

V. Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die palästinensischen Autonomiegebiete/Westjordanland zulässig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

2. Am 18.05.2017 stellte der Beschwerdeführer, ein staatenloser Palästinenser, seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2017, in sämtlichen Spruchpunkten abgewiesen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Israel-Westjordanland zulässig sei.

Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.01.2018, Zl. L508 2176912-1/8E, als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs am 15.01.2018 in Rechtskraft.

3. Am 31.01.2018 (AS 5) stellte der Beschwerdeführer seinen zweiten, verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 21.08.2018, Zl. 1153035810 - 180108876, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), weiters gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Israel - Westjordanland zulässig sei (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe gemäß

§ 55 Abs. 1a FPG nicht (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Dagegen wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist staatenloser Palästinenser aus dem Westjordanland, gehört der arabischen Volksgruppe an und ist sunnitischen Glaubens.

Der Beschwerdeführer studierte in seiner Heimat Informatik und hat sich als Informatiklehrer seinen Lebensunterhalt verdient. Zuletzt war der Beschwerdeführer in XXXX wohnhaft, wo er sich mit einem seiner Brüder eine Wohnung geteilt hat. In seiner Heimat leben nach wie vor seine Eltern, drei Brüder und fünf Schwestern.

Im Mai 2017 reiste der Beschwerdeführer in das österreichische Bundesgebiet ein und hat Österreich seit diesem Zeitpunkt nicht mehr verlassen. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. In Österreich leben keine Verwandten des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung.

Der Beschwerdeführer war in Österreich nie legal erwerbstätig und lebt von Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber. Bei der Marktgemeinde XXXX hat der Beschwerdeführer gemeinnützigen Hilfstätigkeiten für die Gemeinde bzw. bei besonderen Integrationsveranstaltungen im Rahmen des gemeinnützigen Projektes " XXXX " geleistet (Schreiben Marktgemeinde XXXX vom 11.12.2017, 08.01.2018, 13.02.2018).

Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausgeprägte und verfestigte Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorliegt. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und nicht erwerbstätig. Er hat mehrere Deutschqualifizierungsmaßnahmen besucht und spricht auf dem Niveau A2 die deutsche Sprache. Im Asylquartier ist der Beschwerdeführer bei Übersetzungstätigkeiten für arabischstämmige Bewohner behilflich. Darüber hinaus liegen keine sonstigen Hinweise auf eine besonders ausgeprägte und verfestigte Integration des Beschwerdeführers in Österreich vor.

1.2. Zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz

Erster Antrag auf internationalen Schutz vom 18.05.2017 (Verfahren des maßgeblichen Vergleichsbescheides)

Im Zuge des ersten Antrages auf internationalen Schutz gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, dass er im Zuge einer Grenzkontrolle bei der Heimreise von Jordanien aufgrund einer Verwechslung angehalten und befragt worden sei. Dabei habe sich aus der Waffe eines israelischen Soldaten bzw. Offiziers ein Schuss gelöst, wobei der Beschwerdeführer ein Auge verloren habe. Fünf Tage nach dem Vorfall und nach der ersten Operation sei der Offizier zum Beschwerdeführer gekommen und habe erklärt, dass es sich um eine Verwechslung gehandelt habe, er den Vorfall vergessen solle und es keine Absicht gewesen sei. Nach dem Abschluss seines Studiums sei es dem Beschwerdeführer aber psychisch schlechter gegangen und habe er nur das Ziel gehabt, eine bessere medizinische Behandlung zu erhalten.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 18.10.2017, Zl. 1153035810-170601184-BFA RD Salzburg, in allen Spruchpunkten abgewiesen und der Beschwerdeführer nach Israel - Westjordanland ausgewiesen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.01.2018, Zl. L508 2176912-1/8E, gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG,

§ 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgerichtshof wie folgt begründet:

"[...] 2.2.4.2. Das Bundesverwaltungsgericht teilt daher die Auffassung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (vgl. AS 174), dass es gegen die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bezüglich der angeblichen Bedrohung durch einen israelischen Offizier im Jahr 2014 spricht, dass sich der BF vor seiner Weiterreise nach Österreich bereits in Ungarn aufgehalten hat, ohne jedoch dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt zu haben (AS 7). Einen plausiblen Grund hierfür nannte der BF weder im Zuge der Erstbefragung noch im Zuge der Einvernahme vor dem BFA.

In diesem Zusammenhang ist auf die Richtlinie 2011/95/EG des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für

Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes zu verweisen, welche in ihrem Art. 4 Abs. 5 lit. d vorsieht, dass dann, wenn für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise fehlen, diese Aussagen keines Nachweises bedürfen, wenn der Antragsteller internationalen Schutz zum frühest möglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war. Wendet man diese sekundärrechtliche Norm im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung auf das gegenständliche Verfahren an, so ergibt sich im Umkehrschluss, dass gegenständlich jedenfalls - glaubwürdige - Beweise erforderlich gewesen wären.

Weiters ist auf Art. 31 Abs. 8 der Richtlinie 2013/32/EU des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes zu verweisen, wonach die Mitgliedstaaten festlegen können, dass das Prüfungsverfahren im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II beschleunigt und/oder an der Grenze oder in Transitzonen nach Maßgabe von Artikel 43 durchgeführt wird, wenn nach dessen lit. h der Antragsteller unrechtmäßig in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eingereist ist oder seinen Aufenthalt unrechtmäßig verlängert hat und es ohne stichhaltigen Grund versäumt hat, zum angesichts der Umstände seiner Einreise frühestmöglichen Zeitpunkt bei den Behörden vorstellig zu werden oder einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

Es ist aus der Aktenlage nachvollziehbar, dass der BF nunmehr Präferenzen hat in Österreich zu leben. Zur Erreichung dieses Zieles scheut der BF offensichtlich nicht davor zurück im Asylverfahren - trotz ergangener Belehrung und Aufforderung die Wahrheit zu sagen und Hinweis auf nachteilige Folgen im Falle wahrheitswidriger Angaben - über persönliche und für das Verfahren maßgebliche Umstände zu täuschen. Die generelle persönliche Glaubwürdigkeit des BF ist daher im Verfahren aus diesem Grund zu verneinen. Warum er angesichts der von ihm skizzierten Bedrohungslage im Herkunftsland nicht zumindest versucht hat, möglichst zeitnah zur Einreise ein Schutzansuchen in Ungarn zu stellen, erweist sich als nicht plausibel erklärbar. Würde man doch bei begründeter Furcht vor Verfolgung annehmen können, dass von Asylwerbern die nächste Gelegenheit genützt wird, um Schutz zu ersuchen.

Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer lediglich eine "Fluchtgeschichte", die wohl teilweise auf tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen basiert, konstruiert hat

bzw. eine für ihn konstruierte Fluchtgeschichte eingelernt hat, ohne tatsächlich persönlich betroffen gewesen zu sein.

Von der belangten Behörde wurde daher auch richtigerweise darauf hingewiesen, dass der BF bereits im Zuge der Erstbefragung (AS 5) klar zum Ausdruck brachte, dass sein Reiseziel/ Zielland Deutschland gewesen sei, da es dort - abgesehen von Freiheit - eine bessere medizinische Versorgung bezüglich seines linkes Auges gebe. Entsprechendes habe ihm sein behandelnder Arzt in Israel mitgeteilt.

Gestützt werden diese Überlegungen auch dadurch, dass der BF die Ladung samt der in der Folge seitens eines israelischen Offiziers im Jahr 2014 ausgesprochene Drohung (AS 73) mit keinem Wort im Rahmen seiner umfangreichen freien Erzählung in der Einvernahme vor dem BFA erwähnte (AS 68, 69). Von dieser Drohung bezüglich des Verlusts seines zweiten Auges wusste der Beschwerdeführer zunächst nichts zu berichten. Der BF war auch auf einen entsprechenden Vorhalt (AS 73) nicht in der Lage, eine plausible Erklärung für die ursprüngliche Nichterwähnung dieses Vorfalles zu Protokoll zu geben. Insoweit fällt es im gegenständlichen Fall sehr wohl auch ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer bei der freien Erzählung diese ihn selbst betreffende Bedrohung im Jahr 2014 - zweifellos ein einschneidendes Erlebnis - nicht darlegte. Die mangelnde Darlegung solcher eigener Erlebnisse zu diesem Zeitpunkt weckt Zweifel daran, dass der Beschwerdeführer solche tatsächlich zu gewärtigen hatte. Das Bundesverwaltungsgericht vertritt deshalb - wie bereits das BFA - die Einschätzung, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Vergleich zur freien Erzählung vor der belangten Behörde in diesem Punkt steigerte.

Ebenso ist der belangten Behörde zuzustimmen, dass das vom BF geschilderte Verhalten bezüglich dieser angeblichen Bedrohung im Jahr 2014 wenig plausibel erscheint. Bereits zuvor habe ihm ein von ihm kontaktierter Anwalt wegen Aussichtslosigkeit von einer Anzeige in dieser Angelegenheit abgeraten. Abgesehen vom Umstand, wonach es wenig nachvollziehbar erscheint, dass der BF ohne aktives Verhalten seinerseits mehrere Jahre nach diesem Vorfall hinsichtlich der Verwechslung zwecks Bedrohung vorgeladen worden sein soll, erscheint es auch kaum nachvollziehbar, dass diese Drohung beim BF eine entsprechende Angstreaktion auslösen konnte, hätte er doch ohne Anzeige, welche von ihm ohnehin nie erstattet worden sei, im Ergebnis nichts zu befürchten gehabt.

2.2.4.3. Die seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vorgenommene Beweiswürdigung ist im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze in sich schlüssig und stimmig. Sie steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Behörde einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen kann, wenn der Asylwerber während des Verfahrens im Wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung um jeden Preis dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubhaft könnten Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 6.3.1996, 95/20/0650).

Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ist unter Heranziehung dieser, von der höchstgerichtlichen Judikatur festgelegten Prämissen für den Vorgang der freien Beweiswürdigung dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht entgegenzutreten.

2.2.4.4. Ferner bestehen aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts bezüglich der angeblichen Bedrohung durch einen israelischen Offizier im Jahr 2014 erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers; dies aus folgenden Gründen:

2.2.4.4.1. So darf zunächst nicht außer Acht gelassen werden, dass es auch als unwahrscheinlich anzusehen ist, dass der Beschwerdeführer sich dem Risiko einer legalen Ausreise und sofortigen Festnahme ausgesetzt hätte, wenn er tatsächlich eine widerrechtliche Verfolgungshandlung seitens der israelischen Behörden ernsthaft befürchtet hätte. Im Falle der angeblich befürchteten Bedrohung durch staatliche Organe wäre ein solches Verhalten kaum erklärbar.

2.2.4.4.2. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer im Zuge der Erstbefragung am 18.05.2017 darlegte, den Entschluss zur Ausreise bereits im Jahr 2013 gefasst zu haben (AS 5). Die von ihm erwähnte Bedrohung seitens des israelischen Offiziers sei jedoch erst im Jahr 2014 erfolgt, was ebenfalls auf eine Ausreise wegen eines nicht asylrelevanten Grundes hinweist.

2.2.4.4.3. Die Zulässigkeit für das Bundesverwaltungsgericht über die Beweiswürdigung des Bundesamtes hinaus ergänzende Schlüsse aus den bisherigen Ermittlungen zu ziehen, ergibt sich aus § 21 Abs. 7,

2. Fall, BFA-VG (entspricht in diesem Punkt der Vorgängerbestimmung § 41 Abs. 7 AsylG 2005 aF), wonach von einer mündlichen Verhandlung auch dann abgesehen werden kann, wenn sich aus "den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht". Um der Begründungspflicht, resultierend aus dem sinngemäß anwendbaren § 60 AVG, wonach der Bescheid [das Erkenntnis] erkennen lassen muss, aus welchen Erwägungen die Behörde [das Bundesverwaltungsgericht] zu dieser Ansicht gelangt ist, zu entsprechen, bedarf es aber einer (nachvollziehbaren) Darstellung der dafür maßgeblichen gedanklichen Vorgänge.

Der Gesetzgeber verwendet hier in § 21 Abs. 7, 2. Fall, BFA-VG bzw. zuvor in § 41 Abs. 7, 2. Fall, AsylG 2005 aF mit "zweifelsfrei" eine andere Diktion wie im § 6 Abs 1 Z 4 AsylG 1997 idFd Asylgesetz-Novelle 2003, wonach ein Asylantrag als offensichtlich

unbegründet abzuweisen ist, wenn das "......Bedrohungsszenario

offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht". Schon aus dem anders gewählten Wortlaut leuchtet es ein, dass der Gesetzgeber hier im § 21 Abs. 7, 2. Fall, BFA-VG (entspricht in diesem Punkt der Vorgängerbestimmung § 41 Abs. 7, 2. Fall, AsylG 2005 aF) - womit eine Erweiterung der Möglichkeit der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung geschaffen werden sollte - mit "zweifelsfrei" auf Grund des anderen Wortsinnes eine andere Wertung anlegen wollte, als mit der "Offensichtlichkeit", ansonsten es keiner Änderung der Diktion bedurft hätte. Daraus resultiert aber auch, dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Offensichtlichkeit (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 1997 Praxiskommentar, S 100ff mwN auf die Judikatur des VwGH) im zitierten § 6 AsylG 1997 nicht ohne weiteres auf diese Bestimmung übertragen lässt. Dem Wortsinn nach ist unter "zweifelsfrei" die "Freiheit von (innerer) Unsicherheit, Ungewissheit, mangelndem Glauben oder innerem Schwanken gegenüber einem (möglichen) Sachverhalt oder einer Behauptung" zu verstehen. Zu dieser Überzeugung hat der Richter (das Gericht) auf Basis der "bisherigen Ermittlungen" zu gelangen.

Hier ergeben sich derartige Fakten aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen des Ermittlungsverfahrens des BFA.

Das Bundesverwaltungsgericht ist nicht verhalten, den Asylwerber zu Widersprüchen in Ansehung seines Asylantrages zu befragen, weil keine Verpflichtung besteht, ihm im Wege eines behördlichen Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche in seinen eigenen Aussagen vorhanden seien, die im Rahmen der gem. § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hierzu zu ermöglichen (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560; vgl. ua. auch VwGH 27.6.1985, 85/18/0219; 3.4.1998, 95/19/1734; 30.1.1998, 95/19/1713 wonach keine Verpflichtung besteht, den vom Antragsteller selbst vorgebrachten Sachverhalt zu Gehör zu bringen [siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 29 zu § 45 mwN]). Die Behörde (bzw. das Gericht) ist auch nicht verpflichtet, dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich einer vorgenommenen Beweiswürdigung zu geben [Hinweis E 23. April 1982, 398/80] (VwGH25.11.2004, 2004/03/0139; Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, Rz 25 zu § 45 mwN). Wenn die Behörde bzw. das Gericht aufgrund der vorliegenden Widersprüche zur Auffassung gelangte, dass dem Asylwerber die Glaubhaftmachung (seiner Fluchtgründe) nicht gelungen ist, so handelt es sich um einen Akt der freien Beweiswürdigung (VwGH 4.11.1992, 92/01/0560).

Der Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 18.06.2014, Zl. Ra 2014/20/0002-7) hielt in diesem Zusammenhang nunmehr auch explizit fest, dass, insoweit das Erstgericht die die Beweiswürdigung tragenden Argumente der Verwaltungsbehörde teilt, das im Rahmen der Beweiswürdigung ergänzende Anführen weiterer - das Gesamtbild nur abrundenden, aber nicht für die Beurteilung ausschlaggebenden - Gründe, nicht dazu führt, dass die im

Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018 dargestellten Kriterien für die Abstandnahme von der Durchführung der Verhandlung gemäß dem ersten Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFA-VG nicht erfüllt sind.

2.2.4.5. Selbst wenn man jedoch das Ausreisevorbringen des Beschwerdeführers der rechtlichen Beurteilung vollständig zugrunde legt, gelangt man - wie unten näher ausgeführt werden wird - zu keinem anderen Ergebnis.

2.2.4.6. In der Beschwerde wird kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Ebenso wenig wurde der Argumentation in der Beweiswürdigung in substantiierter Weise entgegengetreten.

2.2.4.7. Soweit der Beschwerdeführer nun im Asylverfahren erstmals in der Beschwerde behauptet, dass er wegen seiner politischen Ansichten und Veröffentlichungen auf Facebook von dem israelischen Offizier vorgeladen worden sei und diesbezüglich mehrere seiner Einträge auf Facebook aus den Jahren 2013 und 2014 in Kopie in Vorlage brachte, so wird damit gegen das in § 20 BFA-VG normierte Neuerungsverbot verstoßen.

Diese Bestimmung lautet:

(1) In einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesamtes dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur vorgebracht werden,

1. wenn sich der Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, nach der Entscheidung des Bundesamtes entscheidungsrelevant geändert hat;

2. wenn das Verfahren vor dem Bundesamt mangelhaft war;

3. wenn diese dem Asylwerber bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes nicht zugänglich waren oder

4. wenn der Fremde nicht in der Lage war, diese vorzubringen.

(2) Über die Zulässigkeit des Vorbringens neuer Tatsachen und Beweise muss nicht entschieden werden, wenn diese für die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht maßgeblich sind.

(3) Abs. 1 ist auf Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes auf Grund eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 nicht anzuwenden.

Das gegenständliche Verfahren hat keinen hinreichenden Anhaltspunkt für das Vorliegen eines der in § 20 Abs. 1 leg cit normierten Ausnahmetatbestände hervorgebracht und wurden solche auch in der Beschwerdeschrift nicht substantiiert dargetan. Dem Beschwerdeschriftsatz mangelt es an jedweder Begründung für dieses neue Fluchtvorbringen. Eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, die ursächlich dafür ist, dass er dies nicht schon im Verfahren vor dem BFA hätte darlegen können, ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hat einen Ausnahmetatbestand auch in seiner Beschwerde nicht substantiiert aufgezeigt. Es ist somit nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer dies nicht schon im Verfahren vor dem BFA hätte vorbringen können, wenn es den Tatsachen entsprechen würde, zumal er dazu speziell in der Einvernahme am 04.10.2017 ausreichend Gelegenheit hatte. Auf das in der Beschwerde erstmals neu vorgebrachte Vorbringen hinsichtlich der Verfolgung des Beschwerdeführers durch den israelischen Staat wegen seiner politischen Ansichten und Veröffentlichungen auf Facebook brauchte daher nicht näher eingegangen werden. [...]".

Zweiter Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 31.01.2018

Am 31.01.2018 stellte der Beschwerdeführer den zweiten und gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung gab er zum Fluchtgrund befragt an, dass er bei seiner ersten Asylantragstellung im Zuge der Befragung durch das BFA nicht die Möglichkeit gehabt habe, die ganze Geschichte zu erzählen. Das Wichtigste habe er nicht gesagt. Er sei 2014 von einem höheren Offizier der israelischen Armee bedroht worden. Dieser habe gedroht - sollte der Beschwerdeführer nicht aufhören die Geschichte in sozialen Medien zu veröffentlichen -, dass er auch sein anders Auge verlieren werde. Der Offizier arbeite an der Grenze zwischen Israel und Jordanien, jedoch kenne er dessen Namen nicht, sonst hätte er diesen vor Gericht gebracht.

Bei den niederschriftlichen Einvernahmen durch das BFA führte der Beschwerdeführer ergänzend zur Erstbefragung aus, dass er von seiner Familie erfahren habe, dass ihn Beamte der palästinensischen Regierung gesucht und nach seinem Aufenthaltsort gefragt hätten. Die palästinensische Regierung glaube aufgrund der Einvernahme des Beschwerdeführers durch die israelische Polizei, dass der Beschwerdeführer öfter Kontakt zu dieser habe und die Einvernahme nur eine Tarnung für Spionageinformationen gewesen sei. Im Juli oder August 2011 sei im Rahmen einer Einvernahme ein Auge des Beschwerdeführers angeschossen worden und für 13.04.2014 habe er eine Ladung erhalten. Zur zweiten Einvernahme sei er selbständig hingegangen. Als Nachweis legte der Beschwerdeführer die diesbezügliche Ladung vor, welcher er von seinen Eltern mittlerweile erhalten habe. Im Erstverfahren hätten diese die Ladung nicht gefunden. Im Zuge der zweiten Einvernahme sei dem Beschwerdeführer vorgeworfen worden, dass er in sozialen Medien über den Vorfall in der ersten Einvernahme berichtet habe. Die palästinensische Regierung habe von dieser Ladung erfahren und werfe dem Beschwerdeführer nun Kollaboration mit Israel vor. Die palästinensische Regierung habe den Eltern des Beschwerdeführers auch gesagt, dass er dringend wegen "Kollaboration" einvernommen werden müsse, zumal er ohne Zustimmung das Land verlassen habe und vermutet werde, dass er etwas zu verheimlichen habe. Von der palästinensischen Regierung habe der Beschwerdeführer keine Ladung erhalten. Ein paar Tage vor der zweiten Asylantragstellung habe er dann von seinen Eltern erfahren, dass die palästinensischen Regierungsbeamten nach ihm gefragt hätten. Im Weiteren verwies der Beschwerdeführer noch darauf, dass mehrere Familienmitglieder bei der Hamas seien und somit von der palästinensischen Regierung gehasst werden würden. Die palästinensische Regierung würde Ausreden suchen, um den Beschwerdeführer und seine Familie ins Gefängnis zu bringen. Jungen Männern würden oft solche Sachen vorgeworfen werden. Letztlich vermeinte der Beschwerdeführer noch, dass die palästinensischen Behörden wissen würden, dass er nicht mit den israelischen Behörden zusammenarbeite, dies aber behaupten, um eine Festnahme begründen zu können.

Der zweite Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde in weiterer Folge vom BFA mit Bescheid vom 21.08.2018, Zl. 1153035810 - 180108876, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt, gemäß

§ 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Israel - Westjordanland zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Gegen diesen Bescheid wurde von der Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer am Verfahren so weit wie möglich mitgewirkt, das BFA es jedoch verabsäumt habe, den vorgebrachten Hinweisen von Amts wegen nachzugehen. Im Weiteren wurde das bisherigen Vorbringen wiederholt und angemerkt, dass auch ein Missverständnis nichts daran ändere, dass die palästinensischen Behörden einen Grund suchen würden, um den Beschwerdeführer festnehmen zu können. Der Beschwerdeführer habe klar angegeben, dass ihm irgendwas vorgeworfen werde, um seine Festnahme zu rechtfertigen. Auch der Vergleich der Fragen im Erstverfahren und in der Einvernahme am 15.02.2018 sei nicht plausibel, zumal es sich nicht um dieselben Fragen handle und wurde im Weiteren versucht, die dargelegten Widersprüche aufzuklären. Dass der Beschwerdeführer keine neuen Beweismittel für die Bedrohung durch palästinensische Behörden vorgelegt habe, sei letztlich die einzige Würdigung zum neuen Vorbringen. Das BFA habe es unterlassen, sich eingehend und nachvollziehbar mit den neuen Tatsachen auseinanderzusetzen und sich hauptsächlich mit dem Vorbringen im Erstverfahren auseinandergesetzt. Als Nachweis für die Verfolgung durch die palästinensischen Behörden habe der Beschwerdeführer die Ladung der israelischen Polizei für den 13.04.2014 vorgelegt. Das BFA hätte eine Verfolgung aufgrund einer zumindest unterstellten politischen Gesinnung durch die palästinensischen Behörden nicht ausschließen dürfen und sei es den Verpflichtungen gemäß § 18 AsylG nicht nachgekommen. Eine neuerliche Befragung zur Ermittlung des rechtserheblichen Sachverhaltes sei unerlässlich und sei der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Der Beschwerdeführer könne sich bei einer Rückkehr nicht etablieren und würde in eine ausweglose Lage geraten. Die Fällung einer Rückkehrentscheidung greife massiv und unverhältnismäßig in die geschützten Rechtsgüter des Beschwerdeführers ein. Das BFA hätte auch berücksichtigen müssen, dass der Beschwerdeführer bei der Ausreise ins Westjordanland durch Israel reisen müsse. Es gebe im Westjordanland keinen Flughafen und sei das Gebiet unter der Kontrolle der israelischen Armee. Bereits im Vorverfahren habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er gegen den israelischen Staat politisch tätig gewesen sei ("Postings" in sozialen Medien), weshalb die Rückreise in seinen Heimatort nicht gefahrlos erfolgen könne. Die Verhängung eines Einreiseverbotes von zwei Jahren sei unverhältnismäßig schwer. Ein Einreiseverbot für den gesamten Schengenraum würde den Beschwerdeführer sehr hart treffen und bedeute einen Eingriff in sein Privatleben. Schließlich wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

1.3. Zur Lage in den Palästinensischen Autonomiegebieten - Westjordanland wird - wie bereits vom BFA - Folgendes festgestellt und werden die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellungen wörtlich wiedergegeben:

1. Politische Lage

Der rechtliche und politische Status der Westbank, der PA und der PLO

Die PLO wurde 1974 als einzige legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes von der UNO anerkannt. 1993 folgte die Anerkennung der PLO als einzige Vertreterin der Palästinenser durch Israel. Sie vertritt, im Gegensatz zur PA (Palästinensische Autonomiebehörde), auch die Palästinenser außerhalb der besetzten palästinensischen Gebiete. Als Dachorganisation für die verschiedenen palästinensischen Parteien und Bewegungen leidet ihre Legitimation jedoch darunter, dass vor allem die Hamas, die 2006 immerhin die Wahlen in den gesamten Gebieten gewann, nicht zu ihren Mitgliedern zählt (Zenith 30.11.2012).

Die Bedeutung der PLO sollte nicht unterschätzt werden. Auch wenn die Organisation seit der Entstehung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) mit den Oslo-Verträgen in den 1990er Jahren an Gewicht verloren hat, ist sie noch immer die einzig international anerkannte Vertretung aller Palästinenser - unabhängig davon, ob diese in den Palästinensischen Gebieten oder im Ausland leben. Derzeit beläuft sich die geschätzte Zahl aller Palästinenser weltweit auf 11 bis 12 Millionen (circa ein Drittel von ihnen leben in den Palästinensischen Gebieten).

Während die PA sich um die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten der Palästinenser kümmert, ist die PLO die Instanz, die über politische Strategien zur Erlangung von nationaler Selbstbestimmung - kurz: über Krieg und Frieden entscheiden kann. Weil das palästinensische Parlament der PA seit acht Jahren nicht mehr zusammengetreten ist und somit nicht als ein Forum für überparteilichen Austausch dient, ist das PLO-Exekutiv-Komitees das einzige Organ, in dem (fast) alle palästinensischen Strömungen vertreten sind und in dem regelmäßig kontroverse Diskussionen stattfinden.

Die Repräsentativität der PLO wurde im Laufe der Zeit zunehmend in Frage gestellt: Ursprünglich sollte sie eine Plattform für alle politischen Bewegungen der Palästinenser sein. Die Aufnahme der neuentstandenen Kräfte - neben der Hamas auch Islamischer Dschihad und die "Palästinensische Nationale Initiative" (Al-Mubadara) - ist zwar mit dem Versöhnungsabkommen zwischen den politischen Fraktionen - zuletzt dem "Beach Camp"-Abkommen 2014, beschlossen worden, jedoch hat solch eine Reform (mit Ausnahme der Aufnahme von Al-Mubadara im März 2015) nicht stattgefunden.

Ein weiteres Manko der Organisation ist die fehlende Legitimation durch Wahlen. Die Vertretung der Mitgliedsparteien ist vielmehr Ergebnis von historischen, informellen politischen Verhandlungsprozessen. Zu keinem Zeitpunkt in der 50-jährigen Geschichte der Organisation haben Wahlen zum Palästinensischen Nationalrat (PNC) stattgefunden. Nimmt man die Ergebnisse von aktuellen Meinungsumfragen zur Unterstützung verschiedener politischer Bewegungen unter den Palästinensern in den Grenzen von 1967 als Grundlage, wird schnell offensichtlich, dass die Realitäten und Kräfteverhältnisse sich weit verschoben haben. 74 Prozent aller Palästinenser sind überzeugt, dass demokratische Wahlen zum PNC von großer Bedeutung wären (Zentith 18.9.2015).

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Der völkerrechtliche Weg Richtung Anerkennung als Staat

Israel übt in variierendem Ausmaß die gesetzliche, militärische und wirtschaftliche Kontrolle über die Besetzten Gebiete [Anm.: inkl. Westbank] aus (UDOS 14.10.2015)

Nach dem Scheitern des bi- beziehungsweise trilateralen (mit den USA) Wegs verlegte sich Präsident Abbas auf eine andere Strategie und versucht in der UNO mehr Gehör zu finden. Der Versuch, im Sicherheitsrat eine Uno-Mitgliedschaft der PA-Gebiete zu bewirken oder zumindest so viele Ja-Stimmen zu sammeln, dass ein US-Veto "nötig" würde, scheiterte jedoch. Daraufhin ließ sich Abbas die quasi mindere Uno-Mitgliedschaft Palästinas in der Uno-Vollversammlung [Anm.: als Beobachterstaat, nicht Mitglied] absegnen (Standard 11.11.2014).

Am 29. November 2012 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen Palästina als Beobachterstaat anerkannt. Innerhalb des VN-Systems ergeben sich daraus zusätzliche Verfahrensprivilegien. Darüber hinaus hat der Beschluss keine unmittelbare Auswirkung auf den völkerrechtlichen Status Palästinas. Er erleichtert den Palästinenserinnen und Palästinensern aber den Zugang zu wichtigen internationalen Organisationen und Organen (SWP Dezember 2012).

Im Dezember 2014 stimmte das europäische Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit (498 Stimmen dafür, 88 dagegen) für die "Quasi"-Anerkennung Palästinas als Staat. Dieses Votum ist rechtlich nicht bindend, aber es sendet eine starke Botschaft an die internationale Gemeinschaft. Schweden ist einen Schritt weiter gegangen und hat Palästina offiziell als Staat anerkannt (BBC 17.12.2014). Auch einige weitere europäische Staaten anerkannten Palästina (Badil 10.11.2015).

Der erhoffte Domino-Effekt einer vorbehaltlosen bilateralen staatlichen Anerkennung durch wichtige europäische Staaten ist noch nicht eingetreten. Der Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof (ICC) wird zwar als Erfolg verbucht, mündete aber nicht unmittelbar in der Eröffnung von Strafverfahren gegen Israel. (Zenith 18.9.2015). Trotz der Relevanz dieser Entwicklungen können sie vor Ort nur etwas ändern, wenn es der Wille der mächtigsten Staaten ist. Derzeit hat keine dieser Entwicklungen Israel abgehalten, straflos zu agieren (Badil 10.11.2015).

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Die PA in der Westbank - Zuständigkeiten und Beschränkungen

Die Palästinensische Befreiungsorganisation [PLO - Palestinian Liberation Organisation] und Israel richteten die Palästinensische Autonomiebehörde [PA - Palästinensische Authority] ein infolge der Prinzipienerklärung von 1993 bekannt als Oslo Verträge. Die PA war gedacht als Regierungsbehörde für die Westbank und Gaza bis zur Erreichung eines finalen Abkommens im Friedensprozess. Laut der Osloer Verträge ist ihre Autorität in drei Zonen aufgeteilt:

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Gebiet A: Die PA hat die politische Kontrolle und die Kontrolle über die Sicherheit.

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Gebiet B: Die PA hat die politische Kontrolle, teilt aber die Sicherheitsverpflichtungen mit Israel.

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Gebiet C: Israel hat die politische Kontrolle und die Kontrolle über die Sicherheit.

In praktischer Hinsicht behält Israel die Kontrolle über die externe Sicherheit der Gebiete, den Luftraum, die Seewege und die elektromagnetische Sphäre (UK Border Agency 15.5.2012; ähnlich GIZ 1/2016).

Die Palästinensische Behörde (PA) hat die Verantwortung des Schutzes der palästinensischen Bevölkerung in Teilen der Westbank, aber seine Schutzmöglichkeiten werden durch die israelische Besatzungsmacht eingeschränkt, welche die effektive Kontrolle über die Westbank ausübt. Im Gebiet C unter voller israelischer Kontrolle (Zivil- und Sicherheitsbereich) findet z.B. der Großteil der Vertreibungen (zum Abriss von Gebäuden, Enteignungen und Verweigerung von Baugenehmigungen siehe auch andere Abschnitte der LIB) statt und dort hat die PA keine Kontrolle (Badil 10.11.2016).

Auf der folgenden Karte sind die zersplitterten Gebiete unter nomineller PA-Kontrolle [Anm.: Der Gaza-Streifen befindet sich de facto unter Kontrolle der Hamas bzw. aber auch letztendlich Israels und bzgl. des Zugangs via Rafah auch Ägypten] verzeichnet:

[]

Quelle: Ausschnitte aus OCHA (2.10.2015): Occupied Palestinian

Territory December 2014. In: Humanitarian Atlas 2015:

http://www.ochaopt.org/documents/atlas_2015_web.pdf ,

Der Zersplitterung der palästinensischen Wohngebiete stehen die wachsenden 237 israelischen Siedlungen in Ostjerusalem und der Westbank, die auch Industriegebiete umfassen, gegenüber. Die Siedlungen stellen einen Bruch internationalen Rechts dar. In den Siedlungen leben etwa 500.000 Israelis. In 70 Prozent der Westbank untersagt Israel, d.h. dem Gebiet C, der palästinensischen Bevölkerung bauliche Aktivitäten. (HRW 11.1.2016):

[]

Die politische Lage in der Westbank seit 2006

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Israel und die Westbank

Die palästinensischen Gebiete sind seit Juni 1967 von Israel besetzt und seit Mai 1994 sind Teile der Gebiete unter begrenzter palästinensischer Selbstverwaltung durch die Palästinensische Behörde (PA = Palestinian Authority). In den A-Gebieten (aktuell 17,2% des Westjordanlandes) ist die PA zuständig für die zivile Verwaltung und tagsüber für die innere Sicherheit. In den B-Gebieten (23,8% der Westbank) ist die PA für die zivile Verwaltung zuständig und Israel für die innere Sicherheit. In den C-Gebieten (Siedlerstraßen, Naturschutzgebiete, die israelischen Siedlungen, militärischen Einrichtungen und sonstige sicherheitsrelevante Gebiete, die insgesamt 59% des Gebietes ausmachen) ist die PA nur für Bildung und die Gesundheitsversorgung zuständig. Die Genehmigung von entsprechender Infrastruktur ist jedoch Sache der israelischen Zivilverwaltung. Für alle auf das Land bezogenen Angelegenheiten wie Landvergabe, Planung und Bau, Infrastruktur und Wasser sowie für die innere Sicherheit ist Israel zuständig (GIZ 1/2016). 70 Prozent der Fläche in Zone C ist eingegrenzten Siedlungen zugewiesen, die für Palästinenser Sperrgebiet bleiben. Weniger als 1 Prozent des C-Gebietes ist für palästinensische Entwicklung vorgesehen, berichtet OCHA (UNRWA 2014).

Das Gebiet C beheimatet geschätzte 180.000 Palästinenser und beinhaltet die Hauptreserven an Wohngebiet und Bauland in der gesamten Westbank. Israel verbietet den Palästinensern die Landerschließung und das Bebauen von 70 Prozent des C-Gebietes. Israels Planungs- und Baupolitik ignoriert die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung, weigert sich, die meisten der Dörfer in der Region anzuerkennen, verhindert die Ausweitung und Entwicklung von palästinensischen Gemeinden, zerstört Wohnhäuser und erlaubt es den Gemeinden nicht, sich an die Infrastruktur anzuschließen. Tausende Einwohner leben unter der ständigen Bedrohung aus ihren "illegalen" oder als Feuerzone deklarierten Gemeinden vertrieben zu werden (Crisis Group 19.6.2014 - siehe auch obige Karte von OCHA und für aktuelle Details siehe z.B. HRW 11.1.2016). Unter den Betroffenen waren laut UNRWA z.B. 2013 auch 114 Familien von palästinensischen Flüchtlingen. (UNRWA 2014).

Theoretisch behält Israel in der Westbank nur in Zone C die volle Kontrolle, tatsächlich beeinflusst Israels Kontrolle im Gebiet C alle Einwohner der Westbank. Es gibt 166 A- und B-Gebiete, in denen sich die Hauptkonzentrationen der Bevölkerung befinden, und die verstreut - wie Inseln - im C-Gebiet liegen. Die diese Gebiete umgebenden Landreserven sind oftmals als C-Gebiet deklariert und Israel verbietet das Bebauen oder landwirtschaftliche Nutzen dieses Landes (Crisis Group 19.6.2014 - siehe auch obige Karte von OCHA und für aktuelle Details siehe z.B. HRW 11.1.2016).

Die israelische Besetzung der Westbank mit ihrem weiter andauernden Siedlungsbau und militärischen Checkpoints haben gemeinsam mit den palästinensischen Attacken zu einer Verlangsamung des Vorankommens in Richtung einer endgültigen Übereinkunft geführt und dazu, dass auf beiden Seiten über den Wert der Osloer Verträge diskutiert wird (BBC 10.12.2014).

Nach Schätzungen der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem, dem Information Center for Human Rights in the Occupied Territories, leben im Westjordanland und in Ostjerusalem mittlerweile 550.000 israelische Siedler. Allein im Westjordanland hat sich deren Zahl seit dem Beginn der Neunzigerjahre mehr als verdreifacht. Israel verstößt damit gegen das Völkerrecht: Die Vierte Genfer Konvention untersagt die Ansiedlung eigener Bevölkerungsgruppen in annektierten Gebieten (Wiener Zeitung 19.1.2016). Israel stellt weiterhin Leistungen wie Sicherheit, Verwaltung, Unterkünfte, Bildung und medizinische Versorgung für die etwa 560.000 Siedler zur Verfügung, die in illegalen Siedlungen in der Westbank und Ostjerusalem leben (HRW 27.1.2016).

Israels dramatische Veränderung der Westbank-Landkarte verhindert jede reale Chance auf die Gründung eines unabhängigen und funktionierenden Staates (B'Tselem 23.1.2014, für aktuelle Details siehe z.B. HRW 11.1.2016). Besonders umstritten sind Pläne der Regierung Netanjahu, östlich von Jerusalem in der sensiblen East-1-Zone mehrere tausend neue Wohneinheiten für Siedler entstehen zu lassen. Gemeinsam mit der angrenzenden Megasiedlung Maale Adumim bildet diese Zone eine Art Puffer, der das Westjordanland in einen nördlichen und einen südlichen Teil trennen würde. Die Bildung eines zusammenhängenden Palästinenserstaates würde damit nahezu unmöglich gemacht (Wiener Zeitung 19.1.2016).

Im Jänner 2016 bestätige Israel, dass es ein großes Stück fruchtbaren Landes in Besitz nähme. Die 154 Hektar im Jordantal nahe Jericho befinden sich in einem Gebiet, wo es bereits viele Farmen von Siedlern gibt - das aber zu dem Boden gehört, den die Palästinenser zu ihrem Staatsgebiet erklären wollen. Es handelt sich um die größte Landnahme seit August 2014. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte den Schritt, und palästinensische Amtsträger meinten, dass sie eine UN-Resolution gegen die israelische Siedlungspolitik einbringen würden (The Daily Star 22.1.2016). Die Siedlungsaktivitäten nehmen laut dem israelischen Zentralbüro für Statistik weiterhin zu. Im 1. Quartal des Jahres 2015 wurden 566 Hauseinheiten von Israel genehmigt und 529 Hauseinheiten fertiggestellt - ein Anstieg von 93 Prozent beim Beginn von Hausbauten und 219 Prozent bei der Fertigstellung im Vergleich zum

1. Quartal 2014.

Für PalästinenserInnen in Ostjerusalem oder dem Gebiet C sind hingegen Baubewilligungen schwer bis unmöglich zu herhalten. Sie haben auch nur begrenzten Zugang zu Wasser, Elektrizität, Schulen und anderen Leistungen, während Israel diese den Siedlern zur Verfügung stellt. Mit Stand 23. November 2015 rissen die israelischen Behörden 481 palästinensische Heime und andere Gebäude in der Westbank einschließlich Ostjerusalem im Jahr 2015 ab, was 601 Menschen, darunter 296 Kinder, obdachlos machte. 46 Dörfer von Beduinen befinden sich im Gebiet E-1, das für Siedlungen vorgesehen ist. Die Bewohner sollen zwangsweise an drei Orte in der Westbank "umgesiedelt" werden. 22 Häuser wurden bereits abgerissen.

Im Mai 2015 genehmigte das israelische Höchstgericht den Abriss des Dorfes Susya mit 340 Einwohnern in den südlichen Hügeln von Hebron. Die Bewohner hatten ihre Unterkünfte auf ihrem landwirtschaftlichen Gelände errichtet, nachdem Israel sie aus ihrem damaligen Dorf vertrieben hatte und das Land zur archäologischen Stätte erklärt hatte (HRW 27.1.2016).

Beispiel Landwirtschaft für die Lage der Orte zwischen Grüner Linie und Barriere:

Für den Zutritt zu Gebieten, die zwischen der Grünen Linie und der Barriere liegen, benötigen die Bauern israelische Zutrittsgenehmigungen, deren Zahl begrenzt ist. Von den 85 Toren für landwirtschaftliche Zwecke waren jedoch 2015 nur 9 Tore jeden Tag offen, während die meisten nur während der Olivenernte einige Wochen lang geöffnet wurden. Dies schränkt die Landwirtschaft schwer ein und untergräbt die Lebensgrundlage auf dem Land (OCHA 9/2015). Z.B. war der Ertrag in diesen Regionen im Jahr um etwa 60 Prozent geringer, als in den Regionen die auf der palästinensischen Seite des Walls liegen (OCHA 11/2014).

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Die Palästinensische Behörde und die Versöhnungsversuche zwischen PA/Fatah und Hamas

Das palästinensische Grundgesetz, das 2002 in Kraft getreten ist, und 2003 mit der Einführung der Position des Ministerpräsidenten geändert wurde, definiert Palästina als rechtsstaatliche, parlamentarische Demokratie mit Parteienpluralismus und klassischer Gewaltenteilung.

Der Präsident der Palästinensischen Behörde, aktuell Mahmoud Abbas, wird direkt vom Volk gewählt. Er ist Oberbefehlshaber der palästinensischen Sicherheitskräfte, wählt den Premierminister aus (und kann ihn auch wieder entlassen) und hat die Aufgabe, die vom Parlament verabschiedeten Gesetze zu verkünden. In außergewöhnlichen Fällen außerhalb der Sitzungszeit des Palästinensischen Legislativrates kann der Präsident Entscheidungen treffen und Dekrete herausbringen, die Gesetzeskraft haben.

Die gesetzgebende Gewalt wird offiziell vom Palästinensischen Legislativrat (Palestinian Legislative Council, PLC) ausgeübt. Der PLC kontrolliert die Exekutive und bringt Gesetzesvorschläge ein. Die neu gebildete Regierung muss sich einer Vertrauensabstimmung des Rates unterziehen und kann durch sein Misstrauensvotum auch wieder entlassen werden (GIZ 1/2016). Seit Juni 2007 ist der PLC jedoch nicht mehr zusammengetreten und das Land wird durch Präsidialdekrete regiert. Darüber hinaus befinden sich seit dem Sommer 2006 zahlreiche Abgeordnete, hauptsächlich Hamas-Mitglieder, in israelischer Haft (Daily Star 12.2.2013).

Am 25. Januar 2006 fanden zum zweiten Mal - die ersten Wahlen waren im Januar 1996 durchgeführt worden - die Wahlen zum Palästinensischen Legislativrat statt. Die Hamas konnte dabei 74 der 132 Sitze für sich gewinnen. Die zuvor regierende Fatah erhielt nur 45 Mandate. Im März 2006 wurde Ismail Haniyeh Premierminister einer Hamas-Regierung im Westjordanland und im Gazastreifen.

Nach dem Erdrutschsieg von Hamas begannen die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der beiden Gruppen, in deren Verlauf Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Ihren Höhepunkt fanden sie im Juni 2007 im Gazastreifen als Hamas mit Gewalt die Kontrolle über alle Sicherheitseinrichtungen und Regierungsgebäude der PA übernahm. Präsident Mahmoud Abbas setzte die erst im März 2007 gebildete Einheitsregierung unter Ismail Haniyeh ab, verhängte den Ausnahmezustand und setzte eine Notstandsregierung unter Salam Fayyed ein, die einen Monat später in eine Übergangsregierung umgewandelt wurde. Israel verhängte eine Blockade über den Gazastreifen.

Von diesem Zeitpunkt an bis April 2014 war Palästina zweigeteilt, in einen von Hamas kontrollierten Gazastreifen und ein von Fatah kontrolliertes Westjordanland. In beiden Gebieten wurden Aktivisten der jeweils anderen Seite inhaftiert und misshandelt, deren Einrichtungen geschlossen, ihre Medien verboten und ihre Demonstrationen aufgelöst. Vermittlungsversuche zur Überwindung der Spaltung waren bis Ende April 2011 vollständig erfolglos (GIZ 1/2016).

Besorgt über ihren wachsenden Mangel an Demokratie hielten die Palästinenser 2012 Lokalwahlen in der Westbank ab. Diese wurden von der Hamas boykottiert (Daily Star 12.2.2013).

Am 23. April 2014 einigten sich Hamas und Fatah erneut auf die Bildung einer Einheitsregierung. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte erneut mit der Erklärung, Präsident Mahmoud Abbas müsse zwischen dem Frieden mit Israel und dem Frieden mit der Hamas wählen und sagte geplante Friedensgespräche mit den palästinensischen Unterhändlern ab.

Am 2. Juni 2014 wurde dann die 17köpfige Einheitsregierung aus parteilosen Experten unter Führung von Rami Hamdallah vereidigt, was als erster Schritt auf dem Weg zur vollständigen Aussöhnung zwischen Fatah und Hamas gedacht war. Für Anfang 2015 waren Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geplant (GIZ 1/2016). Aber Parlamentswahlen fanden aufgrund der Spaltung zwischen der Hamas, die den Gazastreifen regiert und der Fatah, angeführt von Mahmud Abbas, in der Westbank seit einem Jahrzehnt nicht mehr statt (The Daily Star 2.2.2016).

Israel teilte mit, dass es die Konsensregierung boykottieren werde, da sie von der Hamas unterstützt werde. Einstimmig beschloß das israelische Sicherheitskabinett, die Friedensgespräche mit den Palästinensern auszusetzen. Das israelische Wohnbauministerium veröffentlichte als Antwort auf die Einheitsregierung die Ausschreibung von 1.500 neuen Wohneinheiten in Siedlungen (GIZ 1/2016). Die palästinensische Seite befindet sich seit Langem in einer Zwickmühle: Die israelische Regierung konnte Abbas stets vorhalten, er sei "kein Partner für den Frieden", weil ihm ohne Hamas die Abschlussvollmacht für sämtliche Palästinenser fehle. Sobald er jedoch die Hamas politisch mit ins Boot nahm, wurde ihm vorgeworfen, er arbeite mit einer Terrororganisation zusammen, die Israel von der Landkarte tilgen wolle (KAS-2 19.6.2014).

Am 31. Juli 2015 wurden fünf neue Minister vereidigt. 19 Ministerposten blieben unverändert. Die Hamas missbilligte die Regierungsumbildung und nannte sie "verfassungswidrig und außerhalb des Konsenses" (GIZ 1/2016).

Al-Monitor berichtet mit Berufung auf eine vertrauenswürdige Quelle, dass Bemühungen einer Reihe von Fatah-Führern der zweiten Generation im Gange seien, den Stillstand der Versöhnung der Hamas zu beenden. Unter anderem geht es darum, herauszufinden, warum den versöhnlichen Worten keine Taten folgen (Al-Monitor 5.1.2016).

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Die Krise der Palästinischen Behörde und der derzeitige Aufruhr vor allem junger Menschen gegen die israelische Besatzung, teils auch "Dritte Intifada" genannt

"Intifada" bedeutet übersetzt "Zittern, Schaudern, Schütteln, Beben, Erwachen, in der Politik ein Volksaufstand". Die neueste Intifada steht mit keinem bestimmten Vorfall in Zusammenhang. Sie ist eine eskalierende Welle von Ärger, Protest, Unruhen, Gewalt und Repression mit Zentrum Jerusalem. Die Ursache ist der Frust über das Zusammenbrechen der Friedensgespräche, vermehrter israelischer Siedleraktivität, einer schwierigen wirtschaftlichen Situation und israelischen Drohungen bzgl. Al-Aqsa [al-Aqsa-G

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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