TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/9 L524 2210158-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.01.2019
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Entscheidungsdatum

09.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L524 2210158-1/5E

L524 2210160-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER, LL.B. über die Beschwerde von (1.) XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, und (2.) XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , beide vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2018,

(1.) ZI. 1089732310-151479404 und (2.) ZI. 1089733808-151479412, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und irakische Staatsangehörige. Sie reisten mit ihrem volljährigen Sohn illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 02.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Erstbeschwerdeführer an, er sei Moslem und gehöre der kurdischen Volksgruppe an. Im Irak würden noch fünf Brüder und eine Schwester leben; seine Eltern seien bereits verstorben. Eine weitere Schwester, eine Tochter und ein Sohn des Erstbeschwerdeführers würden in Australien leben. Er habe zuletzt in Bagdad unter der Adresse XXXX gelebt und als Schmied gearbeitet. Den Entschluss zur Ausreise habe er im Jahr 2012 gefasst, den Irak habe er dann am 25.09.2015 mit seiner Frau, der Zweitbeschwerdeführerin und dem gemeinsamen Sohn verlassen. Er sei mit dem Flugzeug in die Türkei gereist und auf dem Seeweg in einem Schlauchboot schlepperunterstützt nach Griechenland weitergereist und habe am 26.09.2015 eine unbekannte griechische Insel erreicht. Er sei dann über Athen, Mazedonien, Serbien, Kroatien schlepperunterstütz mit verschiedenen Verkehrsmitteln nach Ungarn gereist, von wo aus er zunächst mit dem Zug und dann zu Fuß in das österreichische Bundesgebiet weitergereist sei. Seinen Reisepass habe er im Mittelmeer verloren. In Griechenland sei er eine Nacht geblieben und sei dort erkennungsdienstlich behandelt worden, wolle in Griechenland aber keinesfalls Asyl beantragen, er gehe diesfalls eher in den Irak zurück.

Als Fluchtgrund gab der Erstbeschwerdeführer an:

"Die Miete und die Lebenserhaltung im Irak ist sehr hoch, es gibt keine Arbeit. Ständige Explosionen, 2 x gab es in der Nähe meines Sohnes eine Explosion, aber Gott hat ihn beschützt. Es kommt auch ständig zu Entführungen durch terroristische Gruppierungen. Wir müssen für die Soldaten spenden, die gegen die Terroristen in den Kampf ziehen. Für die entführten Personen wird von den Terroristen Lösegeld gefordert, oder sie werden getötet."

Befragt nach den Befürchtungen bei einer Rückkehr in den Irak gab der Erstbeschwerdeführer an, er habe Angst vor Terroristen und dass er keine Arbeit und kein Geld zum Leben habe. Die Staatsverschuldung sei sehr groß. Es gebe keine Wirtschaft mehr.

2. Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei der am 02.10.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, sie sei Moslemin und gehöre der kurdischen Volksgruppe an. Im Irak habe sie keine Angehörigen, im Iran würden noch ihre Mutter, drei Brüder und vier Schwestern leben. Ihr Vater sei bereits verstorben.

Sie habe zuletzt in Bagdad unter der Adresse XXXX gelebt. Den Entschluss zur Ausreise habe sie im Jahr 2012 gefasst, den Irak habe sie dann am 25.09.2015 gemeinsam mit ihrem Mann, dem Erstbeschwerdeführer, und dem gemeinsamen Sohn verlassen. Sie sei mit dem Flugzeug in die Türkei gereist und auf dem Seeweg in einem Schlauchboot schlepperunterstützt nach Griechenland weitergereist und habe eine unbekannte griechische Insel am 26.09.2015 erreicht. Sie sei dann über Athen, Mazedonien, Serbien, Kroatien schlepperunterstütz mit verschiedenen Verkehrsmitteln nach Ungarn gereist, von wo aus sie zunächst mit dem Zug und dann zu Fuß in das österreichische Bundesgebiet weitergereist sei. Ihren Reisepass habe sie im Mittelmeer verloren. In Griechenland sei sie eine Nacht geblieben und sei dort erkennungsdienstlich behandelt worden.

Als Fluchtgrund gab die Zweitbeschwerdeführerin an:

"Die Miete und die Lebenserhaltung im Irak ist sehr hoch, es gibt keine Arbeit. Ständige Explosionen, 2 x gab es in der Nähe meines Sohnes eine Explosion, aber Gott hat ihn beschützt. Es kommt auch ständig zu Entführungen durch terroristische Gruppierungen. Wir müssen für die Soldaten spenden, die gegen die Terroristen in den Kampf ziehen. Für die entführten Personen wird von den Terroristen Lösegeld gefordert, oder sie werden getötet."

Für den Fall ihrer Rückkehr in den Irak befürchte die sie, von Terroristen getötet zu werden und keine Lebensgrundlage zu haben.

3. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 11.04.2018 brachte der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen vor, er habe in der Erstbefragung wahrheitsgemäße Angaben gemacht und es sei ihm rückübersetzt worden. Seinen Reisepass habe er bei der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland verloren. Nachgefragt gab er an, er habe die Tasche mit seinem Reisepass weggeworfen, damit das Gewicht des Schlauchboots weniger werde. Nach Vorhalt, dass er den Personalausweis nicht weggeworfen habe, meinte der Erstbeschwerdeführer, der Schlepper habe dazu geraten, den Reisepass in Griechenland nicht vorzuzeigen, weil sie sonst von den Behörden zurückgeschickt würden. Der Erstbeschwerdeführer sei am XXXX in Bagdad geboren, schiitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Faili-Kurden an. Er sei seit 1984 mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet und habe mit dieser drei Kinder. Ihr Sohn XXXX und ihre Tochter XXXX würden in Australien leben und ihr Sohn XXXX lebe mit ihnen in Österreich. Seine Eltern sowie zwei Brüder seien verstorben. Er habe fünf weitere Brüder und eine Schwester im Irak sowie eine weitere Schwester in Australien. Drei Brüder und eine Schwester würden in Bagdad in verschiedenen Stadtteilen (zB XXXX ) leben und zwei Brüder würden im Nordirak in der kurdischen Autonomieregion (KRI) in XXXX leben. Er stehe mit seinen Angehörigen im Irak wöchentlich in telefonischem Kontakt.

Er habe in Bagdad fünf Jahre die Grundschule besucht. Danach habe er bis 1977 als Schweißer in Bagdad gearbeitet und habe von 1977 bis 1990 den Militärdienst geleistet. Im Anschluss daran habe er für drei Jahre als Brennholzverkäufer und danach bis zu seiner Ausreise erneut selbstständig als Schweißer in Bagdad gearbeitet. Bei der Ausreise habe er seine Arbeitsgeräte und sein Motorrad verkauft. Zuletzt habe er in einem gemieteten Haus in Bagdad im Stadtteil XXXX gelebt.

In Österreich habe er zwei Deutschkurse für Analphabeten besucht, er sei nicht erwerbstätig, auch nicht ehrenamtlich tätig und erhalte Leistungen aus der Grundversorgung. Er habe nur Kontakt zu Irakern.

Er habe im Jahr 2012 den Entschluss gefasst den Irak zu verlassen, weil die Lage unsicher gewesen sei und es in Bagdad Explosionen gegeben habe. Er habe aber kein Geld für die Ausreise gehabt, weshalb er den Irak erst am 26.09.2015 verlassen habe.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Erstbeschwerdeführer an (Fehler im Original):

"F.: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß. Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

A: Es gab Explosionen in Bagdad und viele Menschen wurden entführt. Deswegen habe ich Angst um meinen Sohn gehabt.

(Ende der freien Schilderung.)

F: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie den Irak verlassen haben?

A: Nein.

F: Ist Ihnen persönlich im Irak etwas passiert?

A: Nein.

F: Ist Ihrer Familie bzw. Ihrer mitgereisten Frau oder Ihrem Sohn im Irak etwas passiert?

A: Nein, aber mein Sohn war öfter in der Stadt unterwegs und wir hatten Angst dass ihm bei den Explosionen auf der Straße etwas passiert.

F: Waren diese Explosionen gezielt gegen Ihren Sohn gerichtet?

A: Nein, es waren allgemeine Explosionen.

F: Ist irgendjemand von Ihrer Familie bei diesen Explosionen verletzt worden?

A: Nein.

F: Was hat Ihr mitgereister Sohn XXXX im Irak gemacht?

A: Er war Hilfsarbeiter und Träger im XXXX in Bagdad.

F: Sie haben bei der Erstbefragung gesagt, dass die Miete sehr hoch war und wenig Arbeit war. Was sagen Sie dazu?

A: Ja das stimmt, das ganze Leben war teuer und mein Sohn aus Australien schickte mir Geld. Ich wollte keine Last mehr für ihn sein.

F: Wollen Sie zu Ihrem Fluchtgrund noch etwas sagen?

A: Meine Eltern stammen aus dem Iran, mein Vater kam mit 12 Jahren in den Irak. Er hat dann im Irak gelebt und geheiratet. Man geht davon aus im Irak, dass wir einfach zum Iran gehören. Auch mit "wir" meine ich die kurdischen Faili. Die regierenden Parteien im Irak meinen, dass wir pro Saddam Hussein waren und deswegen bekommen wir keine eigenen Häuser von der Stadt.

F: Vorhalt: Sie verbrachten Ihr ganzes Leben als Kurde Faili in Bagdad in XXXX in einem geschützten Gebiet, Sie besitzen die irakische Staatsbürgerschaft und haben auch Dokumente. Was sagen Sie dazu?

A: Ja, ich habe aber selber keine Sippe und keinen Stamm.

F: Was meinen Sie damit?

A: Die Sippen und Stämme regieren im Irak.

F: Ist Ihnen persönlich im Irak etwas passiert?

A: Nein. Ich war ein ruhiger Mensch und habe mich nirgendwo eingemischt. Mir ist nichts passiert.

F: Was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr in den Irak?

A: Ich kann dort nicht leben. Nachgefragt: Niemand wird für mich und mein Leben sorgen.

F: Was meinen Sie damit, dass jemand für Sie sorgt?

A: Niemand wird mir Geld geben uns sich um mich kümmern.

F: Sie haben ja Geschwister im Irak. Warum soll das Leben für Sie nicht möglich sein und für Ihre Geschwister schon?

A: Meine Geschwister haben viele Söhne, welche für sie arbeiten und sorgen. Ich habe nur einen Sohn, dieser ist mit mir in Österreich.

Nachgefragt: Ja, ich habe schon einen zweiten Sohn auch, der ist in Australien."

Der Erstbeschwerdeführer gab, keine Probleme mit den Behörden gehabt zu haben, nicht vorbestraft oder inhaftiert gewesen zu sein. Es bestünden keine Fahndungsmaßnahmen, er sei nicht Mitglied in einer politischen Partei. Er habe keine Probleme aufgrund seines Religionsbekenntnisses bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt und auch keine Probleme mit Privatpersonen gehabt.

4. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 11.04.2018 brachte die Zweitbeschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie habe in der Erstbefragung wahrheitsgemäße Angaben gemacht und es sei ihr rückübersetzt worden. Ihr Reisepass sei auf der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland weggeworfen worden. Sie sei am XXXX in XXXX geboren, schiitische Moslemin und gehöre der Volksgruppe der Faili-Kurden an. Sie sei mit dem Erstbeschwerdeführer verheiratet und habe mit diesem drei Kinder. Ihr Sohn XXXX und ihre Tochter XXXX würden in Australien leben und ihr Sohn XXXX lebe mit ihnen in Österreich. Ihr Vater sei bereits verstorben; ihre Mutter, zwei Brüder und vier Schwestern würden im Iran leben und ein weiterer Bruder lebe in Australien. Im Irak würden nur die Geschwister ihres Ehegatten leben. Sie habe in XXXX neun Jahre die Schule besucht und im Alter von 21 Jahren ihren nunmehrigen Ehegatten geheiratet und mit diesem bis zur Ausreise in Bagdad gelebt.

Sie habe bislang wegen Kopfschmerzen keine Deutschkurse besucht, sei nicht erwerbstätig, würde jedoch gerne ehrenamtliche Tätigkeiten verrichten. Sie verbringe ihre Zeit mit anderen Asylwerbern.

Im Jahr 2011 oder 2012 habe den Entschluss gefasst den Irak zu verlassen. Sie habe aber kein Geld für die Ausreise gehabt, weshalb sie den Irak erst am 26.09.2015 mit ihrem Mann und dem Sohn verlassen habe.

Zu ihrem Fluchtgrund gab die Zweitbeschwerdeführerin an (Fehler im Original):

"F.: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß. Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

A: Ich machte mir nur Sorgen um meinen Sohn XXXX . Er hat im XXXX gearbeitet und wir hatten Angst dass ihm etwas passiert. Wir leben seit 2 1/2 Jahren in Österreich und machen uns keine Sorgen wenn unser Sohn draußen unterwegs ist.

F: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie den Irak verlassen haben?

A: Wir sind nur wegen meinem Sohn XXXX ausgereist.

F: Ist Ihrem Sohn XXXX im Irak etwas passiert?

A: Ihm selber ist nichts passiert, aber er war öfter unterwegs wo in der Nähe Explosionen waren.

F: Wann waren diese Explosionen und wo?

A: Einmal 2014 und einmal 2015. Die Explosionen waren in XXXX , im Kaffeehaus und auch im XXXX , wo mein Sohn arbeitete.

F: Waren diese Explosionen gezielt gegen Ihren Sohn gerichtet?

A: Nein, das betrifft tausende Menschen.

F: Ist Ihnen persönlich im Irak etwas passiert?

A: Nein.

F: Haben Sie eine Explosion miterlebt?

A: Nein, aber es gab diese öfter in der Nähe.

F: Wer verursachte diese Explosionen?

A: Das weiß ich nicht.

F: Ist Ihrer Familie bzw. Ihrem mitgereisten Mann oder Ihrem Sohn im Irak etwas passiert?

A: Nein, nein, nein.

Vorhalt: Sie haben bei der Erstbefragung gesagt, dass die Miete sehr hoch war und wenig Arbeit war. Was sagen Sie dazu?

A: Ja, das stimmt.

F: Warum haben sie das heute als Fluchtgrund nicht erzählt?

A: Sie haben mich nicht danach gefragt.

Vorhalt: Sie wurden gefragt, alle Fluchtgründe zu schildern und es wurde auch gefragt, ob Sie weitere Fluchtgründe haben.

A: Ich meine damit, ich wurde nicht nach der finanziellen Lage gefragt. In unserem Stadtviertel waren die Mieten sehr hoch.

F: Wollen Sie zu Ihrem Fluchtgrund noch etwas sagen?

A: Nein.

F: Was befürchten Sie im Fall der Rückkehr in den Irak?

A: Wir haben Angst, dass unserem Sohn etwas passiert. Um mich selbst mache ich mir keine Sorgen."

Die Zweitbeschwerdeführerin gab, keine Probleme mit den Behörden gehabt zu haben, nicht vorbestraft oder inhaftiert gewesen zu sein. Es bestünden keine Fahndungsmaßnahmen, sie sei nicht Mitglied in einer politischen Partei. Sie habe keine Probleme aufgrund ihres Religionsbekenntnisses bzw. ihrer Volksgruppenzugehörigkeit gehabt und auch keine Probleme mit Privatpersonen gehabt.

5. Mit Bescheiden des BFA vom 24.10.2018, (1.) ZI.

1089732310-151479404 und (2.) ZI. 1089733808-151479412, wurden die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

In der Begründung wurden zunächst die Angaben der Beschwerdeführer zu ihren Fluchtgründen in der Erstbefragung sowie die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA wörtlich wiedergegeben. Weiters wurden die vorgelegten Dokumente angeführt.

Das BFA stellte fest, dass die Beschwerdeführer irakische Staatsangehörige und schiitische Moslems seien, sowie der Volksgruppe der Faili-Kurden angehören. Sie seien gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafrechtlich unbescholten. Die Beschwerdeführer seien miteinander verheiratet und hätten drei Kinder. Im Irak würden noch fünf Brüder und eine Schwester des Erstbeschwerdeführers leben. In Österreich lebe ein Sohn der Beschwerdeführer.

Der Erstbeschwerdeführer habe fünf Jahre die Schule besucht und habe Berufserfahrung als Schweißer. Die Zweitbeschwerdeführerin habe neun Jahre die Schule besucht.

Der Erstbeschwerdeführer habe zwei Deutschkurse besucht, habe dazu aber keine Prüfung abgelegt und habe keine ehrenamtliche Tätigkeit verrichtet. Die Zweitbeschwerdeführerin habe keinen Deutschkurs besucht und keine ehrenamtliche Tätigkeit verrichtet. Die Beschwerdeführer würden im Bundesgebiet von der Grundversorgung leben.

Zu den Gründen für das Verlassen des Heimatstaates stellte das BFA fest, es könne nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer oder ihre Familie im Irak aufgrund von Explosionen bedroht worden seien. Es habe auch nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer im Irak einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Privatpersonen unterliegen würden und auch aus den sonstigen Umständen habe keine Verfolgung aus GFK-Gründen festgestellt werden können.

Danach traf das BFA Feststellungen zur Lage im Irak.

Beweiswürdigend führte das BFA im Bescheid des Erstbeschwerdeführers aus (Schreibfehler im Original):

"Bei den Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats steht die Vernehmung als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Deshalb obliegt es dem Asylwerber alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung darzulegen und müssen diese Angaben von der Behörde auf Ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden.

Sie gaben in Ihrer Erstbefragung am 02.10.2015 befragt zu Ihren Fluchtgründen sinngemäß an, dass im Irak die Miete und die Lebenshaltungskosten sehr hoch seien, es gebe keine Arbeit und außerdem ständig Explosionen. Zweimal habe in der Nähe Ihres Sohnes eine Explosion stattgefunden.

Die Angst um Ihren Sohn stellte auch in der Einvernahme vor der Behörde am 11.04.2018 einen wesentlichen Grund für das Verlassen Ihrer Heimat dar. Es gebe Explosionen und viele Menschen würden entführt werden. Die Explosionen seien aber allgemein gewesen und nicht speziell gegen Ihren Sohn gerichtet, trotzdem hätten Sie Angst um ihn gehabt, weil er öfter in der Stadt unterwegs war.

Nachgefragt, warum Sie in der Erstbefragung die hohen Miet- und Lebenserhaltungskosten als Ausreisegrund angaben, meinten Sie, dies stimme, das Leben sei teuer und Ihr Sohn aus Australien habe Ihnen Geld geschickt. Jedoch wollten Sie keine Last mehr für ihn sein.

Grundsätzlich ist der Status eines Asylberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Voraussetzung für die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling ist daher ein Eingriff, der eine solche Intensität erreicht, dass es dem Asylwerber unzumutbar ist, weiter im Heimatstaat zu verbleiben.

In Ihrem Fall ging die Behörde von keiner realen Gefahr einer solchen Bedrohung aus. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde

Es ist Ihnen nicht gelungen, eine konkrete und gezielt gegen Ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, vorzubringen.

Ihre Angaben lassen in erster Linie wirtschaftliche Gründe für das Verlassen Ihrer Heimat erkennen. So machten Sie als ersten geschilderten Grund in Ihrer Erstbefragung die hohen Miet- und Lebenserhaltungskosten und die Arbeitslosigkeit im Irak geltend, Sie hätten im Falle Ihrer Rückkehr in Ihre Heimat Angst dass Sie keine Arbeit und kein Geld zum Leben hätten. Die Staatsverschuldung sei sehr groß. Diese Gründe bestätigten Sie später auch in der Einvernahme vor der Behörde.

Zusätzliche schilderten Sie dann auch dass es ständig Explosionen und Entführungen gäbe. Diese Angaben sind zweifelsfrei den Tatsachen entsprechend, jedoch sind sie allgemein und waren nicht gegen Sie oder Ihren Sohn speziell gerichtet.

Sie gaben in der Einvernahme vor der Behörde an, Sie seien in Ihrem Heimatland inhaftiert gewesen weil Sie vor dem Militärdienst geflüchtet sind. Einen Haftbefehl oder sonstige Nachweise dazu konnten Sie nicht vorlegen, der Vorfall habe bereits im Jahr 1988 stattgefunden.

Die Voraussetzung wohlbegründeter Furcht wird in der Regel nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein, welche im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Die der Asylentscheidung immanente Prognose, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten haben, hat auf diesen Zeitpunkt abzustellen (VwGH, 19.10.2000, 98/20/0233).

In einer Gesamtschau hat die Behörde auf Grundlage des von Ihnen gewonnenen Eindrucks - auch unter Berücksichtigung der Grenzen freier Beweiswürdigung - nicht die Überzeugung erlangen können, dass eine Verfolgungsgefährdung besteht und Ihnen im Herkunftsstaat eine persönliche asylrelevante Verfolgung bzw. Bedrohung droht. Die Behörde kam in Summe im Rahmen der vorzunehmenden Beweiswürdigung zu dem den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens entsprechenden Ergebnis, dass sich der maßgebliche von Ihnen behauptete und den Fluchtgrund betreffenden Sachverhalt, nämlich dass in Bagdad die wirtschaftliche Lage schlecht sei und allgemein Explosionen und Entführungen stattfanden, als nicht asylbegründend darstellt.

Auch aus den sonstigen Umständen konnte eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht festgestellt werden.

Für die Behörde steht daher fest, dass es bis dato keine individuelle Verfolgungsgefahr für Ihre Person gab."

Beweiswürdigend führte das BFA im Bescheid der Zweibeschwerdeführerin aus (Schreibfehler im Original):

"Bei den Feststellungen zu den Gründen für das Verlassen Ihres Herkunftsstaats steht die Vernehmung als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Deshalb obliegt es dem Asylwerber alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung darzulegen und müssen diese Angaben von der Behörde auf Ihre Glaubwürdigkeit überprüft werden.

Festgestellt wird, dass Sie die gleichen Gründe für das Verlassen Ihrer Heimat wie Ihr Ehemann vorbrachten.

Sie gaben in Ihrer Erstbefragung am 02.10.2015 befragt zu Ihren Fluchtgründen sinngemäß an, dass im Irak die Miete und die Lebenshaltungskosten sehr hoch seien, es gäbe keine Arbeit und außerdem ständig Explosionen. Zweimal habe in der Nähe Ihres Sohnes eine Explosion stattgefunden.

Die Angst um Ihren Sohn stellte auch in der Einvernahme vor der Behörde am 11.04.2018 einen wesentlichen Grund für das Verlassen Ihrer Heimat dar. Er habe im XXXX gearbeitet und Sie hätten Angst gehabt, dass ihm etwas passiere. Ihr Sohn sei öfter unterwegs gewesen, wo in der Nähe Explosionen gewesen seien. Auf Nachfrage, ob diese Explosionen gezielt gegen Ihren Sohn gerichtet gewesen seien, antworteten Sie, nein, das habe tausende Menschen betroffen. Sie würden sich um sich selbst keine Sorgen machen, Sie hätten nur Angst um Ihren Sohn.

Auch die schlechte wirtschaftliche Lage im Irak wie zum Beispiel die hohen Mietkosten und wenig Arbeit seien ein Grund für die Ausreise gewesen.

Grundsätzlich ist der Status eines Asylberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen. Diese liegen vor, wenn sich jemand aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Voraussetzung für die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling ist daher ein Eingriff, der eine solche Intensität erreicht, dass es dem Asylwerber unzumutbar ist, weiter im Heimatstaat zu verbleiben.

In Ihrem Fall ging die Behörde von keiner realen Gefahr einer solchen Bedrohung aus. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde

Es ist Ihnen nicht gelungen, eine konkrete und gezielt gegen Ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, vorzubringen.

Ihre Angaben lassen in erster Linie wirtschaftliche Gründe für das Verlassen Ihrer Heimat erkennen. So machten Sie als ersten geschilderten Grund in Ihrer Erstbefragung die hohen Miet- und Lebenserhaltungskosten und die Arbeitslosigkeit im Irak geltend, Sie hätten im Falle Ihrer Rückkehr in Ihre Heimat Angst vor den Terroristen und dem Fehlen einer Lebensgrundlage. Diese Gründe bestätigten Sie später auch in der Einvernahme vor der Behörde.

Dass Sie sich aufgrund von Explosionen die in Bagdad stattfanden Sorgen um Ihren Sohn machten, ist allgemein verständlich, jedoch sind sie allgemein und waren nicht gegen Sie oder Ihren Sohn speziell gerichtet. Sie gaben dies selbst an, dass diese Vorfälle tausende Menschen und nicht explizit Ihren Sohn betroffen hätten. Sie seien nur wegen Ihrem Sohn ausgereist.

Wie schon ausgeführt, konnten Sie bei keinem der von Ihnen angeführten Gründe geltend machen, worin die Verfolgung für Sie persönlich bestehen würde.

In einer Gesamtschau hat die Behörde auf Grundlage des von Ihnen gewonnenen Eindrucks - auch unter Berücksichtigung der Grenzen freier Beweiswürdigung - nicht die Überzeugung erlangen können, dass eine Verfolgungsgefährdung besteht und Ihnen im Herkunftsstaat eine persönliche asylrelevante Verfolgung bzw. Bedrohung droht. Die Behörde kam in Summe im Rahmen der vorzunehmenden Beweiswürdigung zu dem den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens entsprechenden Ergebnis, dass sich der maßgebliche von Ihnen behauptete und den Fluchtgrund betreffenden Sachverhalt, nämlich dass in Bagdad die wirtschaftliche Lage schlecht ist und allgemein Explosionen und Entführungen stattfanden, als nicht asylbegründend erweist.

Auch aus den sonstigen Umständen konnte eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht festgestellt werden.

Für die Behörde steht daher fest, dass es bis dato keine individuelle Verfolgungsgefahr für Ihre Person gab."

In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe nicht hätten glaubhaft machen können. Zudem seien bestehende schwierige Lebensumstände allgemeiner Natur hinzunehmen. Es ergebe sich auch kein Hinweis darauf, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Irak eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde. Nach Abwägung aller Interessen ergebe sich, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

6. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht über ihren nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde, in der im Wesentlichen die Situation der Faili-Kurden dargestellt wird, die schikaniert würden. In einer mündlichen Verhandlung werde der Erstbeschwerdeführer genauer über die alltäglichen Benachteiligungen berichten. Angesichts dieser Diskriminierungen sei der Erstbeschwerdeführer nicht mehr in der Lage, seine Existenzgrundlage zu sichern.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer sind irakische Staatsangehörige und schiitische Moslems. Sie gehören der Volksgruppe der Faili-Kurden an. Die Beschwerdeführer sind verheiratet und haben drei gemeinsame Kinder. Ein Sohn und eine Tochter leben in Australien, ein weiterer Sohn XXXX lebt mit den Beschwerdeführern im österreichischen Bundesgebiet. Darüber hinaus bestehen keine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet.

Im Irak leben fünf Brüder und eine Schwester des Erstbeschwerdeführers. Drei Brüder und eine Schwester des Erstbeschwerdeführers leben in Bagdad, zwei weitere Brüder leben in der kurdischen Autonomieregion in XXXX . Der Erstbeschwerdeführer steht in telefonischem Kontakt zu seinen Angehörigen im Irak. Die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin lebt seit 20 Jahren im Iran. Dort leben auch zwei Brüder und vier Schwestern der Zweitbeschwerdeführerin.

Der Erstbeschwerdeführer wurde in Bagdad geboren und lebte dort bis zu seiner Ausreise aus dem Irak. Er hat im Irak fünf Jahre die Schule besucht und danach bis 1977 als Schweißer gearbeitet. Von 1977 bis 1990 leistete er den Militärdienst. Danach arbeitete er drei Jahre als Brennholzverkäufer in Bagdad und im Anschluss daran bis zu seiner Ausreise als Schweißer.

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in XXXX geboren und wuchs dort im Elternhaus auf. Sie hat neun Jahre die Schule besucht und ist nach ihrer Heirat mit dem Erstbeschwerdeführer zu diesem nach Bagdad gezogen. Die Beschwerdeführer lebten in Bagdad in einem gemieteten Haus.

Zur Finanzierung der Ausreise hat der Erstbeschwerdeführer seine Arbeitsgeräte und sein Motorrad verkauft. Die wirtschaftliche Lage des Erstbeschwerdeführers war "mittelmäßig". Die Kosten der Reise betrugen für die Beschwerdeführer und ihren Sohn ca. 7.300 US-Dollar.

Die Beschwerdeführer verließen ca. im September 2015 legal den Irak und reisten gemeinsam mit ihrem volljährigen Sohn illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 02.10.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

Die Beschwerdeführer haben den Irak wegen der allgemeine Lage in Bagdad, wo es zu Explosionen und Entführungen kommt, und aus wirtschaftlichen Gründen verlassen.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten und beziehen Leistungen aus der Grundversorgung. Sie sind nicht erwerbstätig und gehen auch keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Die Beschwerdeführer sind auch gesund. Der Erstbeschwerdeführer hat bislang die beiden Bildungsveranstaltungen Alpha Teil 1 und Teil 2 für AsylwerberInnen an der Volkshochschule XXXX besucht, jedoch keine Deutschprüfung abgelegt. Die Zweitbeschwerdeführerin hat bislang weder einen Deutschkurs besucht, noch eine Deutschprüfung abgelegt. Die Beschwerdeführer haben Kontakt zu irakischen Staatsangehörigen bzw. zu anderen Asylwerbern.

XXXX

KI vom 18.5.2018: Parlamentswahlen

Am 12.5.2018 wurden im Irak Parlamentswahlen abgehalten. Die Wahlbeteiligung lag bei 44,5 Prozent - die niedrigste Beteiligung seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 (Die Presse 13.5.2018). Als Sieger geht das Wahlbündnis Sa'irun des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs hervor, das nicht mehr vom ersten Platz zu verdrängen ist (Spiegel Online 17.5.2018). Auf zweitem Platz liegt, nach ersten Ergebnissen, das Fatah Bündnis des Milizenführers Hadi al-Ameri, der eng mit den iranischen Revolutionsgarden verbunden ist (Die Presse 13.5.2018). Die Nasr Allianz des amtierenden Ministerpräsidenten Haider al-Abadi kommt im Zwischenergebnis nur auf den dritten Platz (NZZ 15.5.2018).

Obwohl die Wahlkommission die Resultate der Wahl zunächst schon am 14.5.2018 veröffentlichen wollte, liegt bis dato kein offizielles Endergebnis vor (Spiegel Online 17.5.2018). Anschuldigungen von Wahlbetrug in der zwischen Kurden und irakischer Zentralregierung umstrittenen Stadt Kirkuk verzögern die Veröffentlichung der Endergebnisse (The Washington Post 17.5.2018). Laut Wahlkommission belagerten Bewaffnete am Mittwoch, den 16.5.2018, etliche Wahllokale in der Stadt und hielten Mitarbeiter der Wahlkommission in Geiselhaft (Reuters 16.5.2018). Der Gouverneur von Kirkuk sowie der Leiter der Exekutivorgane, Generalmajor Maan al-Saadi, bestritten dies und erklärten, dass die Lage stabil sei und es sich um friedliche und unbewaffnete Proteste um die Wahllokale herum handle (The Washington Post 17.5.2018; Reuters 16.5.2018).

Quellen:

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Neue Züricher Zeitung (15.5.2018): Der Überraschungssieger in der Parlamentswahl öffnet neue Horizonte für den Irak, https://www.nzz.ch/international/irak-ueberraschender-wahlsieg-bei-parlamentswahl-oeffnet-horizonte-ld.1386066, Zugriff 18.5.2018

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Die Presse (13.5.2018): Irak-Wahl: Niedrigste Beteiligung seit Sturz Saddam Husseins,

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5425941/IrakWahl_Niedrigste-Beteiligung-seit-Sturz-Saddam-Husseins, Zugriff 18.5.2018

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Reuters (16.5.2018): Iraqi election commission says Kirkuk voting stations under siege, staff inside, https://www.reuters.com/article/us-iraq-election-kirkuk/iraqi-election-commission-says-kirkuk-voting-stations-under-siege-staff-inside-idUSKCN1IH1YA, Zugriff 18.5.2018

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Der Spiegel Online (17.5.2018): Die Wandlung des "Mullah Atari", http://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-wahl-muqtada-al-sadrs-wandlung-von-hardliner-zum-versoehner-a-1207894.html, Zugriff 18.5.2018

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The Washington Post (17.5.2018): During wait for Iraqi election results, political blocs scramble for influence, https://www.washingtonpost.com/world/during-wait-for-iraqi-election-results-foreign-states-scramble-for-influence/2018/05/17/a1d111d0-59da-11e8-9889-07bcc1327f4b_story.html?noredirect=on&utm_term=.beca16f25693, Zugriff 18.5.2018

KI vom 23.11.2017: Weitere Entwicklungen im Anschluss an das Kurdenreferendum, weitere Rückeroberungen von IS-Gebiet und Update Sicherheitslage mit Fokus auf Bagdad.

Am 29.10.2017 erklärte Mas'ud Barzani seinen Rücktritt als Präsident der kurdischen Region. Er lehnte in einem Brief an das kurdische Parlament eine Verlängerung seines Mandats über den 1.11.17 hinaus ab (IFK 6.11.2017). Barzani bleibt Vorsitzender der KDP (Kurdistan Democratic Party) und somit weiterhin ein wichtiger politischer Akteur. Die weiter andauernde Lähmung des kurdischen Regionalparlamentes versetzt die beiden Parteien KDP und PUK (Patriotische Union Kurdistans) weiterhin in die Lage, politische Entscheidungen ohne die Einbeziehung der Partei Goran oder anderer Parteien zu treffen (CR 14.11.2017).

Nach der Offensive der irakischen Armee und der PMF (Popular Mobilization Forces) in die von den Kurden kontrollierten Gebiete, besteht derzeit ein Waffenstillstand, es herrscht jedoch weiterhin Unsicherheit, nicht nur bezüglich der weiteren Vorgehensweise der irakischen Regierung, sondern auch die wirtschaftliche Situation Kurdistans betreffend. Unterdessen gibt es neue Beweise dafür, dass im Zuge der Offensive in den vorwiegend kurdischen Gebieten Plünderungen, Brandstiftungen, Häuserzerstörungen und willkürliche Angriffe offenbar insbesondere von Seiten der PMF (auch von Seiten turkmenischer PMF-Milizen) stattfanden. Tausende haben dabei ihre Häuser, ihre Geschäfte und ihre sonstigen Besitztümer verloren. (AI 24.10.2017; Bas 14.11.2017; HRW 20.10.2017).

Laut den Vereinten Nationen (VN) kam es im Zuge der Offensive der irakischen Regierung zur Vertreibung von zehntausenden Menschen aus den sogenannten "umstrittenen Gebieten". 180.000 Menschen sind (mit Stand 18.11.2017) nach wie vor vertrieben, 172.000 sind zurückgekehrt. Die meisten dieser Vertriebenen sind Kurden, aber auch Mitglieder anderer Minderheiten, einschließlich sunnitischer Araber und Turkmenen. Die meisten Vertriebenen lebten in den Städten Kirkuk, Daquq (Provinz Kirkuk), sowie Tuz Khurmatu (Rudaw 18.11.2017). Aus Furcht vor Repressalien kehren sie derzeit nicht in ihre Heimatgebiete zurück (Reuters 9.11.2017).

Am Abend des 12.11.2017 fand in der Grenzregion zwischen Iran und Irak ein Erdbeben der Stärke 7,3 statt. Im Irak war dabei die an der Grenze zum Iran befindliche Stadt Halabja (im Autonomen Kurdengebiet) am stärksten betroffen. Acht Menschen starben im Irak, mehr als 500 wurden verletzt und hunderte Familien wurden obdachlos. Zumindest drei Gesundheitszentren wurden beschädigt. Verglichen mit dem Iran war der Irak deutlich geringer von dem Erdbeben betroffen (UNFPA 19.11.2017).

Im Zuge der Rückeroberungen von IS-Gebieten (IS: sogenannter Islamischer Staat) werden weiterhin Massengräber gefunden. Zuletzt wurde in der Nähe der Militärbasis al-Bakara etwa drei Kilometer vor der Stadt Hawija ein Grab mit mindestens 400 Toten (mutmaßlichen IS-Opfern) entdeckt (MOI 3.11.2017; Standard 11.11.2017). Umgekehrt treten weitere Berichte von Racheakten von Seiten der Befreier zutage, laut Nahostexpertin Gudrun Harrer scheint der Zyklus der Gewalt mit dem Sieg über den IS nicht unterbrochen (Harrer 24.11.2017). Mehr als 3,1 Millionen Iraker (die überwältigende Mehrheit Sunniten) sind weiterhin Vertriebene. Weitere 2,3 Millionen sind in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. Für den Wiederaufbau ihrer Städte erhielten die Sunniten nicht viel Hilfe von der Zentralregierung, die sich mehr auf die Bekämpfung/Zurückdrängung des IS und zuletzt der Kurden konzentrieren (NYTimes 26.10.2017).

Ab dem 3.11.2017 mit Stand 17.11.2017 wurden die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert. Laut der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des IS hat dieser nun 95 Prozent jener irakischen und syrischen Territorien verloren, welches er im Jahr 2014 als Kalifat ausgerufen hatte (Telegraph 17.11.2017; IFK 6.11.2017). Das Wüstengebiet nördlich der drei Städte bleibt vorerst weiterhin IS-Terrain. Die Gebiete rund um Kirkuk und Hawija gehören zu jenen Gebieten, bei denen das Halten des Terrains eine große Herausforderung darstellt. (MEE 16.11.2017; Reuters 5.11.2017; BI 13.11.2017). Es stellt sich auch die Frage, wo sich jene IS-Kämpfer aufhalten, die, nicht getötet wurden oder die nicht in Gefängnissen sitzen (Alleine in Mossul gab es vor der Rückeroberung 40.000 IS-Kämpfer). Viele sind in die Wüste geflohen oder in der Zivilbevölkerung untergetaucht. Es gab es auch umstrittene Arrangements, die den Abzug von IS-Kämpfern und ihren Familien erlaubten. Der IS ist somit nicht verschwunden, nur sein Territorium [mit Einschränkungen s.u.] (Harrer 24.11.2017).

Seit der IS Offensive im Jahr 2014 ist die Zahl der Opfer im Irak nach wie vor nicht auf den Wert der Zeit zwischen 2008 - 2014 zurückgegangen, in der im Anschluss an den konfessionellen Bürgerkrieg 2006-2007 eine Phase relativer Stabilität einsetzte (MRG 10.2017; vgl. IBC 23.11.2017). Von dem Höchstwert von 4.000 zivilen Todesopfern im Juni 2014 ist die Zahl 2016 [nach den Zahlen von Iraq Body Count] auf 1.500 Opfer pro Monat gesunken; dieser sinkende Trend setzt sich im Jahr 2017 fort (MRG 10.2017). Nach den von Joel Wing dokumentierten Vorfällen, wurden in den Monaten August, September und Oktober 2017 im Irak 2.988 Zivilisten getötet (MOI 9.-11.2017). Zu diesen Zahlen gelten die im Länderinformationsblatt Irak in Abschnitt 3.1 erwähnten Einschränkungen und Anmerkungen - kriminelle Gewalt wurde in dieser Statistik nur zum Teil berücksichtigt, Stammesgewalt gar nicht .

Bagdad:

Obwohl der IS Bagdad [kontrollgebietsmäßig] nie erreicht hat, verzeichnete die Hauptstadt laut Angaben der UN jeweils entweder die höchste oder die zweithöchste - nach der Provinz Ninewa - Anzahl an zivilen Todesopfern. Um ein Beispiel zu nennen: UNAMI berichtet, dass im Februar 2017 120 Zivilisten getötet und 300 verletzt wurden. In demselben Monat im Jahr 2016 war Bagdad der am stärksten betroffene Bezirk, UNAMI berichtete von 277 Todesopfern und 838 Verletzten. (Update: Für den Monat Oktober 2017 berichtet UNAMI 177 zivile Opfer (38 Tote, 139 Verletzte). Wichtig ist, anzumerken, dass diese Zahlen ausschließlich verifizierte Opfer inkludieren und als das absolute Minimum gesehen werden müssen [Anm.: Es gelten die in Abschnitt 3.1 des LIB Irak getätigten Aussagen und Anmerkungen]. Zum Beispiel beinhalten sie auch nicht jene Opfer, die in manchen Teilen der Stadt regelmäßig tot aufgefunden und geborgen werden (MRG 10.2017; UNAMI 1.11.2017). Nach wie vor kommt es in Bagdad täglich zu sicherheitsrelevanten Vorfällen mit zivilen Opfern (Wing 9.-11.2017; vgl. IBC 28.2.2017). Laut Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes ist in Bagdad weiterhin mit schweren Anschlägen insbesondere auf irakische Sicherheitsinstitutionen und deren Angehörige, auf Ministerien, Hotels, öffentliche Plätze und religiöse Einrichtungen zu rechnen (AA 23.11.2017). Für die fragile Sicherheitssituation in der Hauptstadt gibt es zahlreiche Gründe. Abgesehen davon, dass es ein attraktives Ziel für Anschläge ist, beherbergten und beherbergen die Gebiete rund um Bagdad historisch entstandene Terrorzellen, u.a. von Al-Qaeda und dem IS. Dies ist insbesondere in der Nachbarprovinz Anbar im Westen, sowie im Bezirk Jurf al-Sakhar in der Provinz Babil der Fall. Dazu kommen die äußeren Bezirke Bagdads, dem sogenannten "Bagdad-Belt", der aus spärlich besiedelten ländlichen Gegenden besteht, in denen sich bewaffnete Gruppen leicht verstecken können.

Die Acht-Millionenmetropole Bagdad hat eine höhere Kriminalitätsrate als jede andere Stadt des Landes. Hauptverantwortlich dafür ist der schwache staatliche Sicherheitsapparat sowie die schwache Exekutive. Seit dem Krieg gegen den IS verblieb in Bagdad aufgrund von Militäreinsätzen in anderen Teilen des Landes phasenweise nur eine geringe Zahl an Sicherheitspersonal. Da große Teile der Armee im Sommer 2014 abtrünnig wurden, sind zum Wiederaufbau der Armee mehrere Jahre nötig. Gleichzeitig erschienen bewaffnete Gruppen, vor allem Milizen mit Verbindungen zu den 'Popular Mobilization Forces' (PMF), auf der Bildfläche, mit divergierenden Einflüssen auf die Stabilität der Stadt. Der Zusammenbruch der Armee führte zusätzlich zu einem verstärkten Zugang und zu einer größeren Verfügbarkeit von Waffen und Munition. Dazu kommt die Korruption, die in allen Einrichtungen des Sicherheitsapparates und der Exekutive herrscht. Trotz dieser Probleme gibt es aktuell eine Verbesserung der Situation, die sich auch auf die Meinung der Bewohner über den irakischen Gesetzesvollstreckungsapparat auswirkt. Obwohl konfessionell bedingte Gewalt in Bagdad existiert, ist die Stadt nicht in gleichem Ausmaß in die Spirale der konfessionellen Gewalt des Bürgerkriegs der Jahre 2006-2007 geraten. Stattdessen kommt es zu einem Anstieg der Banden-bedingten Gewalt (Bandenkriege), die meist finanziell motiviert sind, in Kombination mit Rivalitäten zwischen Sicherheitskräften/-akteuren (MRG 10.2017).

Terrorattacken:

Terrorattacken werden meist mit verschiedenen Arten von IEDs (Improvised Explosive Devices) ausgeführt, inklusive am Körper getragene ('body-born' oder BBIEDs, in Fahrzeugen transportierte ('vehicle-borne' oder S/VBIEDs) und unter Fahrzeugen befestigte Sprengfallen ('under-vehicle-borne' oder UVBTs). Dabei handelt es sich um typische Taktiken des IS. Sie zielen dabei auf große Menschenansammlungen wie z.B. auf Märkten, in Einkaufszentren und Moscheen ab, wo der Kollateralschaden maximiert werden kann. Auch wenn diese Attacken alle Teile der Stadt treffen können, sind [ethno-religiös] gemischte Gebiete besonders gefährdet. Auch werden Kontrollpunkte regelmäßig angegriffen mit dem Ziel Sicherheitskräfte zu schwächen. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens werden an den Kontrollpunkten selten sorgfältige Fahrzeugdurchsuchungen durchgeführt, weshalb das Problem schwer einzudämmen ist (MRG 10.2017).

Es sollte auch erwähnt werden, dass UVBTs besonders häufig verwendet werden, um Individuen zu attackieren. Diese Attentate können durch persönliche oder stammesbezogene Auseinandersetzungen motiviert sein, in spezifischen Fällen sind sie politisch motiviert.

Kidnappings und Entführungen:

Kidnappings und Entführungen kommen überall in Bagdad vor, unterscheiden sich aber in Häufigkeit und Art der Opfer. Man kann generell zwischen finanziell motivierten Entführungen und denen, die politisch oder persönlich motiviert sind, unterscheiden. Während erstere von kriminellen Gangs begangen werden, werden die politisch oder persönlich motivierten von bewaffneten Gruppen oder Individuen ausgeführt. Geschätzte 65-75 Prozent können als kriminelle Akte kategorisiert werden, während zwischen einem Viertel und einem Drittel als politisch oder als Folge von persönlichen Auseinandersetzungen gesehen werden können. Die zentralen und relativ wohlhabenden Bezirke Karkh und Rusafa zeigen die höchsten Zahlen an Kidnappings und sind für etwa die Hälfte der dokumentierten Fälle des gesamten Gouvernements verantwortlich (MRG 10.2017).

Obwohl die offiziellen Daten nicht veröffentlicht wurden zeigt eine Aufzeichnung des Innenministeriums, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 in Bagdad zumindest 700 Kidnappings stattgefunden haben (MRG 10.2017).

Allerdings können sich diese in vielen Fällen überschneiden. Es wurde zum Beispiel berichtet, dass schiitische Milizen Kidnappings und Erpressungen als einkommensgenerierende Aktivitäten einsetzen. Während es sich dabei um einen kriminellen Akt handelt, kann zusätzlich auch ein politisches oder religiöses Motiv dahinter stehen. Milizen haben z.B. Mitglieder anderer Gruppen entführt und verschleppt. Opfer der von den Gruppen durchgeführten Kidnappings sind tendentiell eher Sunniten als Schiiten. Es ist auch häufig, dass Milizen Kidnappings in Gegenden, die nicht unter ihrer eigenen Kontrolle stehen, ausführen, etwa um ihre Reputation in den von ihnen kontrollierten Gebieten nicht aufs Spiel zu setzen (MRG 10.2017).

Da es zu Protesten in der Bevölkerung kam, und zu Forderungen an den Staat, Maßnahmen zu ergreifen, wurde in den letzten zwei Jahren das Thema Kidnappings in der Öffentlichkeit diskutiert. Immer wieder kam es zu Wellen von Entführungen, die gegen bestimmte Professionen und Gruppen der Gesellschaft gerichtet waren. Anfang 2017 tauchten Berichte auf, dass Sicherheitskräfte eine kriminelle Gruppe zu identifizieren suchten, die auf die Entführung von Kindern in der Gegend um Bagdad al-Jadida spezialisiert war. Im August 2017 veröffentlichte Niqash einen Artikel über eine vor Kurzem vorgefallene Serie an Kidnappings, die gegen Ärzte und medizinisches Personal gerichtet waren. Diese wurden von kriminellen Banden durchgeführt, aber auch von Stämmen, die Wiedergutmachung für Verwandte forderten, die nicht behandelt werden konnten oder die im Spital verstorben waren. Im Mai 2017 wurde eine Gruppe von Studenten und Anti-Korruptions-Aktivisten gekidnappt, angeblich von einer Miliz. Dennoch war einer der meist diskutierten Fällen die Entführung von Afrah Shawqi, einem Journalisten, der nur wenige Tage davor einen Artikel im Al-Sharq al-Awsat über die Straffreiheit von schiitischen Milizen im Irak veröffentlicht hatte. In beiden Fällen wurden die Opfer freigelassen, nachdem großer öffentlicher Druck auf den Premierminister selbst, sowie auf das Innenministerium ausgeübt worden war. Regierungsbeamte und andere politische Führungskräfte wurden ebenso ins Visier genommen wie z.B. bei jenem Fall eines hohen Beamten des Justizministeriums, der im September 2015 gekidnappt wurde, oder jenem Fall eines sunnitischen Stammesführers, dessen Entführung und Ermordung Anlass zu einer Kampagne von Amnesty International wurde (MRG 10.2017).

All diese Fälle haben Regierung und Sicherheitsdienste gezwungen, sich aktiver diesem Problem zu widmen. In vergangenen Jahren, sowie auch in den Jahren 2006-2007, war die Exekutive beinahe gänzlich außerstande, mit dieser Art der Gewalt umzugehen. Heute spricht Premierminister Abadi, der sich manchmal persönlich in Fälle involviert, lautstark über die Bedenken der Bevölkerung, und unternimmt Schritte, um die Kapazitäten der Gesetzesvollstreckung auszuweiten. Dennoch werden Milizen in erfolgreichen Fällen - wenn es Sicherheitskräften gelingt, Banden zur Anklage bringen - selten erwähnt. Es ist praktisch unmöglich einzuschätzen, wie oft die von den Sicherheitskräften Verhaftungen Mitglieder von Milizen einschließen, da Fälle von Kidnappings mit Lösegeldforderungen einfach als kriminelle Akte kategorisiert werden. Dies kann nur durch anekdotische Hinweise und durch Zeugenaussagen belegt werden. Allerdings besteht das Problem, dass die Opfer oft selber nicht wissen woher die Bedrohung kommt oder wer der Empfänger des geforderten Lösegeldes ist (MRG 10.2017).

Schießereien mit Handfeuerwaffen:

Was die Verwendung von Handfeuerwaffen betrifft, können generelle Muster zwischen dem zentralen Gebiet und der Peripherie der Provinz Bagdad unterschieden werden. Morde und Anschläge auf Zivilisten sind innerhalb der Stadt Bagdad weiter verbreitet, die Bezirke Karkh, Rusafa und Adhamiya sind diesbezüglich überrepräsentiert. Diese Anschläge richten sich z.B. gegen Geschäftsbesitzer, Anwälte sowie Angestellte der Regierung. Schießereien kommen auch in Verbindung mit Raubüberfällen vor. Zusätzlich stehen viele Tötungen in Verbindung mit Kidnappings, bei denen das Lösegeld nicht gezahlt wurde.

Im Gegensatz dazu sind Vorfälle mit Handfeuerwaffen im 'Bagdad Belt' üblicherweise gegen Sicherheitsdienste wie die Iraqi Security Forces (ISF) und Mitglieder von sunnitischen und schiitischen Mi

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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