TE Bvwg Beschluss 2018/10/16 G314 2198153-3

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Veröffentlicht am 16.10.2018
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Entscheidungsdatum

16.10.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G314 2188335-3/2Z

G314 2188341-2/2Z

G314 2188340-2/2Z

G314 2188334-2/2Z

G314 2188332-2/2Z

G314 2188333-2/2Z

G314 2188338-2/2Z

G314 2198153-3/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER im Verfahren zur Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes 1. des XXXX, geboren am XXXX, 2. der XXXX, geboren am XXXX, 3. des XXXX, geboren am XXXX, 4. des XXXX, geboren am XXXX, 5. des XXXX, geboren am XXXX, 6. der XXXX, geboren am XXXX, 7. des XXXX, geboren am XXXX, 3. bis 7. gesetzlich vertreten durch ihre Eltern XXXXund XXXX, sowie 8. der XXXX, geboren am XXXX, alle serbische Staatsangehörige, durch die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2018, Zl. XXXX:

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

XXXX (im Folgenden als Erstbeschwerdeführer, kurz BF1, bezeichnet) ist der Ehemann von XXXX (im Folgenden als Zweitbeschwerdeführerin, kurz BF2, bezeichnet). Die weiteren fünf Beschwerdeführer (im Folgenden als Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer, kurz BF3 bis BF7, bezeichnet) sind ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder. XXXX (im Folgenden als Achtbeschwerdeführerin, kurz BF8, bezeichnet) ist die Mutter des BF1.

Die Beschwerdeführer (BF) halten sich seit Dezember 2016 (BF1 bis BF7) bzw. seit März 2017 (BF8) in Österreich auf; davor befand sich ihr Lebensmittelpunkt in Serbien. Ihre Muttersprache ist Albanisch. Ihnen wurden (abgesehen vom Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG) keine Aufenthaltstitel in Österreich erteilt. 2013 (BF8) bzw. 2014 (BF1 bis BF6) hatten sie (abgesehen vom BF7, der damals noch nicht auf der Welt war) in Deutschland internationalen Schutz beantragt und waren Ende April 2015 vor der Entscheidung darüber freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt.

Die BF8 lebte in Serbien seit vielen Jahren in einem gemeinsamen Haushalt mit den übrigen BF. Sie leidet unter anderem an Epilepsie mit wiederkehrenden Krampfanfällen und epileptischen Anfällen; außerdem besteht eine (Teil-)Lähmung (Hemiparese) des rechten Arms und des rechten Beins. Sie wurde deshalb schon in Serbien medizinisch behandelt. Sie ist seit 17 Jahren pflegebedürftig und auf die Hilfe des BF1 und der BF2 angewiesen; die überwiegende Zeit (zumindest die letzten 13 Jahre) kümmerte sich die BF2 um sie. BF1 bis BF7 leiden an keinen schwerwiegenden behandlungsbedürftigen Krankheiten.

Am 14.12.2016 beantragten BF1 bis BF7 in Österreich internationalen Schutz. Als Fluchtgründe gaben sie an, dass der BF1 in Serbien von einer Privatperson bedroht und zur Durchführung von Drogenkurierfahrten genötigt worden sei. Er habe sich 20 Tage lang in einem Wald versteckt. Dieselbe Person, die den BF1 bedroht habe, habe die BF2 vergewaltigt und auch den BF3 bedroht. Der BF4, der BF5, die BF6 und der BF7 hätten keine eigenen Fluchtgründe. Das Haus, das die BF in XXXX bewohnt hätten, sei zerstört und niedergebrannt worden. Außerdem würden die BF in Serbien aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit (Roma) und ihrer Religion (Islam) diskriminiert.

Mit den Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.02.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz vom 14.12.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten und von subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ausgesprochen, dass den BF1 bis BF7 keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt würden, gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass ihre Abschiebung "nach Kosovo bzw. Serbien" zulässig sei, eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Beschwerden der BF1 bis BF7 dagegen wurden mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 06.07.2018 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Zulässigkeit der Abschiebung (nur) nach Serbien festgestellt und die Frist für die freiwillige Ausreise aufgehoben wurde. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.

Die BF8 beantragte in Österreich am 25.03.2017 internationalen Schutz. Als Fluchtgründe nannte sie ihren Gesundheitszustand (sie leide an Epilepsie sowie an einer Lähmung des rechten Arms und des rechten Beins, könne kaum sprechen und sei pflegebedürftig). Außerdem verwies sie auf das Fluchtvorbringen der übrigen BF, mit denen sie schon in Serbien in einem gemeinsamen Haushalt zusammengelebt habe und auf deren Pflege sie angewiesen sei.

Im August 2017 musste der BF8 die Schilddrüse wegen eines Karzinoms entfernt werden. Dabei kam es zu einer Nervenschädigung; infolgedessen kann sie nicht mehr sprechen und leidet an Schluckbeschwerden. Deshalb und wegen ihrer anderen Erkrankungen (Epilepsie, Hemiparese) war die BF8 immer wieder in ärztlicher Behandlung; ihr wurden Medikamente mit den Wirkstoffen Carbamazepin und Levetiracetam (Tegretol, Tegretik retard, Levebon) zur Behandlung der Epilepsie verschrieben, außerdem Schmerzmittel (Novalgin) sowie ein Schilddrüsenhormonpräparat (Euthyrox). Wegen eines Zustands nach Tuberkulose und eines Lungenherds wurden auch immer wieder lungenfachärztliche Kontrollen durchgeführt.

Mit dem Bescheid des BFA vom 09.05.2018 wurde der Antrag der BF8 auf internationalen Schutz vom 25.03.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten und einer subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ausgesprochen, dass ihr kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt werde, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass ihre Abschiebung "nach Kosovo, Serbien" zulässig sei, eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit dem Beschluss des BVwG vom 14.06.2018 wurde der Beschwerde der BF8 dagegen die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit dem Erkenntnis des BVwG vom 31.07.2018 wurde die Beschwerde im Übrigen als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Erkenntnisses wird unter anderem dargelegt, dass die bei der BF8 bestehenden Erkrankungen in Serbien behandelt werden könnten. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.

Die BF haben Österreich seit der Abweisung ihrer jeweils ersten Anträge auf internationalen Schutz nicht verlassen.

Im September 2018 erteilte Serbien die Zustimmung zur Rückübernahme der BF.

Am 03.09.2018 beantragten der BF1 und die BF2 neuerlich internationalen Schutz für sich und ihre fünf Kinder. Die BF8 stellte am selben Tag ebenfalls einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. Zu den Fluchtgründen verwiesen die BF im Wesentlichen auf die im vorangegangenen Verfahren angegebenen Gründe. Seither habe sich grundsätzlich nichts Wesentliches geändert. Der Mann, der sie bedroht habe, würde immer noch nach ihnen suchen. Sie könnten nicht nach Serbien zurückkehren, weil sie dort nach dem Brand ihres Hauses keine Wohnmöglichkeit mehr hätten. In Serbien hätten sie als Roma keine Rechte. Zwei der Kinder würden eine Psycho- und eine Ergotherapie benötigen. Die BF8 sei an Krebs erkrankt und könne nach einer Schilddrüsenoperation nicht mehr sprechen. Sie sei auf die Familie des BF1 angewiesen und werde von der BF2 gepflegt. Sie werde in Österreich medizinisch versorgt; zu den benötigten Therapien habe sie in Serbien aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit keinen Zugang.

Nach der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts wurden der BF1, die BF2 und die BF8 am 17.09.2018 im Zulassungsverfahren vor dem BFA einvernommen. Ihnen wurde daraufhin mittels Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Anträge wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

Die BF8 wurde am XXXX2018 aufgrund eines epileptischen Anfalls in der neurologischen Notfallambulanz des Uniklinikums XXXX ambulant behandelt. Von XXXX bis XXXX2018 wurde sie wegen epileptischer Anfälle stationär auf der Universitätsklinik für Neurologie des Uniklinikums XXXX behandelt. Bei der Entlassung wurde empfohlen, Ende Oktober 2018 ein Epilepsiemonitoring durchzuführen und die ihr verschriebenen Antikonvulsiva regelmäßig in der richtigen Dosis einzunehmen.

Die BF2 ist schwanger. Der (laut Ultraschall ermittelte) Geburtstermin ist der XXXX2018. Die Schwangerschaft verläuft weitgehend komplikationslos; der BF2 wurde lediglich die Einnahme eines Progesteron-Präparats (Arefam), eines Magnesium-Präparats (Magnosolv-Granulat) und eines Nahrungsergänzungsmittels verschrieben. Von XXXX bis XXXX2018 wurde sie wegen Unterbauchbeschwerden stationär an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Uniklinikums XXXX aufgenommen.

Am 27.09.2018 wurden der BF1 und die BF8 in Anwesenheit einer Rechtsberaterin vor dem BFA einvernommen. Mit den im Anschluss daran mündlich verkündeten Bescheiden wurde faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs 2 AsylG aufgehoben.

Mit den Beschlüssen des BVwG vom 02.10.2018 wurde ausgesprochen, dass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes des BF1 und der BF8 nicht rechtmäßig sei. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass angesichts des stationären Krankenhausaufenthalts der BF2 und ihres ungeklärten Gesundheitszustands zu klären gewesen wäre, wie die Kinder versorgt und die BF8 in ihrer Abwesenheit gepflegt würde. Es könne daher nicht abschließend beurteilt werden, ob die Abschiebung des BF1 und der BF8 Art 8 EMRK verletze.

Am 03.10.2018 wurde im Rahmen einer weiteren Einvernahme des BF1, der BF2 und der BF8 vor dem BFA mit den oben angeführten, mündlich verkündeten und in der Niederschrift der Einvernahme beurkundeten Bescheiden der faktische Abschiebeschutz der BF gemäß § 12a Abs 2 AsylG aufgehoben. Der BF1, die BF2 und die BF8 erklärten, dagegen eine Beschwerde zu erheben.

Da die BF8 nicht sprechen kann, erfolgten ihre Einvernahmen jeweils im Beisein des BF1. Die Kommunikation mit ihr erfolgte mit seiner Unterstützung, im Wesentlichen über Gesten und Kopfbewegungen.

AmXXXX2018 sind Untersuchungen der BF8 am Uniklinikum XXXX zur weiteren Abklärung ihrer Epilepsieerkrankung (Epilepsiemonitoring) geplant.

Weder in Bezug auf das Privat- und Familienleben der BF noch in Bezug auf die Situation in ihrem Herkunftsland Serbien hat sich die Situation seit dem Abschluss der vorangegangenen Asylverfahren entscheidungswesentlich geändert.

Die vom BFA zur Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes übermittelten Verwaltungsakten langten am 05.10.2018 beim BVwG und am 08.10.2018 in der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und der Gerichtsakten des BVwG.

Die Identität der BF und ihr (Verwandtschafts-)Verhältnis zueinander ergeben sich aus ihren konsistenten Angaben bei den Erstbefragungen und bei den Einvernahmen vor dem BFA. Die Namen, die Geburtsdaten und die Staatsangehörigkeit der BF werden durch die vorliegenden serbischen Zustimmungserklärungen zur Rückübernahme untermauert (aus denen auch die oben wiedergegebenen alternativen Schreibweisen der Vornamen des BF3 und des BF7 hervorgehen).

Die Feststellungen zum Aufenthalt der BF in Österreich basieren auf ihren Angaben, dem Zeitpunkt ihrer ersten Anträge auf internationalen Schutz, auf den Wohnsitzmeldungen laut ZMR und aus den Auszügen aus dem GVS-Informationssystem. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die BF das Bundesgebiet seit Dezember 2016 (BF1 bis BF7) bzw. März 2017 (BF8) verlassen hätten.

Die Muttersprache der BF geht aus ihren Angaben bei der Erstbefragung hervor und ist angesichts ihrer Herkunft plausibel. Der Umstand, dass ihr Lebensmittelpunkt vor ihrer Einreise nach Österreich in Serbien lag, ergibt sich aus den entsprechenden Feststellungen in den Erkenntnissen des BVwG vom 06.07.2018 und vom 31.07.2018. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass den BF österreichische Aufenthaltstitel erteilt wurden. Weder wird dies von ihnen behauptet noch ist es im Fremdenregister ersichtlich.

Die Feststellungen zu den Asylverfahren der BF in Deutschland beruhen auf den im Fremdenregister ersichtlichen EURODAC-Treffern und den entsprechenden Feststellungen in den Erkenntnissen des BVwG vom 06.07.2018 und vom 31.07.2018, aus denen auch die Feststellungen zum gemeinsamen Haushalt der BF, zu den Erkrankungen der BF8 und zu ihrer Versorgung und Betreuung hervorgehen. Dies steht im Einklang mit den vorgelegten medizinischen Unterlagen, aus denen sich sowohl die Krankheiten der BF8 ergeben, die bereits in Serbien medizinisch behandelt wurden (Epilepsie, Lähmungen), als auch die, die erst in Österreich hervorkamen (Schilddrüsenkarzinom, mit der Schilddrüsenentfernung einhergehende Nervenschädigung sowie Stummheit und Schluckbeschwerden).

Unterlagen zur (ambulanten und stationären) Behandlung der BF8 im Universitätsklinikum XXXX im September 2018 liegen vor. Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustands seit dem Erkenntnis des BVwG vom 31.07.2018. Dies wird insbesondere durch die weitgehend unveränderte Medikation und die bei ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus empfohlenen weiteren Maßnahmen, die nicht über ein Epilepsiemonitoring und den Hinweis auf Medikamentencompliance hinausgehen, belegt. Die Einweisung für das für den XXXX2018 geplante Epilepsiemonitoring (Untersuchungen zur näheren Abklärung der Epilepsieerkrankung, vgl https://www.epilepsie-gut-behandeln.de/service/epilepsie-lexikon/detail/2904/intensives-epilepsie-monitoring, Zugriff am 09.10.2018) wurde ebenfalls vorgelegt. Auch aus dem Umstand, dass solche ergänzenden Untersuchungen geplant waren, kann nicht auf eine signifikante Verschlechterung des Zustands der BF8 geschlossen werden, zumal ihre Epilepsie seit langem bekannt ist und bereits vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet im Herkunftsstaat der BF8 behandelt wurde. Im Entlassungsbrief vom 26.09.2018 wird ein "Zustand nach Tuberkulose" erwähnt, es findet sich aber kein Indiz für einen aktuell bestehenden Lungenherd, sodass auch insoweit davon auszugehen ist, dass sich der Zustand der BF8 zuletzt jedenfalls nicht verschlechtert hat.

Aus dem Erkenntnis des BVwG vom 06.07.2018 geht hervor, dass die BF1 bis BF7 gesund sind. Es gibt keine aussagekräftigen Beweisergebnisse für die Annahme, dass sie mittlerweile an schwerwiegenden behandlungsbedürftigen Erkrankungen leiden. Der BF1 erwähnte bei seiner Einvernahme am 17.09.2018 in Bezug auf seinen Gesundheitszustand lediglich, dass er seit mehreren Jahren an Migräne leide. Insoweit liegt keine relevante Änderung des Sachverhalts vor.

Die BF2 erklärte am 03.10.2018, dass es ihr gut ginge. Weder aus den vorgelegten Kopien aus ihrem Mutter-Kind-Pass noch aus den Unterlagen über ihren stationären Krankenhausaufenthalt am XXXX und XXXX2018 ergibt sich, dass bei ihr - wie vom BF1 am 27.09.2018 behauptet - eine Risikoschwangerschaft besteht. Dagegen spricht, dass sie bei der Einvernahme am 17.09.2018 angab, die Schwangerschaft würde gut verlaufen. Außerdem wurden ihr lediglich für Schwangere übliche Präparate verschrieben und sie konnte schon am Tag nach ihrer stationären Aufnahme in das Krankenhaus wieder entlassen werden, was bei einer Risikoschwangerschaft nicht anzunehmen wäre.

Es gibt - abgesehen von vagen Behauptungen des BF1, zwei seiner Kinder würden eine Psycho- und eine Ergotherapie benötigen bzw. einen Psychologen aufsuchen - keine Hinweise auf Krankheiten der BF3 bis BF7. Da die BF2 keinen Therapiebedarf ihrer Kinder erwähnte (sondern lediglich deren verständliche Agitation aus Sorge vor einer möglichen Abschiebung schilderte), keine objektiven Beweismittel, insbesondere keine medizinischen Unterlagen, dazu vorliegen und nicht einmal bekannt ist, welche der fünf Kinder aus welchen Gründen therapiebedürftig sein sollen, ist davon auszugehen, dass zumindest keine schwerwiegenden behandlungsbedürftigen Erkrankungen bestehen.

Die Schwangerschaft der BF2 wird anhand der vorgelegten Kopien aus dem Mutter-Kind-Pass festgestellt. Das BFA geht offenbar von dem darin angegebenen "errechneten Geburtstermin" (XXXX2018) aus, obwohl sowohl dieser Termin als auch der angegebene erste Tag der letzten Regelblutung (offenbar von der Frauenärztin der BF2) mit einem Fragezeichen versehen wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass der im Mutter-Kind-Pass angegebene "Geburtstermin laut Ultraschall" (XXXX2018) richtig ist. Damit korrespondieren die im vorgelegten Entlassungsschein vom XXXX.2018 angeführte Schwangerschaftswoche (32+1) und die Aussage der BF2, wonach es sein könne, dass sie das Baby früher bekomme.

Die Feststellung, dass sich die Situation in Bezug auf das Privat- und Familienleben der BF seit Juli 2018 nicht entscheidungswesentlich geändert hat, beruht auf der kurzen seither verstrichenen Zeit sowie darauf, dass sich aus der Schilderung der BF keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben.

Das BFA legte seiner Entscheidung Länderfeststellungen zugrunde, die von verschiedenen anerkannten Institutionen stammen und ein konsistentes Gesamtbild ergeben. Das BVwG hegt keine Zweifel an der Richtigkeit der in den zu überprüfenden Bescheiden unter Angabe konkreter Quellen aufgenommenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Serbien und übernimmt diese ausdrücklich.

Entscheidungswesentliche Änderungen seit den Entscheidungen des BVwG über die Beschwerden der BF im Juli 2017 liegen - insbesondere angesichts der kurzen seither vergangenen Zeit und der stabilen Situation dort - nicht vor. Es gibt unter Berücksichtigung der aktuellen Berichte zur Lage in Serbien keine Anhaltspunkte dafür, dass die damals getroffenen Feststellungen zur Situation dort unrichtig oder nicht mehr aktuell sein könnten oder dass in der Zwischenzeit eine entscheidungswesentliche Änderung eingetreten wäre, zumal die Feststellungen in den zu überprüfenden Bescheiden im Wesentlichen mit den damals getroffenen übereinstimmen.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 22 Abs 10 AsylG ergehen Entscheidungen des BFA über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem BVwG unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das BVwG; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Hier haben der BF1, die BF2 und die BF8 auch ausdrücklich erklärt, eine Beschwerde gegen die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes zu erheben.

Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes entscheidet das BVwG im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss. Dabei wird einerseits geprüft, ob die materiellen Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG vorliegen und andererseits, ob das BFA bei der Durchführung des Verfahrens die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten hat. Beides ist hier der Fall.

§ 12a Abs 2 AsylG ermöglicht dem BFA die bescheidmäßige Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes bei Folgeanträgen, wenn kein Fall des § 12a Abs 1 AsylG (Folgeanträge nach einer Entscheidung gemäß § 4a AsylG [Schutz in einem anderen EWR-Staat oder in der Schweiz] oder § 5 AsylG [Zuständigkeit eines anderen Staats]) vorliegt. Voraussetzung ist, dass gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Ein Folgeantrag ist gemäß § 2 Abs 1 Z 23 AsylG jeder weitere Antrag auf internationalen Schutz, der einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag zeitlich nachfolgt. Da den Anträgen auf internationalen Schutz vom 03.09.2018 jeweils bereits rechtskräftig erledigte Anträge der BF vorangingen, handelt es sich um Folgeanträge. Es liegt kein Fall des § 12a Abs 1 AsylG vor. Gegen die BF bestehen jeweils Rückkehrentscheidungen. Sie haben Österreich seither nicht verlassen.

Das BFA geht nach dem derzeitigen Verfahrensstand zu Recht davon aus, dass die Folgeanträge der BF voraussichtlich gemäß § 68 AVG zurückzuweisen sein werden, weil sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht geändert hat. Bei der dabei anzustellenden Prognoseentscheidung ist relevant, ob eine Sachverhaltsänderung behauptet wird, die zu einem anderen Ergebnis als im vorangegangenen Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Sache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783).

Aus dem Vorbringen der BF ergibt sich keine derartige wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände. Die Entscheidung über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes wurde kurz nach der Beendigung der Vorverfahren getroffen. Alle von den BF im Verfahren über die Folgeanträge als Fluchtgründe geltend gemachten Umstände wurden bereits in den vorangegangenen Asylverfahren berücksichtigt:

die Bedrohung durch eine Privatperson, die fehlende Wohnmöglichkeit infolge des Brandes ihres Wohnhauses, Probleme aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma, der schlechte Gesundheitszustand der BF8, insbesondere ihre Krebserkrankung und die Schilddrüsenoperation, ihr Pflegebedarf sowie ihre Abhängigkeit vom BF1 und der BF2. Der Gesundheitszustand und der Pflegebedarf der BF8 haben sich nicht entscheidungswesentlich geändert, ebensowenig die Situation in ihrem Herkunftsstaat. Auch die (komplikationslose) Schwangerschaft der BF2 lässt keine andere rechtliche Beurteilung als im Vorverfahren zu.

Das BFA hat schlüssig und umfassend begründet, warum keine entscheidungsrelevanten neuen Tatsachen vorliegen und der Folgeantrag daher voraussichtlich zurückzuweisen sein wird. Im Ergebnis liegt daher keine relevante Sachverhaltsänderung vor, zumal die BF2 und die BF8 mittlerweile - ohne ergänzenden Behandlungsbedarf und ohne wesentliche Veränderung ihres Gesundheitszustands - wieder aus der stationären Krankenhauspflege entlassen wurden. Das BFA hätte über die Zurückweisung der Folgeanträge der BF wegen entschiedener Sache bei verfahrensökonomischer Vorgangsweise sogar schon bescheidmäßig absprechen können, statt zusätzlich aufwändig - in Bezug auf den BF1 und die BF8 jeweils in zwei Rechtsgängen - über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes zu entscheiden.

Vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist weiters gemäß § 12 Abs 2 Z 3 AsylG eine Refoulement-Prüfung im weiteren Sinn und eine Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK vorzunehmen. Das BFA ist hier zutreffend davon ausgegangen, dass die Abschiebung für die BF keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 (Recht auf Leben), Art 3 (Verbot der Folter) oder Art 8 (Recht auf Privat- und Familienleben) EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (Abschaffung der Todesstrafe) bedeutet und für sie als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Weder in den vorangegangenen Verfahren noch in diesem Verfahren sind konkrete Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Gefahr hervorgekommen. Aus den vorangegangenen Sachentscheidungen ergibt sich vielmehr, dass eine Rückführung nach Serbien die BF nicht in ihren Rechten nach Art 2 und Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur EMRK verletzt und auch keine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit als Zivilpersonen infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen internationaler oder innerstaatlicher Konflikte mit sich bringen würde. Es liegen - insbesondere angesichts der stabilen Situation in Serbien und der kurzen seit den Vorentscheidungen vergangenen Zeit - keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die BF abweichend von dieser Einschätzung nunmehr durch die Rückkehr in ihre Heimat doch einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären.

Auch zur Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK ist auf die Entscheidungen des BVwG vom 06.07.2018 bzw. vom 31.07.2018 zu verweisen. Eine maßgebliche Änderung der für den Verbleib der BF in Österreich sprechenden Interessenlage, die zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnte, liegt nicht vor, sodass nach wie vor kein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Privat- und Familienleben anzunehmen ist, zumal der Aufenthalt aller BF im Bundesgebiet nach dem Inhalt der zu überprüfenden Bescheide nur gemeinsam beendet werden soll, sodass das Familienleben der Ehegatten, der gemeinsamen minderjährigen Kinder sowie der pflegebedürftigen und von ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter abhängigen BF8 auch bei der Abschiebung gewahrt bleibt. Im Folgeverfahren haben sich schon aufgrund der kurzen Zeit, die seit der Entscheidung über den ersten Antrag auf internationalen Schutz vergangen ist, keine Anhaltspunkte für eine weitere soziale Verfestigung oder Integration ergeben.

Der Geburtstermin der BF2 ist zwar bereits am XXXX2018. Da Flugreisen aber prinzipiell bis vier Wochen vor dem Geburtstermin (hier also bis 24.10.2018) möglich sind (siehe z.B. https://www.austrian.com/Info/Flying/MedicalInformation.aspx?sc_lang=de&cc=AT sowie

https://www.netdoktor.at/familie/schwangerschaft/fliegen-waehrend-der-schwangerschaft-4678, Zugriff jeweils am 06.10.2018) und überdies auch eine Abschiebung der BF nach Serbien am Landweg denkbar ist, wird die faktische Durchführung der Abschiebung voraussichtlich alsbald möglich sein, zumal die Zustimmung Serbiens für alle BF bereits vorliegt.

Das BFA hat die bei der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes einzuhaltenden Verfahrensschritte eingehalten und ist der ihm obliegenden Verpflichtung, ein Ermittlungsverfahren gemäß § 18 AsylG durchzuführen, ordnungsgemäß nachgekommen. Den BF wurde Parteiengehör eingeräumt, es wurden ihnen die wesentlichen Länderfeststellungen zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt. Probleme bei der Kommunikation mit der sprechunfähigen BF8 sind durch die Beiziehung des BF1 und die Verwendung von Gesten und Mimik nicht zutage getreten. Auch von der anwesenden Rechtsberaterin wurden keine Verständigungsprobleme gerügt.

Im Ergebnis ist daher die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG durch die mündlich verkündeten Bescheide des BFA festzustellen.

Erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG stellten sich nicht, weshalb die Revision an das Höchstgericht nicht zuzulassen ist.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Rückkehrentscheidung,
Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.2198153.3.00

Zuletzt aktualisiert am

13.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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